Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 20.02.2003, Az.: L 1 RA 225/02
Zuschuss für den Kauf eines Neuwagens nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) ; Kostenzusage einschließlich der Leistungshöhe unter Widerrufsvorbehalt; Abzugsbetrag für veräußerten Altwagen nicht nach dem tatsächlichen Verkaufserlös, sondern nach der Schwacke-Liste für Gebrauchtfahrzeuge; Altwagen mit wertmindernden Schäden; Verletzung der Amtsaufklärungspflicht; Gleichbehandlung aller Versicherten; Manipulationsmöglichkeiten zwischen Käufer und Verkäufer ; KfzHV als Ermessensrichtlinie; Ermessensfehler; Ermessensfehlgebrauch; Zielsetzungen des Rehabilitationsrechts; Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit ; Behinderungsbedingte Schäden
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 20.02.2003
- Aktenzeichen
- L 1 RA 225/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 13597
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0220.L1RA225.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hildesheim - 10.10.2002 - AZ: S 14 RA 207/01
Rechtsgrundlagen
- § 20 SGB X
- § 9 SGB VI
- § 10 SGB VI
- § 11 SGB VI
- § 5 Abs. 1 KfzHV
- § 5 Abs. 3 KfzHV
- § 13 SGB VI
Kern des Rechtsstreites ist die Frage, welcher Betrag für den Altwagen von dem Zuschuss für den Kauf eines Neuwagens gemäß der Kraftfahrzeug-Hilfe abzuziehen ist. Nach Auffassung des Gerichtes ist dies grundsätzlich nicht der erzielte Verkaufserlös, sondern der Wert nach der sog. Schwacke-Liste für Gebrauchtfahrzeuge. Dies ermögliche eine Gleichbehandlung aller Versicherten. Zudem beständen sonst Manipulationsmöglichkeiten bzw. bestehe eine Abhängigkeit vom Verkaufsgeschick. Der Einholung eines Sachverständigengutachtens (im Falle der Maßgeblichkeit des Verkaufserlöses) würden die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit entgegenstehen. Von dieser grundsätzlichen Handhabung könne auch nicht bei unfallbedingten Schäden oder Reparaturrückständen am Altwagen (dadurch niedriger Verkaufserlös) abgewichen werden. Behinderungsbedingte Schäden beständen am Altwagen der Klägerin nicht.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten einen höheren Zuschuss für den Kauf eines Neuwagens nach der Kraftfahrzeughilfe-Verordnung (KfzHV) und vertritt die Auffassung, die Beklagte habe einen zu hohen Wert ihres Altwagens zu Grunde gelegt.
Die im Jahre 1964 geborene Klägerin leidet seit Mitte der 80-er Jahre an einer progredient verlaufenden Multiplen Sklerose (MS). Nach ärztlichen Feststellungen kann die Klägerin wegen Art und Schwere einer aus der Grunderkrankung erwachsenen Gehbehinderung keine öffentlichen Verkehrsmittel mehr benutzen und ist bei der Fahrt mit einem Kfz auf Servolenkung, Automatik-Getriebe und Rollstuhl-Lifter für den von ihr mitgeführten und zum Gehen erforderlichen Rollator angewiesen.
Die Klägerin ist erwerbstätig als Telefonistin mit Verwaltungsaufgaben auf einem behinderungsgerechten Arbeitsplatz. Für den Weg von und zur Arbeitsstelle benötigt und verwendet sie ein Kfz mit den o.g. Zusatzausstattungen. Bis zur vorliegend in Rede stehenden Neuwagenbeschaffung besaß sie einen gebrauchten VW Polo (im Folgenden: Altwagen).
Mit Schreiben vom Juli 2000 in Gestalt der Ergänzung vom September 2000 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Kraftfahrzeughilfe (Kfz-Hilfe) in der Gestalt eines Zuschusses für die Anschaffung eines Neuwagens sowie in Form der Kostentragung für die in das Neufahrzeug einzubauenden behinderungsbedingten Zusatzausstattungen. Nach den von ihr beigefügten Kostenvoranschlägen sollten das Neufahrzeug (Skoda Fabia) ca. 27.000,00 DM und die Zusatzausstattungen ca. 5.000,00 DM kosten.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 14. Dezember 2000 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Kostenzusage in Höhe von 18.000,00 DM als Höchst-Zuschuss gem. § 5 Abs. 1 KfzHV zum Neufahrzeug (sowie in vollständiger Höhe für die Zusatzausstattungen), "abzüglich sonstiger Leistungen". Zu diesen sonstigen Leistungen gab die Beklagte der Klägerin in dem Bescheid auf, die maßgeblichen Angaben zu dem Altwagen mitzuteilen. Nachweise seien beizufügen. Schließlich stellte die Beklagte die gesamte Kostenzusage einschließlich der Leistungshöhe unter Widerrufsvorbehalt bis zur vollständigen Rechnungslegung und Vorlage aller Unterlagen.
Die Klägerin erwarb das beabsichtigte Neufahrzeug, ließ die Zusatzausstattungen einbauen und legte die Rechnungen der Beklagten vor. Ergänzend gab sie an, dass sie den Altwagen für 2.300,00 DM an einen privaten Erwerber verkauft habe. Den entsprechenden Verkaufsvertrag fügte sie bei.
Mit Bescheid vom 12. Juni 2001 übernahm die Beklagte endgültig die Kosten für die behinderungsbedingte Zusatzausstattung. Dieser Bescheid wurde ebenfalls bestandskräftig. Mit weiterem und hier angefochtenem Bescheid vom 14. Mai 2001 setzte sie - neben den vollumfänglichen Kosten für eine weitere Zusatzausstattung - den Zuschuss für den Neuwagen endgültig fest und zog dabei von dem in der Kostenzusage vorgesehenen Höchstzuschuss von 18.000,00 DM (§ 5 Abs. 1 KfzHV) einen Betrag für den von der Klägerin veräußerten Altwagen ab. Dabei bemaß sie den Abzugsbetrag nicht nach dem tatsächlichen Verkaufserlös in Höhe von 2.300,00 DM, sondern nach der sog. Schwacke-Liste für Gebrauchtfahrzeuge, Kategorie: Händler-Einkaufspreis, in Höhe von 6.405,00 DM.
Gegen den Bescheid vom 14. Mai 2001 erhob die Klägerin hinsichtlich des Abzugsbetrages für den Altwagen Widerspruch und machte zur Begründung geltend, dass als Verkaufserlös für den Altwagen nicht ein fiktiver Preis nach der Schwacke-Liste, sondern allein der tatsächlich erzielte Preis habe zu Grunde gelegt werden dürfen. Dies gelte umso mehr deshalb, als der Händler-Einkaufspreis des Altwagens vorliegend nach den Aussagen eines Autohändlers tatsächlich nur bei ca. 1.000,00 DM gelegen habe. Denn der Altwagen habe eine Reihe von wertmindernden Schäden aufgewiesen (Heck verbeult und verzogen, Fahrertür schließt nicht richtig, Beule im Dach, rechter Kotflügel und Motorhaube verzogen, diverse Schrammen und Lackschäden, Heckklappe verbeult, Radkästen hinten verzogen, Kupplung defekt). Zur Glaubhaftmachung legte sie eine Bewertungserklärung einer Autoteile-Firma vor.
Gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 28. August 2001 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben und zur Begründung die Auffassung vertreten, das Vorgehen der Beklagten sei formell und materiell rechtswidrig. In formeller Hinsicht habe die Beklagte ihre Amtsaufklärungspflicht verletzt, weil sie die Ermittlungen zum Altwagen-Wert erst nach Erlass der Kostenzusage angestellt habe, obgleich sie dies bereits vorher hätte tun können und müssen. Bei rechtzeitiger Ermittlung wäre es von vornherein nicht zu der Differenz zwischen Kostenzusage und Endabrechnung gekommen. In materieller Hinsicht hat die Klägerin die Auffassung vertreten, dass zur Berechnung eines Altwagen-Wertes zwar grundsätzlich die Schwacke-Liste heranzuziehen sei. Im Fall von Vorschäden oder bei einem merkantilen Minderwert habe die Behörde jedoch im Rahmen des von ihr auszuübenden Ermessens von der Liste abzuweichen. Dies entspreche der Rechtsprechung mehrerer Landessozialgerichte. So habe das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg entschieden, dass von der Schwacke-Liste dann abzuweichen sei, wenn an dem Altwagen behinderungsbedingte und nicht behinderungsbedingte Schäden bestünden. Dieses Gericht habe in dem von ihm entschiedenen Fall den tatsächlich erzielten Verkaufserlös zu Grunde gelegt und nicht den im dortigen Fall von einem Kfz-Sachverständigen ermittelten (niedrigeren) Verkaufswert berücksichtigt. Vorliegend müsse daher auch das angerufene SG entsprechend dieser Entscheidung urteilen und den tatsächlich erzielten Verkaufserlös zu Grunde legen. Daneben habe auch das LSG Nordrhein-Westfalen in einem dort entschiedenen Fall nicht die Schwacke-Liste zu Grunde gelegt, sondern den von einem Kfz-Sachverständigen ermittelten Wert. Im Übrigen wichen diese beiden Entscheidungen nicht von dem vom SG in einem rechtlichen Hinweis zitierten Urteil des LSG Niedersachsen ab. Denn Gegenstand dieser Entscheidung sei ein Fahrzeug ohne besondere Schäden und mit durchschnittlichem Erhaltungszustand gewesen, sodass ein Abweichen von der Schwacke-Liste dort auch nicht geboten gewesen sei (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Januar 1998, L 10 RA 1132/96; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. September 1998, L 4 RA 68/97; LSG Niedersachsen, Urteil vom 24. Februar 2000, L 1 RA 51/99).
Die Beklagte hat erwidert, dass im Rahmen des von ihr auszuübenden Ermessens grundsätzlich von der Schwacke-Liste auszugehen sei, um die Gleichbehandlung aller Versicherten zu gewährleisten. Von der Schwacke-Liste könne nur dann abgewichen und die Wertermittlung durch Einholung eines Kfz-Sachverständigen-Gutachtens vorgenommen werden, wenn unfallbedingte Schäden an dem Kfz vorlägen. Solche unfallbedingten Schäden seien aber vorliegend weder ersichtlich noch vorgetragen.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. Oktober 2002 abgewiesen, sich im Wesentlichen der Rechtsauffassung der Beklagten angeschlossen und zur Begründung ergänzend ausgeführt: Die grundsätzliche Zugrundelegung der Schwacke-Liste gewährleiste die Gleichbehandlung aller Versicherten. Demgegenüber würden durch die von der Klägerin begehrte Zugrundelegung des tatsächlichen Verkaufserlöses zahlreiche Manipulationsmöglichkeiten zwischen Käufer und Verkäufer hinsichtlich des Verkaufspreises des Altwagens eröffnet, die nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft gehen dürften. Ebenso wenig habe die Versichertengemeinschaft für einen etwaigen Reparaturstau am Altwagen einzutreten, den der Eigentümer bzw. Halter etwa in der Erwartung in Kauf nehme, dass der dadurch verursachte Minderwert durch eine entsprechend höhere Bezuschussung nach der KfzHV ausgeglichen werde. Und schließlich stehe es im Widerspruch zu den Grundsätzen der Verwaltungsvereinfachung und Kostenersparnis, wenn für die Altwagenbewertung im Regelfall die Einholung eines zeitverzögernden und kostenaufwändigen Kfz-Sachverständigen-Gutachtens notwendig werde. Besonderheiten, die zur Abweichung von der grundsätzlichen Anwendung der Schwacke-Liste führen könnten, seien im vorliegenden Fall nicht gegeben, insbesondere seien die Schäden am Altwagen der Klägerin nicht behinderungsbedingt wie im Urteil des LSG Baden-Württemberg.
Gegen den am 21. Oktober 2002 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 24. Oktober 2002 eingelegte Berufung, mit der die Klägerin ergänzend geltend macht, dass der vom SG befürchteten Manipulationsgefahr dadurch begegnet werden könne, dass jeweils ein Kfz-Sachverständigengutachten eingeholt werde. Diese Verfahrensweise sei entgegen der Annahme des SG auch nicht zeit- und kostenaufwändig, da die Gutachten in wenigen Tagen und zu relativ geringen Kosten erstellt würden. Daneben habe das SG die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg unzutreffend wiedergegeben. Dort sei die Abweichung von der Schwacke-Liste nicht nur für behinderungsbedingte, sondern auch für nichtbehinderungsbedingte Schäden befürwortet worden. Die dortige Entscheidung sei deshalb auf den vorliegenden Fall zu übertragen. Denn auch vorliegend hätten nichtbehinderungsbedingte Schäden am Altwagen bestanden. Dabei habe es sich nicht um Folgen mangelnder Pflege, sondern vor allem um unfallbedingte Schäden gehandelt. Diese Schäden habe die Klägerin nur insoweit durch Reparatur beseitigen lassen, als dies zur Wiederherstellung der Verkehrssicherheit erforderlich gewesen sei. Eine weiter gehende Schadensbeseitigung sei ihr auf Grund ihres geringen Einkommens nicht möglich gewesen. Dies dürfe der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hildesheim vom 10. Oktober 2002 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2001 abzuändern,
- 2.
die Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden,
hilfsweise,
- 3.
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide als zutreffend und bezieht sich zur Begründung ergänzend auf den Gerichtsbescheid des SG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie haben vorgelegen und sind Gegenstand von mündlicher Verhandlung und Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß §§ 143f. Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet.
Weder der Gerichtsbescheid des SG noch die Bescheide der Beklagten sind zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung eines höheren Zuschusses als den ihr von der Beklagten bereits bewilligten Betrag.
Der im Berufungsverfahren gestellte Klageantrag auf Aufhebung und Neubescheidung ist statthaft. Denn die Leistungen zur beruflichen oder medizinischen Rehabilitation bzw. Teilhabe am Arbeitsleben sind grundsätzlich Ermessensleistungen, sodass hierauf gerichtete Klagen im Regelfall als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklagen zu erheben sind, insbesondere auch bei Anträgen nach der KfzHV(BSG, Urteil vom 14.12.1994, 4 RA 24/94, SozR 3-1200 § 39 SGB I, Nr. 1, S. 2, 3; weitere Nachweise bei: Kasseler-Kommentar-Niesel, § 13 SGB VI Rn. 14). Die von der Klägerin in Abweichung zu ihrem erstinstanzlichen Klageantrag (kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage) im Berufungsverfahren vorgenommene Antragsänderung in die nunmehr statthaft erhobene Klageart ist daher sachdienlich gemäß § 99 Abs. 1 SGG. Die Anfechtungs- und Verpflichtungsbescheidungsklage ist auch im Übrigen zulässig.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die Beklagte hat in ihren angefochtenen Entscheidungen weder formell noch materiell rechtsfehlerhaft entschieden.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist der angefochtene Bescheid nicht formell rechtsfehlerhaft, insbesondere auch nicht wegen Verletzung der der Beklagten obliegenden Amtsermittlungspflicht, § 20 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Zwar hat die Beklagte in dem Bescheid zur Kostenzusage vom 14. Dezember 2000 den von ihr festzustellenden Verkehrswert des Altwagens noch nicht in Abzug gebracht und deshalb der Klägerin eine höhere Kostenzusage erteilt als sie später in dem angefochtenen Bescheid vom 14. Mai 2001 konkretisiert wurde. Auch hatte die Klägerin der Beklagten bereits vor der Kostenzusage mitgeteilt, dass sie einen Altwagen besitze, um welches Modell es sich dabei handele und welche technischen Daten maßgeblich seien (Erstzulassung, km-Stand). Gleichwohl musste und durfte die Beklagte diese Angaben (noch) nicht einer verbindlichen Bescheiderteilung zu Grunde legen. Denn die Klägerin hatte ihren Angaben jeweils nicht die entsprechenden Unterlagen zum Nachweis beigefügt, insbesondere auch nicht den Kfz-Schein des Altwagens, obwohl sie in den ihr übersandten Vordrucken hierauf jeweils hingewiesen worden war (Vordruck 8.4201.1, von der Klägerin unterschrieben am 7. Juli 2000, Vordruck BA I - Reha 102 -, von der Klägerin unterschrieben am 09. Januar 1999). Auch Erinnerungen der Beklagten an die Vorlage von Nachweisen waren zunächst erfolglos geblieben. Die Beklagte musste und durfte deshalb den Bescheid über die Kostenzusage vom 14. Dezember 2000 nicht bereits mit dem Altwagen-Abzug versehen. Dass die Beklagte gleichwohl über die Kostenzusage im Übrigen entschied und sich nicht auf eine mangelnde Mitwirkung der Klägerin gem. §§ 60ff. Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) berief, erfolgte allein zu Gunsten der Klägerin. War die formelle Vorgehensweise der Beklagten daher rechtsgemäß, so ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass die Klägerin den Bescheid über die Kostenzusage bestandskräftig werden ließ; da der Bescheid aber mit einem umfassenden Widerrufsvorbehalt versehen war, durfte die Beklagte auch auf Grund dieses Widerrufsvorbehalts im endgültigen und hier angefochtenen Bescheid vom 14. Mai 2001 die in der Kostenzusage verlautbarte Leistungshöhe auf Grund der nunmehr berücksichtigten Absetzung des Altwagen-Wertes neu berechnen und vermindern.
Der angefochtene Bescheid ist auch materiell rechtsfehlerfrei.
Maßgebliche Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin sind §§ 9ff. Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in Verbindung mit dem Rehabilitationsangleichungsgesetz (RehaAnglG) in Verbindung mit der KfzHV, da der Anspruch vor dem 01. Juli 2001 geltend gemacht wurde und - wäre er gegeben - auch vor diesem Zeitpunkt entstanden wäre. Demhingegen wäre für Ansprüche ab dem 01. Juli 2001 das neue Recht des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) heranzuziehen gewesen (BSG, Urteil vom 14. März 2002, B 13 RJ 17/01 R, S. 6; Kasseler-Kommentar-Niesel, vor § 9 SGB VI, Rn. 2), das allerdings unverändert auf die KfzHV Bezug nimmt.
Nach §§ 9ff. SGB VI i.V.m. der KfzHV ist die von der Beklagten auf Antrag der Versicherten zu treffende Entscheidung der Bewilligung einer Leistung nach der KfzHV eine gebundene Entscheidung, soweit das "ob" der Leistung in Rede steht (Entscheidung dem Grunde nach). Dem hingegen ist die Bewilligung eine Ermessensentscheidung, soweit sie Art und den Umfang der Leistung regelt ("wie" der Leistung). Die KfzHV hat dabei die Funktion einer Ermessensrichtlinie und begrenzt das Auswahlermessen der Behörde (allg. Ansicht. Vgl. nur: BSG, Urteil vom 21. März 2001, B 5 RJ 8/00 R, S. 3, 7; BSG, Urteil vom 14. Dezember 1994, 4 RA 42/94, SozR 3-1200 § 39 SGB I, Nr. 1; Kasseler-Kommentar-Niesel, § 9, Rn. 9 SGB VI, § 13 SGB VI, Rn. 4ff. m.w.N.). Der Prüfungsumfang der Gerichte betreffend der Entscheidung zum Auswahlermessen ist begrenzt, zu prüfen ist allein, ob die Behörde ermessensfehlerfrei oder ermessensfehlerhaft gehandelt hat (Niesel, a.a.O., Rn. 10, 12 m.w.N. zur Rechtsprechung des BSG).
Im Fall der Klägerin hat die Beklagte die gebundene Entscheidung der Bewilligung von Leistungen nach der KfzHV als solcher zu Recht getroffen, da insbesondere die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der §§ 10, 11 SGB VI vorliegen, was unter den Beteiligten auch unstreitig ist.
Doch hat die Beklagte auch die Ermessensentscheidung über Art und Umfang der Leistung zutreffend getroffen, insbesondere sind keine Ermessensfehler erkennbar (Ermessensunterschreitung, Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch).
Eine Ermessensunterschreitung liegt nicht vor, weil die Beklagte ihr Ermessen tatsächlich ausgeübt hat, und zwar durch Anwendung der Ermessensrichtlinie der KfzHV. Auch eine Ermessensüberschreitung ist nicht gegeben, da die Beklagte nicht mehr als die in der Richtlinie vorgesehenen Leistungen bewilligt und erbracht hat. Dies wird von der Klägerin zu Recht auch nicht in Abrede genommen.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin leidet die Entscheidung der Beklagten auch nicht an einem Ermessensfehlgebrauch. Ein solcher wäre gegeben, wenn die Beklagte die Ermessensrichtlinie fehlerhaft angewendet hätte, wenn sie ohne rechtlichen Grund von der Richtlinie abgewichen wäre oder wenn sie von der Ermessensrichtlinie hätte abweichen müssen, um die Zielsetzung des höherrangigen formellen Gesetzes zu erfüllen, eine Abweichung aber unterlassen hätte.
Die Beklagte hat die Ermessensrichtlinie der KfzHV nicht fehlerhaft angewendet. Sie hat bei der Anwendung der Schwacke-Liste zur Bestimmung des anzurechnenden Wertes des Altwagens zutreffend den Händler-Einkaufspreis und nicht den (für die Klägerin ungünstigeren) Händler-Verkaufspreis zu Grunde gelegt (vgl. nur: LSG Niedersachsen, Urteil vom 23. Januar 2003, L 1 RA 146/01). Auch hat die Beklagte bei der Bewilligung des Zuschusses für den Neuwagen den grundsätzlichen Höchstbetrag des § 5 Abs. 1 KfzHV i.H.v. 18.000,00 DM angewendet. Die Voraussetzungen für einen abweichend höheren Betrag nach § 5 Abs. 2 KfzHV sind nicht gegeben und von der Klägerin auch zu Recht nicht eingefordert worden (vgl. hierzu beispielhaft: LSG Niedersachsen, Urteil vom 18. Juli 1996, L 1 An 172/95). Daneben ist die Beklagte auch nicht ohne rechtlichen Grund von der Richtlinie abgewichen, sondern hat die Richtlinie vielmehr uneingeschränkt angewendet.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin hätte die Beklagte im vorliegenden Fall auch nicht (ausnahmsweise) von der Richtlinie abweichen müssen oder auch nur dürfen, um den Zweck des höherrangigen Gesetzes der §§ 9ff. SGB VI zu erreichen.
Das Recht der Rehabilitation gem. §§ 9ff. SGB VI, insbesondere das Recht der berufsfördernden Rehabilitation nach §§ 16ff. SGB VI, verfolgt u.a. folgende Zielsetzungen:
- den durch eine Behinderung in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigten oder gefährdeten Versicherten durch die Reha-Leistungen möglichst auf Dauer in Arbeit und Beruf einzugliedern (final ausgerichtete Leistung)(Niesel, a.a.O., § 9 Rn. 3, 4 m.w.N.)
- die Gewährung der für den Versicherten günstigsten Leistung, um das finale Ziel der Wiedereingliederung bestmöglich zu erreichen. Dabei sollen die Wünsche des Versicherten berücksichtigt werden (Niesel, a.a.O., § 13, Rn. 8 m.w.N.)
- den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen (Niesel, a.a.O., § 13 Rn. 10 m.w.N.)
Würde man ausschließlich diese Zwecksetzungen des Rehabilitationsrechts des SGB VI und diese auch uneingeschränkt zu Grunde legen, käme im vorliegenden Fall ein Ermessensfehlgebrauch in Betracht. Denn durch die Anrechnung des höheren Wertes des Altwagens nach der Schwacke-Liste statt des niedrigeren tatsächlichen Verkaufserlöses könnten der Klägerin nicht die für sie günstigsten Leistungen gewährt worden sein, weil die Anrechnung des höheren Betrages zu einer geringeren Zuschussleistung geführt hat. Auch könnte die Beklagte besondere Umstände des Einzelfalles unberücksichtigt gelassen haben, die darin zu erblicken sein könnten, dass der Altwagen mit einer Reihe von Schäden behaftet war, die seinen Wiederverkaufswert erheblich gemindert haben dürften.
Allerdings würde die alleinige Zugrundelegung der soeben genannten Zwecksetzungen weitere Zwecksetzungen vernachlässigen, die ebenfalls vom Rehabilitationsrecht verfolgt werden. Außerdem würde die uneingeschränkte Zugrundelegung dieser Zwecksetzungen Grenzziehungen missachten, die vom Gesetzgeber in den §§ 9ff. SGB VI vorgenommen worden sind.
Zu diesen weiteren Zielsetzungen und zu den Begrenzungen der bereits genannten Zielsetzungen gehören:
- Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gem. § 13 Abs. 1 SGB VI
- Verlangen einer zumutbaren Eigenbeteiligung und Selbsthilfe des Versicherten (Nachweise bei Niesel, a.a.O., § 13 SGB VI, Rn. 15)
- Grundsatz der Gleichbehandlung aller Versicherten (Nachweise bei: Niesel, a.a.O., § 13 SGB VI, Rn. 8)
- Berücksichtigung von Wünschen des Versicherten und besonderer Umstände des Einzelfalles im Rahmen der angemessenen Möglichkeiten (Rechtsprechungsnachweise bei: Niesel, a.a.O., § 13, Rn. 9)
Auf Grund dieser weiteren Zwecksetzungen und Einschränkungen ist ein Ermessensfehlgebrauch der Beklagten aber nicht feststellbar.
Dem Grundsatz der Gleichbehandlung aller Versicherten trägt die Entscheidung der Beklagten Rechnung, indem sie bei der Bestimmung des Wertes des Altwagens nicht den tatsächlichen Verkaufserlös, sondern die Schwacke-Liste anwendet. Die Schwacke-Liste ist nicht nur im Rehabilitationsrecht, sondern auch etwa im zivilrechtlichen Schadensersatzrecht als Maßstab im Sinne der Gleichbehandlung anerkannt, da mit ihrer Hilfe durch Berücksichtigung einer Vielzahl von einschlägigen relevanten Daten eines Kfz dessen Marktwert sachdienlich bestimmt werden kann. Dieser Gleichbehandlungsgedanke wird auch in den von der Klägerin zitierten Urteilen mehrerer Landessozialgerichte nicht in Abrede genommen. Vielmehr wird auch dort die grundsätzliche Anwendbarkeit der Schwacke-Liste vorausgesetzt.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin kann aus denselben Gründen der Gleichbehandlung aber nicht auf den tatsächlich erzielten Verkaufserlös eines Fahrzeuges abgestellt werden (so aber: LSG Baden-Württemberg, a.a.O.). Denn hierdurch würden Manipulationsmöglichkeiten beim Abschluss der Kaufverträge zwischen Käufer und Verkäufer geschaffen (mit ähnlicher Begründung: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. September 1998, L 4 RA 68/97, Breithaupt 1999, S. 532, 536). Der Senat schließt sich insoweit den zutreffenden und plastisch dargestellten Erwägungen des SG im angefochtenen Urteil ausdrücklich an. Nur ergänzend ist insoweit zu erwähnen, dass bei Maßgeblichkeit des tatsächlichen Erlöses - als weiterer, willkürlicher Faktor - u.a. auch das Verhandlungsgeschick oder -ungeschick des Verkäufers über die Höhe des von dem Reha-Träger zu leistenden Zuschusses mitentscheiden würde, was angesichts der damit verbundenen Rechtsunsicherheit der Versichertengemeinschaft nicht zugemutet werden kann. Zutreffend hat die Klägerin deshalb im Berufungsverfahren auch ihr ursprüngliches Begehren auf Zugrundelegung des tatsächlichen Verkaufserlöses nicht mehr weiter verfolgt, sondern verlangt nunmehr die Einholung eines Kfz-Sachverständigengutachtens.
Doch auch eine regelhafte Einholung von jeweiligen Kfz-Sachverständigengutachten wäre mit der Zwecksetzung des Reha-Rechts nicht vereinbar. Zwar würden hierdurch Rechtssicherheit und Gleichbehandlung beachtet werden. Jedoch würde durch die mit jeder Gutachten-Einholung verbundenen zeitlichen Verzögerungen und finanziellen Zusatzbelastungen nicht mit dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit in Einklang zu bringen sein. Dieser Grundsatz steht dem Prinzip der finalen Leistungsgewährung gleichberechtigt gegenüber und ist im Gesetz in § 13 Abs. 1 SGB VI ausdrücklich festgeschrieben. Diesem Grundsatz ist auch in der KfzHV entsprochen, da nach § 5 Abs. 3 KfzHV bei der Bemessung des Verkehrswertes des Altwagens nach allgemeiner Ansicht nicht von der regelhaften Einholung von Sachverständigengutachten, sondern von der Anwendung von Listen (Schwacke-Liste) ausgegangen wird (ebenso unter Hinweis auf die Materialien des Verordnungsgebers: LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. September 1998, a.a.O., S. 536; weitere Nachweise bei: Kasseler-Kommentar-Niesel, Anhang 1 § 16 SGB VI, Rn. 19).
Schließlich vermag sich der Senat auch der von der Klägerin zuletzt noch geforderten Einholung von Kfz-Sachverständigengutachten jedenfalls in den Fällen, in denen eine besondere Wertminderung des Altwagens in Rede steht, insbesondere durch unfallbedingte Schäden oder Reparaturrückstände, nicht anzuschließen.
Dabei lässt der Senat die Frage dahinstehen, warum die Klägerin eine Unfallverursachung der geltend gemachten Schäden ihres Altwagens erstmals im Berufungsverfahren vorgetragen und bis dahin allein einen Reparaturstau als Ursache geltend gemacht hat. Dies könnte ein Hinweis auf die Schwierigkeit der Feststellung von Unfallverursachungen sein, wie sie im zivilrechtlichen Schadensersatzrecht bereits bekannt sind. Jedenfalls vermag sich der Senat weder der Auffassung des LSG Baden-Württemberg (a.a.O.) noch derjenigen der Beklagten aus ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 07. Dezember 2001 anzuschließen, wonach unfallbedingte Schäden am Altwagen berücksichtigungsfähig sein sollen. Denn nach Überzeugung des Senats sind weder unfallbedingte noch reparaturstaubedingte noch sonstige nicht behinderungsbedingte Gründe bei der Bemessung des Zuschusses nach der KfzHV in Rechnung zu stellen, weil dies mit dem höherrangigen Gesetzesrecht der Rehabilitation nicht vereinbar wäre:
Grundlegende Zielsetzung des gesamten Rehabilitationsrechts ist die Wiedereingliederung in das Arbeits- und Berufsleben von Versicherten, die infolge einer dauerhaften Erkrankung oder Behinderung in ihrer Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt oder gefährdet sind. Diese Beschränkung der Reha-Leistungen auf erkrankungs- bzw. behinderungsbedingte Nachteilsausgleiche findet sich gerade auch in der formellen gesetzlichen Grundnorm für das rentenrechtliche Reha-Recht des § 9 SGB VI sowie in den normierten persönlichen Voraussetzungen von Reha-Leistungen der Rentenversicherungsträger in § 10 SGB VI. Würden bei der Bemessung von Leistungen der KfzHV - entsprechend dem Begehren der Klägerin - (allgemeine) unfallbedingte Faktoren oder Reparaturrückstände berücksichtigt werden, die nicht behinderungsbedingt sind, wäre diese Zielsetzung der finalen Leistungsgewährung zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile überschritten. Die Geltendmachung rein privater, nicht behinderungsbedingter Faktoren ist deshalb im Recht der KfzHV bei der Bemessung des Zuschusses auch bereits ausdrücklich abgelehnt worden (BSG, Urteil vom 26. August 1992, 9b RAr 1/92, SozR 3-5765 § 4 KfzHV Nr. 1 = SozR3-4100, § 56 AFG, Nr. 8, S. 27; Kasseler-Kommentar-Niesel, Anh. § 16 SGB VI, Rn. 3). Dem schließt sich der Senat nach eigener Überzeugung an.
Die sich weiter ergebende Frage der Berücksichtigungsfähigkeit von behinderungsbedingten Schäden am Altwagen, also etwa in Fällen der Beschädigung der Innenausstattung eines Kfz durch das wiederholte Ein- und Ausladen eines Rollstuhls (LSG Baden-Württemberg, a.a.O.), musste im vorliegenden Fall nicht entschieden werden, weil die Schäden am Altwagen der Klägerin nach deren Vortrag nicht behinderungsbedingt entstanden sind.
Hat die Beklagte im vorliegenden Fall daher das ihr obliegende Ermessen fehlerfrei ausgeübt und bleibt deshalb die kombinierte Anfechtungs- und Bescheidungsklage der Klägerin ohne Erfolg, so ist nur ergänzend darauf hinzuweisen, dass damit gleichzeitig auch eine unter Berufung auf eine Ermessensreduzierung auf Null erhobene Leistungsklage, wie sie in erster Instanz noch anhängig gemacht worden war, ohne Erfolg geblieben wäre, weil sich mangels Ermessensfehler der Beklagten erst recht eine Ermessensreduzierung auf Null im Sinne der Klägerin nicht hätte feststellen lassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.