Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 04.02.2003, Az.: L 1 RA 31/02
Rentenanspruch wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 04.02.2003
- Aktenzeichen
- L 1 RA 31/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 16018
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0204.L1RA31.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - AZ: S RA 336/00
Rechtsgrundlagen
- § 43 Abs 2 SGB VI a.F.
- § 44 Abs 2 SGB VI a.F.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.
Die 1949 geborene Klägerin hat einen Beruf nicht erlernt. Sie war nach der Schulentlassung im elterlichen Geschäft tätig und wurde hier als Verkäuferin angelernt. Nach Schließung des Geschäftes arbeitete die Klägerin seit März 1969 als Kassiererin, dann als Verkäuferin und vom Januar 1991 an als Kassiererin in einem Baumarkt. Das Beschäftigungsverhältnis wurde im Jahre 2001 beendet. Derzeit erhält die Klägerin Leistungen des Arbeitsamtes.
Im Januar 2000 stellte die Klägerin einen Rentenantrag und begründete diesen mit Wirbelsäulenbeschwerden und den Folgen einer in der Kindheit durchgemachten Kinderlähmung. Die Beklagte zog einen Entlassungsbericht der Klinik Solequelle in Bad D. vom 13. 0ktober 1999 bei und veranlasste dann eine Untersuchung und Begutachtung der Klägerin durch den 0rthopäden Dr. E ... Nachdem dieser Sachverständige in seinem Gutachten vom 19. Februar 2000 zu dem Ergebnis gekommen war, dass die Klägerin trotz sich nachteilig auswirkender Veränderungen im Bereich des Bewegungs- und Stützapparates noch vollschichtig leichte bis mittelschwere Arbeiten überwiegend im Sitzen oder im Wechsel der Haltungsarten und ohne Belastung der Kniee verrichten könne, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 7. März 2000 den Rentenantrag ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie nach Beiziehung eines Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Niedersachsen (MdKN) vom 23. März 2000, in dem der Klägerin Arbeitsunfähigkeit bestätigt wurde, zurück.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin Klage erhoben mit der Begründung, bei der Beurteilung des ihr verbliebenen Leistungsvermögens durch die Beklagte seien nicht alle Gesundheitsstörungen berücksichtigt und in ihrem Ausmaß nicht zutreffend gewürdigt worden. Das Sozialgericht (SG) Hannover hat Befundberichte des Neurologen und Psychiaters F. vom 7. November 2000, des 0rthopäden Dr. G. vom 13. November 2000 und des Hausarztes Dr. H. vom 13. November 2000, dem zahlreiche weitere Arztberichte beigefügt waren, beigezogen und außerdem eine Arbeitgeberauskunft der Firma I. vom 12. Januar 2001 zu den Akten genommen. Nachdem die Klägerin ihrerseits noch eine Bescheinigung des 0rthopäden Dr. J. vom 8. Januar 2001 vorgelegt hatte, veranlasste das SG ein Gutachten des Augenarztes Dr. K., das am 9. November 2001 eingegangen ist. Dieser Sachverständige stellte eine Funktionsminderung des linken und rechten Auges fest, die Arbeiten, bei denen ein gutes räumliches Sehen erforderlich sei, nicht mehr zuließen und im übrigen eine jeweils fünfminütige Pause pro Arbeitsstunde sinnvoll erscheinen ließen. Mit Urteil vom 17. Januar 2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im einzelnen ausgeführt, dass bei der Klägerin zwar qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens bestünden. So könne sie nicht am Fließband und an laufenden Maschinen arbeiten, auch nicht auf Gerüsten, Leitern und Treppen. Außerdem müsse sie überwiegend im Sitzen oder im Wechsel der Haltungsarten tätig sein und dabei dürfe kein häufiges Knien oder Hocken, häufiges Bücken oder Überkopfarbeiten anfallen. Mit diesen Einschränkungen sei sie jedoch noch vollschichtig einsetzbar. Auch wenn sie nicht mehr als Kassiererin oder Verkäuferin arbeiten könne, müsse sie sich auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen. Der Arbeitsmarkt sei ihr auch nicht deshalb verschlossen, weil der augenärztliche Sachverständige fünf Minuten Pause pro Arbeitsstunde für sinnvoll erachtet habe. Denn unter Berücksichtigung der üblichen Frühstücks- und Mittagspause verblieben nur fünf zusätzliche Pausen von jeweils fünf Minuten pro Arbeitsstunde, die insbesondere bei Arbeiten im Büro problemlos eingelegt werden könnten. Der Rentenanspruch der Klägerin sei daher nicht begründet.
Gegen das ihr am 24. Januar 2002 zugestellte Urteil richtet sich die am 29. Januar 2002 eingegangene Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Sie ist der Auffassung, dass eine Gesamtschau der bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen und der damit verbundenen Leistungseinschränkungen nur den Schluss zulasse, dass ihr Leistungsvermögen aufgehoben sei. Unter Vorlage ärztlicher Bescheinigungen des Chirurgen Dr. L. vom 8. Januar 2002 und der Ärztin für Lungen- und Bronchialheilkunde M. vom 21. Februar 2002 ist sie weiter der Auffassung, dass die bei ihr bestehenden Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet nicht hinreichend abgeklärt seien.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 17. Januar 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 7. März 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2000 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, ab 1. Februar 2000 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für zutreffend und verweist ergänzend auf die Gründe des angefochtenen Urteils.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Arztes für N. Dr. O. vom 26. September 2002. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das vorgenannte Gutachten Bezug genommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil des Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf die Prozess- und Beiakten verwiesen. Sie haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat konnte gemäß §§ 155 Abs. 3, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil des Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.
Die gemäß §§ 143 ff. SGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und somit zulässig.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.
Das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, und zwar weder auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU)/Berufsunfähigkeit (BU) nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Recht (§§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - a.F.) noch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem seit dem 1. Januar 2001 geltenden Recht (§§ 43, 240 SGB VI n.F.). Das SG hat in seinem Urteil die hier maßgeblichen Rechtsgrundlagen des alten Rechts geprüft und rechtsfehlerfrei angewendet und auch den medizinischen Sachverhalt aufgeklärt und nachvollziehbar gewürdigt. Nach allem ist es zu der richtigen Entscheidung gekommen, dass der Klägerin eine Versichertenrente nicht zugesprochen werden kann. Es wird deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 17. Januar 2002 Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Das Ergebnis ist auch unter Geltung des neuen Rechts zutreffend, das noch höhere Anforderungen an das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Rente stellt. Auch insoweit verweist der Senat auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils.
Im Berufungsverfahren sind neue Gesichtspunkte nicht zutage getreten. Insbesondere haben sich in medizinischer Hinsicht keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das der Klägerin verbliebene Leistungsvermögen durch die im Verlaufe des Verwaltungsverfahrens und des erstinstanzlichen Verfahrens von Amts wegen eingeholten Gutachten nicht richtig beurteilt worden ist. Vielmehr sind diese Feststellungen durch das vom Senat eingeholte Gutachten Dr. O. bestätigt worden. Dieser Sachverständige hat die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates im einzelnen aufgelistet und die dadurch bedingten Einschränkungen der Leistungsfähigkeit nachvollziehbar und in sich schlüssig dargelegt. Wie schon die vor ihm gehörten Gutachter ist er daher zu der Feststellung gekommen, dass der Klägerin noch leichte Arbeiten vollschichtig möglich sind, wenn sie überwiegend im Sitzen mit gelegentlichem Wechsel der Haltungsarten zu leisten sind, nicht im Akkord oder an Automaten verrichtet werden müssen und dabei Maschinen- und Fließbandarbeiten nicht anfallen. Diese Einschätzung des Leistungsvermögens hält der Senat für überzeugend und legt sie seiner Entscheidung zugrunde. Dann aber muss es bei der Feststellung des erstinstanzlichen Urteils bleiben, dass der Klägerin der geltend gemachte Rentenanspruch derzeit nicht zusteht.
Die Berufung konnte nach allem keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs.1 SGG.
Es bestand kein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen.