Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 06.02.2003, Az.: L 6 U 46/02

Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente; Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
06.02.2003
Aktenzeichen
L 6 U 46/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 19944
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0206.L6U46.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Stade - 21.01.2002 - AZ: S 7 U 164/00

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 21. Januar 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der 1959 geborene Kläger verdrehte sich am 24. Februar 1997 auf einer Treppe das linke Knie. Dr. C., zu dem der Kläger von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. D. überwiesen wurde, hielt im Durchgangsarztbericht vom 25. Februar 1997 eine Druckschmerzhaftigkeit im Bereich der linken Kniekehle insbesondere in Höhe der Oberschenkelmuskulatur fest. Ungefähr handbreit oberhalb des Knies war eine Fascienlücke zu tasten. Dr. C. diagnostizierte einen Muskelfaserteilriss im Bereich des linken Oberschenkels und behandelte den Kläger bis zum 28. April 1997 mit einer Bandage und Salbe (Durchgangsarztbericht vom 25. Februar 1997, Stellungnahme vom 9. Januar 1998). Wegen der unauffälligen Klinik des linken Kniegelenks erfolgte keine röntgenologische Untersuchung (Durchgangsarztbericht vom 25. Februar 1997, Krankenbericht des Dr. D. vom 16. Juli 1998). Der Kläger nahm am 28. April 1997 die vor dem Unfall ausgeübte berufliche Tätigkeit wieder auf (Mitteilung des Unternehmers vom 26. Oktober 1998).

2

Zur Klärung von Unfallfolgen holte die Beklagte das chirurgische Gutachten des Prof. Dr. E. vom 4. Februar 1999 ein. Auf Grund der Beschwerden des Klägers und des Untersuchungsbefundes veranlasste Prof. Dr. E. die Magnetresonanztomographie des linken Kniegelenks am 25. November 1998, die eine "schwere Kniebinnenverletzung" ergab und die Prof. Dr. E. auf den Arbeitsunfall zurückführte: Zwar habe der Kläger im Alter von 6 Jahren am linken Knie eine Verletzung mit einer offenen Wunde erlitten. Seit dieser Verletzung habe er aber nur gelegentlich leichte Schmerzen verspürt. Eine wesentliche Einschränkung der Beweglichkeit im linken Kniegelenk habe nicht vorgelegen. Der Kläger habe als Jugendlicher und Erwachsener im Verein Fußball gespielt, ohne dass es zu nennenswerten Beschwerden gekommen sei. Da seit dem Arbeitsunfall eine deutliche zeitweise schmerzbedingte Einschränkung der Beweglichkeit des linken Kniegelenks vorliege, müsse davon ausgegangen werden, dass der jetzt diagnostizierte Schaden durch den Unfall entstanden sei. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit schätzte der Gutachter auf 30 vom Hundert (vH).

3

Demgegenüber wies der die Beklagte beratende Chirurg Dr. F. in seiner Stellungnahme vom 29. März 1999 darauf hin, dass über die Muskelfaserteilrisse im linken Oberschenkel hinaus am Unfalltag kein Schaden am linken Kniegelenk objektiviert worden sei. Die dokumentierten Befund- und Verlaufstatsachen reichten nicht aus, um die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenhangs zwischen den im Befund vom 25. November 1998 festgestellten Kniebinnenveränderungen und dem Unfall vom 24. Februar 1997 zu begründen. Daraufhin lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen ab (Bescheid vom 6. Mai 1999). Im Widerspruchsverfahren zog sie das für die Schlichtungsstelle für Arzthaftpflichtfragen erstattete Gutachten des Prof. Dr. G. vom 23. Februar 2000 bei, in dem der Gutachter zu dem Schluss gelangte, dass die röntgenmorphologischen Veränderungen nicht durch den Arbeitsunfall verursacht sein könnten, sondern Folgen unfallunabhängiger Einwirkungen sein müssten. Der Widerspruch wurde zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 24. August 2000).

4

Dagegen richtet sich die noch im selben Monat vor dem Sozialgericht (SG) Stade erhobene Klage. Auf Antrag des Klägers ist der Facharzt für Orthopädie H. gehört worden, der im Gutachten vom 26. Juni 2001 eine Verletzung des linken Kniegelenks am 24. Februar 1997 für nicht wahrscheinlich hielt. Das SG hat nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 21. Januar 2002 festgestellt, dass der Kläger am 24. Februar 1997 einen Arbeitsunfall erlitten hat und die Beklagte verurteilt, dem Kläger wegen der Unfallfolge "Muskelfaserriss linker Oberschenkel" die von der Gesetzlichen Unfallversicherung vorgesehenen Leistungen zu gewähren. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden: Es sei un-wahrscheinlich, dass die beim Kläger objektivierten Veränderungen im Bereich des linken Kniegelenks etwas mit dem Arbeitsunfall zu tun hätten.

5

Dagegen wendet sich der Kläger mit der am 7. Februar 2002 eingelegten Berufung. Unter Hinweis auf das Gutachten des Prof. Dr. E. hält er an seiner Auffassung fest, dass sein Knie bei dem Arbeitsunfall am 24. Februar 1997 verletzt worden sei. Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    den Gerichtsbescheid des SG Stade vom 21. Januar 2002 zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2000 aufzuheben,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v.H. der Vollrente zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Stade vom 21. Januar 2002 zurückzuweisen.

7

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

8

Dem Senat haben neben den Prozessakten die Unfallakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Entscheidung des SG ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente (§ 56 Sozialgesetzbuch VII). Denn seine Erwerbsfähigkeit in folgende des Arbeitsunfalls, den er am 24. Februar 1997 erlitt, nicht in rentenberechtigendem Grade, d.h. um mindestens 20 v.H. gemindert. Der erkennende Senat hatte die vorliegenden Gutachten zu würdigen, die den medizinischen Sachverhalt vollständig erfassen. Der Einholung eines weiteren Gutachtens (vgl. S. 3 der Berufungsbegründung) bedurfte es deshalb nicht.

10

Der Kläger erlitt bei dem Arbeitsunfall einen Muskelfaserteilriss im Bereich des linken Oberschenkels, dessen Folgen durch die Behandlung des Dr. C. abklangen. Die durch die Magnetresonanztomographie im November 1998 festgestellten degenerativen Veränderungen des linken Kniegelenks können nicht mit der im Recht der Gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden. Entscheidend ist, dass der medizinische Befund nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des linken Kniegelenks infolge des Arbeitsunfalls belegt. Entgegen dem Vortrag der Berufung überzeugt das chirurgische Gutachten vom 4. Februar 1999 nicht. Denn die Beurteilung des Prof. Dr. E. ist nicht schlüssig. Bei seiner Beurteilung hat der Gutachter sich, wie Prof. Dr. G. überzeugend deutlich gemacht hat, lediglich auf "vereinfachende tatbestandliche Feststellungen über das Auftreten des Schadens im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis" gestützt. Eine "wissenschaftlich fundierte und rechtlich relevante Kausalitätsbeurteilung muss sich aber an den morphologischen Veränderungen orientieren und diese zutreffend deuten" (Gutachten des Prof. Dr. G. vom 23. Februar 2000, S. 8). Von Bedeutung ist auch nicht, dass unmittelbar nach dem Unfall keine Röntgenaufnahme gefertigt wurde. Abgesehen davon, dass eine solche Untersuchung medizinisch nicht geboten war (Krankenbericht des Dr. D. vom 16. Juli 1998), können die - später gesicherten - röntgenmorphologischen Veränderungen nicht durch den Arbeitsunfall verursacht sein (Gutachten des Prof. Dr. G. vom 23. Februar 2000, S. 8 f.). Ausführlich hat der Sachverständige H. aufgezeigt, welche Befunde hätten vorliegen müssen, wenn das Kniegelenk bei dem Unfall verletzt worden wäre (S. 19 ff. des orthopädischen Gutachtens vom 26. Juni 2001). Der Senat folgt den zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid (S. 5 f.) und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).