Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 21.02.2003, Az.: L 13 B 42/02 SB
Übernahme der Kosten für ein eingeholtes Gutachten zur Ermittlung des Grades einer Behinderung; Überprüfung der Voraussetzungen und Grenzen des Ermessens
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 21.02.2003
- Aktenzeichen
- L 13 B 42/02 SB
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 21115
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0221.L13B42.02SB.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - AZ: S 19 SB 257/01
Rechtsgrundlage
- § 109 SGG
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 21. August 2002 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts (SG) Bremen, mit dem die Übernahme der Kosten eines nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten Gutachtens auf die Staatskasse abgelehnt worden ist.
Mit Bescheid vom 10. April 2001 stellte die Beklagte bei der Klägerin wegen verschiedener Funktionsbeeinträchtigungen einen Grad der Behinderung (GdB) von 20 fest. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2001).
Im anschließenden Klageverfahren vor dem SG Bremen hat die Klägerin einen GdB von 50 geltend gemacht. Auf ihren Antrag und ihre Kosten ist nach § 109 SGG ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. F. vom 29. April 2002 eingeholt worden. Dieser ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der GdB mit 20 zutreffend festgestellt sei. Er führte zusammenfassend aus, dass die wesentliche Gesundheitsstörung eine wiederkehrende Reizsymptomatik des Achsenorgans mit zeitweiligen ausstrahlenden Beschwerden sei. Zusätzlich vorhandene leichtgradige Gesundheitsstörungen seien nicht geeignet, eine Erhöhung des Gesamt-GdB zu begründen. Ein Vergleich mit der altersüblichen Norm zeige, dass hier allenfalls eine geringgradige Abweichung vorliege. Der im Widerspruchsverfahren abgegebenen gutachterlichen Stellungnahme des versorgungsärztlichen Dienstes der Beklagten vom 25. Juli 2001 hat der Sachverständige zugestimmt. Daraufhin hat die Klägerin die Klage mit Schriftsatz vom 22. Mai 2002 zurückgenommen und beantragt, die Kosten für das Gutachten des Dr. F. auf die Staatskasse zu übernehmen.
Mit Beschluss vom 21. August 2002 hat das SG den Antrag mit der Begründung abgelehnt, das Gutachten habe gegenüber den bisher bekannten Befunden keine neuen Erkenntnisse gebracht und die Beurteilung der Beklagten hinsichtlich des GdB bestätigt.
Hiergegen hat die Klägerin am 4. September 2002 Beschwerde eingelegt. Sie beruft sich auf eine ständige Rechtsprechung der früheren Landessozialgerichte Niedersachsen und Bremen, wonach Gutachterkosten auch dann auf die Staatskasse zu übernehmen seien, wenn das Gutachten eine Befriedung in dem Sinne gebracht habe, dass der Kläger auf Grund eines Gutachtens des Arztes seiner Wahl von der Erfolglosigkeit seiner Klage überzeugt sei und die Klage zurücknehme.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 21. August 2002 aufzuheben und die Kosten des gemäß § 109 SGG von dem Facharzt für Orthopädie Dr. F. ein- geholten Gutachtens vom 29. April 2002 auf die Staatskasse zu übernehmen.
Dem Gericht haben die Verwaltungsakte der Beklagten (Antr.List.Nr. 39-11-127377) und die Gerichtsakte des SG Bremen/Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Az. L 13 SB 42/02 SB, S 19 B 67/02 SB, S 19 SB 257/01) vorgelegen.
II.
Die gemäß § 172 Abs. 1 SGG statthafte und form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist jedoch zurückzuweisen.
Das Gericht hat die Entscheidung darüber, ob die Kosten der Begutachtung im Rahmen des § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG auf die Staatskasse zu übernehmen sind, nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen (Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl. 2002, § 109 Rdz. 16, 16a m.w.N.). Eine Überprüfung des mit der Beschwerde angefochtenen Beschlusses des SG kann sich infolgedessen nur darauf erstrecken, ob die Voraussetzungen und die Grenzen des Ermessens richtig bestimmt und eingehalten worden sind. Im Rahmen der gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 SGG zu treffenden Ermessensentscheidung ist darauf abzustellen, ob das betreffende Gutachten für die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts von Bedeutung gewesen ist und damit zu der für die Rechtsfindung erforderlichen richterlichen Meinungsbildung und der gerichtlichen Entscheidung maßgebend beigetragen hat (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 109 Rdz. 16a). Das SG hat den Antrag auf Übernahme der Kosten auf die Staatskasse mit dem Hinweis abgelehnt, das Gutachten habe keine neuen Erkenntnisse gebracht und die Beurteilung der Beklagten bestätigt. Diese Begründung ist zutreffend, da der Sachverständige ausdrücklich der im Widerspruchsverfahren abgegebenen gutachterlichen Stellungnahme des versorgungsärztlichen Dienstes der Beklagten zugestimmt hat.
Ermessensfehlerfrei hat das SG ferner dargelegt, dass das Gesetz nicht darauf abstelle, ob das gemäß § 109 SGG eingeholte Gutachten dem Rechtsfrieden gedient habe. Eine Kostenübernahme ist auch dann nicht gerechtfertigt, wenn das Gutachten nichts Neues gebracht und der Kläger daraufhin die Klage zurückgenommen hat (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 109 Rdz. 16a; Zeihe, Sozialgerichtsgesetz 8. Aufl., § 109 Rdz. 9c; Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 20. Juni 1994, Az. L 10 KoB 93/94 B). Eine gegenteilige ständige Rechtsprechung der früheren Landessozialgerichte Niedersachsen oder Bremen liegt nicht vor.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).