Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.02.2003, Az.: L 1 RA 69/01

Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit; Rente eines früheren selbständigen Versicherungsagenten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Grund operativer Bypassversorgung, Aortenklappenversorgung und Bandscheibenerkrankung; Fortbestehende Leistungsvermögen zur Verrichtung vollschichtiger leichter Arbeiten als Versagungsgrund bei der Beantragung einer Erwerbsunfähigkeitsrente; Darlegungsumfang bei Beantragung einer Erwerbsunfähigkeitsrente; Mindestanwartschaft in Gestalt einer dreijährigen Leistung von Pflichtbeiträgen als versicherungsrechtliche Voraussetzung einer Erwerbsunfähigkeitsrente

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
27.02.2003
Aktenzeichen
L 1 RA 69/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 25022
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0227.L1RA69.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - AZ: S 14 RA 132/00

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

2

Der im Jahre 1944 geborene Kläger hat den Volksschulabschluss abgelegt und von April 1958 bis zum September 1961 eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann durchlaufen. Seitdem war er - bis auf eine Zeit als Soldat auf Zeit von 1964 bis 1966 - ununterbrochen bei verschiedenen Unternehmen in der Versicherungsbranche tätig, zum Teil versicherungspflichtig angestellt, zum Teil selbständig. So hat der Kläger zunächst als Sachbearbeiter gearbeitet, war später als Versicherungsinspektor und sodann - in selbständiger Position - als Geschäftsstellenleiter bzw. Generalagent tätig (1972 - 1990). Im Anschluss war er von 1990 bis 1995 bei dem I. als Firmenbetreuer im Außendienst versicherungspflichtig beschäftigt und dabei nach der Arbeitgeberauskunft vom 18. August 2000 mit der Akquisition, der Beratung und dem Verkauf der vom Konzern angebotenen Versicherungsprodukten befasst. Die Bezahlung erfolgte außertariflich und abhängig von den Verkaufszahlen. Auch seit 1995 setzte er die Firmenbetreuung für den Konzern fort, jedoch aufgrund einer Umstrukturierung im Unternehmen ab August 1995 erneut in selbständiger Position als selbstständiger Handelskaufmann. Dabei hatte er nach eigenen Angaben keine weiteren Mitarbeiter, sondern betreute die Kunden im Einzugsgebiet J. allein, weshalb häufige und lange Autofahrten sowie zahlreiche Kundengespräche nötig gewesen seien (ca. 5 Firmenbesuche pro Tag zzgl. ca. 120 Terminsabsprachen im Monat). Er habe unter hohem Erfolgsdruck gestanden mit erheblichem Stress und langen Arbeitszeiten. Nachdem der Kläger im März 1998 wegen einer operativ versorgten koronaren 3-fach-Gefäßerkrankung arbeitsunfähig geworden war, hat der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis zum 1. Oktober 1999 gekündigt.

3

Nach dem Versicherungsverlauf hat der Kläger von 1958 bis 1971 sowie von 1990 bis Juli 1995 Beiträge aufgrund versicherungspflichtiger Beschäftigung entrichtet. Für die Zeit seit August 1995 hat er freiwillige Beiträge gezahlt, der Zeitraum von 1972 bis 1990 ist unbelegt.

4

Im Oktober 1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Zur Begründung wies er u.a. auf die operative Bypass- und Aortenklappen-Versorgung sowie auf eine im Oktober 1996 nach einem Unfall bei der Gartenarbeit erlittene Beinvenenthrombose hin. Daneben leide er bereits seit längerer Zeit an einem Carpaltunnelsyndrom rechts (CTS) sowie nunmehr auch an Wirbelsäulenbeschwerden, namentlich an einer Bandscheiben-Protusion bei L5/S1 mit Wurzelirritationen. Zur Glaubhaftmachung fügte er zahlreiche medizinische Unterlagen bei. Die Beklagte ermittelte zum medizinischen Sachverhalt, zog u.a. den Reha-Entlassungsbericht der K. in L. vom 23. April 1998 bei und holte die Untersuchungsgutachten des Internisten und Kardiologen Prof. Dr. M. vom 15. April 1999 sowie des Orthopäden Dr. N. vom 30. September 1999 ein, die übereinstimmend eine vollschichtige Leistungsfähigkeit sowohl im Beruf des Versicherungskaufmanns als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt feststellten, sofern in zeitweise wechselnder Körperhaltung, ohne schweres Heben und Tragen und ohne lange Bückbelastung gearbeitet werden könne und Pkw-Fahrten von mehr als einer Stunde Dauer zu vermeiden seien. Sodann lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 11. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2000 ab.

5

Mit der am 6. März 2000 vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass seine gesundheitliche Situation in cardialer, orthopädischer und angiologischer Hinsicht unzutreffend gewürdigt worden sei. Das SG hat Befundberichte eingeholt sowie ein internistisch-angiologisches und ein neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten nach jeweiliger ambulanter Untersuchung des Klägers veranlasst. Darin sind die Internistin Dr. O. in ihrem Gutachten vom 26. September 2000 und der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. in seinem Gutachten vom 19. Dezember 2000 zu der Einschätzung gekommen, dass der Kläger noch vollschichtig leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne lang anhaltende Zwangshaltungen in gebückter oder gebeugter Stellung, nicht im Hocken und im Knien, ohne Überkopfarbeit, ohne schweres Heben und Tragen über 10kg, ohne Zeitdruck durch Stress, durch Akkordarbeit oder Arbeit am Fließband sowie durch Nacht- und Wechselschicht in geschlossenen Räumen (Frau Dr. O.) und mit geistig normaler bis gehobener Beanspruchung verrichten könne, sofern die Möglichkeit bestehe, die zeitlichen Abläufe selbst zu planen, genügend Zeit zur Verfügung stehe und eine Stressbelastung zu vermeiden sei; mit zumutbarer Willensanstrengung sei der Kläger in der Lage, sich im Bereich des Versicherungswesens in entsprechender Zeit auch in ein anderes Gebiet einzuarbeiten (Dr. P.). Daraufhin hat das SG die Klage mit Urteil vom 9. März 2001 abgewiesen und zur Begründung im Einzelnen ausgeführt, dass der Kläger zwar nicht mehr im Außendienst tätig sein könne, jedoch auf den Beruf des Versicherungskaufmanns im Innendienst zu verweisen sei, weil er als gelernter Versicherungskaufmann über eine adäquate Ausbildung verfüge und die Bürotätigkeit seinem gesundheitlichen Leistungsprofil entspreche.

6

Gegen dieses am 23. März 2001 zugestellte Urteil richtet sich die am 3. April 2001 eingelegte Berufung, mit der der Kläger sein gesundheitliches Leistungsvermögen weiterhin für unzutreffend gewürdigt hält. Zudem habe er im November 2001 einen neuen Bandscheibenvorfall erlitten. Daneben sei nunmehr erstmals ein Hüftleiden aufgetreten, so dass er kaum in der Lage sei, auch nur kleinschrittig kurze Wegstrecken zurückzulegen. Zur Glaubhaftmachung legt er mehrere medizinische Unterlagen aus 1997 und 1999 sowie einen ärztlichen Bericht des Facharztes für Orthopädie Dr. Q. vom 15. November 2001 vor.

7

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

  1. 1.

    das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 9. März 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 2000 aufzuheben,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, seit Antragstellung zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

9

Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide als zutreffend und bezieht sich zur Begründung ergänzend auf das Urteil des SG.

10

Der Senat hat im vorbereitenden Verfahren auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vom 26. Oktober 2001 eingeholt, der im Einzelnen ausführt, dass der Kläger noch vollschichtig leichte Arbeiten bei mittleren bis schwierigen geistigen Anforderungen in wechselnder Körperhaltung, ohne Akkord-, Schicht-, Maschinen- oder Fließbandarbeiten sowie ohne Arbeiten an Automaten, die das Arbeitstempo bestimmen, verrichten könne. Eine feststellbare Depression sei behandlungsbedürftig und behandlungsfähig, etwa durch ein Heilverfahren. Nachdem der Kläger weitere Stellungnahmen des Facharztes für Orthopädie Dr. Q. vom 16. Januar und 12. Februar 2002 vorgelegt hat, hat der Senat von Amts wegen die Einholung eines weiteren orthopädischen sowie eines berufskundlichen Gutachtens veranlasst. Dabei hat der Arzt für Orthopädie Dr. S. in seinem Gutachten vom 6. April im Einzelnen ausgeführt, dass der Kläger aufgrund einer Zunahme der Arthrose im linken Hüftgelenk nur noch 6 Stunden täglich erwerbstätig sein könne, und zwar mit überwiegend sitzenden Tätigkeiten mit gelegentlichem Wechsel zum Gehen und Stehen. Die Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung ergebe sich aus der Zunahme der Arthrose im linken Hüftgelenk im letzten Jahr vor der Untersuchung durch den Sachverständigen. Der berufskundliche Sachverständige, der Diplom-Verwaltungswirt T., hat in seinem Gutachten vom 9. Juli 2002 nebst ergänzender Stellungnahme vom 20. November 2002 im Einzelnen ausgeführt, dass der Kläger u.a. wegen der Notwendigkeit der Vermeidung von Stressbelastungen (Termindruck) nicht mehr im Versicherungsaußendienst tätig sein könne. Doch komme auch keine Verweisung in den Versicherungsinnendienst in Betracht. Die Tätigkeitsinhalte von Versicherungskaufleuten im Innendienst einerseits und im Außendienst (Vertreter) andererseits seien weitgehend verschieden. Da der Kläger bereits vor ca. 30 Jahren den Versicherungsinnendienst verlassen habe und seitdem im Außendienst tätig gewesen sei, könne er frühestens nach einer Einarbeitungszeit von 9 - 12 Monaten wieder Sachbearbeitung im Innendienst verrichten. Hinzu komme, dass der Kläger die EDV-technische Umgestaltung der Arbeitsplätze im Innendienst versäumt und deshalb auch insoweit Anpassungsbedarf habe. Schließlich sei dem Kläger im Innendienst eine Tätigkeit der Versicherungssachbearbeitung oder auch nur als Registrator auch aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zumutbar, da der Kläger nach den getroffenen medizinischen Feststellungen seinen Arbeitstag selbst planbar gestalten können müsse, was aber im Innendienst nicht möglich sei, da dort die Arbeits- und Aktenumläufe sowie Arbeitsspitzen durch betriebliche und vom Kläger nicht beeinflussbare Umstände vorgegeben seien. Verweisbar sei der Kläger allein auf einfache ungelernte Tätigkeiten etwa als Bürohilfskraft.

11

Die Beklagte hat auf ausdrückliche Nachfrage des Senats mit Schriftsatz vom 10. Januar 2003 erstmals geltend gemacht, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen EU/BU beim Kläger letztmals im August 1997 erfüllt gewesen seien.

12

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Sie haben vorgelegen und sind Gegenstand von Beratung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe

14

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten zuvor hiermit einverstanden erklärt haben.

15

Die gemäß §§ 143f. SGG statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet.

16

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, und zwar weder wegen Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit nach dem bis zum 31. Dezember 2000 geltenden alten Recht (§§ 43, 44 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI - a.F.) noch wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach dem seit dem 1. Januar 2001 geltenden neuen Recht (§§ 43, 240 SGB VI n.F.). Zwar dürfte bei dem Kläger nach einer kardialen Erkrankung mit operativer Versorgung und Arbeitsunfähigkeit seit 3/98 der Leistungsfall der BU eingetreten sein. Die für die begehrte Rentenzahlung erforderlichen (besonderen) versicherungs-rechtlichen Voraussetzungen wären jedoch nur dann erfüllt, wenn der Leistungsfall spätestens in 8/97 eingetreten wäre. Dies ist nicht nachweisbar.

17

Nach den medizinischen Feststellungen namentlich in den Gutachten der Internistin Frau Dr. U. sowie des Neurologen und Psychiaters Dr. P. darf der Kläger keiner stressbelasteten Tätigkeit mehr nachgehen und muss die zeitlichen Abläufe seiner Tätigkeit selbst planen können. Unter diesen Voraussetzungen dürfte er - so bereits das SG zutreffend - in seinem bisherigen Beruf des Versicherungskaufmanns im Außendienst nicht mehr leistungsfähig sein. Im Gegensatz zur Auffassung des SG dürfte der Kläger aufgrund der Besonderheiten im vorliegenden Einzelfall aber auch nicht auf den Versicherungsinnendienst verwiesen werden können. Denn nach der Aussage des vom Senat gehörten berufskundlichen Sachverständigen sind im Sachbearbeitenden Versicherungsinnendienst die Akten- und Arbeitsabläufe durch betriebliche Bedingungen fremdbestimmt, so dass die medizinisch gebotene eigene zeitliche Gestaltung durch den Kläger nicht möglich erscheint.

18

Ein damit etwaig vorliegender Leistungsfall der BU wäre jedoch frühestens mit der cardialen Erkrankung und ihren psychischen Folgen im Jahre 1998 eingetreten. Die beiden Sachverständigen Dr. U. und Dr. P. begründen ihre Einschätzung zu den Leistungseinschränkungen der Stressvermeidung und Planbarkeit des Arbeitsablaufs mit der coronaren Drei-Gefäß-Erkrankung des Klägers mit operativer Versorgung, die zu einer herabgesetzten körperlichen Leistungsfähigkeit in qualitativer Hinsicht (bei allerdings noch vollschichtigem Leistungsvermögen) sowie zu einer psychischen Beeinträchtigung im Sinne einer fehlerhaften Verarbeitung des organisch guten Operationsergebnisses durch den Kläger geführt hat. Aus diesem Grunde haben auch beide Sachverständigen - für den Senat überzeugend - auf die vom Gericht jeweils gestellte Frage nach dem Zeitpunkt des Eintritts der maßgeblichen Leistungsminderung übereinstimmend das Jahr 1998 angegeben (Dr. P.: Rentenantragstellung in 10/98, Dr. U.: Operation in 3/98). Diese Einschätzung ist schließlich auch bestätigt worden durch den vom Kläger gemäß § 109 SGG benannten Sachverständigen, den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. V., der in seinem Gutachten vom Oktober 2001 ebenfalls eine Vermeidung von Stress durch Akkordarbeit u.Ä. Tätigkeiten forderte und als Leistungsfall ebenso das Jahr 1998 (Rentenantragstellung) feststellte.

19

Mit einem Leistungsfall im Jahre 1998 sind aber die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der begehrten Rente nicht erfüllt. Nach den besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Entrichtung von drei Jahren Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung ("3/5-Belegung", "36 in 60", § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI a.F., § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 n.F., § 240 Abs. 1 n.F.) hätte der Leistungsfall der BU spätestens in 8/97 eintreten müssen, um einen Rentenanspruch auszulösen. Denn die Entrichtung der letzten 36 Pflichtbeitragsmonate des Klägers endete im Juli 1995, der maßgebliche Fünf-Jahres-Zeitraum damit in 7/97. Die seitdem vom Kläger gezahlten freiwilligen Beiträge können den maßgeblichen Zeitraum nicht verlängern, da freiwillige Beiträge keine sogenannten Aufschub- oder Verlängerungstatbestände begründen, § 43 Abs. 3 SGB VI a.F., § 43 Abs. 4 n.F. (vgl. nur: Kasseler-Kommentar-Niesel, § 43 SGB VI n.F., RdNr: 63 ff.). Schließlich ist die 3/5-Belegung im Fall des Klägers auch nicht entbehrlich, weil insbesondere ein Tatbestand vorzeitiger Wartezeiterfüllung (etwa Erwerbsminderung infolge eines Arbeitsunfalles) weder ersichtlich noch vorgetragen ist, § 43 Abs. 4 SGB VI a.F., § 43 Abs. 5 SGB VI n.F ...

20

Dem Rentenbegehren des Klägers wäre danach nur dann stattzugeben, wenn ein früherer Leistungsfall der BU als im Jahre 1998, nämlich spätestens im August 1997, nachweisbar wäre. Eine solche Feststellung kann jedoch nicht getroffen werden.

21

Vor der kardialen Erkrankung des Klägers und den psychischen Folgen der fehlerhaften Krankheitsverarbeitung im Jahre 1998 bestanden beim Kläger Beschwerden auf angiologischem und orthopädischem Gebiet. Hierzu verkennt der Senat zwar nicht, dass der Kläger im Jahre 1996 - nach seinen Angaben bei der Gartenarbeit - eine Venenthrombose rechts sowie im Jahre 1997 ein Carpaltunnelsyndrom (CTS) rechts erlitten und der Facharzt für Orthopädie Dr. Q. in seinen vom Kläger vorgelegten Stellungnahmen aus dem Jahre 2002 ausgeführt hat, der Kläger leide bereits seit dem Jugendalter an einer Deformität des linken Hüftkopfes mit zunehmendem Verschleiß sowie spätestens seit Herbst 1997 an Ischiasnervenwurzelreizung, Bandscheibenvorwölbung, Forameneinengung, Fußheberschwäche, schmerzhafter Verspannung der Wirbelsäulenmuskulatur, Fehlhaltung, Kopf- und Nackenschmerz, chronischer Instabilität des Kniegelenkes, verändertem Gangbild und gestörter Nachtruhe, so dass der Kläger nur noch bis ca. 2 Stunden täglich erwerbstätig sein könne.

22

Diesen Angaben, Aussagen und Einschätzungen zum angiologischen und orthopädischen Leistungsvermögen stehen jedoch die sonstigen Aussagen und Leistungseinschätzungen der medizinischen Behandler und der Sachverständigen entgegen, die im Verlauf des Verwaltungs-, Widerspruchs-, Klag- und Berufungsverfahrens zu den Akten gelangt sind.

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In angiologischer Hinsicht hat die aufgrund des Garten-Unfalls im Oktober 1996 ausgelöste Thrombose zu keiner weitergehenden Leistungseinschränkung geführt. Der Internist und Kardiologe Prof. Dr. M. konnte kein postthrombotisches Syndrom feststellen, die Internistin Dr. O. hielt allein für unzureichend, dass der Kläger die Kompressionstrümpfe zu selten erneuere. Und der vom Kläger gem. § 109 SGG benannte Sachverständige Dr. R. beurteilt die angiologische Situation auch wegen der erfolgten Marcumarisierung als günstig.

24

Im orthopädischen Bereich können die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden des CTS, der Wirbelsäule, der Hüfte und der Knie ebenfalls keine maßgebliche Leistungseinschränkung bereits im Jahre 1997 begründen. Zum CTS rechtsseitig hatte der Orthopäde Dr. N. in seinem Gutachten noch vom September 1999 lediglich Missempfindungen ohne wesentliche Funktionseinschränkungen und der Neurologe und Psychiater Dr. P. in seinem Gutachten vom Dezember 20000 nur leichtgradige Befunde feststellen können. Dem hingegen hat der vom Kläger gem. § 109 SGG benannte Sachverständige Dr. R. zwar elektroneurographisch pathologische Werte erhoben, diese jedoch für therapierbar gehalten. Zu dem vom Kläger im Berufungsverfahren hervorgehobenen LWS-, Hüft- und Kniegelenks-Bereich schließt sich der Senat den Feststellungen im Urteil des SG vom 9. März 2001 an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die dortigen Entscheidungsgründe (Seiten 8, letzter Absatz, bis Seite 9, dritter Satz). Gegenüber diesen Feststellungen des SG sind im Hinblick auf die vorliegend streitentscheidende Frage eines Leistungsfalles bereits im Jahr 1997 im Berufungsverfahren keine neuen Erkenntnisse zutage getreten. Der vom Kläger geltend gemachte neuerliche Bandscheibenvorfall wurde von ihm für das Jahr 2001 behauptet. Das daneben vom Senat veranlasste Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. S. hat eine quantitative Leistungseinschränkung (auf 6 Stunden täglich) erst seit 2001 feststellen können, da diese Einschränkung mit der zunehmenden Beschwerdesymptomatik der Hüftgelenksarthrose des Klägers zu begründen sei und sich diese Arthrose im Hüftgelenk erst im letzten Jahr vor der Begutachtung durch den Sachverständigen (März 2002) maßgeblich verschlechtert habe. Und in dem vom Kläger gem. § 109 SGG beantragten Gutachten des Dr. R. vom 26. Oktober 2001 sind keine weitergehenden Leistungseinschränkungen beschrieben als sie bereits dem Urteil des SG zugrunde lagen.

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Aufgrund der damit vom SG zutreffend zugrunde gelegten und einheitlichen Leistungseinschätzungen zum angiologischen und orthopädischen Bereich in den Gut-achten des Prof. Dr. M., des Dr. N., der Frau Dr. U. und des Dr. W. konnte der Kläger bis ins Jahr 2001 (Zunahme der orthopädischen Beschwerden laut Dr. S.) unabhängig von den kardialen und psychischen Leistungseinschränkungen noch vollschichtig leichte Arbeiten, ohne schweres Heben und Tragen in wechselnder Körperhaltung und ohne lange Zwangshaltungen verrichten. Mit diesen qualitativen Leistungseinschränkungen war er aber in seinem bisherigen Beruf des Versicherungskaufmanns im Außendienst weiterhin leistungsfähig. Dies gilt auch für die im Reha-Entlassungsbericht vom April 1998 geforderte Einschränkung der Vermeidung von Autofahrten über eine Stunde Dauer. Denn der Kläger konnte längere Autofahrten durch Pausen unterbrechen. Zudem hat der berufskundliche Sachverständige in seiner Aussage darauf hingewiesen, dass die Arbeitsabläufe im Außendienst planbar sind.

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Schließlich und vor allem aber kann nicht übersehen werden, dass eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers erst mit der kardialen Diagnose im Jahre 1998 und nicht bereits früher einsetzte, und dass der Kläger bis zu dieser Arbeitsunfähigkeit seinen Beruf des Versicherungskaufmanns im Außendienst tatsächlich ausgeübt hat. Nach der ständigen Rechtsprechung auch des Bundessozialgerichts (BSG) kommt für die Beurteilung des Gegebenseins der ausreichenden beruflichen Leistungsfähigkeit aber der tatsächlichen Berufsausübung gegenüber etwaigen entgegenstehenden medizinischen Beurteilungen im Regelfall ein höherer Beweiswert zu (vgl. nur die Nachweise bei: Kasseler-Komentar-Niesel, § 43 SGB VI n.F., Rn. 28, 29).

27

Schließlich kann aus den anamnestischen Angaben des Klägers in dem von ihm gem. § 109 SGG beantragten Gutachten des Dr. R. vom Oktober 2001, wonach er seine Frau zur Arbeit fahre, die Einkäufe erledige, zeitweise einen Stadtbummel mache, die Hausarbeit verrichte, im Garten arbeite oder kleine Reparaturen ausführe, ebenfalls auf eine nur unerhebliche Beeinträchtigung in orthopädischer Hinsicht geschlossen werden.

28

War der Kläger nach alledem im Jahre 1997 nicht berufsunfähig i.S.v. § 43 SGB VI a.F., so war er erst recht nicht erwerbsunfähig i.S.v. § 44 SGB VI a.F., da hierfür noch weitergehende Leistungseinschränkungen zu fordern wären.

29

Hat der Kläger damit keinen Anspruch auf Rente wegen EU/BU, so hat er ebenso wenig einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, da hierfür die gleichen (besonderen) versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bestehen wie nach dem alten Recht, vgl. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4, Abs. 5, § 240 Abs. 1 SGB VI n.F ...

30

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

31

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht billigem Ermessen. Dabei hat der Senat zum einen das Unterliegen des Klägers berücksichtigt. Zum anderen hat der Senat in Rechnung gestellt, dass die Beklagte erst am Ende des Berufungsverfahrens und auf ausdrückliche Anfrage des Senats mitgeteilt hat, dass für den vom Kläger geltend gemachten Leistungsfall in 1998 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

32

Es hat kein gesetzlicher Grund gem. § 160 Abs. 2 SGG vorgelegen, die Revision zuzulassen.