Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 01.04.2003, Az.: L 10 LW 12/02
Rückerstattung von Beiträgen; Verfassungsmäßigkeit von Ausschluss einer Erstattung von nicht zu Rentenanspruch führenden Beiträgen
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 01.04.2003
- Aktenzeichen
- L 10 LW 12/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 16010
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0401.L10LW12.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Osnabrück - 07.02.2002 - AZ: S 15 LW 29/98
Rechtsgrundlagen
- § 27 GAL
- § 117 Abs. 2 ALG
- § 75 Nr. 1 ALG
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 7. Februar 2002 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rückerstattung von Beiträgen.
Der 1950 geborene Kläger entrichtete von Oktober 1980 bis September 1993 als landwirtschaftlicher Unternehmer Pflichtbeiträge zur Altershilfe für Landwirte. Die Beklagte wies ihn in der Folgezeit wiederholt auf die fristgebundene Möglichkeit einer Weiterentrichtung von Beiträgen zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes nach § 27 Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) hin. Der Kläger machte hiervon keinen Gebrauch.
Im Januar 1997 beantragte der Kläger, ihm die gezahlten Beiträge zu erstatten. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 2. Februar 1998 ab, weil der Kläger nicht für wenigstens 180 Kalendermonate Beiträge gezahlt habe, sodass ein Erstattungsanspruch nach § 117 Abs. 2 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) ausgeschlossen sei. Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 1998).
Im nachfolgenden Klageverfahren schloss sich das Sozialgericht (SG) Osnabrück der Auffassung der Beklagen an und wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. Februar 2002 ab. In den Entscheidungsgründen führte das SG ergänzend aus, dass der gesetzlich bestimmte Ausschluss einer Beitragserstattung nicht gegen Verfassungsrecht verstoße.
Der Kläger hat gegen den ihm am 11. Februar 2002 zugestellten Gerichtsbescheid am 8. März 2002 Berufung eingelegt. Er hält es weiterhin für verfassungswidrig, dass ihm eine Erstattung der gezahlten Beiträge, aus denen er einen Rentenanspruch nicht herleiten könne, verwehrt werde.
Der Kläger beantragt,
- 1.
den Gerichtsbescheid des SG Osnabrück vom 7. Februar 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 1998 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, ihm die für die Zeit von Oktober 1980 bis September 1993 gezahlten Pflichtbeiträge zu erstatten, hilfsweise, zur Hälfte zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Osnabrück vom 7. Februar 2002 zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.
Dem Senat haben außer den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig. Dem Kläger steht auch nach Auffassung des Senats kein Erstattungsanspruch gemäß §§ 117, 75 ALG zu.
Der mit der Berufung angefochtene Gerichtsbescheid ist verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen. Denn das SG hat es versäumt, die Beklagte zu der beabsichtigten Verfahrensweise zu hören. Gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 SGG ist allen Verfahrensbeteiligten vor Erlass eines Gerichtsbescheides rechtliches Gehör zu gewähren. Der Senat macht jedoch von der ihm durch § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG eingeräumten Möglichkeit, die Sache an das SG zurückzuverweisen, keinen Gebrauch, weil der Rechtsstreit ohne weitere Sachermittlungen entscheidungsreif ist.
Die Beklagte hat eine Beitragserstattung zu Recht abgelehnt, denn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs liegen im vorliegenden Fall nicht vor, was vom Kläger auch nicht bestritten wird. Ein Erstattungsanspruch nach § 117 Abs. 1 ALG scheitert daran, dass der Kläger lediglich für 156 Monate Beiträge entrichtet hat, nach der genannten Vorschrift jedoch mindestens 180 Kalendermonate mit Beiträgen belegt sein müssen. Der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Hälfte der gezahlten Beiträge gemäß § 75 Nr. 1 ALG ist durch § 117 Abs. 2 ALG ausgeschlossen. Beiträge für Zeiten vor dem 1. Januar 1995 werden hiernach nicht erstattet, soweit am 31. Dezember 1994 keine Beiträge zur Altershilfe für Landwirte gezahlt wurden und nach dem an diesem Tag geltenden Recht eine Erstattung von Beiträgen ausgeschlossen war. Der Kläger hat den letzten Beitrag zur Altershilfe für Landwirte im September 1993 gezahlt, und ein Erstattungsanspruch nach § 27 a GAL in der am 31. Dezember 1994 geltenden Fassung kam nicht in Betracht, weil hierfür u.a. für mindestens 180 Kalendermonate Beiträge entrichtet sein mussten.
Der durch § 117 ALG bewirkte Ausschluss einer Erstattung von nicht zu einem Rentenanspruch führenden Beiträgen verstößt nach Auffassung des Senats nicht gegen Verfassungsrecht. Der Kläger hatte es seinerzeit selbst in der Hand, im Wege der ihm von der Beklagten wiederholt angebotenen Weiterentrichtung von Beiträgen gemäß § 27 GAL - ggf. unter Inanspruchnahme von Beitragszuschüssen - seinen Versicherungsschutz in der Altershilfe für Landwirte bzw. ab 1995 in der Alterssicherung der Landwirte aufrecht zu erhalten. Indem er sich trotz umfassender Aufklärung seitens der Beklagten gegen eine Weiterentrichtung von Beiträgen entschied, hat er einen wirtschaftlichen Verfall der entrichteten Pflichtbeiträge in Kauf genommen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem Urteil vom 20. April 1993 (Az.: 4 RLw 7/91) vor diesem Hintergrund für das vor 1995 geltende Recht des GAL einen Verstoß gegen Art. 14 Grundgesetz (GG) verneint und auch eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG nicht für gegeben erachtet. Dieser Auffassung schließt sich der Senat für das seit 1995 geltende Recht des ALG an, das in § 117 ALG, insbesondere in Abs. 2, den Rechtszustand nach dem zuvor geltenden GAL lediglich fortgeschrieben hat. Darüber hinaus kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, dass er die zwischen Oktober 1980 und September 1993 entrichteten Beiträge zur Altershilfe für Landwirte nutzlos aufgewandt habe, denn er stand seinerzeit in vielfältiger Weise unter Versicherungsschutz, etwa im Hinblick auf ein vorzeitiges Altersgeld wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 2 Abs. 2 GAL, aber auch bezüglich einer etwaigen Hinterbliebenenversorgung oder Maßnahmen zur Rehabilitation einschließlich einer Betriebs- und Haushaltshilfe. Dass ein entsprechender Leistungsfall seinerzeit möglicherweise nicht eingetreten ist, steht dem Bestehen entsprechenden Versicherungsschutzes nicht entgegen. Es entspricht darüber hinaus dem der Altershilfe für Landwirte bzw. der Alterssicherung der Landwirte zu Grunde liegenden Prinzip einer umlagefinanzierten Alterssicherung, dass es sich um einen umfassenden Risikoausgleich handelt, dem es eigen ist, dass nicht bezüglich eines jeden Versicherten den geleisteten Beiträgen entsprechende, tatsächlich empfangene Leistungen gegenüber stehen. Das schließt zugleich im Grundsatz eine Beitragserstattung aus. Wenn der Gesetzgeber in § 27 a GAL bzw. seit 1995 in §§ 117, 75 ALG unter bestimmten tatbestandsmäßigen Voraussetzungen gleichwohl eine Beitragserstattung zugelassen hat, liegt dies in seinem gesetzgeberischen Ermessen, begründet darüber hinaus jedoch keinen generellen Anspruch auf Erstattung solcher Beiträge, denen ein entsprechender Leistungsbezug nicht gegenübersteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegt nicht vor.