Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 09.04.2003, Az.: L 9 U 37/01
Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung für einen erlittenen Verkehrsunfall; Begriff der fremden Obhut; Versicherungsschutz bei Anfahrten für die Fremdbetreuung von Kindern
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 09.04.2003
- Aktenzeichen
- L 9 U 37/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 21018
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0409.L9U37.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Stade - 03.01.2001 - AZ: S 7 U 117/00
Rechtsgrundlagen
- § 124 Abs. 2 SGG
- § 212 SGB VII
- § 8 Abs. 2 SGB VII
- § 550 Abs. 2 Nr. 1 RVO
- Art. 3 Abs. 1 GG
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Der Begriff der fremden Obhut umfaßt jede Beaufsichtigung durch andere Personen als durch die zur Personensorge verpflichteten, jedoch aus Gründen ihrer oder des Partners beruflichen Tätigkeit verhinderten Eltern bzw. die von diesen regelmäßig mit der Beaufsichtigung betrauten haushaltsangehörigen Erwachsenen.
- 2.
Im Rahmen des § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII macht es keinen Unterschied, ob ein Kind in einem Kindergarten, von Verwandten oder Bekannten versorgt wird. Diese Vorschrift rechtfertigt mithin bereits die auf die berufliche Tätigkeit bezogene Zweckrichtung der Fremdbetreuung.
- 3.
Nach dem Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII ist es für den Versicherungsschutz allein entscheidend, ob der Versicherte den unmittelbaren Weg nach und von dem Ort seiner versicherten Tätigkeit deshalb abgewichen ist, um die berufsbedingt erforderliche Fremdbetreuung seiner Kinder sicherzustellen.
- 4.
Weil der von § 8 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VII vermittelte Versicherungsschutz grundsätzlich nur für Abweichungen vom unmittelbaren Weg von und zur Arbeitsstätte beansprucht werden kann, können sowohl allein erziehende Versicherte als auch verheiratete oder in einer Lebenspartnerschaft lebende Versicherte, deren Ehegatte oder Lebenspartner selbst keiner versicherten Tätigkeit nachgeht, von der Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ausschließlich unter der Voraussetzung profitieren, dass sie ihr Kind zur Übergabe in fremde Obhut an einen außerhalb der gemeinsamen Wohnung gelegenen Ort bringen.
Tenor:
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Stade vom 3. Januar 2001 sowie der Bescheid der Berufungsbeklagten vom 9. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2000 werden aufgehoben. Die Berufungsbeklagte wird verurteilt, eine offene Radius- und Ulnafraktur links mit Durchtrennung der Strecksehnen des ersten bis dritten Fingers, eine offene Unterschenkelmehretagenfraktur rechts, ausgedehnte Weichteilverletzungen des rechten Oberschenkels, ausgedehnte nicht in das Gelenk reichende Weichteilverletzungen des linken Kniegelenks, Weichteilverletzungen am linken Sprunggelenk sowie Prellungen des Brustkorbs und des Gesichtsschädels mit Hirnkontusion als Folgen eines Arbeitsunfalls am 25. Oktober 1999 festzustellen und zu entschädigen. Die Berufungsbeklagte hat dem Berufungskläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Berufungskläger für einen am 25. Oktober 1999 erlittenen Verkehrsunfall Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung genießt.
Der Berufungskläger wohnte am Unfalltag im Ortsteil D. von E ... Mit im gemeinsamen Haushalt lebten seinerzeit die im Ordnungsamt F. beschäftigte Ehefrau des Berufungsklägers sowie die drei minderjährigen Kinder G. (10 Jahre), H. (8 Jahre) und I. (3 Jahre). Der Berufungskläger übte eine versicherte Beschäftigung bei der Fa. J. mit Sitz in dem in nördlicher Richtung etwa 4 km entfernten Hauptort von E. aus.
Am Morgen des 25. Oktober 1999 beendete der Berufungskläger um 6 Uhr seine Nachtschicht, die er tags zuvor um 22.00 Uhr angetreten hatte. Mit seinem VW-Bus T 4 entfernte er sich von seiner Wohnung weiter in nördlicher Richtung und erreichte über die Kreisstraßen K K. und K L. den etwa 14 km vom Arbeitsplatz entfernt gelegenen Ort M. (PLZ N.), in dem er seine Schwiegermutter abholte. Von dort fuhren beide auf der Bundesstraße O. zunächst in östlicher Richtung, um dann dem Verlauf der Bundesstraße P. und der Kreisstraße Q. in südlicher Richtung nach R. (PLZ S.) zu folgen. Noch vor Erreichen dieses Ortes kam der Berufungskläger von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Seine Beifahrerin kam bei diesem Verkehrsunfall ums Leben. Der Berufungskläger selbst trug mehrere offene Brüche, Weichteilverletzungen und Gesichtsprellungen mit Hirnkontusion davon. Gegen 6.50 Uhr wurde das Unfallgeschehen bei der zuständigen Polizeieinsatzzentrale gemeldet, die den Berufungskläger zur notfallmäßigen Behandlung in das Krankenhaus F. einliefern ließ.
Die Ehefrau des Berufungsklägers, die ihren Dienst bei der Stadt F. um 7.00 Uhr angetreten hatte, wurde gegen 7.45 Uhr von dem Unfall des Berufungsklägers verständigt und verließ daraufhin ihre Arbeitsstelle.
Auf eine Unfallanzeige des Arbeitgebers hin nahm die Berufungsbeklagte Ermittlungen auf, in deren Verlauf der Berufungskläger angab, dass er seine Schwiegermutter am Unfalltag zur Betreuung seiner 3 Kinder abgeholt habe, da er ja von der Nachtschicht gekommen und seine Ehefrau ganztags berufstätig gewesen sei. Die Kinder erst von zu Hause abzuholen und dann zur Schwiegermutter zu bringen, sei zu umständlich gewesen. Die Berufungsbeklagte ging gleichwohl davon aus, dass sich der Verkehrsunfall auf einem unversicherten Umweg ereignet habe, und lehnte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit Bescheid vom 9. Februar 2000 ab. Den hiergegen am 10. März 2000 erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2000 zurück.
Am 22. Juni 2000 ist Klage erhoben worden, die das Sozialgericht (SG) Stade mit Gerichtsbescheid vom 3. Januar 2001 abgewiesen hat. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass Versicherungsschutz für den Umweg über M. nicht bestanden habe. Weder habe es sich insoweit um den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII gehandelt, noch habe Versicherungsschutz in Anwendung von § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII bestanden. Soweit nach dieser Vorschrift zu der versicherten Tätigkeit auch ein Umweg gehöre, der zurückgelegt werde, um Kinder von Versicherten, die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer oder ihrer Ehegatten beruflicher Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen, habe eine solche Situation zum Unfallzeitpunkt nicht vorgelegen. Es bestehe kein Zweifel, dass nur solche Wegeabweichungen versichert seien, die der Unterbringung von Kindern dienten. Entscheidend sei mithin, dass zum Unfallzeitpunkt die von § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII erwähnten Kinder selbst transportiert worden sein müssten, und zwar um sie wegzubringen oder um sie abzuholen. Die Abholung der Schwiegermutter lasse sich hingegen nicht dem § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII unterordnen. Schon unter Geltung des § 550 Abs. 2 Nr. 1 RVO habe der Gesetzgeber davon abgesehen, den Gesetzestext so auszuweiten, wie es den Vorstellungen des Berufungsklägers entspreche. Dies sei indessen ebenso wenig geschehen wie bei In-Kraft-Treten des SGB VII, in das die bisherige Vorschrift des § 550 Abs. 2 NR 1 RVO ohne sachliche Änderung übernommen worden sei.
Mit seiner am 31. Januar 2001 eingelegten Berufung verfolgt der Berufungskläger sein Begehren weiter. Er macht geltend, es reiche für die Anwendung von § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII aus, dass der Umweg zur Schwiegermutter zurückgelegt worden sei, um die Betreuung der minderjährigen Kinder durch jene sicherzustellen. Damit stehe auch fest, dass der Umweg den erforderlichen Bezug zu der versicherten Tätigkeit des Berufungsklägers gehabt habe.
Der Berufungskläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
- 1.
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stade vom 3. Januar 2001 sowie den Bescheid der Berufungsbeklagten vom 9. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2000 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, eine offene Radius- und Ulnafraktur links mit Durchtrennung der Strecksehnen des ersten bis dritten Fingers, eine offene Unterschenkelmehretagenfraktur rechts, ausgedehnte Weichteilverletzungen des rechten Oberschenkels, ausgedehnte nicht in das Gelenk reichende Weichteilverletzungen des linken Kniegelenks, Weichteilverletzungen am linken Sprunggelenk sowie Prellungen des Brustkorbs und des Gesichtsschädels mit Hirnkontusion als Folgen eines Arbeitsunfalls am 25. Oktober 1999 festzustellen und zu entschädigen.
Die Berufungsbeklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend und verweist zur weiteren Begründung ihrer Rechtsauffassung darauf, dass für eine erweiternde Auslegung des § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII kein Raum sei.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Unfallakten der Berufungsbeklagten Bezug genommen, die beigezogen worden sind. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet im Einverständnis mit den Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung. Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Berufung des Berufungsklägers erweist sich dabei als begründet. Der Berufungskläger hat am 25. Oktober 1999 einen versicherten Wegeunfall erlitten, sodass die Berufungsbeklagte verpflichtet ist, ihm wegen der gesundheitlichen Unfallfolgen Entschädigung zu gewähren.
Maßgeblich für den Anspruch des Berufungsklägers sind insoweit die Bestimmungen des 7. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII), da sich der Wegeunfall des Berufungsklägers nach deren In-Kraft-Treten am 1. Januar 1997 ereignet hat (§ 212 SGB VII).
Grundlage für den beanspruchten Versicherungsschutz ist insoweit § 8 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Nr. 2 a SGB VII. Versicherte Tätigkeit ist danach neben dem Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) auch das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um Kinder von Versicherten, die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen (8 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VII).
Zur Überzeugung des Senats sind diese tatbestandlichen Voraussetzungen eines versicherten Wegeunfalls vorliegend erfüllt.
Als der Berufungskläger am 25. Oktober 1999 gegen 6.50 Uhr (Zeitpunkt der Unfallmeldung) mit seinem VW - Bus verunglückte, befand er sich auf dem Weg von seiner Arbeitsstätte in E. zu seiner Wohnung im Ortsteil D ... Er hatte gegen 6.00 Uhr seine Nachtschicht beendet und beabsichtigte, mit der von ihm abgeholten Schwiegermutter die eigene Wohnung aufzusuchen. Allerdings ereignete sich der Unfall nicht auf dem unmittelbaren Weg zwischen dem Ort der versicherten Tätigkeit und der Wohnung des Berufungsklägers; denn dieser hätte von E. aus sogleich in südlicher Richtung zum Ortsteil D. geführt. Das Befahren der Kreisstraße K Q. war indessen Teil einer Abweichung vom unmittelbaren Weg, die den Berufungskläger vom Ort seiner versicherten Tätigkeit in E. aus über M. ebenfalls zu seiner Wohnung hätte führen sollen.
Der damit befahrene Umweg vom unmittelbaren Weg zwischen dem Ort der versicherten Tätigkeit und der Wohnung diente - auch von der Berufungsbeklagten unbestritten - dazu, die Schwiegermutter zur Betreuung der Kinder G., H. und I. mitzunehmen. Bei diesen drei Kindern, die von der Großmutter beaufsichtigt werden sollten, handelte es sich um leibliche Kinder des Berufungsklägers. Ausweislich der Auskunft der Samtgemeinde R. vom 24. August 2001 waren sie zum Zeitpunkt des Unfalls mit Hauptwohnsitz in der elterlichen Wohnung in der T. gemeldet.
Schließlich sollten die Kinder auch wegen der beruflichen Tätigkeit des Berufungsklägers und seiner Ehefrau von der Großmutter betreut werden; denn die Beaufsichtigung sollte dazu dienen, dem Berufungskläger nach Beendigung seiner Nachtschicht die erforderliche Ruhe zu verschaffen, während seine Ehefrau ihrer Beschäftigung bei der Stadt F. nachging, die sie im Übrigen ausweislich der Auskunft der Stadt vom 30. August 2001 auch tatsächlich am 25. Oktober 1999 um 7.00 Uhr aufgenommen hatte. Ob insoweit der für jede versicherte Tätigkeit vorauszusetzende und auch von § 8 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VII verlangte innere Zusammenhang mit der versicherten Beschäftigung in diesem Zusammenhang nur dann gegeben ist, wenn von zwei zum Haushalt gehörenden Ehegatten oder Lebenspartnern beide aus beruflichen Gründen daran gehindert sind, die Kinder selbst zu betreuen, oder ob die Inanspruchnahme einer anderweitigen Betreuung bei beruflicher Verhinderung lediglich eines Elternteils auch auf dem freien Willensentschluss der Eltern beruhen kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner weiteren Erörterung; denn der Berufungskläger war im Hinblick auf sein Erholungsbedürfnis nach der beendeten Nachtschicht ebenso wegen seiner beruflichen Tätigkeit an der Betreuung der Kinder gehindert wie seine tagsüber versichert beschäftigte Ehefrau (vgl. BSG, Urteil v. 26. März 1986, Az.: 2 RU 7/85, SozR 2200 § 550 Nr. 72; Bereiter - Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 SGB VII Ziff. 13.5 m.w.N). Ebenso steht außer Zweifel, dass von den drei Kindern des Berufungsklägers jedenfalls das dreijährige, noch nicht schulpflichtige Kind Daniel der Betreuung bedurfte, sodass es auch keines weiteren Eingehens auf die Streitfrage bedarf, ob eine Anwendung von § 8 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VII auch dann zu erfolgen hat, wenn die Betreuung von Kindern des Versicherten objektiv nicht erforderlichen erscheint ist und lediglich auf freiem elterlichen Willensentschluss beruht (vgl. hierzu Bereiter - Hahn / Mehrtens, a.a.O., Rdnr. 13.6).
Ob es sich bei dem Umweg des Berufungsklägers um eine nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VII versicherte Tätigkeit gehandelt hat, hängt hiernach allein davon ab, ob der Umweg des Berufungsklägers dazu gedient hat, die Kinder fremder Obhut anzuvertrauen. Auch diese Voraussetzung ist zur Überzeugung des Senats erfüllt. Dem unmittelbaren Wortsinn nach erfasst nämlich der Begriff der "fremden Obhut" jede Beaufsichtigung durch andere Personen als durch die zur Personensorge verpflichteten, jedoch aus Gründen ihrer oder des Partners beruflichen Tätigkeit verhinderten Eltern bzw. die von diesen regelmäßig mit der Beaufsichtigung betrauten haushaltsangehörigen Erwachsenen (vgl. Ricke, Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII Rdnr. 223 c). Die demgegenüber von der Berufungsbeklagten vertretene Auffassung, nach der in den Fällen des § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII fremde Obhut lediglich durch ein Verbringen der Kinder an einen außerhalb der gemeinsamen Wohnung gelegenen Ort hergestellt werden könne, findet in dem für die Anwendung maßgeblichen veröffentlichten Gesetzeswortlaut keine Stütze; denn der Begriff der "fremden Obhut" ist nicht an eine bestimmte Örtlichkeit gebunden.
Etwas anderes ergibt sich darüber hinaus auch nicht aus Sinn und Zweck der Vorschrift. § 8 Abs. 2 Nr. 2 SGB VII erstreckt den Versicherungsschutz, der nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII für den unmittelbaren Weg nach und von der Arbeitsstätte besteht, auf bestimmte Um- und Abwege, weil der mit ihnen verfolgte Zweck den für das Bestehen des Versicherungsschutzes wesentlichen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit begründet. In der amtlichen Begründung zu der von § 8 Abs. 2 Nr. 2 a abgelösten Vorschrift des § 550 Abs. 2 Nr. 1 RVO (BT - Drucksache VI/1333, S. 6, vollständig zitiert bei Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., 47. Lfg. Juli 1986, § 550 RVO Anm 1) wird der seinerzeitige Reformbedarf insoweit ausdrücklich damit begründet, dass die Wirtschaft mehr und mehr auch auf die Mitarbeit von Frauen angewiesen sei, die nur berufstätig sein könnten, wenn ihre Kinder während der Arbeitszeit versorgt seien; ob das Kind in einem Kindergarten, von Verwandten oder Bekannten versorgt werde, mache dabei keinen Unterschied. Im Falle des § 8 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VII rechtfertigt mithin bereits die auf die berufliche Tätigkeit bezogene Zweckrichtung der Fremdbetreuung (vgl. hierzu Bereiter - Hahn / Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Stand 3/2003, § 8 SGB VII Rdnr. 13.2) die Bewertung des zu ihrer Ermöglichung eingelegten Um- oder Abweges als versicherte Tätigkeit. Ob die Fremdbetreuung in der Wohnung des Versicherten oder an einem außerhalb gelegenen Ort stattfindet, ist demgegenüber für den inneren Zusammenhang des Um- oder Abweges mit der versicherten Tätigkeit ohne Belang. Entscheidend ist auch nach Sinn und Zweck des § 8 Abs. 2 Nr. 2a allein, ob der Versicherte den unmittelbaren Weg nach und von dem Ort seiner versicherten Tätigkeit deshalb abgewichen ist, um die berufsbedingt erforderliche Fremdbetreuung seiner Kinder sicherzustellen.
Der Berufungsbeklagten gegenüber ist allerdings einzuräumen, dass sich sowohl in der bereits zitierten amtlichen Begründung zu § 550 Abs. 2 Nr. 1 RVO, als auch in der amtlichen Begründung zu § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII durchaus Anhaltspunkte dafür finden lassen, dass bei der Anwendung des § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII zuförderst an Fallgestaltungen zu denken ist, in denen der Versicherte seine Kinder auf dem Weg zum Arbeitsplatz in fremde Obhut verbringt oder nach Beendigung der Arbeit auf dem Heinweg aus fremder Obhut abholt. Eben diese beiden Fallgestaltungen werden nämlich in der amtlichen Begründung zu § 550 Abs. 2 Nr. 1 RVO (BT - Drucksache VI/1333, S. 6) eigens erwähnt und der an gleicher Stelle erstmals geprägte Begriff der "Unterbringung", der ebenfalls in der amtlichen Begründung zu § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII (BT - Drucksache 263/95, Seite 220) verwendet wird und auch die Kommentierungen zu dieser Vorschrift durchzieht (vgl. u.a. Ricke, Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII Rdnr. 222 ff), suggeriert eine Beschränkung auf ebensolche Fälle. Das hiermit zum Ausdruck kommende Vorverständnis des Begriffs der fremden Obhut als einer auf dem Weg zur Arbeitsstätte begründeten und auf dem Heimweg wieder gelösten Fremdunterbringung kennzeichnet indessen, worauf in anderem Zusammenhang bereits das BSG (Urt. 26. März 1986, a.a.O.) hingewiesen hat, lediglich den tatsächlichen Normalfall. Denn weil der von § 8 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VII vermittelte Versicherungsschutz grundsätzlich nur für Abweichungen vom unmittelbaren Weg von und zur Arbeitsstätte beansprucht werden kann, können sowohl allein erziehende Versicherte als auch verheiratete oder in einer Lebenspartnerschaft lebende Versicherte, deren Ehegatte oder Lebenspartner selbst keiner versicherten Tätigkeit nachgeht, von der Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII ausschließlich unter der Voraussetzung profitieren, dass sie ihr Kind zur Übergabe in fremde Obhut an einen außerhalb der gemeinsamen Wohnung gelegenen Ort bringen. Die Abholung einer Betreuungsperson in die gemeinsame Wohnung vor Antritt der Fahrt zur Arbeit oder ihr Rücktransport nach Rückkehr von der Arbeit würde nämlich schon deshalb zum Verlust des durch § 8 Abs. 2 Nr. 2 a vermittelten Versicherungsschutzes führen, weil hierbei notwendigerweise die Aufgabe der vom Gesetz geforderten Einheit zwischen dem zur Sicherstellung der Betreuung des Kindes dienenden Weg und dem Weg von und zur Arbeitsstätte einträte (vgl. hierzu auch Ricke, Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII Rdnr. 223). Aus dem Umstand, dass die versicherte Abholung einer Betreuungsperson im Wesentlichen nur bei verheirateten oder in einer Partnerschaft lebenden Versicherten in Betracht kommen wird, die in zeitlich gegeneinander versetzten Arbeitsschichten beschäftigt sind, lässt indessen nicht den Schluss darauf zu, dass der für den Versicherungsschutz grundlegende innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit bei einer häuslichen Betreuung der Kinder etwa nicht bestehen könne. Bei einer auf Fälle auswärtiger Unterbringung der Kinder beschränkten Anwendung des § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII würde sich daher für den Senat die ernstliche Möglichkeit eines Verstoßes der Vorschrift gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG ergeben, da eine Anknüpfung des Versicherungsschutzes an den Ort der Betreuung keinen hinreichenden materiellen Grund für die hiermit verbundene differenzierende Behandlung ergäbe.
Die Berufungsbeklagte ist nach alledem zu verurteilen, dem Berufungskläger für die ärztlicherseits festgestellten Unfallfolgen dem Grunde nach Entschädigung zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil der entscheidungserheblichen Rechtsfrage, ob sich der von § 8 Abs. 2 Nr. 2a SGB VII vermittelte Versicherungsschutz unter den weiteren Voraussetzungen der Vorschrift auch auf Ab- und Umwege zur Abholung einer Betreuungsperson in die Wohnung des Versicherten erstreckt, grundsätzliche Bedeutung zukommt.