Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 30.04.2003, Az.: L 13 V 11/02
Gewährung von Kriegsbeschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG); Verletzung der linken Kniescheibe während der Ausbildung in der Wehrmacht; Feststellung einer degenerativen Arthritis im linken Knie im Jahre 1999; Zulässigkeit der Berufungseinlegung in englischer Sprache; Nachweis des Ursachenzusammenhang zwischen der im Zweiten Weltkrieg erlittenen Knieverletzung und dem 1999 diagnostizierten Kniegelenksleiden
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 30.04.2003
- Aktenzeichen
- L 13 V 11/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 20214
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0430.L13V11.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 05.06.2002 - AZ: S 20 V 43/01
Rechtsgrundlagen
- § 61 Abs. 1 SGG
- § 31 Abs. 1 BVG
- § 1 BVG
Redaktioneller Leitsatz
Die Einreichung eines Rechtsmittels in einer Fremdsprache reicht jedenfalls dann zur Wahrung der Rechtsmittelfrist aus, wenn es sich um eine gängige Fremdsprache handelt und das Begehren nachträglich auch in der Gerichtssprache vorgetragen wird.
Derjenige, der mit seiner Klage die Gewährung einer Kriegsbeschädigtenrente begehrt, trägt für die Anspruchsvoraussetzungen, zu denen auch die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs zwischen der Kriegsverletzung und der Gesundheitsstörung gehört, die objektive Beweislast.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 5. Juni 2002 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).
Der 1920 in Polen geborene Kläger war im Zweiten Weltkrieg Angehöriger der Deutschen Wehrmacht und wanderte nach dem Krieg nach Kanada aus. Im September 1998 beantragte er bei der Beklagten erstmals die Gewährung einer Kriegsbeschädigtenrente und gab an, er habe sich bei seiner Ausbildung in der Wehrmacht im Jahr 1942 eine Verletzung der linken Kniescheibe (Verrenkung) zugezogen. Diese sei so schlimm gewesen, dass er in der Zeit von Mai bis Herbst 1942, also ungefähr 4-5 Monate, in einem Luftwaffenlazarett stationär habe behandelt werden müssen. Anschließend habe er seine Ausbildung als Infanterist fortgesetzt. Die Frage nach der ärztlichen Behandlung des geltend gemachten Körperschadens beantwortete der Kläger dahingehend, dass der verstorbene Dr. H. ihn von 1949 bis 1980/81 in Winnipeg/Kanada behandelt habe. Der Kläger legte eine Bescheinigung des Arztes Dr. I. vom 11. Mai 1999 vor. Darin heißt es, der Kläger habe im Mai 1942 eine Verletzung am linken Knie erlitten, die eine fünfmonatige Lazarettbehandlung erfordert habe. Das Knie habe sich durch das Laufen in der Armee langsam gebessert. Der Kläger habe immer einige Schmerzen im linken Knie gehabt und sei in Winnipeg/Kanada erstmals im Jahr 1957 von Dr. J. behandelt worden. Danach habe er Dr. K. aufgesucht. Er - Dr. I. - habe den Kläger zum ersten Mal im April 1999 untersucht. Dieser habe über Schmerzen im linken Knie geklagt. Er habe unter einer degenerativen Arthritis im linken Knie gelitten, die sich als Folge der im Mai 1942 zugezogenen Knieverletzung entwickelt habe. Bemühungen des Klägers um Behandlungsunterlagen aus der Zeit von 1982 bis 1998 blieben erfolglos. Einer von ihm eingereichten Bescheinigung ist zu entnehmen, dass Dr. L. im Dezember 1992 verstorben ist. Auf Anfrage der Beklagten übersandte die Deutsche Dienststelle in Berlin die Kopie einer dort vorliegenden Karteikarte. Daraus geht hervor, dass der Kläger in der Zeit vom 13. Juni bis 4. August 1942 wegen eines Kniegelenksergusses links in einem Lazarett in Wismar behandelt wurde.
Die Beklagte holte zu dem Antrag des Klägers eine Stellungnahme ihres ärztlichen Dienstes ein. Dieser wies darauf hin, dass außer der Bescheinigung des Dr. I. vom 11. Mai 1999 keine weiteren ärztlichen Befundunterlagen vorlägen. Reizerscheinungen des linken Kniegelenkes würden somit erstmalig über 56 Jahre nach einer 1942 erlittenen Knieverletzung medizinisch nachgewiesen. Es fehlten jegliche Brückensymptome. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Knieschwellung 1999 und der Knieverletzung 1942 lasse sich folglich nicht nachweisen. Es spreche eher gegen einen solchen Zusammenhang, dass der Kläger nach der Lazarettbehandlung als Infanterist habe eingesetzt werden können (versorgungsärztliche Stellungnahme vom 26. April 2000). Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. Juni 2000 ab, da bei dem Kläger keine Schädigungsfolgen im Sinne des § 1 BVG vorlägen. Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 29. März 2001).
Hiergegen wandte sich der Kläger mit einem am 23. Juli 2001 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben vom 1. Juni 2001, das die Beklagte dem Sozialgericht (SG) Bremen als Klage zugeleitet hat. Der Kläger hat sinngemäß geltend gemacht, entgegen der Annahme der Beklagten habe er keine Arthritis im Knie. Im Krieg sei er drei Tage im Lazarett gewesen und habe dann in der Armee seinem Land gedient. Das Knie sei geschwollen gewesen. Nach der durchgeführten Behandlung habe es lange Zeit gedauert, bis er sein Knie habe beugen können.
Mit Gerichtsbescheid vom 5. Juni 2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Mitte 1942 erlittenen Kniegelenksverrenkung links mit anschließender Ergussbildung und der von Dr. I. am 21. April 1999 festgestellten degenerativen Arthritis sei nicht wahrscheinlich. Zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr. I. sei der Kläger 79 Jahre alt gewesen. In diesem Alter sei es nicht selten bereits zu natürlicher Degeneration des Kniegelenkes gekommen. Ein solcher altersbedingter Verschleiß sei naturgegeben. Ein Kausalzusammenhang mit einer 57 Jahre zuvor erlittenen Kniegelenksverrenkung könne nicht anerkannt werden. Soweit Dr. I. demgegenüber ausgeführt habe, die degenerative Arthritis im linken Kniegelenk habe sich als Folge der im Mai 1942 am Knie erlittenen Verletzung entwickelt, sei diese Einschätzung von ihm nicht näher begründet worden. Ein Zusammenhang mit der im Krieg erlittenen Kniegelenksverrenkung sei auch deshalb unwahrscheinlich, weil es am Nachweis entsprechender Brückensymptome fehle.
Gegen den ihm am 5. Juli 2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit einem am 1. August 2002 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben Berufung eingelegt. Er weist darauf hin, dass der Heilungsprozess bei einer Verletzung des Körpers lange dauern könne und regt an, eine ärztliche Untersuchung über seinen jetzigen Gesundheitszustand zu veranlassen.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 5. Juni 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Juni 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2001 zu verurteilen, ihm ab September 1998 Beschädigtenversorgung nach dem BVG unter Anerkennung eines Kniegelenksleidens links zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Versorgungsakte der Beklagten (Az. 12 F 668) und die Gerichtsakte (Az. L 13 V 11/02, S 20 V 43/01) verwiesen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.
Entscheidungsgründe
Mit dem Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Berufung ist zulässig. Zwar ist die Berufungsschrift - ebenso wie die Klageschrift - in englischer Sprache eingereicht worden. Die Beklagte hat diese allerdings jeweils mit deutschen Übersetzungen an das Gericht weitergeleitet. Die Einreichung eines Rechtsmittels in einer Fremdsprache reicht jedenfalls dann zur Wahrung der Rechtsmittelfrist aus, wenn es sich wie hier um eine gängige Fremdsprache handelt und das Begehren nachträglich auch in der Gerichtssprache vorgetragen wird (vgl. zum Meinungsstand Meyer-Ladewig, SGG, § 61 Rz. 7).
Die Berufung ist indes in der Sache nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beschädigtenversorgung nach dem BVG.
Das SG hat in seinem Gerichtsbescheid die gesetzlichen Voraussetzungen für den geltend gemachten Versorgungsanspruch dargestellt und rechtsfehlerfrei geprüft. Es ist danach zu der zutreffenden Entscheidung gekommen, dass dem Kläger die geltend gemachte Beschädigtenversorgung nicht zusteht, da ein Ursachenzusammenhang zwischen der im Zweiten Weltkrieg erlittenen Knieverletzung und dem 1999 diagnostizierten Kniegelenksleiden nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen wird daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides Bezug genommen.
Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere rechtliche Beurteilung. Soweit der Kläger offenbar eine aktuelle ärztliche Untersuchung über seinen Gesundheitszustand anregt, sind daraus keine Erkenntnisse für den hier streitigen Ursachenzusammenhang zwischen der 1942 erlittenen Knieverletzung und dem heute vorliegenden Kniegelenks-leiden zu erwarten. Ein solcher Ursachenzusammenhang könnte mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nur dann bejaht werden, wenn Entstehung, Art und Umfang des 1942 aufgetretenen Knieleidens und so genannte Brückensymptome nachgewiesen wären, d. h. ärztliche Unterlagen aus der Zeit vor 1999 vorlägen, die Symptome der im Krieg erlittenen Knieverletzung beschreiben. Daran fehlt es hier. Die Ärzte, bei denen der Kläger wegen des Kniegelenksleidens in den Jahren nach dem Krieg in Behandlung war, sind bereits verstorben. Behandlungsunterlagen sind offenbar nicht mehr vorhanden.
Die Beweisschwierigkeiten, die nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen sind, dass der Kläger den Versorgungsantrag erst mehr als 50 Jahre nach Kriegsende gestellt hat, sind bei der Entscheidung zu seinen Lasten zu berücksichtigen. Denn der Kläger trägt für die Anspruchsvoraussetzungen, zu denen auch die Wahrscheinlichkeit des Ursachenzusammenhangs zwischen der Kriegsverletzung und der heute vorliegenden Gesundheitsstörung gehört, die objektive Beweislast.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.