Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 03.04.2003, Az.: L 12 RI 15/01

Weitergeltung bereits aufgehobener Vorschriften des Sozialrechts; Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ; Berufsunfähig bei Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen vergleichbaren gesunden Versicherten; Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist; Differenzierung zwischen teilweiser und voller Erwerbsminderung je nach Anzahl der möglichen täglichen Arbeitszeit; Beurteilung der Berufsunfähigkeit nach der zuletzt ausgeübten Tätigkeit; Bestimmung der Wertigkeit eines der Arbeiterberufes nach dem Mehrstufenschema Bundessozialgerichts zur Bestimmung der Verweisungstätigkeit

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
03.04.2003
Aktenzeichen
L 12 RI 15/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 19930
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0403.L12RI15.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 29.11.2000 - AZ: S 6 RI 352/97

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen,.

  2. 2.

    Es ist grundsätzlich nicht erforderlich, vollschichtig einsatzfähigen Versicherten eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Das gilt auch bei erheblich leistungsgeminderten älteren Arbeitnehmern mit längerer Arbeitslosigkeit, die trotz gewisser Leistungseinschränkungen noch vollschichtig einsatzfähig sind.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 29. November 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.

2

Der am 27. Juli 1966 geborene Kläger durchlief von 1985 bis 1988 eine Ausbildung zum Metallbearbeiter. Bis Oktober 1988 war er anschließend als Schlosser beschäftigt. In der Zeit von Februar 1990 bis September 1997 stand er in einem Arbeitsverhältnis bei der I. (jetzt: J.); er war als Packer und Vorbereiter beschäftigt und bezog ein Entgelt nach der Lohngruppe 5 des Tarifvertrags der Eisen- und Stahlindustrie. Von Oktober 1993 bis November 1995 bestand Arbeitsunfähigkeit. In der Zeit von Dezember 1995 bis Oktober 1996 nahm der Kläger an einer von der Beklagten finanzierten Berufsförderungsmaßnahme im Bereich der Stahlwerke teil; Träger war die Gesellschaft für Gesundheit und berufliche Rehabilitation mbH. Die Rehabilitationsmaßnahme wurde im Hinblick auf eine ab 10. Oktober 1996 eingetretene Arbeitsunfähigkeit beendet.

3

Im November 1996 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Rentenantrag unter Hinweis auf einen Rücken- und Hüftschaden sowie auf eine Epilepsie. Die Beklagte zog diverse medizinische Unterlagen bei, u.a. ein für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) erstelltes Gutachten des Arztes Dr. K. vom 20. Dezember 1996, in welchem die Arbeitsunfähigkeit auf ein "unklares Krankheitsbild" zurückgeführt wurde. Sodann erstellte der Orthopäde und Neurologe/Psychiater Dr. L. ein Gutachten vom 27. März 1997. Er diagnostizierte Lumbalgien, eine Funktionseinschränkung der Lendenwirbelsäule sowie eine leichte Coxarthrose deformans beiderseits. Zu den epileptischen Anfällen des Klägers führte er aus, dass diese vor allem in der Kindheit aufgetreten seien, zuletzt vor acht Jahren. In psychischer Hinsicht stellte er keinen auffälligen Befund fest. Er gab an, der Kläger könne vollschichtig leichte bis mittelschwere Arbeiten (ohne schweres Heben und Tragen) verrichten und sei im Übrigen in der Lage, sich auf eine andere qualifizierte berufliche Tätigkeit umzustellen. Mit Bescheid vom 7. April 1997 lehnte daraufhin die Beklagte den Rentenantrag mit der Begründung ab, der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine vollschichtige Tätigkeit verrichten.

4

Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch verwies der Kläger auf weitere MDK-Gutachten. Die Beklagte zog u.a. ein MDK-Gutachten der Neurologin/Psychiaterin Dr. M. vom 18. April 1997 bei. Die Gutachterin diagnostizierte darin eine neurotische Depression mit Somatisierung bei psychosozial unreifer infantiler Persönlichkeit, ferner eine degenerative Erkrankung der Wirbelsäule, die im Erleben erheblich durch die erste Diagnose im Sinne der Somatisierung modifiziert wird. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. November 1997 zurück und gab zur Begründung an, der Kläger sei auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar, ohne dass eine konkrete Verweisungstätigkeit benannt werden müsse.

5

Der Kläger hat am 25. November 1997 beim Sozialgericht (SG) Bremen Klage erhoben. Er hat Unterlagen über die krankheitsbedingte Kündigung, den Bescheid des Versorgungsamts Bremen vom 16. Juli 1998 über die Feststellung eines Grades der Behinderung von 50 und einen Bescheid des Arbeitsamts Bremen vom 23. Februar 1998 über die Ablehnung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen mangelnder Verfügbarkeit auf Grund längerfristiger Arbeitsunfähigkeit zu den Akten gereicht. Zur Begründung hat er ausgeführt, ihm seien keine regelmäßigen Arbeiten mehr möglich. Er leide nicht nur unter ständigen Rückenbeschwerden, sondern auch unter einem Nasennebenhöhlen-Leiden, bis 1991 aufgetretenen epileptischen Anfällen und einer Hörstörung mit Tinnitus im linken Ohr seit Dezember 1998.

6

Die Beklagte hat zur Klagerwiderung ausgeführt, sie habe bei der Erstellung des Widerspruchsbescheides die Gutachten des MDK berücksichtigt. Aus der festgestellten Schwerbehinderung könne im Übrigen kein Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hergeleitet werden.

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Das SG hat Befund- und Behandlungsberichte des Allgemeinarztes Dr. N. vom 12. März 1998, der Neurologin/Psychiaterin Dr. O. vom 18. März 1998, der Orthopädin Dr. von P. vom 9. April 1998 - diesem Bericht waren weitere Unterlagen beigefügt - und des HNO-Arztes Dr. Q. vom 26. April 1999 eingeholt. Es hat weiter Unterlagen aus einem Rechtsstreit gegen das Versorgungsamt Bremen - S 3 Vs 360/97 - und ein Gutachten des Arbeitsamtsarztes R. vom 5. Januar 1998 beigezogen; in diesem Gutachten wird der Kläger für fähig erachtet, vollschichtig leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung und unter Witterungsschutz zu verrichten, ohne Zeitdruck, erhöhte Verletzungsgefahr, Zwangshaltungen, häufiges Bücken sowie Heben und Tragen. Das SG hat ferner eine Arbeitgeberauskunft vom 8. Juni 1999 eingeholt, in der u.a. angegeben ist, der Kläger sei tariflich als Angelernter eingruppiert gewesen.

8

Sodann ist im Auftrage des SG ein Gutachten der Orthopäden Dres. S./T. vom 12. Juni 1999 erstellt worden. Die Gutachter haben darin folgende Diagnosen gestellt: Rezidivierendes Lumbalsyndrom mit schmerzhafter Einschränkung der Lendenwirbelsäulen-Funktion bei geringfügiger skoliotischer Fehlhaltung der Lendenwirbelsäule ohne radiologisch nachweisbare Verschleißerscheinungen sowie ohne radikuläre Ausfalls- oder Reizsymptomatik; initial altersentsprechend beginnende Verschleißerscheinungen der Hüftgelenke mit geringer Rotationseinschränkung; geringe Fehlhaltung der Halswirbelsäule ohne nachweisbare Verschleißerscheinungen mit endgradiger Funktionseinschränkung; geringe Funktionseinschränkungen im Zeigefingerendgelenk links nach Weichteilverletzung. Sie haben den Kläger für fähig erachtet, vollschichtig eine leichte bis mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung unter Witterungsschutz, unter Vermeidung von Zwangshaltungen, Bücken, Heben und Tragen von schweren Lasten und Arbeiten auf Leitern und Gerüsten zu verrichten. Dem Gutachten war ein Bericht des Internisten/Kardiologen Dr. U. vom 16. März 1999 über den Ausschluss einer Herz-/Koronarinsuffizienz beigefügt.

9

Ein weiteres Gutachten vom 15. November 1999 ist von der Neurologin/Psychiaterin Dr. V. eingeholt worden. Diese hat eine reaktive Depression mit im Vordergrund stehendem vermindertem Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen, rezidivierende Lumbalgien bei Zustand nach Sakroiliitis und ein z. Z. medikamentös nicht behandlungsbedürftiges cerebrales Anfallsleiden mit selten auftretenden epileptischen Anfällen diagnostiziert und die berufliche Leistungsfähigkeit im Übrigen wie die Vorgutachter eingeschätzt, wobei sie zusätzlich Arbeiten an drehenden Maschinen ausgeschlossen hat.

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Mit Urteil vom 29. November 2000 hat das SG Bremen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht im Wesentlichen ausgeführt, als Angelernter sei der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar. Auf diesem könne er in vollschichtigem Umfange tätig sein.

11

Gegen dieses ihm am 17. April 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. Mai 2001 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Bremen eingelegt. Er macht geltend, ihm sei der Arbeitsmarkt verschlossen. Insofern sei vom Vorliegen eines Katalogfalls nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auszugehen. Ihm sei daher jedenfalls eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Er habe im Rahmen der betrieblichen Rehabilitationsmaßnahme aus gesundheitlichen Gründen nicht wieder eingegliedert werden können; dies zeige, dass ihm eine regelmäßige berufliche Tätigkeit nicht mehr möglich sei; nicht einmal im häuslichen Bereich könne er sich schwerere Arbeiten zumuten.

12

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 29. November 2000 aufzuheben und die Beklagte- klagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 1997 zu verurteilen, dem Kläger eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab 1. November 1996 zu zahlen.

13

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

14

Sie reicht Stellungnahmen ihres Sozialmedizinischen Dienstes (Internistin Dr. W.) vom 15. Mai 2002 und 11. Dezember 2002 ein. Zur Erwiderung nimmt sie Bezug auf das nach ihrer Auffassung zutreffende Urteil des SG Bremen.

15

Das Gericht hat weitere Befundberichte der Ärzte Dr. O. und Dr. N. vom 14. August 2001 und einen Befundbericht des Neurologen/Psychiaters Dr. X. vom 28. Oktober 2002 eingeholt; letzterer hat angegeben, eine antikonvulsive Medikation sei seit September 2002 wieder aufgenommen worden, ferner hat er einen Bericht des Radiologen Y. vom 1. Oktober 2002 über eine Computertomographie des Kopfes beigefügt. Das Gericht hat weiter ein versorgungsärztliches Gutachten des Chirurgen Dr. Z. vom 28. August 2001 beigezogen.

16

Im Auftrage des Gerichts haben die Neurologen/Psychiater Prof. Dr. AB./Dr. BB. ein Gutachten vom 5. Februar 2002 erstellt. Sie stellen die Diagnosen einer chronifizierten Dysthymie, eines schädlichen Alkoholkonsums, eines chronifizierten Schmerzsyndroms im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule mit rezidivierend auftretenden Lumbalgien und schmerzhafter Bewegungseinschränkung des linken Beines nach Sakroiliitis und eines cerebralen Anfallsleidens mit selten auftretenden, generalisierten Anfällen. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit geben sie an, der Kläger könne vollschichtig leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten in Tagesschicht verrichten, sofern die in den vorangegangenen Gutachten genannten Einschränkungen beachtet würden.

17

Das Gericht hat die Rentenakte der Beklagten - Versicherungsnummer 28 270766 B 002 - und die Leistungsakte des Arbeitsamts Bremen - Stamm-Nr. 629241 - beigezogen. Der Inhalt dieser Akten und der Prozessakte des LSG Niedersachsen-Bremen/SG Bremen - L 12 RI 15/01 (S 6 J 352/97) - ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG Bremen hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid der Beklagten rechtmäßig ist. Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen für den Bezug einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

19

Der Anspruch richtet sich gemäß § 300 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) nach §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (a.F.), falls der Rentenanspruch vor dem 1. Januar 2001 entstanden wäre; für die Zeit danach kommt es auf die Voraussetzungen der §§ 43, 240 SGB VI i.d.F. des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl.. I S. 1827) - SGB VI n.F. - an.

20

Nach § 43 Abs. 1 SGB VI a.F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie 1. berufsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeitragszeiten haben und 3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Abs. 2 Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Abs. 2 Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI a.F. ). Nach § 240 SGB VI n.F. erhalten vor dem 2. Januar 1961 geborene Versicherte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unter den gleichen Voraussetzungen mit der Maßgabe, dass der Anspruch schon gegeben ist, wenn die Erwerbsfähigkeit gegenüber vergleichbaren Versicherten auf unter sechs Stunden gesunken ist, und bereits dann ausgeschlossen ist, wenn eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden ausgeübt werden kann.

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Berufsunfähigkeit ist nach beiden Regelungen hier nicht gegeben, da der Kläger ihm zumutbare Tätigkeiten noch vollschichtig verrichten kann. Er leidet zwar an gesundheitlichen Störungen, die auf den Umfang seiner beruflichen Belastbarkeit einen Einfluss ausüben. Diese sind aber nicht so schwerwiegend, dass die Annahme einer verminderten Erwerbsfähigkeit im o. a. Sinne gerechtfertigt ist. Der Kläger ist nämlich nicht daran gehindert, eine vollschichtige Erwerbstätigkeit auszuüben. Diese Feststellung gründet sich auf die überzeugenden und im Wesentlichen auch übereinstimmenden Gutachten des Orthopäden und Neurologen/Psychiaters Dr. L. vom 27. März 1997, des Arbeitsamtsarztes R. vom 5. Januar 1998, der Orthopäden Dres. S./T. vom 12. Juni 1999, der Neurologin/Psychiaterin Dr. V. vom 15. November 1999 und der Neurologen/Psychiater Prof. Dr. AB./Dr. BB. vom 5. Februar 2002. Im Vordergrund des Beschwerdebilds steht bei dem Kläger ein wiederkehrendes Lendenwirbelsäulensyndrom, durch welches die Funktion der Lendenwirbelsäule zeitweise schmerzhaft eingeschränkt ist. Auf orthopädischem Gebiet liegen daneben noch eine beginnende Verschleißerscheinung im Bereich der Hüften und eine geringe Halswirbelsäulenfehlhaltung vor. Ferner leidet der Kläger auch unter gesundheitlichen Störungen aus dem neurologisch-psychiatrischen Gebiet. Es handelt sich zum einen um ein depressives Krankheitsbild mit zum Teil auch somatischen Symptomen, vor allem aber mit vermindertem Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Durch die Sachverständigen Prof. Dr. AB./Dr. CB. ist zusätzlich ein schädlicher Alkoholkonsum diagnostiziert worden. Ferner ist seit der Jugend ein cerebrales Anfallsleiden bekannt, welches seit 2002 wieder medikamentös behandelt wird. Angesichts dieser gesundheitlichen Störungen des Klägers ist es für das Gericht überzeugend, wenn die Gutachter hinsichtlich seines Leistungsvermögens zu dem Ergebnis gelangen, dass er in der Lage ist, vollschichtig eine körperliche leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung unter Schutz vor Witterungseinflüssen ohne Nacht- und Wechselschicht, Zeitdruck, Zwangshaltungen, häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten oder an drehenden Maschinen oder mit Klettern und Steigen zu verrichten.

22

Die Befundberichte des Allgemeinarztes Dr. N., der Neurologin/Psychiaterin Dr. O., der Orthopädin Dr. DB. und des Neurologe/Psychiater Dr. X. enthalten keine in den vorerwähnten Gutachten nicht berücksichtigten bzw. nicht gewürdigten Krankheitsbefunde, die das berufliche Leistungsvermögen weiter einschränken. Nach dem Befundbericht des HNO-Arztes Dr. Q. vom 26. April 1999 liegt eine nennenswerte Hörstörung nicht vor, auch wenn im Jahre 1998 ein Tieftonhörsturz links eingetreten ist.

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Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Packer und Vorbereiter in der Stahlindustrie kann der Kläger angesichts dieses Leistungsvermögens nicht mehr ausüben, da hierbei zeitweise durchaus schwere Arbeiten angefallen sind. Von dieser Tätigkeit - und nicht, wie der Kläger meint, von dem Ausbildungsberuf - ist für die Frage der Berufsunfähigkeit auszugehen. Der Kläger hat zwar - entgegen den Ausführungen in dem Urteil des SG - einen Facharbeiterberuf erlernt, indem er eine Ausbildung zum Metallbearbeiter erfolgreich durchlaufen hat. In diesem Beruf hat er anschließend noch von Juni bis Oktober 1988 gearbeitet. Nach seiner Bundeswehrzeit hat er sich jedoch aus anderen als gesundheitlichen Gründen der Tätigkeit als Packer zugewandt, welche erkennbar nicht die Kenntnisse und Fähigkeiten eines Facharbeiters erfordert.

24

Die Feststellung, dass der Kläger seine Tätigkeit als Packer, welche den bisherigen Beruf im Sinne der oben angeführten Vorschriften darstellt, nicht mehr verrichten kann, hat rechtlich allerdings nicht unmittelbar zur Folge, dass er als berufsunfähig anzusehen ist. Es stellt sich vielmehr - wie bereits oben dargelegt - die Frage, ob es Tätigkeiten gibt, auf die sich der Kläger verweisen lassen muss, und ob er unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustandes sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten im Stande ist, eine der in Betracht kommenden Verweisungstätigkeiten zu verrichten. Die Beantwortung dieser Frage setzt zunächst die Feststellung voraus, wie der qualitative Wert der von dem Kläger zuletzt verrichteten Tätigkeit einzuordnen ist.

25

Zur Erleichterung dieser Beurteilung hat die Rechtsprechung des BSG die Arbeiterberufe in Gruppen eingeteilt, wobei der Stufenbildung im Ansatz die zur Erreichung einer bestimmten beruflichen Qualifikation normalerweise erforderliche Ausbildung zu Grunde gelegt wurde. Dementsprechend werden die Gruppen durch folgende Leitberufe charakterisiert: Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion bzw. besonders hoch qualifizierter Facharbeiter, Facharbeiter (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), angelernter Arbeiter (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren) und ungelernter Arbeiter. Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt zum einen nach der Dauer der Ausbildung, da diese einen sicheren Hinweis auf die qualitative Bewertung eines Berufs gibt. Zum anderen kommt insbesondere den Tarifvertragsparteien bzw. der konkreten tariflichen Einstufung eine maßgebliche Rolle für die Bestimmung der Qualität einer Tätigkeit zu; denn die Tarifpartner als die unmittelbar am Arbeitsleben Beteiligten nehmen relativ zuverlässig eine Bewertung von Berufstätigkeiten vor, die den Anforderungen des Mehrstufenschemas und den diesem Schema zu Grunde liegenden Qualitätsanforderungen entspricht (BSG vom 28.05.1991, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 14).

26

Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist der Auffassung der Beklagten und des SG Bremen zuzustimmen, dass der Kläger grundsätzlich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden kann, da er als Packer eine angelernte Tätigkeit i. S. des von der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit entwickelten Mehrstufenschemas ausgeübt hat. Nach dieser Rechtsprechung kann ein Versicherter auf Tätigkeiten innerhalb der gleichen Berufsgruppe wie auch auf Tätigkeiten innerhalb der Gruppe unter der sich aus der Wertigkeit des Hauptberufs ergebenden Berufsgruppe verwiesen werden. Dass der Kläger der Gruppe der angelernten Arbeiter zuzurechnen ist, ergibt sich zum einen aus der diesbezüglichen Angabe in der Arbeitgeber-Auskunft vom 8. Juni 1999. Zum anderen verweist auch die tarifliche Eingruppierung der Tätigkeit in die Lohngruppe 5 klar auf den Bereich der angelernten Tätigkeiten.

27

Angesichts der selbst für die Tarifpartner bestehenden Unmöglichkeit, die Fülle der nicht durch Ausbildung und/oder Berufserfahrung qualifizierten Tätigkeiten im Einzelnen zu bezeichnen, ist es nach §§ 43 Abs. 2 S. 4, 44 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB VI a.F. sowie ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich nicht erforderlich, vollschichtig einsatzfähigen Versicherten eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen (BSG vom 14.9.95, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50; vom 19.12.96 - GS 2/95 -, BSGE 80, 24, 31 f. [BSG 19.12.1996 - GS - 2/95][BSG 19.12.1996 - GS - 2/95] = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Das BSG hat ferner klargestellt, dass dieser Grundsatz auch bei erheblich leistungsgeminderten älteren Arbeitnehmern mit längerer Arbeitslosigkeit, die trotz gewisser Leistungseinschränkungen noch vollschichtig einsatzfähig sind, gilt (BSG vom 23.03.1993 - 4 BA 121/92 -, NZS 93, 403; vom 14.09.1995 - 5 RJ 50/94 -). Ausnahmen hiervon gelten dann, wenn eine Summierung erheblicher, ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, wie z.B. Einarmigkeit oder Einäugigkeit, festgestellt worden ist (BSG vom 30.11.1982, SozR 2200 § 1246 Nr. 104; 06.06.1986, SozR 2200 § 1246 Nr. 136; 28.08.1991, SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8). Eine weitere Ausnahme gilt, wenn die Einschränkungen so erheblich sind, dass von vornherein ernste Zweifel daran aufkommen müssen, ob Versicherte mit dem ihnen verbliebenen Leistungsvermögen auch in einem Betrieb einsetzbar sind bzw. unter betriebsüblichen Bedingungen tätig sein können, was beispielsweise dann der Fall ist, wenn sie häufig kurze Arbeitspausen einhalten müssen (BSG vom 30.11.1982, SozR 2200 § 1246 Nr. 104; 01.03.1984, SozR 2200 § 1246 Nr. 117; 06.06.1986, SozR 2200 § 1246 Nr. 136).

28

Nach dem Leistungsvermögen des Klägers, wie es sich den gerichtlichen Sachverhaltsermittlungen entnehmen lässt, liegt zum einen keine schwere spezifische Leistungsbehinderung im Sinne der Rechtsprechung des BSG vor. Ferner liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger nur unter betriebsunüblichen Bedingungen tätig sein könnte. Schließlich ist auch kein Fall einer Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen gegeben. Wenn auch über die Einschränkung auf körperlich leichte Arbeit hinaus noch eine Reihe von weiteren qualitativen Leistungseinschränkungen besteht, so handelt es sich doch nicht um ungewöhnliche Beschränkungen, denen in ihrer Summierung auf dem Arbeitsmarkt praktisch nicht Rechnung getragen werden könnte.

29

Wenn danach Berufsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung weder nach altem noch nach neuem Recht vorliegt, so ist der Kläger auch nicht als erwerbsunfähig i.S.v. § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. oder als voll erwerbsgemindert i.S.v. § 43 Abs. 2 SGB VI n.F. anzusehen; denn der Begriff der Erwerbsunfähigkeit bzw. der vollen Erwerbsminderung setzt im Vergleich zu dem der Berufsunfähigkeit eine noch weiter gehende Einschränkung des Leistungsvermögens der Versicherten voraus. Bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen kommt ferner eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI n.F. nicht in Betracht.

30

Nach alledem steht dem Kläger eine Versichertenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zu, sodass der Berufung der Erfolg zu versagen war.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

32

Für die Zulassung der Revision lag kein gesetzlicher Grund im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG vor.