Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 23.04.2003, Az.: L 6 KN 7/02 U
Anspruch auf Verletztenrente wegen Berufskrankheit; Erkrankungen durch Erschütterungen bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 23.04.2003
- Aktenzeichen
- L 6 KN 7/02 U
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 19999
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0423.L6KN7.02U.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 15.10.2002 - AZ: S 40 KN 235/98 U
Rechtsgrundlage
- Nr. 2103 Anlage zur BKV
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 15. Oktober 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger wegen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2103 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKV - (Erkrankungen durch Erschütterungen bei Arbeit mit Druckluftwerkzeugen oder gleichartig wirkenden Werkzeugen oder Maschinen) Anspruch auf Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat.
Der 1935 geborene Kläger war von September 1950 bis Oktober 1967 als Bergmann im rheinisch-westfälischen Steinkohlebergbau beschäftigt.
Gestützt auf ein nervenärztliches Gutachten des Dr. B. vom 6. Juni 1977 und ein chirurgisches Gutachten des Prof. Dr. C. vom 1. August 1977 hatte die Beklagte bereits mit Bescheid vom 25. August 1977 die Anerkennung einer BK nach Nr. 2103 abgelehnt. Eine dagegen gerichtete Klage war erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts - SG - Hannover vom 17. November 1978 - Az: S 12 Kn 137/77 - ).
Mit Schreiben vom 2. Juni 1997 beantragte der Kläger erneut, "Pressluftschäden an beiden Armen" als BK anzuerkennen. Zur Begründung führte er aus, er habe in den letzten Arbeitsjahren "pressluftfreie Arbeiten" verrichten müssen. Wegen seiner schmerzhaften Gelenke sei er in der letzten Zeit oft behandelt worden. Die Ärzte hätten sich nicht vorstellen können, dass jemand ohne äußere Einwirkung solche geschwollenen Gelenke haben könne. Die Beklagte lehnte den Neufeststellungsantrag des Klägers mit Bescheid vom 26. März 1998 ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 9. September 1998).
Dagegen richtet sich die am 7. Oktober 1998 vor dem SG Hannover erhobene Klage. Im Klageverfahren hat der Kläger ein orthopädisches Gutachten des Prof. Dr. D. vom 3. September 2001 vorgelegt, das dieser in einem vor dem Landessozialgericht - LSG - Niedersachsen anhängigen Schwerbehinderten-Verfahren (Az: L 5/9 SB 250/99 ZVW) erstattet hat. Das SG hat von Amts wegen die nach Aktenlage erstatteten sozialmedizinischen Gutachten des Dr. E. vom 18. Juli 2001 und 11. März 2002 eingeholt. Es hat diesen Arzt außerdem in der mündlichen Verhandlung am 15. Oktober 2002 als Sachverständigen angehört, nachdem er ein weiteres Gutachten nach Aktenlage vom 19. September 2002 erstattet hatte.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 15. Oktober 2002 mit der Begründung abgewiesen, dass nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. E. die Veränderungen der Hand- , Schulter- und Ellenbogengelenke ausschließlich schicksalhaft degenerativ bedingt seien. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen dieses ihm am 31. Oktober 2002 zugestellte Urteil am 22. November 2002 Berufung eingelegt. Wegen der Begründung wird auf die Schreiben des Klägers vom 17. und 20. November 2002, 29. Januar 2003, 23. Februar 2003, 2. März 2003 sowie 14. April 2003 Bezug genommen.
Der Kläger beantragt nach seinem Vorbringen,
- 1.
das Urteil des SG Hannover vom 15. Oktober 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. März 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 1998 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen einer BK nach Nr. 2103 der Anlage zur BKV Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Hannover vom 15. Oktober 2002 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat die Beteiligten durch Verfügung vom 21. Februar 2003 darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen. Ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Dem Senat haben außer den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und damit zulässig. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Senat hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Entscheidung konnte deshalb durch Beschluss ergehen (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung, weil sich eine BK nach Nr. 2103 der Anlage zur BKV nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens nicht feststellen lässt.
Aus den vorliegenden Gutachten geht hervor, dass beim Kläger mäßige degenerative Veränderungen (Sklerose mit Kalkeinlagerungen am knöchernen Sehnenansatz der Unterarmstreckmuskulatur) des rechten Ellenbogens im Sinne einer "Epicondylitis humeri radialis et ulnaris" (sog. "Tennisellenbogen") vorliegen, außerdem Dupuytren'sche Kontrakturen im Bereich beider Hände, ferner ein sog. "Morbus (Erkrankung) Ledderhose beiderseits", d.h. eine Verdickung der Zehen- und Beugesehnen an beiden Füßen. Es ist verständlich, dass der Kläger die Veränderungen im Bereich der oberen Extremitäten auf seine Abbauhammertätigkeit als Bergmann zurückführt und er der Auffassung ist, sie seien als BK nach Nr. 2103 zu entschädigen. Dies ist jedoch nicht möglich, weil diese Veränderungen, wie sich aus allen vorliegenden ärztlichen Gutachten ergibt, nicht durch berufliche Einwirkung verursacht worden sind, sondern - so die zusammenfassende Formulierung des Sachverständigen Dr. E. - es sich "ausschließlich um schicksalhafte degenerative Veränderungen der Gelenkstrukturen handelt".
Dies hat der Sachverständige in seinen beiden Gutachten nach Auswertung der Röntgenaufnahmen nachvollziehbar dargelegt. Er hat dies in seinem dritten Gutachten noch dadurch untermauert, dass sich röntgenologisch keinerlei Hinweise für einen Vibrationsschaden an den Gelenken der oberen Extremitäten ergäben: Typische zystische Aufhellungen mit Osteolyseherden und gelenknaher subchondraler Sklerose seien nicht festzustellen. Pseudarthrosen oder Nekrosen der Handwurzel-Knochen oder eine Minderung des Kalksalzgehaltes als Hinweis für einen osteoporotischen Prozess seien ebenfalls nicht nachzuweisen. Dafür, dass die Abbauhammertätigkeit keine wesentliche Ursache der (geringgradigen) Gelenkveränderungen im Bereich der oberen Extremitäten ist, spricht auch - dies hat der Sachverständige ebenfalls deutlich gemacht - , dass sich die ausgedehnten Dupuytren'schen Kontrakturen und der "Morbus Ledderhose" - die Verdickung der Zehen- /Beugesehnen an beiden Füßen mit schwer wiegender Sklerose und Kalksalzanlagen - nach Jahren ohne berufliche Einwirkung altersbedingt entwickelt haben. Dies steht überdies in völligem Einklang mit dem zeitnäher zum Ende der Untertagetätigkeit erstatteten chirurgischen Gutachten des Prof. Dr. C. vom 1. August 1977. Danach wiesen lediglich die beiden Handgelenke röntgenologisch geringe bzw. noch nicht ganz eindeutige Initialsymptome (Anfangssymptome) einer Arthrosis deformans auf, sodass die Gutachter zusammenfassend ausführten, auch röntgenologisch finde sich kein Anlass für eine durch einen Pressluftschaden verursachte BK. Die dargelegten Veränderungen seien als im Bereich der Norm liegend zu werten.
Da der Kläger bereits nicht die medizinischen Voraussetzungen der BK Nr. 2103 erfüllt, kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob noch weitere Unterlagen über seine Tätigkeit als Bergmann vorhanden sind. Die für die Beurteilung der BK Nr. 2103 erforderlichen Verwaltungsakten der Beklagten hat diese im Übrigen vorgelegt, und sie sind vom Senat bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ein gesetzlicher Grund zur Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegt nicht vor.