Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 29.04.2003, Az.: L 5 SB 173/01
Zuerkennung der Nachteilsausgleiche "aG" (außergewöhnlich gehbehindert) und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht); Funktionseinschränkungen durch Kombination aus Blasenerkrankung (Tragen einer Kunstblase), Herzschwäche und Narkolepsie; Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung; Voraussetzungen der Gleichstellung mit dem in der Verwaltungsvorschrift zur StVO ausdrücklich genannten Personenkreis; Anwendbarkeit der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP); Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "RF"
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 29.04.2003
- Aktenzeichen
- L 5 SB 173/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 21184
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0429.L5SB173.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Lüneburg - AZ: S 3 SB 100/00
Rechtsgrundlagen
- § 69 Abs. 4 SGB IX
- § 3 Abs. 1 Nr. 1 SchwbAwV
- § 1 Abs. 1 Nr. 3 Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht in Niedersachsen
Redaktioneller Leitsatz
Eine Gleichstellung mit dem in der Verwaltungsvorschrift zur StVO ausdrücklich genannten Personenkreis kann nur verlangen, wessen Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und wer sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die ausdrücklich genannten Schwerbehinderten fortbewegen oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen kann. In der Regel erfordert die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG", dass die vorliegenden Gesundheitsstörungen das Gehen auf das Schwerste beeinträchtigen oder ausschließen. Abzustellen ist grundsätzlich auf die Behinderung beim Gehen. Die Verwaltungsvorschriften lassen allerdings auch eine Gleichstellung mit dem genannten Personenkreis bei sonstigen Erkrankungen zu. Dabei kommt es jedoch nicht entscheidend auf die vergleichbare allgemeine Schwere des Leidens an, sondern allein darauf, dass die Auswirkungen funktionell gleichzuachten sind. Der Leidenszustand muss also ebenfalls die Möglichkeit des Fortbewegens aufs Schwerste hindern. Die Gleichstellung ist durch eine wertende Betrachtung festzustellen, die sich im Rahmen der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) halten muss.
Für einen Behinderten besteht die Möglichkeit der Teilnahme an einer öffentlichen Veranstaltung nur dann nicht, wenn er wegen seines Leidens ständig, das heißt allgemein und umfassend vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher öffentlicher Veranstaltungen teilnehmen kann.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob dem Kläger die Nachteilsausgleiche "aG" (außergewöhnlich gehbehindert) und "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) zustehen.
Bei dem am H. geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt (VA) Verden mit Bescheid vom 23. November 1995 einen Grad der Behinderung (GdB) von 90 fest. Zusätzlich wurden die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) festgestellt.
Im anschließenden, auf die Feststellung der Nachteilsausgleiche "aG" und "RF" gerichteten Rechtsstreit schlossen die Beteiligten am 20. Mai 1999 vor dem Landessozialgericht Niedersachsen einen Vergleich, wonach der Beklagte sich verpflichtete, erneut zu überprüfen, ob und ggfs. wann in der Person des Klägers die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen der Merkzeichen "aG" und "RF" erfüllt seien (L 10 SB 200/98). In Ausführung dieses Vergleichs holte das VA einen Befundbericht des Internisten Dr. I. (mit Arztbriefen des Facharztes für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde Dr. J., Bericht des Dr. K. über eine Computertomographie, Arztbriefen der Fachärzte für Urologie Dres. L. sowie der Internisten und Lungenfachärzte PD Dres. M.) ein und ließ den Kläger durch Dr. N. versorgungsärztlich untersuchen. Dem Gutachten folgend stellte es mit Wirkung vom 16. September 1998 einen GdB von 100 fest auf Grund der Funktionseinschränkungen
- 1.
Kontrollbedürftige Blasenerkrankung im Stadium der Heilungsbewährung (verwaltungsinterne Bewertung: 60).
- 2.
Narkolepsie (verwaltungsinterne Bewertung: 50).
- 3.
Insulinpflichtige Zuckerkrankheit (verwaltungsinterne Bewertung: 40).
- 4.
Herzleistungsminderung bei Durchblutungsstörungen (verwaltungsinterne Bewertung: 20).
- 5.
Chronische Bronchitis mit Ventilationsstörung (verwaltungsinterne Bewertung: 20).
Die Nachteilsausgleiche "aG" und "RF" lehnte es ab (Bescheid vom 21. Oktober 1999).
Im Vorverfahren holte das VA einen Befundbericht des Dr. I. mit Arztbriefen des Urologen Dr. O. und der Diabetischen Abteilung der Klinik P. ein und wies nach Stellungnahme des Dr. N. den Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2000).
Mit der am 23. Juni 2000 bei Gericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Feststellungen der Nachteilsausgleiche "aG" und "RF" begehrt. Er hat ausgeführt, er trage eine Kunstblase. Zwar könne er vergleichsweise "normal gehen", müsse sich aber immer dicht bei Toiletten aufhalten und sie sofort erreichen können. Eine Gleichstellung mit dem berechtigten Personenkreis ergebe sich für den Nachteilsausgleich "aG" wegen der Kombination der aus der Blasenerkrankung, der Herzschwäche und der Narkolepsie folgenden Funktionseinschränkungen.
Das Sozialgericht (SG) Lüneburg hat mit Gerichtsbescheid vom 29. Oktober 2001 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es darauf hingewiesen, es gelte der Grundsatz, der Zustand sei so zu beurteilen, wie er sich unter Benutzung zumutbarer Hilfsmittel (z.B. Gehhilfen/Inkontinenzartikel) darstelle. Die medizinischen Ermittlungen hätten zweifelsfrei erbracht, dass der Kläger zu dem berechtigten Personenkreis für die Nachteilsausgleiche nicht gehöre. Der Bewegungsapparat des Klägers sei kaum beeinträchtigt. Die Einschränkung der Fortbewegungsmöglichkeit werde nicht durch innere Leiden verschärft. Der Kläger könne möglicherweise an Veranstaltungen einzelner Art nicht teilnehmen, doch sei er nicht gehindert, durchschnittliche öffentliche Veranstaltungen zu besuchen.
Gegen den am 1. November 2001 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich der Kläger mit der am 3. Dezember 2001 (Montag) eingegangenen Berufung. Diese begründet er damit, im Hinblick auf die tumorbedingte Neoblase sei er gezwungen, spätestens nach einer Stunde eine Behindertentoilette zu erreichen. Die Blasenentleerung funktioniere über die Bauchmuskulatur. Dabei komme es vor, dass nicht nur die Blase entleert werden müsse, sondern dass dabei auch eine Stuhlentleerung stattfinde. Die damit verbundenen Gerüche seien der Öffentlichkeit nicht zumutbar. Der Kläger sei auf eine Behindertentoilette angewiesen. Wegen seiner Narkolepsie, welche bei ihm in eine Kataplexie (Muskelerschlaffung) einmünde, könne er nicht wie früher Theatervorstellungen besuchen.
Der Kläger beantragt dem Sinne nach,
- 1.
den Gerichtsbescheid des SG Lüneburg vom 29. Oktober 2001 aufzuheben und den Bescheid vom 21. Oktober 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2000 zu ändern,
- 2.
den Beklagten zu verpflichten, die Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche "aG" und "RF" festzustellen.
Der Beklagte beantragt dem Sinne nach,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.
Der Senat hat den Kläger durch den Berichterstatter im Erörterungstermin vom 12. Dezember 2002 angehört.
Neben den Gerichtsakten beider Rechtszüge haben die den Kläger betreffenden Schwerbehinderten-Akten des VA Verden (Az: Q.), die Akten 15b SB 135/96 SG Lüneburg (= L 10 SB 200/98 Landessozialgericht Niedersachsen) sowie S 4 J 11/95 SG Lüneburg (= L 2 J 336/95 Landessozialgericht Niedersachsen) vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe
Mit Zustimmung der Beteiligten hat der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschieden, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die gemäß § 143 SGG zulässige Berufung ist nicht begründet. Zutreffend hat das SG die Voraussetzungen der Nachteilsausgleiche verneint. Bis zum 30. Juni 2001 war das Schwerbehindertengesetz (SchwbG) anzuwenden, ab 1. Juli 2001 § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) vom 19. Juni 2001, welches am 1. Juli 2001 in Kraft getreten ist und das SchwbG ersetzt hat. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden die erforderlichen Feststellungen im Verfahren nach § 69 Abse. 1, 4 SGB IX.
1.
Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen einer außergewöhnlichen Gehbehinderung. Diese hat das VA dem Kläger in dem angefochtenen Bescheid vom 21. Oktober 1999 und erneut im Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2000 dargelegt. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen nimmt der Senat hierauf Bezug. Zu ergänzen ist lediglich, dass Nr. 11 der zu § 46 Straßenverkehrsordnung (StVO) erlassenen allgemeinen Verwaltungsvorschrift (Fassung vom 28. Oktober 1998 BAnz 1998, Nr. 246 b) gemäß Art. 84 Abs. 2 Grundgesetz (GG) als allgemeine Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung (zuvor: Bundesminister für Verkehr sowie für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit) neu erlassen worden ist (BAnz 2001, Nr. 21, S. 1419).
Der Kläger gehört nicht zu dem in der Verwaltungsvorschrift zur StVO ausdrücklich genannten Personenkreis der Berechtigten. Diesem Personenkreis kann er aber auch nicht gleichgestellt werden. Eine solche Gleichstellung kann nur verlangen, wessen Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und wer sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die ausdrücklich genannten Schwerbehinderten fortbewegen oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen kann (zuletzt BSG Urteil vom 10. Dezember 2002, B 9 SB 7/01 R). Dabei sind hohe Anforderungen an die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" schon deshalb geboten, weil jede Ausweitung des Kreises der Berechtigten sich nachteilig auf den zu schützenden Personenkreis auswirkt. Denn innerstädtische Parkflächen können nicht beliebig vermehrt werden (BSGE 82, 37 f). In der Regel erfordert die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG", dass die vorliegenden Gesundheitsstörungen das Gehen auf das Schwerste beeinträchtigen oder ausschließen. Abzustellen ist auf die Behinderung beim Gehen. Die enumerative Aufzählung der Behindertengruppen in den Verwaltungsvorschriften bestätigt dies. Bei ihnen liegen vornehmlich Schädigungen der unteren Extremitäten in einem erheblichen Ausmaß vor, die bewirken, dass Beine und Füße die ihnen zukommende Funktion der Fortbewegung nicht oder nur unter besonderen Erschwernissen erfüllen. Die Verwaltungsvorschriften lassen allerdings auch eine Gleichstellung mit dem genannten Personenkreis bei sonstigen Erkrankungen zu. Dabei kommt es jedoch nicht entscheidend auf die vergleichbare allgemeine Schwere des Leidens an, sondern allein darauf, dass die Auswirkungen funktionell gleichzuachten sind. Der Leidenszustand muss also ebenfalls die Möglichkeit des Fortbewegens aufs Schwerste hindern (BSG SozR 3870 § 3 Nrn. 11 und 18; SozR 3-3870 § 4 Nrn. 11, 23). Die Gleichstellung ist durch eine wertende Betrachtung festzustellen (BSG Urteil vom 11. Oktober 1994 - 9 RVs 9/93 -), die sich im Rahmen der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) halten muss.
Den dort niedergelegten Grundsätzen (AHP 1996 S. 168) entsprechen die angefochtenen Bescheide und der Gerichtsbescheid bei Auswertung der ihnen zu Grunde liegenden medizinischen Befunde. Der Kläger macht eine wesentliche Beeinträchtigung seines Fortbewegungsvermögens selbst nicht geltend, sondern verweist hauptsächlich auf die Notwendigkeit, spätestens nach einer Stunde eine Behindertentoilette erreichen zu müssen. Er verkennt mit dieser Argumentation, dass es bei dem Nachteilsausgleich um die außergewöhnlich eingeschränkte Gehfähigkeit geht, nicht um die Möglichkeit, Vorkehrungen zu treffen, die aus anderen - im Falle des Klägers urologischen - Gründen unbedingt erforderlich sein mögen.
2.
Auch die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs "RF" können nicht festgestellt werden:
Behinderte sind nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht vom 3. September 1992 (Niedersächsisches Gesetzes- und Verordnungsblatt 1992, 239) in der Fassung der Verordnung vom 17. Dezember 2001 (Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 2001, 733), die ihre Ermächtigungsgrundlage in Artikel 4 § 6 Abs. 1 des Staatsvertrages über den Rundfunk im vereinten Deutschland vom 31. August 1991 hat, von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien, wenn sie nicht nur vorübergehend um wenigstens 80 v.H. in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert sind und wegen ihrer Leiden an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen des GdB von mindestens 80 v.H. mit dem durch den Bescheid vom 21. Oktober 1999 festgestellten GdB von 100. Indes fehlt es an der weiteren Voraussetzung, dass er wegen seiner Leiden an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann:
Öffentliche Veranstaltungen sind als Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art definiert (BSG SozR 3870 § 3 Nrn. 15, 24, 25; SozR 3-3870 § 4 Nr. 2). Hierbei kommt es nicht auf etwaige Vorlieben eines Behinderten an, vielmehr wird die gesamte Palette möglicher öffentlicher Veranstaltungen im Freien oder in geschlossenen Räumen erfasst, wie die vorstehende Aufzählung zeigt. Für einen Behinderten besteht die Möglichkeit der Teilnahme an einer solchen Veranstaltung nur dann nicht, wenn er wegen seines Leidens ständig, das heißt allgemein und umfassend vom Besuch ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher öffentlicher Veranstaltungen teilnehmen kann (vgl. BSG SozR 3-3870 § 4 Nrn. 17 und 18).
Diese Voraussetzungen erfüllt der Kläger nicht, denn es gibt keine ärztlichen Befunde, die belegten, dass ihm die Teilnahme an einer solchen öffentlichen Veranstaltung nicht möglich wäre. Der Kläger hat dabei zwar auf die Erkrankung der Narkolepsie hingewiesen, die bei ihm in die Kataplexie eingeht. Dabei handelt es sich um einen bilateralen, partiellen bis kompletten Tonusverlust der Haltemuskulatur ohne Bewusstseinstrübung (vgl. Mayer MedSach 95 - 1999 - S. 92 ff). Kataplexien sind meist kürzer als eine Minute, sie können in Ausnahmefällen Minuten, Stunden oder Tage anhalten. Durch die Narkolepsie kommt es zu Störungen der Aufmerksamkeit und des Gedächtnisses (a.a.O. S. 93). Therapeutische Möglichkeiten bestehen indes. An erster Stelle stehen immer verhaltensmodifizierende Maßnahmen wie Verbesserung der Krankheitsbewältigungsstrategien, Einhaltung von schlafhygienischen Maßnahmen und von individuell angepassten Schlafpausen. Zum Beispiel ist es möglich, Schlafepisoden vor erwarteten Belastungen einzulegen (Mayer a.a.O. S. 94). Es ist nicht ersichtlich, dass diese Vorkehrung dem Kläger verschlossen wäre. Gegenüber dem Sachverständigen Dr. N. hat der Kläger am 18. Oktober 1999 bei der Untersuchung angegeben, bei emotionalem Interesse sei die Konzentration nicht gestört. Es bestehen also Möglichkeiten, der Beeinträchtigung durch die Narkolepsie, verbunden auch mit Kataplexie, jedenfalls so weit zu begegnen, dass dem Kläger Besuche öffentlicher Veranstaltungen möglich sind. Der Hinweis des Klägers, er sei darauf angewiesen, spätestens stündlich eine behindertengerechte Toilette zu erreichen und dort sein Inkontinenzmaterial zu wechseln und zu entsorgen, steht dem nicht entgegen. Es gibt zahlreiche Örtlichkeiten solcher Begegnungen, die mit behindertengerechten Toiletten ausgestattet sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Kläger in der Nähe einer solchen Tagungsstätte wohnt oder ob er an dort veranstalteten Begegnungen generell Interesse hat oder nicht. Bei der Auslegung des Nachteilsausgleichs ist auch zu Grunde zu legen, dass es nicht Aufgabe des SGB IX sowie der auf seiner Grundlage festzustellenden Nachteilsausgleiche ist, Behinderte von der übrigen Bevölkerung zu isolieren; gesetzliches Ziel ist vielmehr, behinderte Menschen zu integrieren und ihnen die Teilnahme am öffentlichen Leben umfassend zu ermöglichen. Subjektiv verständliche Rückzugstendenzen behinderter Menschen können deshalb nicht dazu führen, dass dieser Gesetzeszweck durch großzügige Auslegung zu Grunde liegender Vorschriften in sein Gegenteil verkehrt wird.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht, §160 Abs. 2 SGG.