Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 23.04.2003, Az.: L 16 U 29/02

Zahlung einer Verletztenrente wegen eines Arbeitsunfalls; Rentenberechtigender Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit; Minderung der Erwerbsfähigkeit bei mehreren Versicherungsfällen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
23.04.2003
Aktenzeichen
L 16 U 29/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 21132
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0423.L16U29.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 03.05.2002 - AZ: S 18 U 117/01

Redaktioneller Leitsatz

Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 3. Mai 2002 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Zahlung einer Verletztenrente für die Zeit vom 22. April 1999 bis 17. Dezember 2000.

2

Der am 28. Juli 1947 geborene Kläger erlitt während seiner Beschäftigung als Schiffbauer bei der I. am 19. Juni 1996 einen Arbeitsunfall, indem ihm ein Eisenträger gegen den linken lateralen Unterschenkel schlug und er daraufhin auf das linke Sprunggelenk und den linken Fuß stürzte. Nach dem Durchgangsarztbericht des Chirurgen Prof. Dr. med. J. vom 19. Juni 1996 zog er sich eine Prellung/Schürfung des linken Unterschenkels und linken Fußes sowie einen unverschobenen Bruch des Wadenbeinköpfchens am linken Fuß zu. Er wurde stationär im Krankenhaus Am Bürgerpark, Bremerhaven, bis 24. Juni 1996 und danach ambulant behandelt. Im Zwischenbericht vom 16. Juli 1996 führte Prof. Dr. med. J. aus, die Beschwerden des Klägers hätten sich langsam unter medikamentöser Thromboseprophylaxe, Schmerzmitteln und lokaler Kühlung zurückgebildet, sodass er unter krankengymnastischer Anleitung und vollständiger Entlastung des linken Beines an Unterarmgehstützen mit gutem Erfolg habe mobilisiert werden können. Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Grade sei nicht zu erwarten. Der Kläger wurde zunächst zum 20. Juli 1996 arbeitsfähig geschrieben, jedoch missglückte der Arbeitsversuch, sodass er am 22. Juli 1996 wieder arbeitsunfähig war.

3

Wegen zunehmender Schmerzen im linken Kniegelenk wurde am 25. Juli 1996 im Krankenhaus Am Bürgerpark eine Arthroskopie des linken Kniegelenks durchgeführt, bei der sich nach dem Operationsbericht vom selben Datum ein Außenmeniskushinterhornriss fand. Es wurde eine Außenmeniskushinterhornresektion durchgeführt. Prof. Dr. med. J. teilte der Beklagten mit, bei sonst fehlenden degenerativen Veränderungen im linken Kniegelenk müsse der Außenmeniskushinterhornriss auf den Unfall vom 19. Juni 1996 zurückgeführt werden. Die histologische Diagnose lautete: Außenmeniskus in zwei Teilen mit kleinherdiger mukoider Faserdegeneration und multiplen randständigen wie auch zentralen - nach dem histologischen Bild - alten Rissbildungen (Bericht des Arztes für Pathologie Prof. Dr. med. K. vom 26. Juli 1996).

4

Der Kläger wurde am 28. August 1996 aus der ambulanten Behandlung entlassen und war ab 2. September 1996 wieder arbeitsfähig; die MdE betrug 5 v. H. (Mitteilung von Prof. Dr. med. J. vom 28. August 1996).

5

Die Beklagte holte eine Auskunft der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Bremen/Bremerhaven vom 20. August 1996 über Mitgliedschafts- und Erkrankungszeiten des Klägers sowie eine Stellungnahme ihrer Beratungsärztin, der Ärztin für Chirurgie Dr. med. L., vom 12. September 1996 ein, in der sie ausführte, den ursächlichen Zusammenhang zwischen den Verletzungen des Klägers und dem Unfall halte sie nicht insgesamt für wahrscheinlich, und die Einholung eines Zusammenhangsgutachtens empfahl.

6

Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten von der Ärztin für Chirurgie Dr. med. M. vom 20. Januar 1997 ein. Sie führte aus, im Bereich des linken Beines fänden sich bei ihrer Untersuchung zwei kleine Narben nach Arthroskopie sowie eine diskrete Muskelminderung am linken Oberschenkel und ein Druckschmerz im Bereich des äußeren Kniegelenkspaltes links mit schmerzhafter Rotationsbewegung. Der Unfall vom 19. Juni 1996, bei dem es zu einem direkten Anpralltrauma im Bereich des Wadenbeinköpfchens links gekommen sei, also zu einer Adduktion des Unterschenkels mit vermehrtem Aufklappen des äußeren Kniegelenkspaltes und zudem zu einer Rotationsbewegung bei dem Sturz, sei ihrer Auffassung nach geeignet gewesen, eine Rissbildung durch die abrupte Adduktion des Unterschenkels im Bereich des Hinterhornes des Außenmeniskus zu verursachen. Dabei sei es vorstellbar, dass der Meniskus an seiner äußeren Fixation einer erheblichen Zerrung und auch Torsionsbewegungen ausgesetzt gewesen sei, die die Verletzung verursacht hätten. Da arthroskopisch degenerative Kniegelenksveränderungen, die eine Degeneration des Meniskusgewebes vermuten ließen, nicht hätten festgestellt werden können und auch der Auszug der AOK Bremen/Bremerhaven keinerlei Hinweise auf frühere Kniegelenksbeschwerden oder Verletzungen im Bereich der Kniegelenke ergebe, sei davon auszugehen, dass der geschilderte Hergang mit Wahrscheinlichkeit die Meniskusverletzung verursacht habe. Ferner seien auf den Unfall Schürfungen im Bereich des Sprunggelenks mit Weichteilschwellung sowie die Fissur am Wadenbeinköpfchen zurückzuführen. Somit bestünden als Unfallfolgen ein Teilverlust des Außenmeniskus, eine kleine Narbe nach Arthroskopie, eine geringe Muskelminderung am linken Oberschenkel sowie ein Belastungs- und Bewegungsschmerz. Seit Wegfall der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit (2. September 1996) sei die MdE auf 10 v. H. einzuschätzen. Eine Änderung der MdE sei nicht zu erwarten. Röntgenologisch nachweisbare degenerative Kniegelenksveränderungen (mäßiggradige Gonarthrose beiderseits, links etwas ausgeprägter als rechts) seien nicht Unfallfolgen.

7

Mit Bescheid vom 7. Mai 1997 lehnte die Beklagte die Zahlung einer Verletztenrente ab. Zur Begründung führte sie aus, der Unfall habe eine MdE in rentenberechtigendem Grade (mindestens 20 v. H.) nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung nicht hinterlassen. Es habe sich linksseitig um einen Knocheneinriss des Wadenbeinköpfchens, eine Prellung und eine Schürfung des linken Unterschenkels und Fußes und um einen Meniskusriss gehandelt. Nach dem Ergebnis der Begutachtung seien folgende Unfallfolgen verblieben: Am linken Bein - geringe Muskelminderung am Oberschenkel, Narbenbildung nach Arthroskopie und Belastungsbeschwerden nach Teilverlust des Außenmeniskus und Bruch des Wadenbeinköpfchens. Nicht Folgen des Unfalls seien anlagebedingte Veränderungen beider Kniegelenke. Die MdE sei nach der Beurteilung der Gutachterin auf 10 v. H. ab dem 2. September 1996 einzuschätzen.

8

Am 22. April 1999 erlitt der Kläger einen weiteren Arbeitsunfall, bei dem er sich eine gering dislozierte Basisfraktur des Metatarsale III links, eine subkapitale distale Metatarsale II-Fraktur links, eine Stauchungsfraktur der Basis Metatarsale I links und eine Os cuneiforme I-Fraktur links zuzog. Nach einem Gutachten der Chirurgen Dr. med. N./Dr. med. O. vom 3. August 2000 betrug die MdE durch die Folgen dieses Unfalls ab 2. August 1999 20 v. H. Die Beklagte gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 25. August 2000 ab 2. August 1999 eine Rente als vorläufige Entschädigung in Höhe von 20 v. H. der Vollrente.

9

Die Beklagte holte zu der Frage, ob dem Kläger auch wegen Folgen des Unfalls vom 19. Juni 1996 eine Verletztenrente zu zahlen ist, ein unfallchirurgisches Zusammenhangsgutachten von Prof. Dr. med. P./Oberarzt Q./Dr. med. R. (Klinik für Unfall-, Hand- und Plastische Chirurgie im Zentralkrankenhaus - ZKH - Reinkenheide, Bremerhaven) vom 29. Dezember 2000 ein. Sie führten aus, anhand der erhobenen Befunde bestehe ein Zustand nach Vorfußkontusion mit rezidivierender Schwellneigung und bräunlichlivider Trophikstörung; ferner fänden sich seitengleiche arthrotische Veränderungen im Großzehengrundgelenk mit entsprechender Beschwerdeangabe, an den Knie- und Sprunggelenken habe kein pathologischer Befund erhoben werden können. Die von dem Kläger geklagten Beschwerden am linken Fuß seien auf eine seitengleich ausgeprägte, vorbestehende arthrotische Veränderung, in erster Linie der Großzehengrundgelenke, zurückzuführen. Ferner würden sie durch die Frakturen der Metatarsale I-III links und des Os cuneiforme I, die der Kläger am 22. April 1999 erlitten habe, verursacht. Auch unter Auswertung der Röntgenbilder vom 19. Juni 1996 seien Folgen des Unfalls vom 19. Juni 1996 nicht zu finden. Die seinerzeit beschriebene Ruptur des Außenmeniskushinterhornes sei nicht auf den Unfall vom 19. Juni 1996 zurückzuführen, da der histologische Befund, der der früheren Gutachterin Dr. med. M. nicht vorgelegen habe, ein degeneratives Geschehen beschreibe. Zudem bestünden keine Beschwerdesymptomatik und kein pathologischer Befund am linken Kniegelenk. Nachträglich sei die MdE ab 2. September 1996 auf 0 v. H. einzustufen, da bis auf eine folgenlos verheilte Wadenbeinköpfchenfraktur linksseitig keine anderen Unfallfolgen vorgelegen hätten. Spätestens mit der ambulant durchgeführten Arthroskopie des linken Kniegelenks vom 25. Juli 1996 seien Unfallfolgen ausgeschlossen worden.

10

Mit Bescheid vom 29. Januar 2001 lehnte die Beklagte die Zahlung einer Rente wegen Folgen des Unfalls vom 19. Juni 1996 ab und führte zur Begründung aus, nach dem fachärztlichen Gutachten vom 29. Dezember 2000 seien Folgen des Unfalls nicht mehr festzustellen und die MdE sei mit 0 v. H. zu bewerten.

11

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid am 1. März 2001 Widerspruch ein, den er damit begründete, mit Bescheid vom 7. Mai 1997 habe die Beklagte als Unfallfolgen eine geringe Muskelminderung am Oberschenkel, eine Narbenbildung nach Arthroskopie und Belastungsbeschwerden nach Teilverlust des Außenmeniskus und Bruch des Wadenbeinköpfchens sowie eine MdE von 10 v. H. ab 2. September 1996 festgestellt. Somit sei ihm ab Eintritt des späteren Unfalls vom 2. August 1999 eine Teilrente in Höhe von 10 v. H. der Vollrente zu zahlen.

12

Die Beklagte wies den Widerspruch gegen den Bescheid vom 29. Januar 2001 zurück und bezog sich wiederum auf das Gutachten von Prof. Dr. med. P./Oberarzt Q./Dr. med. R. vom 29. Dezember 2000. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Widerspruchsbescheid (Bl. 139-140 Verwaltungsakte) Bezug genommen.

13

Der Kläger hat am 20. Juli 2001 beim Sozialgericht (SG) Bremen Klage erhoben und die Zahlung einer Teilrente in Höhe von 10 v. H. der Vollrente für die Zeit vom 22. April 1999 bis 17. Dezember 2000 begehrt. Zur Begründung hat er sich auf das Gutachten von Dr. med. M. vom 20. Januar 1997 berufen sowie auf den bestandskräftigen Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 1997 hingewiesen.

14

Die Beklagte hat geltend gemacht, selbst wenn der Außenmeniskusschaden links als Folge des Unfallereignisses vom 19. Juni 1996 anzusehen sei, ergebe sich keine MdE messbaren Grades zum Zeitpunkt des Eintritts des weiteren Versicherungsfalles, da tatsächlich nur geringe funktionelle Beeinträchtigungen vorgelegen hätten. Sie hat eine Stellungnahme von Prof. Dr. med. P./Dr. med. Q./Dr. med. R. vom 8. November 2000 zur Akte gereicht, in der diese zusammenfassend ausgeführt haben, rückwirkend sei die MdE ab Eintritt des weiteren Versicherungsfalles am 22. April 1999 auf unter 10 v. H. einzuschätzen, zumal zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens von Dr. med. M. am 20. Januar 1997 pathologische Meniskuszeichen am linken Kniegelenk nicht gefunden worden seien. Das SG hat ein Gutachten von dem Arzt für Orthopädie Dr. med. S. vom 27. Februar 2002 eingeholt. Er hat darin zusammenfassend ausgeführt, als Verletzungsfolgen des Unfalls vom 19. Juni 1996 fänden sich reizlose Narben über dem linken Knie nach Arthroskopie und eine knöchern konsolidierte, nicht verschobene Wadenbeinköpfchenfraktur links; weitere Verletzungsfolgen ließen sich klinisch und röntgenologisch nicht objektivieren. Die MdE wegen der Folgen des Unfalls vom 19. Juni 1996 sei für die Zeit vom 22. April 1999 bis 17. Dezember 2000 und auch darüber hinaus auf unter 10 v. H. einzuschätzen.

15

Mit Gerichtsbescheid vom 3. Mai 2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, auszugehen sei von dem Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 1997, in dessen VerfügungsSatz 1ediglich ein Anspruch auf Zahlung von Verletztenrente abgelehnt worden sei. Die Schätzung der MdE durch die Gutachterin Dr. med. M. auf 10 v. H. ab 2. September 1996 sei nicht in Bindungswirkung erwachsen. Ein Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente ergebe sich erst nach Eintritt des weiteren Versicherungsfalles und einer neuen Beurteilung der MdE, da vom Fortbestehen einer vor mehreren Jahren festgestellten MdE nicht ausgegangen werden könne. Der Zustand von Verletzungsfolgen sei dann neu festzustellen, wenn ein Anspruch auf Verletztenrente geltend gemacht werde. Die medizinisch begründete Auffassung von Prof. Dr. med. P./Dr. med. Q./Dr. med. R. in ihrem Gutachten vom 29. Dezember 2000 und in ihrer Stellungnahme vom 8. November 2001, dass die Ruptur des Außenmeniskushinterhornes nicht ursächlich auf den Unfall vom 19. Juni 1996 zurückgeführt werden könne, könne angesichts der im Bescheid vom 7. Mai 1997 erfolgten Anerkennung des Teilverlustes des Außenmeniskus fraglich sein, da die seinerzeit erfolgte Anerkennung dieser Unfallfolge fortbestehe. Letztlich könne der Umfang der anerkannten Folgen des Unfalls vom 19. Juni 1996 offen bleiben, denn selbst bei vollständiger Anerkennung aller Verletzungsfolgen, die in dem Gutachten von Dr. med. M. vom 20. Januar 1997 genannt seien, liege keine MdE von mindestens 10 v. H. vor. Dies ergebe sich aus dem Gutachten von Dr. med. S. vom 27. Februar 2002, der die MdE für den Zeitraum vom 22. April 1999 bis 17. Dezember 2000 auf unter 10 v. H. eingeschätzt habe. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Gerichtsbescheid (Bl. 50-58 Prozessakte) Bezug genommen.

16

Der Kläger hat gegen den ihm am 6. Juni 2002 zugestellten Gerichtsbescheid am Montag, den 8. Juli 2002, schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen Berufung eingelegt. Er macht geltend, soweit das SG sich auf das Gutachten von Dr. med. S. gestützt habe, habe es übersehen, dass nicht erkennbar sei, auf welche Tatsachen Dr. med. S. sich bei seiner Einschätzung der MdE für die Vergangenheit stütze. Er habe sich weder mit dem Gutachten von Dr. med. M. vom 20. Januar 1997 noch mit seinen, des Klägers, bereits früher geäußerten und in der Klagebegründung wiederholten Beschwerden auseinander gesetzt. Die Feststellungen von Dr. med. S. seien nicht geeignet, die Ausführungen von Dr. med. M. in ihrem Gutachten vom 20. Januar 1997 zu widerlegen.

17

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 3. Mai 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 29. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juni 2001 zu verurteilen, ihm eine Teilrente in Höhe von 10 v. H. der Vollrente für die Zeit vom 22. April 1999 bis 17. Dezember 2000 zu zahlen.

18

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

19

Die Beklagte bezieht sich auf die Gutachten von Prof. Dr. med. P./Dr. med. Q./Dr. med. R. und von Dr. med. S. und hält den Gerichtsbescheid des SG Bremen vom 3. Mai 2002 für zutreffend.

20

Das Gericht hat ein Gutachten von dem Facharzt für Chirurgie Privat-Dozent Dr. med. T. vom 3. Februar 2002 eingeholt. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass Verletzungsfolgen, die wesentlich ursächlich auf den Unfall vom 19. Juni 1996 zurückzuführen seien, nicht vorlägen, und die MdE für die Zeit vom 22. April 1999 bis 17. Dezember 2000 auf 0 v. H. eingeschätzt. Zu dem Gutachten von Dr. med. M. hat er ausgeführt, der Teilverlust des Außenmeniskus sei nicht als Folge des Unfalls vom 19. Juni 1996 zu werten, da kein geeigneter Unfallmechanismus abgelaufen sei und die Erstsymptomatik sowie die Primärbefunde keine Außenmeniskushinterhornverletzung belegt hätten. Auch wenn der Teilverlust des Außenmeniskus im Bescheid vom 7. Mai 1997 als Folge des Unfalls aufgeführt sei, sei durch die Teilentfernung des Außenmeniskus im linken Kniegelenk keine MdE ableitbar. Frau Dr. med. M. habe bei ihrer Untersuchung ein regelrecht funktionierendes linkes Kniegelenk beschrieben, eine Bewegungseinschränkung habe am linken Kniegelenk nicht festgestellt werden können, und ein Druckschmerz über der Außenseite des linken Kniegelenks sowie eine schmerzhafte Außenrotation seien im Wesentlichen die Beschreibung eines subjektiven Empfindens, aus der eine funktionelle Beeinträchtigung nicht ableitbar sei. Die von Dr. med. M. aufgeführte geringe Muskelminderung am linken Oberschenkel sei nicht nachvollziehbar, denn auf dem Messblatt seien Seitendifferenzen von 0,5 cm an den einzelnen Messstellen ablesbar und eine Differenz von 0,5 - 1 cm liege in der Bandbreite untersuchungstechnischer Messfehler. Nach gutachtlicher Übereinkunft sei aus einer Seitendifferenz von 0,5 cm eine Muskelminderung einer Extremität nicht ableitbar, ebenso sei eine funktionelle Beeinträchtigung einer Extremität aus einer Seitendifferenz von 0,5 cm nicht begründbar. Er schließe sich den Gutachten von Prof. Dr. med. P./Oberarzt Q./Dr. med. R. vom 29. Dezember 2000 und von Dr. med. S. vom 27. Februar 2002 an.

21

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten (Az. S 3.16958.967) beigezogen. Diese Akte und die Prozessakte (Az. L 16 U 29/02, S 18 U 117/01) sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

22

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 144 SGG). Sie ist nicht begründet.

23

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente wegen Folgen des Unfalls vom 19. Juni 1996.

24

Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII) sind dann zu gewähren, wenn ein Versicherungsfall eingetreten ist. Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII wird eine Verletztenrente nur gezahlt, solange die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge des Arbeits-unfalls um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII).

25

Da der Kläger wegen Folgen des Unfalls vom 22. April 1999 eine Verletztenrente in Höhe von 20 v. H. der Vollrente ab 2. August 1999 erhielt (Bescheid vom 25. August 2000), reicht es für die Zahlung einer Verletztenrente ab 22. April 1999 wegen Folgen des Unfalls vom 19. Juni 1996 aus, dass diese ab 22. April 1999 eine MdE um 10 v. H. bedingten. Wie das SG bereits zutreffend ausgeführt hat, ist die MdE für Folgen dieses Unfalls bei Eintritt des weiteren Versicherungsfalls neu einzuschätzen, da die in dem Bescheid vom 7. Mai 1997 genannte MdE von 10 v. H. nicht bindend ist. Vielmehr ist unabhängig von früheren Feststellungen zu prüfen, ob zum Zeitpunkt des Eintritts des weiteren Versicherungsfalls die MdE wegen der Folgen des früheren Unfalls 10 v. H. beträgt.

26

Diese Prüfung ergibt, dass eine rentenberechtigende MdE um 10 v. H. nicht begründbar ist. Das Gericht folgt bei dieser Beurteilung den Gutachten von Prof. Dr. med. P./Oberarzt Q./Dr. med. R. vom 29. Dezember 2000 (i.V.m. ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 8. November 2001), dem Gutachten von Dr. med. S. vom 27. Februar 2002 und dem Gutachten von Privat-Dozent Dr. med. T. vom 3. Februar 2002. Diese Mediziner haben übereinstimmend und überzeugend dargelegt, dass Folgen des früheren Unfalls eine messbare MdE seit dem 22. April 1999 nicht bedingten. Privat-Dozent Dr. med. T. hat sich auch mit dem Einwand des Klägers gegenüber dem Gutachten von Dr. med. S. vom 27. Februar 2002 auseinander gesetzt, dass dieser die rückwirkende Einschätzung der MdE nicht näher begründet habe. Der Sachverständige hat sich mit dem Gutachten von Dr. med. M. vom 20. Januar 1997 befasst und ist überzeugend zu dem Ergebnis gekommen, dass nach den dort dargelegten Befunden Funktionseinschränkungen, die eine MdE um 10 v. H. begründen könnten, nicht erkennbar seien. Dies gilt auch unter der Annahme, dass der Außenmeniskushinterhornriss mit Teilentfernung des Außenmeniskus mit Bescheid vom 7. Mai 1997 bindend als Unfallfolge anerkannt ist. Wegen der Teilentfernung des Außenmeniskus im linken Kniegelenk bestand nämlich keine Funktionsbeeinträchtigung, die eine MdE messbaren Grades rechtfertigen könnte. Privat-Dozent Dr. med. T. hat zutreffend ausgeführt, in dem Gutachten von Dr. med. M. würden nur subjektive Empfindungen, jedoch keine Funktionsbeeinträchtigungen genannt und die gemessene Muskelminderung am linken Oberschenkel in der Größenordnung von 0,5 cm liege in der Bandbreite untersuchungstechnischer Messfehler und belege keine Funktionsbeeinträchtigung. Auf eine solche kommt es jedoch für die Beurteilung der MdE entscheidend an.

27

Da inzwischen in drei Gutachten überzeugend nachgewiesen ist, dass für die streitige Zeit vom 22. April 1999 bis Dezember 2000 Folgen des Unfalls vom 19. Juni 1996 keine MdE um 10 v. H. verursacht haben, ist der Sachverhalt aufgeklärt. Nach allem war die Berufung zurückzuweisen.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

29

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und der Senat weicht nicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab.