Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 30.04.2003, Az.: L 4 KR 281/01
Anspruch auf Kostenerstattung für privatärztliche Behandlungen bei einem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt für Urologie; Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nichtvertragsärzten; Kein Vorliegen einer unaufschiebbaren Notfallbehandlung; Keine Unterwerfung unter das Wirtschaftlichkeitsgebot
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 30.04.2003
- Aktenzeichen
- L 4 KR 281/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 20375
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0430.L4KR281.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Osnabrück - 03.08.2000 - AZ: S 61 KR 117/00
Rechtsgrundlagen
- § 153 Abs. 2 SGG
- § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V
- § 95 Abs. 1 SGB V
- § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V
- § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V
- § 12 SGB V
- § 106 Abs. 1 SGB V
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Kostenerstattung für privatärztliche Behandlungen bei dem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Arzt für Urologie Dr. C., Bremen.
Der 1939 geborene Kläger ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Unter Vorlage von Rechnungen vom 7. Januar 1998, 8. Mai 1998 und 4. Januar 1999 beantragte er die Kostenerstattung für Behandlungen bei Dr. C. Es waren Behandlungskosten in Höhe von 2.715,47 DM entstanden. Sie betrafen die Behandlungszeiträume vom 16. Juni bis 15. Dezember 1997, vom 9. April bis 27. April 1998 und 19. Oktober bis 18. Dezember 1998.
Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 9. Februar 2000 ab, da eine Kostenerstattung nur für eine Behandlung bei einem zugelassenen oder ermächtigten Vertragsarzt möglich sei. Dr. C. zähle nicht hierzu. Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Proktologen D. und E., beide Bremen, zur Verfügung stünden. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 8. März 2000 Widerspruch ein. Er legte ein Schreiben des Dr. F., Facharzt für Chirurgie vom 6. Juni 1995 vor, dem zu entnehmen sei, dass es sich bei ihm um einen "Risikopatienten" handele. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 2000 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 3. August 2000 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Er hat auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren verwiesen.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 19. November 2001 abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der gemäß § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V - für Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung gegebene Anspruch auf ärztliche Behandlung werde gemäß § 95 Abs. 1 SGB V durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden, zugelassenen und ermächtigten Ärzte sowie ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen erfüllt (vgl auch § 4 Abs. 1 Satz 1 Bundesmantelvertrag - Ärzte (BMV-Ä) vom 19. Dezember 1994). Unter diesen zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten und Einrichtungen könnten die Versicherten frei wählen (§ 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Andere Ärzte dürften nur in Notfällen in Anspruch genommen werden (§ 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Diese Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nichtvertragsärzten lägen im vorliegenden Fall nicht vor. Der vom Kläger in Anspruch genommene Urologe Dr. C. sei unstreitig nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er sei von dem Kläger auch nicht im Rahmen einer unaufschiebbaren Notfallbehandlung in Anspruch genommen worden. Dies werde auch vom Kläger nicht behauptet. Ein gegen die Beklagte verfolgbarer Sachleistungsanspruch auf Behandlungen durch den Nichtvertragsarzt Dr. C., den der Kläger als Kostenerstattungsanspruch weiter verfolgen könne, bestehe daher nicht. Diesen Ausschluss von Nichtvertragsärzten von der Behandlung von Versicherten zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (so genanntes "Vertragsarztmonopol") habe das Bundessozialgericht - BSG - in ständiger Rechtsprechung bestätigt (vgl BSG USK 9349; NZS 1993, 212; USK 9510). Ärzte, die nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen seien, unterlägen nicht dem Kassenarztrecht. Sie seien weder dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V unterworfen, noch seien für sie die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung (vgl dazu § 95 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 SGB V) verbindlich. Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen verfügten auch über keinerlei Kompetenz, die Tätigkeit nicht zugelassener bzw. nicht ermächtigter Ärzte - nicht zuletzt auch im Interesse der Versicherten - zu überprüfen. Nach § 106 Abs. 1 SGB V dürften sie nur die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung überwachen, an der diese Ärzte jedoch nicht teilnähmen (vgl auch § 106 Abse 5 und 7 SGB V; BSG NZS 1993, 212, 213 m.w.N.). Die Inanspruchnahme nicht zugelassener Ärzte stehe ferner im Widerspruch mit den vom Gesetzgeber durch das am 1. Januar 1993 in Kraft getretene "Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz - GSG)" vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I 2266) verfolgten Zielen (vgl dazu im Einzelnen BSG USK 9510, 55 ff). Die Kammer habe keine Veranlassung, dieser Rechtsprechung des BSG nicht zu folgen. Sie sei auch vom Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen wiederholt bestätigt worden (vgl LSG Niedersachsen, Urteil vom 18. Februar 1998 - L 4 KR 131/96 -).
Auch die sonstigen vom Kläger vorgetragenen Umstände könnten seinen Anspruch nicht begründen. Selbst wenn der Kläger in medizinischer Hinsicht als "Risikopatient" anzusehen wäre, sei nicht ersichtlich, weshalb eine fachgerechte und ausreichende medizinische Versorgung des Klägers nicht auch durch andere, zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärzte sichergestellt werden könne. Die Beklagte habe entsprechende Möglichkeiten bereits im Ausgangsbescheid vom 9. Februar 2000 aufgezeigt. Auch die von Dr. C. abgerechneten Behandlungen ließen nicht erkennen, dass eine vergleichbare Versorgung des Klägers nicht durch zugelassene Vertragsärzte möglich wäre.
Der Kläger hat gegen diesen ihm am 26. November 2001 zugestellten Gerichtsbescheid am 20. Dezember 2001 Berufung vor dem SG Oldenburg eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, entgegen der Auffassung des SG habe es sich bei der Behandlung um eine unaufschiebbare Notfallbehandlung gehandelt. Die Vertragsärzte seien nicht in der Lage, ihm entsprechende Hilfe zu gewähren. Hierüber sei Beweis zu erheben.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 19. November 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Februar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juli 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die mit Rechnungen vom 7. Januar 1998, 8. Mai 1998 und 4. Januar 1999 dokumentierten ambulanten Behandlungen bei Dr. C. zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten des ersten und zweiten Rechtszuges sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) konnte der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die gemäß §§ 105 Abs. 2, 143 ff SGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Das SG hat die Klage zu Recht aus den im Tatbestand angegebenen Gründen abgewiesen. Der Senat nimmt hierauf Bezug und sieht insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe ab.
Ergänzend sei hinzugefügt, dass sich weder aus dem Vorbringen des Klägers noch aus den vorgelegten Rechnungen sowie ärztlichen Unterlagen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich hier um eine Notfallbehandlung gehandelt hätte. Dagegen spricht schon die Tatsache, dass sich die Behandlungen des Klägers durch Dr. C. jeweils auf einen Zeitraum von mehreren Monaten erstreckten. Darauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen. Der Senat hält den vom Kläger erstmals im Berufungsverfahren vorgetragenen Hinweis auf eine Notfallbehandlung für eine Schutzbehauptung und hat keinen Anlass zu weiterer Beweiserhebung gesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision haben nicht vorgelegen, § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG.