Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 03.04.2003, Az.: L 12 RI 67/97

Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ; Vorliegen der Berufsunfähigkeit eines Versicherten; Gesundheitsstörungen wegen beruflicher Belastungen ; Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
03.04.2003
Aktenzeichen
L 12 RI 67/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 19933
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0403.L12RI67.97.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 24.09.1997 - AZ: S 23 RI 318/95

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

  2. 2.

    Es ist grundsätzlich nicht erforderlich, vollschichtig einsatzfähigen Versicherten im Falle der Geltendmachung einer Berufsunfähigkeit eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Dies gilt auch bei erheblich leistungsgeminderten älteren Arbeitnehmern mit längerer Arbeitslosigkeit, die trotz gewisser Leistungseinschränkungen noch vollschichtig einsatzfähig sind.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 24. September 1997 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu zahlen ist.

2

Der am 6. März 1941 geborene Kläger war in der Zeit von 1955 - 1983 mit Unterbrechungen als landwirtschaftlicher Gehilfe, Bauhilfsarbeiter, Hafenstauer, Deckhelfer, Matrose sowie Zimmermann (Hilfsarbeiter) beschäftigt. Anschließend war er arbeitslos, wobei in der Zeit von April 1985 bis Februar 1986 eine Umschulung zum Tischler versucht wurde. Von 1990 bis Juli 1992 verrichtete er im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) die Tätigkeit eines Hafenaufsehers. Seitdem ist er erneut arbeitslos.

3

Im November 1993 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Rentenantrag unter Hinweis auf Rücken-, Knie-, Ellenbogen- und Handschmerzen sowie Luftbeschwerden. Nach Einholung eines Befundberichtes des Allgemeinarztes Dr. I. vom 2. November 1993 ließ die Beklagte den Kläger durch den Seeärztlichen Dienst untersuchen und begutachten. In seinem Gutachten vom 18. Februar 1994 diagnostizierte der Arzt Dr. J. eine rezidivierende Lumbago bei röntgenologisch nachgewiesenen mäßigen degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule, eine Gonarthrose beiderseits bei röntgenologisch nachgewiesenen fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen sowie ein Lungenemphysem mit mittelgradiger obstruktiver Ventilationsstörung. Der Kläger sei, so führte der Gutachter aus, nicht gehindert, vollschichtig einer leichten, im Wechselrhythmus, nicht in vermehrter Staubexposition auszuübenden und nicht mit Heben, Tragen sowie inhalativen Reizstoffen verbundenen Beschäftigung nachzugehen. Auf der Grundlage dieses Gutachtens sowie einer dazu abgegebenen beratungsärztlichen Stellungnahme lehnte die Beklagte den Rentenantrag durch Bescheid vom 6. Februar 1995 ab.

4

Im Rahmen des sich daran anschließenden Widerspruchsverfahrens beauftragte die Beklagte die Chirurgin Dr. K. mit der Erstattung eines weiteren Gutachtens. In der Zusammenfassung ihres Gutachtens vom 19. Juli 1995 stellte diese folgende Diagnosen: Degeneration der unteren drei Bandscheiben im Halswirbelsäulenbereich mit ausgeprägten und altersüberschreitenden Veränderungen; schmerzhafte Beeinträchtigungen der Schultergelenksfunktion rechts auf dem Boden degenerativer Rotatorenmanschetten-Veränderungen; endgradige Bewegungseinschränkung beider Ellengelenke bei degenerativen Veränderungen nach Ellengelenksbrüchen; rezidivierende Lumbago auf dem Boden altersentsprechend degenerativer Bandscheibenveränderungen; beginnende Hüftgelenksarthrose links; Kniegelenksarthrose beidseits - links mehr als rechts - mittlerer Ausprägung bei freier Funktion; Mittelfingergrundgelenks-Arthrose rechts. Das Leistungsvermögen des Klägers schätzte die Gutachterin dahingehend ein, dass er in der Lage sei, vollschichtig eine leichte, in wechselnder Körperhaltung auszuübende berufliche Tätigkeit zu verrichten, wobei Überkopfarbeiten zu vermeiden seien. In einem ebenfalls von der Beklagten eingeholten Gutachten vom 9. Oktober 1995 diagnostizierte der Internist - Lungen- und Bronchialheilkunde - Dr. L. eine chronisch-obstruktive Emphysembronchitis und vertrat die Auffassung, der Kläger sei durch diese Erkrankung an der Ausübung einer leichten bis mittelschweren Erwerbstätigkeit nicht gehindert, wobei ihm staubbelastete Arbeitsplätze sowie der Umgang mit inhalativen Reizstoffen nicht zuzumuten seien.

5

Im Anschluss an diese Gutachten wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers durch Widerspruchsbescheid vom 29. November 1995 mit der Begründung zurück, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gebe es Beschäftigungsmöglichkeiten in hinreichender Zahl, die den zu beachtenden Leistungseinschränkungen entsprächen; es komme hierbei nicht darauf an, ob bei der Vermittlung eines solchen Arbeitsplatzes Schwierigkeiten aufträten.

6

Der Kläger hat am 12. Dezember 1995 Klage beim Sozialgericht (SG) Bremen erhoben. Er hat eine Kopie einer Gesprächsnotiz vom 23. September 1997 über eine durch den Orthopäden Dr. M. am 18. September 1997 durchgeführte Untersuchung zu den Akten gereicht und vorgetragen, auf Grund der zwischenzeitlich eingetretenen Verschlechterung des Beschwerdebildes nicht mehr in der Lage zu sein, vollschichtig einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Im Bereich der rechten Hand, des rechten Schultergelenks sowie der Kniegelenke beständen erhebliche Funktionseinschränkungen. Schon beim langsamen Gehen fühle er sich beeinträchtigt, weil er ständig damit rechnen müsse, wegen der auftretenden Schmerzen umzufallen, was erst kürzlich der Fall gewesen sei. Nach einem 40 Minuten andauernden Gespräch habe er große Schwierigkeiten, aufzustehen und sich fortzubewegen.

7

Das SG Bremen hat einen Befundbericht des Arztes Dr. I. vom 1. Februar 1997, dem weiteren medizinische Unterlagen beigefügt waren, eingeholt. Mit Urteil vom 24. September 1997 hat es die Klage abgewiesen. Das Gericht hat sich den seitens der Beklagten eingeholten Gutachten angeschlossen und die Auffassung vertreten, die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente seien nicht gegeben. Trotz der bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen sei der Kläger nicht gehindert, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Zwar könne er auf Grund seiner Beeinträchtigungen nicht jede Art von Tätigkeit ausüben, jedoch sei eine konkrete Verweisungstätigkeit nicht zu benennen.

8

Gegen dieses ihm am 11. Dezember 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. Dezember 1997 beim Landessozialgericht (LSG) Bremen Berufung eingelegt. Er macht geltend, er sei entgegen der Auffassung des SG auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht vollschichtig, sondern allenfalls halbschichtig bzw. unter halbschichtig einsatzfähig; dies entspreche auch der Auffassung des Orthopäden Dr. M ... Da er keinen entsprechenden Arbeitsplatz innehabe, habe er einen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Im Übrigen habe sich sein Gesundheitszustand weiter verschlechtert.

9

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 24. September 1997 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 6. Februar 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. November 1995 zu verurteilen, ihm ab 1. Dezember 1993 eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu zahlen.

10

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

die Berufung zurückzuweisen.

11

Sie bezieht sich auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

12

Das Gericht hat zunächst ein Gutachten des Orthopäden Dr. N. vom 31. Mai 1999 eingeholt. Der Sachverständige diagnostiziert einen Rundrücken und eine mäßige Seitverbiegung an der Hals- und Lendenwirbelsäule mit dem Lebensalter leicht vorauseilenden Verschleißerscheinungen an der Halswirbelsäule und altersentsprechendem Verschleiß an der Lendenwirbelsäule; diskrete Zeichen degenerativ-entzündlicher Vorgänge in der Sehnenkappe des rechten Schultergelenks, umformende Veränderungen an den Schultergelenken beiderseits, stärkere umformende Veränderungen (Arthrose) in beiden Ellenbogengelenken nach verheilten Brüchen der beiderseitigen Ellenhaken, Teilverlust des rechten Zeigefingers, Fingergelenksarthrose rechts mit endgradiger Behinderung des Faustschlusses; mäßige Hüfgelenksarthrose beiderseits ohne funktionelle Beeinträchtigung, stärkere Kniegelenksarthrose beiderseits, Instabilität des linken Kniegelenks infolge gelockerter Kreuzbandführung, Pseudogicht im rechten Kniegelenk, Verletzungs- und Operationsnarben im Kniegelenksbereich beiderseits, Senk-Spreizfüße. Weiter führt der Sachverständige aus, der Kläger sei im Stande, vollschichtig eine leichte, in wechselnder Körperhaltung und in gleichmäßig temperierten Räumen auszuübende Tätigkeit zu verrichten, wobei Zugluft und Nässe, Akkord, Wechselschicht, längeres Stehen, Klettern, Steigen und Hocken sowie häufiges Bücken zu vermeiden seien. Anmarschwege zur Arbeit von mehr als 500 m (bis zu vier Mal täglich) seien zumutbar.

13

Ein weiteres Gutachten hat das Gericht von den Orthopäden Prof. Dr. O./ Dr. P./Q. eingeholt. In ihrem Gutachten vom 16. Februar 2001 stellen sie im Wesentlichen die gleichen Diagnosen wie der Sachverständige Dr. N., zusätzlich die Diagnose einer alten Fußheberschwäche des rechten Fußes mit Gefühlsstörung im rechten Ober- und Unterschenkel. Auch hinsichtlich der Einschätzung der Leistungsfähigkeit und der Wegefähigkeit kommen die Gutachter zu den gleichen Schlussfolgerungen.

14

Wegen der neurologischen Symptomatik ist ein Gutachten von dem Neurologen/Psychiater Dr. R. und dem Neurologen Dr. S. vom 10. Januar 2002 (mit Berichten über elektroneurografische und elektromyografische Messungen sowie Messungen der somatosensibel evozierten Potenziale (SEP) der Neurophysiologin Dr. T. vom 13. September und 26. Oktober 2001) eingeholt worden. Die Sachverständigen geben an, in neurologischer Hinsicht lägen eine rechtsbetonte leichte Fußheberschwäche und Sensibilitätsstörungen bei gemischter Polyneuropathie sowie eine hochgradige Stand- und Gangunsicherheit bei vestibulozerebellärer Gleichgewichtsstörung vor. Diese Gesundheitsstörungen hinderten den Kläger nicht daran, vollschichtig eine körperlich leichte Tätigkeit zu verrichten, sofern ein fester Untergrund vorhanden sei; dies schließe beispielsweise die früher ausgeübte Tätigkeit eines Matrosen aus. Anmarschwege zur Arbeit von mehr als 500 m bis zu vier Mal täglich seien zumutbar.

15

Ferner hat das Gericht einen Befundbericht des Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde U. vom 11. November 2001 eingeholt, der über eine in den letzten Jahren allmählich zunehmende Belastungsluftnot berichtet hat.

16

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

17

Das Gericht hat die Rentenakte der Beklagten - Vers.-Nr. 30 060341 H 019 - beigezogen. Der Inhalt dieser Akte und der Prozessakte des LSG Niedersachsen-Bremen/SG Bremen - L 2 RI 67/97 (S 23 J 318/95) - ist zum Gegenstand der Beratung gemacht worden.

Entscheidungsgründe

18

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

19

Die Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG Bremen hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

20

Nach § 43 Abs. 1 SGB VI a.F. haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie 1. berufsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeitragszeiten haben und 3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist (Abs. 2 Satz 1). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Abs. 2 Satz 2). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 Satz 4 SGB VI a.F.). Nach § 240 SGB VI n.F. erhalten vor dem 2. Januar 1961 geborene Versicherte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unter den gleichen Voraussetzungen mit der Maßgabe, dass der Anspruch schon gegeben ist, wenn die Erwerbsfähigkeit gegenüber vergleichbaren Versicherten auf unter sechs Stunden gesunken ist, und bereits dann ausgeschlossen ist, wenn eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden ausgeübt werden kann.

21

Berufsunfähigkeit ist nach beiden Regelungen hier nicht gegeben, da der Kläger ihm zumutbare Tätigkeiten noch vollschichtig verrichten kann. Er leidet zwar an Gesundheitsstörungen, die auf den Umfang seiner beruflichen Belastbarkeit einen gewissen Einfluss ausüben. Diese sind aber nicht so gravierend, dass die Annahme einer verminderten Erwerbsfähigkeit im o. a. Sinne gerechtfertigt ist. Der Kläger ist nicht daran gehindert, vollschichtig einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Diese Feststellung gründet sich auf die überzeugenden und im Wesentlichen auch übereinstimmenden Gutachten des Arztes Dr. J. vom 18. Februar 1994, der Chirurgin Dr. K. vom 19. Juli 1995, des Internisten und Lungenarztes Dr. L. vom 9. Oktober 1995, des Orthopäden Dr. N. vom 31. Mai 1999, der Orthopäden Prof. Dr. O./Dr. P./Q. vom 16. Februar 2001 und der Neurologen Dr. R./Dr. S. vom 10. Januar 2002. Im Vordergrund des Beschwerdebildes des Klägers stehen die krankhaften Veränderungen an der Hals- und Lendenwirbelsäule, den Schulter- und Schultereckgelenken sowie den Ellenbogengelenken, den Hüft- und Kniegelenken sowie den Fingergelenken. Internistischerseits besteht eine chronisch-obstruktive Lungenerkrankung. Auf neurologischem Fachgebiet bestehen eine leichte Fußheberschwäche, Sensibilitätsstörungen und eine Gangunsicherheit bei Gleichgewichtsstörung. Es ist für das Gericht überzeugend, wenn die Gutachter hinsichtlich des Leistungsvermögens des Klägers zu dem Ergebnis gelangen, dass dieser in der Lage ist, vollschichtig eine leichte Erwerbstätigkeit in wechselnder Körperhaltung und in gleichmäßig temperierten Räumen ohne Akkord oder Wechselschicht auszuüben, sofern sie nicht mit längerem Stehen, Klettern, Steigen, Hocken, häufigem Bücken und vermehrter Staubexposition sowie inhalativen Reizstoffen verbunden ist. Die Befundberichte des Allgemeinarztes Dr. I. vom 1. Februar 1997 und des Lungenfacharztes U. vom 11. November 2002 enthalten keine in den vorerwähnten Gutachten nicht berücksichtigten bzw. nicht gewürdigten Krankheitsbefunde, welche das berufliche Einsatzvermögen des Klägers weiter einzuschränken in der Lage wären.

22

Der Kläger kann grundsätzlich auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verwiesen werden, da er während seines Arbeitslebens überwiegend ungelernte und allenfalls einfache angelernte Tätigkeiten i. S. des von der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit entwickelten Mehrstufenschemas ausgeübt hat; hiernach kann ein Versicherter auch Tätigkeiten innerhalb der gleichen Berufsgruppe wie auch auf Tätigkeiten innerhalb der Gruppe unter der sich aus der Wertigkeit des Hauptberufs ergebenden Berufsgruppe verwiesen werden, sodass es dahinstehen kann, ob der Kläger auch im Anlernbereich tätig gewesen ist. Dies ist im Übrigen zwischen den Beteiligten auch nicht streitig, sodass eine weiter gehende Begründung entbehrlich ist.

23

Angesichts der selbst für die Tarifpartner bestehenden Unmöglichkeit, die Fülle der nicht durch Ausbildung und/oder Berufserfahrung qualifizierten Tätigkeiten im Einzelnen zu bezeichnen, ist es nach §§ 43 Abs. 2 S. 4, 44 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB VI a.F. sowie ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) grundsätzlich nicht erforderlich, vollschichtig einsatzfähigen Versicherten eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen (BSG vom 14.9.95, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50; vom 19.12.96 - GS 2/95 -, BSGE 80, 24, 31 f. [BSG 19.12.1996 - GS - 2/95][BSG 19.12.1996 - GS - 2/95] = SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Das BSG hat ferner klargestellt, dass dieser Grundsatz auch bei erheblich leistungsgeminderten älteren Arbeitnehmern mit längerer Arbeitslosigkeit, die trotz gewisser Leistungseinschränkungen noch vollschichtig einsatzfähig sind, gilt (BSG vom 23.03.1993 - 4 BA 121/92 -, NZS 93, 403; vom 14.09.1995 - 5 RJ 50/94 -). Ausnahmen hiervon gelten dann, wenn eine Summierung erheblicher, ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, wie z.B. Einarmigkeit oder Einäugigkeit, festgestellt worden ist (BSG vom 30.11.1982, SozR 2200 § 1246 Nr. 104; 06.06.1986, SozR 2200 § 1246 Nr. 136; 28.08.1991, SozR 3-2200 § 1247 Nr. 8). Eine weitere Ausnahme gilt, wenn die Einschränkungen so erheblich sind, dass von vornherein ernste Zweifel daran aufkommen müssen, ob Versicherte mit dem ihnen verbliebenen Leistungsvermögen auch in einem Betrieb einsetzbar sind bzw. unter betriebsüblichen Bedingungen tätig sein können, was beispielsweise dann der Fall ist, wenn sie häufig kurze Arbeitspausen einhalten müssen (BSG vom 30.11.1982, SozR 2200 § 1246 Nr. 104; 01.03.1984, SozR 2200 § 1246 Nr. 117; 06.06.1986, SozR 2200 § 1246 Nr. 136).

24

Die bei dem Kläger festgestellten Gesundheitsstörungen sind weder durch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeschränkungen noch durch eine schwere spezifische Leistungsbehinderung gekennzeichnet (vgl. BSG vom 19.12.1996, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Die dem Kläger gesundheitlich nicht zumutbaren Tätigkeiten entsprechen vielmehr weitgehend den Arbeiten, deren Ausschluss nach der Rechtsprechung des BSG (siehe u.a. BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 117), keine Benennung einer Verweisungstätigkeit erfordert.

25

Bei dieser Verweisung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Benennung einer konkreten in Betracht kommenden Erwerbstätigkeit wird durch das Gericht nicht verkannt, dass die Vermittlung eines leidensgerechten Arbeitsplatzes bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage mit Schwierigkeiten verbunden ist. Diesem Umstand ist jedoch keine entscheidungserhebliche Bedeutung beizumessen; denn das Risiko von vollschichtig einsatzfähigen Versicherten, einen der Leistungsfähigkeit entsprechenden Arbeitsplatz zu finden, fällt grundsätzlich nicht in den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern in denjenigen der Arbeitslosenversicherung (BSG vom 09.09.1986 SozR 2200 § 1246 Nr. 139).

26

Wenn danach Berufsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung weder nach altem noch nach neuem Recht vorliegt, so ist der Kläger auch nicht als erwerbsunfähig i.S.v. § 44 Abs. 2 SGB VI a.F. oder als voll erwerbsgemindert i.S.v. § 43 Abs. 2 SGB VI n.F. anzusehen; denn der Begriff der Erwerbsunfähigkeit bzw. der vollen Erwerbsminderung setzt im Vergleich zu dem der Berufsunfähigkeit eine noch weiter gehende Einschränkung des Leistungsvermögens der Versicherten voraus. Bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen kommt ferner eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung i.S.v. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI n.F. nicht in Betracht.

27

Die Berufung konnte nach alledem keinen Erfolg haben.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

29

Für die Zulassung der Revision lag kein gesetzlicher Grund im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG vor.