Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 23.04.2003, Az.: L 16/12 U 5/01

Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente wegen Folgen eines Unfalls; Weitergeltung bereits aufgehobener Vorschriften des Sozialrechts; Innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem zum Unfall führenden Verhalten ; Vorliegen eines Ursachenzusammenhang im Sinne der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung"; Anforderungen an den Ursachenzusammenhang bei Vorschädigungen, die durch den Unfall vertieft wurden

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
23.04.2003
Aktenzeichen
L 16/12 U 5/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 19998
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0423.L16.12U5.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - AZ: S 5 U 126/99

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Entschädigungsleistungen sind nur zu gewähren, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem zum Unfall führenden Verhalten besteht. Darüberhinaus muß zwischen diesem und dem Unfall sowie den geltend gemachten Gesundheitsstörungen ein Ursachenzusammenhang im Sinne der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung" gegeben ist.

  2. 2.

    Der ursächliche Zusammenhang muss nicht im Sinne eines strengen Nachweises erbracht werden, sondern nur hinreichend wahrscheinlich sein.

  3. 3.

    Diese Grundsätze gelten auch für den Fall, dass eine Verschlimmerung eines bereits bestehenden Gesundheitsschadens geltend gemacht wird, also krankhafte Veränderungen vor dem Unfall bestanden haben.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichts- bescheid des Sozialgerichts Bremen vom 15. Dezember 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Zahlung einer Verletztenrente.

2

Die am 30. Mai 1948 geborene Klägerin war als Hausgehilfin im Hauswirtschaftsbereich des Krankenhauses I. beschäftigt. - Am 5. Januar 1995 rutschte sie auf dem Parkplatz des Krankenhauses aus, als sie sich auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz befand. Nach den Angaben in der ärztlichen Unfallmeldung des Arztes für Allgemeinmedizin J. vom 13. Januar 1995, bei dem sie sich am 12. Januar 1995 vorstellte, war sie bei dem Unfall auf das rechte Knie gefallen. Der Arzt J. diagnostizierte einen Kniegelenkserguss rechts. Am 13. Januar 1995 stellte sich die Klägerin bei Prof. Dr. med. K., Direktor der Orthopädischen Klinik L., vor. In seinem Durchgangsarztbericht vom 9. Februar 1995 heißt es, die Klägerin sei bei Glatteis auf dem Weg zur Arbeit ausgerutscht und habe das rechte Knie verdreht. Prof. Dr. med. K. stellte die Diagnose eines Verdachts auf Innenmeniskusläsion bei Kniedistorsion rechts. Das Röntgenergebnis lautete wie folgt: Rechtes Knie in zwei Ebenen und Patella axial: kein Nachweis einer frischen knöchernen Verletzung anteromedial; Gonarthrose beidseits.

3

Bei einer Nachuntersuchung am 17. Januar 1995 fand Prof. Dr. med. K. positive Meniskuszeichen im Bereich des medialen Kniegelenkspalts und wies auf die Notwendigkeit eines operativen Eingriffs hin; einen solchen lehne die Klägerin zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch ab (Nachschaubericht vom 17. Januar 1995). In einem weiteren Bericht vom 25. April 1995 teilten Prof. Dr. med. K./Dr. med. M. mit, die Klägerin habe sich zuletzt am 7. Februar 1995 in ihrer Sprechstunde vorgestellt. Nach wie vor persistiere die bekannte Innenmeniskussymptomatik. Die Klägerin habe sich zu einer stationären Arthroskopie des rechten Kniegelenks vormerken lassen, die jedoch noch nicht durchgeführt worden sei. Sie sei seit dem 6. Februar 1995 wieder arbeitsfähig. In einer Mitteilung vom 4. August 1995 schätzte Prof. Dr. med. K. die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vorläufig über die 13. Woche nach dem Unfall hinaus auf 10 v. H. ein.

4

Die Beklagte holte ferner einen Krankheitsbericht von dem Arzt J. vom 28. Februar 1995 ein, in dem dieser zum Hergang des Unfalls wiederum ausführte, die Klägerin sei bei Glatteis auf dem Weg zur Arbeit ausgerutscht und habe sich dabei das rechte Knie verdreht. Am 18. Dezember 1995 wurde in der Orthopädischen Klinik N. eine Arthroskopie des rechten Kniegelenks durchgeführt. Dabei fanden sich eine Knorpelerweichung dritten Grades an der inneren Oberschenkelrolle und dem inneren Schienbeinplateau, eine Knorpelerweichung ersten bis zweiten Grades an der Hinterfläche der Kniescheibe und des Gleitlagers, ein gleiches Bild im äußeren Compartement und ein Radiärriss des Innenmeniskus im Hinterhornbereich. Es wurden eine transarthroskopische Knorpelplastik, eine Teilentfernung des Innenmeniskus und eine Gelenktoilette durchgeführt (Nachschaubericht von Prof. Dr. med. K. vom 13. Februar 1996 und Operationsbericht vom 19. Dezember 1995).

5

Im Anschluss an die Arthroskopie fand eine krankengymnastische Übungsbehandlung statt. In einem Schreiben vom 1. April 1996 führten Prof. Dr. med. K./Dr. med. O. aus, der im Rahmen der am 18. Dezember 1995 durchgeführten transarthroskopischen Operation gefundene Knorpelschaden müsse im Zusammenhang mit dem Unfall vom 5. Januar 1995 gesehen werden. Die Klägerin sei noch arbeitsunfähig.

6

In der Folgezeit verschlimmerten sich die Beschwerden im Bereich des rechten Kniegelenks wieder. Prof. Dr. med. K. wies in einem Nachschaubericht vom 2. Mai 1996 darauf hin, es bestehe der Verdacht auf eine sympathische Refleximbalance des rechten Knies und die neu angefertigten Röntgenaufnahmen zeigten eine zunehmende fleckförmige Entkalkung, insbesondere am medialen Gleitlager und auch am Tibiakopf ventral, während die Kniescheibe nur mäßig betroffen sei. Daraufhin wurde die Klägerin vom 8. Mai - 4. Juni 1996 stationär in der Orthopädischen Klinik N. behandelt, dort wurden eine intensive stationäre Therapie und eine Calcitonin-Behandlung durchgeführt. Nach der Entlassung wurden zwei Mal je 10 Einheiten einer Erweiterten Ambulanten Physiotherapie (EAP) verordnet. In Berichten vom 15. Juli 1996, 20. August 1996, 21. August 1996 und 20. September 1996 wiesen Prof. Dr. med. K. bzw. Prof. Dr. med. K./Dr. med. P./Dr. med. Q. darauf hin, dass es sich um einen sehr verzögerten Verlauf des Krankheitsbildes handele. Objektiv sei von der Belastungsfähigkeit des rechten Kniegelenks her eine Besserung der Schmerzsituation eingetreten, jedoch bestehe eine gewisse Diskrepanz zu den Angaben der Klägerin. Sie sei ab 1. September 1996 wieder arbeitsfähig und die MdE betrage nach vorläufiger Schätzung 10 v. H. über die 13. Woche nach dem Unfall hinaus.

7

Ab 16. Dezember 1996 war die Klägerin wegen Beschwerden im rechten Knie wieder arbeitsunfähig. In einem Nachschaubericht vom 20. Februar 1997 teilte Prof. Dr. med. K. der Beklagten mit, unter Wertung des klinischen Befundes und der Anamnese müsse zwar nicht von einem Vollbild eines Morbus Sudeck ausgegangen werden, sondern eher von einer chronischen Refleximbalance. Die anfangs geschätzte MdE von 10 v. H. bewege sich aber eher in einem Bereich von 20-30 v. H. In weiteren Berichten vom 24. April 1997 und 11. Juni 1997 teilten Dr. med. O. und Dr. med. R./ Dr. med. O. mit, der Zustand habe sich eher wieder verschlechtert und eine erneute Arbeitsfähigkeit sei bis Anfang August 1997 nicht zu erwarten.

8

In Berichten vom 30. Juli 1997 und 7. August 1997 vertraten Dr. med. R./Dr. med. O. die Auffassung, es sei auf absehbare Zeit nicht zu erwarten, dass die Klägerin ihren Beruf einer Küchenhilfe wieder voll erwerbsfähig ausüben könne. Nach wie vor bestehe die sympathische Refleximbalance. Nach einem Nachschaubericht vom 28. August 1997 von Dr. med. O. war die Klägerin weiterhin arbeitsunfähig.

9

Die Beklagte holte ein Gutachten von dem Arzt für Chirurgie Dr. med. S. vom 15. Oktober 1997 ein. Er führte aus, als objektiv nachweisbare krankhafte Veränderungen fänden sich bei der Klägerin eine leichte Verschmächtigung der Muskulatur des rechten Ober- und Unterschenkels, geringgradige arthrotische Veränderungen an beiden Kniegelenken, eine Verschmälerung des inneren Kniegelenkspaltes gegenüber dem äußeren beiderseits und Kalkeinlagerungen im Außenmeniskus und im Innenmeniskus des rechten Kniegelenks. Auf Grund der früheren Befunde, des gesamten Verlaufs und des Ergebnisses der jetzigen Untersuchung müsse ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall vom 5. Januar 1995 und den fast ein Jahr später arthroskopisch festgestellten krankhaften Veränderungen im Binnenraum des rechten Kniegelenks sowie den von der Klägerin früher und auch jetzt geklagten Beschwerden verneint werden. Zunächst sei es zweifelhaft, ob bei dem damaligen Vorgang eine Traumatisierung erfolgt sei, die nach Art und Grad geeignet gewesen sei, eine Verletzung eines gesunden nicht degenerativ oder durch andere krankhafte Vorgänge vorgeschädigten Innenmeniskus zu verursachen. Die Klägerin sei auf eisglattem Boden ausgerutscht und habe sich dabei nach ihren Angaben das Knie verdreht; anlässlich der jetzigen Untersuchung habe sie zusätzlich einen Sturz erwähnt. Eine massive Abknickung oder Drehung des Oberschenkels gegen den feststehenden Unterschenkel oder aber umgekehrt oder eine Kombination beider Abläufe in Form eines sogenannten Verwindungstraumas habe seinerzeit mit Sicherheit nicht stattgefunden. Eine Gewalteinwirkung solcher Art wäre aber erforderlich, um eine Verletzung eines intakten Meniskus hervorzurufen. Gelegentlich könnten zwar auch andere stärkere Traumatisierungen nichttypischer Art zu einer Meniskusläsion führen, wenn sie ausreichend stark seien und ein extremes Überraschungsmoment vorliege, sodass eine reflektorische Abwehrreaktion nicht zu Stande kommen könne. In diesen Fällen fänden sich jedoch Hinweise auf ein relevantes abgelaufenes Trauma. Solche hätten sich aber in dem vorliegenden Fall nicht ergeben. Die Klägerin habe erst eine Woche nach dem Unfall ihren Hausarzt aufgesucht und bei der einen Tag später durchgeführten durchgangsärztlichen fachorthopädischen Untersuchung seien eindeutige Traumafolgen nicht gefunden worden, jedoch hätten ein deutlicher Kniegelenkserguss und positive Meniskuszeichen bestanden, sodass sich der Verdacht auf eine Schädigung des Innenmeniskus ergeben habe. Da eine Punktion nicht erfolgt sei, sei die Beschaffenheit des Gelenksergusses nicht bekannt. Anzunehmen sei jedoch, dass ein seröser und kein blutiger Erguss vorgelegen habe, da die erste ärztliche Untersuchung erst eine Woche nach dem Unfall stattgefunden habe und bei einem blutigen intraartikulären Erguss als Traumafolge zu erwarten gewesen wäre, dass dieser kurze Zeit nach dem Ereignis bereits vorhanden und nach ein bis zwei Tagen maximal ausgebildet gewesen wäre. Im vorliegenden Fall sei somit davon auszugehen, dass eine Woche nach dem Unfallereignis ein Reizerguss des rechten Kniegelenks bei einer Innenmeniskussympto-matik vorhanden gewesen sei. Anzunehmen sei somit, dass ein inadäquates Trauma eine Ruptur oder sogar zwei Rupturen eines infolge degenerativer Veränderungen vorgeschädigten Innenmeniskus des rechten Kniegelenks verursacht habe. Als eigentliche Ursache für die Entstehung der Meniskusläsion sei die verschleißbedingte Vorschädigung des Meniskusgewebes anzusehen. Bei den vorliegenden Gegebenheiten hätte die Meniskusläsion genauso gut bei jeder anderen Gelegenheit des alltäglichen Ablaufes auftreten können, sodass dem Ereignis vom 5. Januar 1995 lediglich die Bedeutung einer Gelegenheitsursache zukomme. Bei den weiteren arthroskopisch festgestellten Schädigungen des Gelenkknorpels in allen Abschnitten des rechten Kniegelenks handele es sich von vornherein um primäre schicksalhaft bedingte Verschleißerscheinungen. Hinsichtlich des weiteren Verlaufs im Anschluss an die Innenmeniskus-Teilentfernung komme diesen Verschleißerscheinungen die weitaus größere und wesentliche Bedeutung zu. Eine Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens durch das Unfallgeschehen sei nicht eingetreten. Lediglich anlässlich, aber keineswegs infolge des damaligen Ereignisses sei es zu einer Aktualisierung eines latenten Krankheitsbildes gekommen.

10

Mit Bescheid vom 21. Januar 1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass des Ereignisses vom 5. Januar 1995 mit der Begründung ab, es habe sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt. Dieser sei definitionsgemäß ein körperlich schädigendes, zeitlich eng begrenztes äußeres Ereignis, und zwischen dem äußeren Ereignis und dem Körperschaden müsse ein innerer ursächlicher Zusammenhang bestehen. Ein solcher sei jedoch bei dem festgestellten Schaden im Bereich des rechten Knies weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung gegeben. Dies folge aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen und insbesondere dem Gutachten von Dr. med. S. vom 15. Oktober 1997. Danach sprächen vor allem der Hergang des Ereignisses und die im Rahmen der Arthroskopie erhobenen Befunde gegen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Ereignis vom 5. Januar 1995 und den aufgetretenen Beschwerden. Die Beklagte verwies im Einzelnen auf das Gutachten von Dr. med. S ...

11

Die Klägerin legte am 28. Januar 1998 Widerspruch ein und begründete ihn damit, bei dem Sturz am 5. Januar 1995 habe sie sich das rechte Bein verdreht und derart starke Schmerzen im Knie verspürt, dass sie nicht habe laufen können. Vor dem Sturz habe sie keine Kniebeschwerden gehabt. Sie habe nach dem Unfall sofort den Betriebsarzt Dr. med. M. aufgesucht, der ihr erklärt habe, dass sie das Bein kühlen solle. - Eine Nachfrage der Beklagten im Krankenhaus T. ergab, dass Dr. med. M. sich konkret an den Vorgang nicht erinnern kann (Schreiben des Krankenhauses T., Orthopädische Klinik I, vom 7. Oktober 1998).

12

Die Beklagte holte ferner ein unfallchirurgisches Gutachten von dem Facharzt für Chirurgie Prof. Dr. med. U./Oberarzt V. (Klinik für Unfall-, Hand- und plastische Chirurgie W.) vom 12. Januar 1999 mit einem radiologischen Zusatzgutachten von Dr. med. X., Zentral-Institut für Röntgendiagnostik und Nuklearmedizin Y., vom 15. Januar 1999 ein. Prof. Dr. med. U./Oberarzt V. fassten das Ergebnis ihrer Begutachtung dahingehend zusammen, dass eine endgradige Bewegungseinschränkung des rechten Kniegelenks sowohl in Streckung als auch Beugung und ein Zustand nach Algodystrophie des rechten Beines nach Arthroskopie des rechten Kniegelenks bestünden. Die Röntgenaufnahmen beider Kniegelenke in zwei Ebenen sowie der Kniescheibe tangential zeigten deutliche arthrotische Zeichen sowohl im lateral-medialen als auch retropatellaren Compartement. Diese erheblichen Knorpelveränderungen in allen Abschnitten des Kniegelenks mit gleichzeitiger degenerativer sekundärer Veränderung des Innenmeniskus seien nicht als Folge des Ereignisses vom 5. Januar 1995 anzusehen. Es sei vielmehr im Sinne einer Gelegenheitsursache zu deuten. Der langwierige Verlauf sei durch das Vollbild eines Morbus Sudeck zu erklären, der selbst wahrscheinlich durch die Arthroskopie ausgelöst worden sei. Die Durchführung der Arthroskopie ein Jahr nach dem Unfall sei sicherlich nicht primär wegen dieses Unfalls, sondern auf Grund der Panarthrose des Kniegelenks erfolgt. Daher sei auch die Ausbildung des Morbus Sudeck nicht als Folge des Unfalls anzusehen. Dieser sei lediglich im Sinne eines Distorsionstraumas zu bewerten, das Arbeitsunfähigkeit vom 5. Januar 1995 bis 6. Februar 1995 bedingt habe; danach habe keine Einschränkung der Erwerbsfähigkeit mehr durch die Folgen des Unfalls bestanden.

13

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 1999 änderte die Beklagte den Bescheid vom 21. Januar 1998 dahingehend ab, dass sie das Vorliegen eines Arbeitsunfalls anerkannte. Entschädigungsleistungen wegen des Unfalls lehnte sie jedoch über den 6. Februar 1995 hinaus weiterhin ab. Zur Begründung bezog sich die Beklagte auf das Gutachten von Prof. Dr. med. U./Oberarzt V. vom 12. Januar 1999 und führte aus, diese Gutachter seien davon ausgegangen, dass es am 5. Januar 1995 zu einer Zerrung des rechten Kniegelenks gekommen sei, die Behandlungsbedürftigkeit und Arbeitsunfähigkeit bis 6. Februar 1995 bedingt habe. Anschließend sei jedoch von einer folgenlosen Ausheilung auszugehen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf Bl. 352/353 Verwaltungsakte Bezug genommen.

14

Die Klägerin hat am 27. Juli 1999 beim Sozialgericht (SG) Bremen Klage erhoben und die Zahlung einer Teilrente in Höhe von mindestens 20 v. H. der Vollrente begehrt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die durch den Unfall verursachte Leistungsminderung sei erheblich, sodass eine Verletztenrente in Höhe von 20 v. H. der Vollrente zu zahlen sei. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Meniskusriss infolge des Unfalls vom 5. Januar 1995 aufgetreten. Bislang sei der Unfallhergang zwar nicht so geschildert worden, dass der Fuß fixiert gewesen sei, es reiche jedoch aus, wenn dieser fest auf dem Boden gehaftet sei, sodass Ober- und Unterschenkel gegeneinander hätten verdreht werden können.

15

Die Beklagte hat sich besonders auf das Gutachten von Prof. Dr. med. U./Oberarzt V. vom 12. Januar 1999 bezogen und geltend gemacht, der Unfallmechanismus sei nicht geeignet gewesen, als wesentliche Ursache einen Meniskusriss herbeizuführen.

16

Mit Gerichtsbescheid vom 15. Dezember 2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich auf die Gutachten von Dr. med. S. vom 15. Oktober 1997 und Prof. Dr. med. U./Oberarzt V. vom 12. Januar 1999 gestützt, in denen ausgeführt sei, dass der Unfall nicht ansatzweise eine MdE um 20 v. H. bedingt habe. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Gerichtsbescheid (Bl. 29-33 Prozessakte) Bezug genommen.

17

Die Klägerin hat gegen den ihr am 2. Januar 2001 zugestellten Gerichtsbescheid am 23. Januar 2001 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Bremen Berufung eingelegt. Sie macht geltend, nach wie vor bestünden starke Schmerzen im rechten Knie. Es brenne regelmäßig und schwelle an, sodass es gekühlt werden müsse. Entgegen der Ansicht der Gutachter Dr. med. S. und Prof. Dr. med. U./Oberarzt V. sei sie der Auffassung, dass sie am 5. Januar 1995 ein Trauma erlitten habe, das geeignet gewesen sei, Meniskusverletzungen hervorzurufen. Diese Frage hätten die Gutachter nicht sorgfältig genug geklärt, die daher zu Unrecht davon ausgegangen seien, dass der Unfall lediglich als Gelegenheitsursache für den Meniskusriss anzusehen sei. Deshalb sei auch die Sudeck'sche Erkrankung als mittelbare Unfallfolge anzusehen, da sie durch die Arthroskopie hervorgerufen worden sei.

18

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bremen vom 15. Dezember 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 21. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 1999 zu verurteilen, ihr eine Teilrente in Höhe von mindestens 20 v. H. der Vollrente seit dem 6. Februar 1995 zu zahlen.

19

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

20

Die Beklagte hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend und weist darauf hin, soweit die Klägerin nunmehr versuche, ein adäquates Unfallereignis zu schildern und eine "passende" Ursachenkette darzustellen, erfolge diese Sachverhaltsschilderung erstmals sechs Jahre nach dem Ereignis. Bisher sei stets davon auszugehen gewesen, dass der Fuß bei dem Ausrutschen auf Eis nicht fixiert gewesen und mithin ein für eine Meniskusverletzung adäquates Ereignis nicht abgelaufen sei.

21

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht ein Gutachten von Prof. Dr. med. Z./Dr. med. AB./Dr. BB. (Orthopädische Klinik CB.) vom 16. Dezember 2002 eingeholt. Sie haben auf orthopädischem Fachgebiet folgende Diagnosen gestellt: Medial betonte Gonarthrose beidseits, rechts mehr als links, bei Chondro-calcinose rechts und Zustand nach Arthroskopie des Kniegelenks am 18. Dezember 1995 mit transarthroskopischer Knorpelplastik und Teilresektion des degenerativen Innenmeniskus-Hinterhornquerrisses sowie Radiärrisses in der Pars intermedia. Zur Frage des ursächlichen Zusammenhangs haben sie ausgeführt, der Unfall vom 5. Januar 1995 sei als Distorsionstrauma und Gelegenheitsursache anzusehen. Auf Grund der Gonarthrose und Chondrocalcinose habe eine erhebliche Vorschädigung des rechten Kniegelenks zum Zeitpunkt des Unfalls vorgelegen. Somit sei der langwierige Verlauf mit Operation sowie fraglicher Entwicklung eines Morbus Sudeck nicht Folge des Unfalls vom 5. Januar 1995. In Übereinstimmung mit der Auffassung von Prof. Dr. med. U./Oberarzt V. in ihrem Gutachten vom 12. Januar 1999 könne eine Arbeitsunfähigkeit von einem Monat nach dem Unfall als Unfallfolge gewertet werden; danach, ab dem 6. Februar 1995, bestehe unfallbedingt keine MdE mehr. In wesentlichen Teilen schlössen sie sich auch dem Vorgutachten von Dr. med. S. vom 15. Oktober 1997 an.

22

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten (Az. 3 - 37 - I 012 956 B) beigezogen. Diese Akte und die Prozessakte (Az. L 16/12 U 5/01, S 5 U 126/99) sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

23

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG). Sie ist nicht begründet.

24

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente wegen Folgen des Unfalls vom 5. Januar 1995.

25

Im vorliegenden Fall ist die Reichsversicherungsordnung (RVO) und nicht das am 1. Januar 1997 in Kraft getretene Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) anzuwenden, denn der Versicherungsfall ist vor dem 1. Januar 1997 eingetreten und die von dem Kläger begehrte Leistung (Verletztenrente) wäre - wenn die Voraussetzungen hierfür vorlägen - vor diesem Zeitpunkt festzusetzen gewesen, d. h. der Anspruch darauf wäre vor dem 1. Januar 1997 entstanden (§§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII, § 40 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil -, SGB I).

26

Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 547 RVO) sind dann zu gewähren, wenn ein Versicherter einen Arbeitsunfall im Sinne der §§ 548 ff. RVO erlitten hat. Gemäß § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO wird eine Verletztenrente nur gezahlt, solange die Erwerbsfähigkeit des Verletzten infolge des Arbeitsunfalles um wenigstens 1/5 gemindert ist. Der Verletzte erhält eine Rente, wenn die zu entschädigende MdE über die 13. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus andauert (§ 580 Abs. 1 RVO). Die Rente beginnt mit dem Tage nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit im Sinne der Krankenversicherung (§ 580 Abs. 2 RVO).

27

Entschädigungsleistungen sind nur zu gewähren, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem zum Unfall führenden Verhalten besteht und zwischen diesem und dem Unfall sowie den geltend gemachten Gesundheitsstörungen ein Ursachenzusammenhang im Sinne der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung" gegeben ist. Nach dieser Kausalitätslehre sind unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur die Bedingungen als Ursache oder Mitursache anzusehen, die nach der Auffassung des praktischen Lebens im Verhältnis zu anderen Bedingungen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu seinem Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 27.11.198O, Az. 8a RU 12/79, in SozR 22OO § 548 Nr. 51). Zu den Beweisanforderungen ist zu beachten, dass der ursächliche Zusammenhang nicht im Sinne eines strengen Nachweises erbracht, sondern nur hinreichend wahrscheinlich sein muss. Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Umstände so stark überwiegen, dass die Entscheidung darauf gestützt werden kann und die dagegen sprechenden Umstände billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben müssen (BSGE 22, S. 203, 209, BSGE 43, S. 110, 113).

28

Diese Grundsätze gelten auch für den Fall, dass eine Verschlimmerung eines bereits bestehenden Gesundheitsschadens geltend gemacht wird, also krankhafte Veränderungen vor dem Unfall bestanden haben. Wenn die Körperschäden, für deren Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit Entschädigung beansprucht wird, einerseits Folgen eines Leidens sind, das vor dem Unfall bestanden hat, andererseits aber dieses Leiden durch Auswirkungen des Ereignisses beeinflusst sein kann, dann ist ebenfalls zu fragen, ob diese Auswirkungen des Ereignisses wahrscheinlich eine rechtlich wesentliche Teil-ursache der nach dem Ereignis eingetretenen Verschlimmerung sind. Dabei ist in erster Linie von Bedeutung, ob diese Verschlimmerung auch ohne das Ereignis etwa zum gleichen Zeitpunkt eingetreten wäre oder durch ein anderes, alltäglich vorkommendes Ereignis hätte ausgelöst werden können, ob also die äußere Einwirkung, nämlich das in Rede stehende Unfallereignis, wesentliche Teilursache oder nur Gelegenheitsursache gewesen ist (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, Band I, 3. Auflage, Anm. 28 zu § 548 -S. 214 ff. - mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des BSG).

29

Unter Anlegung dieser Beurteilungskriterien ist festzustellen, dass der Unfall vom 5. Januar 1995 lediglich zu einer Distorsion (Verstauchung, Zerrung) des rechten Kniegelenks führte, die eine Arbeitsunfähigkeit bis 5./6. Februar 1995 bedingte. Dies hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 1999 mit Rücksicht auf das Gutachten von Prof. Dr. med. U./Oberarzt V. vom 12. Januar 1999 anerkannt. Der Meniskusschaden im rechten Knie hingegen ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit wesentlich durch den Unfall verursacht worden, wie dies Dr. med. S. in seinem Gutachten vom 15. Oktober 1997, Prof. Dr. med. U./Oberarzt V. in ihrem Gutachten und auch Prof. Dr. med. Z./ Dr. med. AB./Dr. BB. in ihrem auf Antrag der Klägerin nach § 109 SGG eingeholten Gutachten vom 16. Dezember 2002 überzeugend dargelegt haben. Grund hierfür ist zunächst der ausgeprägte Binnenschaden im Bereich des rechten Knies, der bei der Arthroskopie des rechten Kniegelenks am 18. Dezember 1995 gefunden wurde und auch schon vorher röntgenologisch erkennbar war (Röntgenergebnis vom 13. Januar 1995: Gonarthrose beidseits). Zum anderen fehlt es an einem geeigneten - nachgewiesenen - Unfallmechanismus, der als wesentliche Ursache im Stande gewesen wäre, einen Meniskusriss herbeizuführen. Dies haben Dr. med. S., Prof. Dr. med. U./Oberarzt V. und Prof. Dr. med. Z./ Dr. med. AB./Dr. BB. übereinstimmend schlüssig und überzeugend begründet. Insoweit kann - um Wiederholungen zu vermeiden - auf ihre Ausführungen, die im Tatbestand auszugsweise wieder gegeben sind, Bezug genommen werden. Sie haben ferner dargelegt, dass der Unfall auch nicht als wesentliche Ursache eine Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens verursacht habe, denn der Meniskusriss hätte bei jedem anderen alltäglichen Ereignis in etwa zu der gleichen Zeit ebenso auftreten können.

30

Soweit Prof. Dr. med. K./Dr. med. O. in ihrem Schreiben vom 1. April 1996 ausgeführt haben, der im Rahmen der am 18. Dezember 1995 durchgeführten transarthroskopischen Operation gefundene Knorpelschaden müsse im Zusammenhang mit dem Unfall vom 5. Januar 1995 gesehen werden, vermag das Gericht diese Aussage nicht dahingehend zu werten, dass der Unfall für die Entstehung des Knorpelschadens die wesentliche Ursache gewesen ist. Es ist nicht erkennbar, welchen Ursachenbegriff Prof. Dr. med. K./Dr. med. O. bei ihrer Aussage zu Grunde gelegt haben. Wie die nachfolgenden Begutachtungen ergeben haben, kann von einem ursächlichen Zusammenhang im Sinne der Theorie der "wesentlichen Bedingung" nicht ausgegangen werden.

31

Nach allem war die Berufung zurückzuweisen.

32

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

33

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und der Senat weicht nicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab.