Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.05.2018, Az.: 12 MN 40/18

Weiße Flächen in einer gemeindliche Konzentrationsplanung für die Windenergienutzung; Rechtsschutzbedürfnis für einen sich gegen die aktuelle Fassung des Flächennutzungsplans richtenden Normenkontrollantrag; Erlass einer einstweiligen Anordnung für einen gegen die Ausschlusswirkung gerichteten Normenkontrolleilantrag

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.05.2018
Aktenzeichen
12 MN 40/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 50067
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2018:0511.12MN40.18.00

Fundstellen

  • BauR 2018, 1229-1233
  • EnWZ 2018, 323-326
  • NordÖR 2018, 412
  • NuR 2018, 637-639

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Enthält eine gemeindliche Konzentrationsplanung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB - hier für die Windenergienutzung - zunächst insoweit "weiße Flächen" und werden diese "weißen Flächen" nachträglich durch eine Neufassung des Flächennutzungsplans als (weitere) Sondergebiete für die Windenergienutzung dargestellt, so besteht grundsätzlich nur ein Rechtsschutzbedürfnis für einen Normenkontrollantrag, der sich gegen die aktuelle Fassung des Flächennutzungsplans richtet.

  2. 2.

    Zu den Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO für einen gegen die Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB gerichteten Normenkontrolleilantrag.

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Die Antragstellerin wendet sich als Betreiberin von Windenergieanlagen (= WEA) gegen die Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB in dem Flächennutzungsplan i. d. F. der 23. Änderung der Antragsgegnerin, weil danach an dem von ihr, der Antragstellerin, in den Blick genommenen großflächigen Standort die Verwirklichung von WEA insgesamt ausgeschlossen ist.

2

Die entsprechende Planung der Antragsgegnerin verlief in mehreren Schritten:

3

In der 16. Änderung des Flächennutzungsplans stellte sie nur ein Sondergebiet für die Errichtung (und den Betrieb) von WEA dar, und zwar südlich der Ortslage Ol.. Die Errichtung von WEA im übrigen Gemeindegebiet wurde ausgeschlossen (vgl. Bl. 13 der Begründung Teil A der 23. Änderung des Flächennutzungsplans). Auf dieser Grundlage wurde ein Windpark mit 13 WEA (mit einer Leistung von je 1,6 bis 2 MW) verwirklicht.

4

Nach dem Wegfall der Ausschlusswirkung im Regionalen Raumordnungsprogramm (= RROP) des Landkreises Wesermarsch (= Landkreis) sah sich die Antragsgegnerin zu einer Überarbeitung ihrer nunmehr konstitutiven, aber insoweit als von der Entwicklung der Rechtsprechung überholt angesehenen Ausschlussplanung veranlasst. Die Nutzung der Windenergie sollte danach aus Sicht der Antragsgegnerin in ihrem Gebiet erheblich ausgeweitet werden (vgl. Bl. 14 der sog: Entwicklungsplanung). Sie ließ deshalb durch ein beauftragtes Ingenieurbüro die vorbezeichnete sog. Entwicklungsplanung erarbeiten, die nach ihrer Begründung als Grundlage zur 23. Änderung des Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin gedient haben soll. Danach erfolgte die "Beurteilung des Gemeindegebiets in drei Phasen", nämlich des Ausschlusses von "harten" und "weichen" Tabuflächen sowie einer anschließenden Abwägung unter den verbliebenen Potentialflächen einschließlich der Kontrollprüfung, ob damit der Windenergie substantiell Raum verschafft worden sei. Als "harte Tabuflächen" wurden u. a. "die Siedlungsbereiche (einschließlich der in der Flächennutzungsplanung dargestellten(,) noch nicht bebauten Bereiche) plus einem Mindestabstand von 500m festgesetzt". "Die Siedlungslagen wurden grundsätzlich als allgemeine Wohngebiete bzw. Kleinsiedlungsgebiete (entspr. der BauNVO) eingestuft". Es wurde weiter davon ausgegangen, "dass der Grenzwert von 40 dB(A) von dem angesetzten Standardanlagentyp (200m Gesamthöhe) unter einem Abstand von 500m wirtschaftlich nicht eingehalten werden" könne. Weiterhin wurde der im Gemeindegebiet nur "in sehr geringen Umfang" vorhandene Wald als "hartes" Kriterium eingestuft. Gleiches gilt nach der Begründung gestützt auf § 9 FStrG für die Trasse der "geplanten" - aber noch nicht planfestgestellten - BAB 20 zzgl. eines jeweiligen Seitenabstandes von 100m. Schließlich wurden "Vogelrast- und Überwinterungsgebiete mit internationaler und nationaler Bedeutung" als "harte" Tabuzonen qualifiziert und - auf der Grundlage der Landschaftsrahmenplanung des Landkreises - sieben (von acht) im Übrigen wegen ihrer Bedeutung als Brut- und Rastvogelhabitat als "naturschutzwürdig" eingestufte Bereiche als "weiche Tabuzonen". Danach verblieben 12 Potentialflächen (vgl. Abbildung 15). Nach Abzug der (kleinen) Gebiete, die nur Raum für maximal zwei WEA boten, und derjenigen, die nicht den gewünschten Mindestabstand von drei km untereinander einhielten, reduzierte sich die Zahl der Potentialflächen weiter auf zunächst sechs und nachfolgend vier mit einer Fläche von rd. 400 ha entsprechend der als ausreichend eingestuften "Realisierung von 96 bis ca. 126 MW" (Leistung). Die beiden größten dieser "Eignungsbereiche" sind allerdings im - weiterhin aktuellen - RROP des Landkreises als Vorranggebiete für Grünlandbewirtschaftung ausgewiesen. Als Ergebnis eines Mediationsverfahrens zwischen der Antragsgegnerin und dem Landkreis sollten die betroffenen Gebiete deshalb - bis zu einer Änderung des RROP insoweit - im Flächennutzungsplan nicht als Konzentrationszonen für WEA, sondern als Flächen für die Landwirtschaft dargestellt und von der Ausschlusswirkung ausgenommen werden. Entsprechend wurde bei ihrer Darstellung in der 23. Änderung (hinsichtlich des sog. Änderungsbereiches 4 und der nördlichen und westlichen Teile des sog. Änderungsbereiches 2) verfahren. (Nur) Die beiden weiteren "Eignungsbereiche" wurden als sog. Änderungsbereiche 1 und 3 zu Konzentrationsflächen erklärt, wobei sich diese Darstellung im Änderungsbereich 1 insgesamt mit einer solchen für "Landwirtschaft" und partiell zusätzlich mit einer weiteren für den Torfabbau überdeckt. Schließlich wurde als weitere Konzentrationsfläche noch ein sog. Änderungsbereich 5 ganz im Norden aufgenommen, der allerdings in der Entwicklungsplanung als avifaunistisch wertvoller und damit "weicher Tabu-"Bereich ausgeschieden worden war. Teil A der Begründung der 23. Änderung führt hierzu aus: "Die Fläche stellt eine Ergänzung des angrenzenden Windparks der Gemeinde Stadtland dar. Auf der Fläche wurde bereits eine WEA genehmigt und errichtet. Mit der Aufnahme in ihren Flächennutzungsplan reagiert die Gemeinde Ovelgönne auf die reale Situation".

5

Die Ausschlusswirkung für die Gebiete "außerhalb dieser Änderungsflächen und der Änderungsflächen der vorangegangenen 16. Änderung des Flächennutzungsplans" ist in Nr. 1 Satz 1 der textlichen Darstellung enthalten.

6

Der Rat der Antragsgegnerin stellte diese 23. Änderung mit Beschluss vom 27. März 2014 fest. Am 23. Januar 2015 machte die Antragsgegnerin die (kraft Fiktion durch Zeitablauf eingetretene) Erteilung der Genehmigung bekannt.

7

Am 17. Dezember 2015 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die 25. Änderung ihres Flächennutzungsplanes, mit der nunmehr auch die beiden o. a., vormals - bezogen auf die Windenergienutzung - "weißen" Flächen des 4. Änderungsbereiches und Teile des 2. Änderungsbereichs in die Konzentrationsflächen für Windenergie einbezogen wurden. Die am 6. April 2016 erfolgte Erteilung der hierauf bezogenen Genehmigung wurde am 22. April 2016 bekannt gemacht.

8

Bereits zuvor, am 22. Januar 2016, hatte u. a. die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gestellt (12 KN 17/16), der sich bewusst nur gegen die Flächennutzungsplanung i. d. F. der 23. Änderung gerichtet hatte. Zur Begründung hatte die Antragstellerin ausgeführt: Eine Einbeziehung der - im Zeitpunkt der ursprünglichen Antragsbegründung bereits beschlossenen, aber noch nicht bekannt gemachten - 25. Änderung sei nicht erforderlich, weil die angegriffene Ausschlusswirkung für die von der 25. Änderung betroffenen Flächen bereits zuvor nicht gegolten habe. Ggf. erfolge nach Bekanntmachung (gleichwohl) eine Einbeziehung der 25. Änderung. Mit ihrem Antrag hatte die Antragstellerin u. a. gerügt, bei der 23. Änderung seien die Umweltbelange nicht den Anforderungen des § 3 Abs. 2 BauGB entsprechend beschrieben worden.

9

Deshalb leitete die Antragsgegnerin am 14. April 2016 insoweit die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens gemäß § 214 Abs. 4 BauGB ein. Am 30. August 2016 beschloss der Rat der Antragsgegnerin inhaltlich unverändert die 23. Änderung des Flächennutzungsplans. Die Erteilung der hierauf bezogenen Genehmigung wurde am 11. November 2016 bekannt gemacht. Nach Ansicht der Antragsgegnerin wurde die 23. Änderung damit rückwirkend zum 23. Januar 2015 wirksam.

10

Das o. a. erste Normenverfahren wurde danach für erledigt erklärt und eingestellt.

11

Am 10. Juli 2017 hat die Antragstellerin einen gegen die Ausschlusswirkung in dem Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin i. d. F. der 23. Änderung vom 23. August 2016 gerichteten neuen Normenkontrollantrag (12 KN 152/17) und - nach gescheiterten Mediationsverhandlungen - am 5. März 2018 ergänzend den vorliegenden Normenkontrolleilantrag gestellt. Sie versteht diese 23. Änderung so, dass durch sie (und nicht erst durch die 25. Änderung) auch die o. a. vormals "weißen" Flächen rückwirkend zu Konzentrationszonen erklärt worden seien. Damit bestehe unverändert kein Anlass, den bewusst auf die 23. Änderung ("neu") bezogenen Antrag zu ändern und die 25. Änderung einzubeziehen; sie "hinge in der Luft".

II.

12

Der Antrag hat keinen Erfolg, weil er unzulässig (1.) ist und im Übrigen auch unbegründet (2.) wäre.

13

1. Zulässigkeitsvoraussetzung für den Normenkontrolleilantrag ist - ebenso wie für den Normenkontrollantrag selbst - u. a. grundsätzlich, dass die angegriffene Norm noch nicht außer Kraft getreten ist (a). Eine außer Kraft getretene Norm bleibt ausnahmsweise statthafter Gegenstand, wenn sie noch aktuell Rechtswirkungen entfaltet (b), etwa nach ihr noch in der Vergangenheit liegende Sachverhalte zu beurteilen sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.7.1978 - 7 N 1/78 -, juris, Rn. 11; Dombert, in: Finkelnburg, Dombert, Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl., 2017, Rn. 585, m. w. N).

14

a) Vorliegend besteht die Besonderheit, dass der Flächennutzungsplan grundsätzlich keine Norm darstellt; (nur) auf die in ihm enthaltene Ausschlusswirkung nach § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB wird aber § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO entsprechend angewandt (vgl. zuletzt etwa Senatsurt. v. 5.3.2018 - 12 KN 144/17 -, juris, Rn. 25, m. w. N.). Ungeachtet dessen kann diese Ausschlusswirkung rechtlich aber wiederum nicht isoliert betrachtet werden, d. h. nicht unabhängig von der Wirksamkeit der Darstellung von Konzentrationsflächen Bestand haben. Eine Konzentrationsplanung ist vielmehr bei erheblichen Fehlern bei der Darstellung dieser Konzentrations- oder Positivflächen insgesamt unwirksam (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 21.10.2004 - 4 C 2/04 - Leitsatz 1; Gatz, Windenergieanlagen in der Verwaltungs- und Gerichtspraxis, 2. Aufl., 2013, Rn. 108 -110). Eine rechtmäßige Positivplanung ist damit Tatbestandsvoraussetzung für die Ausschlusswirkung. Dieser inhaltlich untrennbare Zusammenhang spricht schon systematisch dafür, dass für die in Rede stehende Fallgestaltung die inhaltlich aktuelle Fassung eines Flächennutzungsplanes nicht allein durch die Fassung bestimmt wird, in der letztmals Art und Umfang der dem Ausschluss unterliegenden (Negativ-)Flächen bestimmt worden ist. Entscheidend ist vielmehr, ob nicht nachträglich auch die Konzentrationsflächen verändert worden sind. Dementsprechend wird bei der Darstellung zusätzlicher Konzentrationsflächen grundsätzlich eine neue Gesamtplanung gefordert, und nicht lediglich eine Prüfung der Eignung der Neuflächen für erforderlich erachtet (vgl. Gatz, a. a. O., Rn. 502). Für die Annahme, die Ausschlusswirkung sei jeweils nur zusammen mit der aktuellen Konzentrationsflächenausweisung zu prüfen, spricht außerdem entscheidend der Sinn und Zweck der Normenkontrolle einschließlich des hierauf gerichteten Eilantrages. Denn die Genehmigungsfähigkeit eines Vorhabens ist jeweils an der aktuellen Fassung des Flächennutzungsplans zu messen und nicht an einer älteren Fassung, in der letztmals die Festlegung der Ausschlussflächen erfolgte. Die Unwirksamkeitserklärung einer Altfassung würde dem jeweiligen Antragsteller also nicht, und erst recht nicht umgehend, den regelmäßig gewünschten Erfolg bringen, das seinem Vorhaben die (aktuellen) Darstellungen des Flächennutzungsplans nicht entgegenstehen.

15

Hieran gemessen hat der Flächennutzungsplan der Antragsgegnerin i. d. F. der 23. Änderung also auch hinsichtlich der Ausschlusswirkung nicht mehr allein Bestand, sondern ist diese Änderung als ein, wenn auch wesentlicher, Teilakt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24. 3.2010 - 4 CN 3/09 -, juris, Rn. 15, m. w. N.) - ebenso wie zuvor die 16. Änderung hinsichtlich der darin ausgewiesenen ersten Konzentrationsfläche - inhaltlich integraler Bestandteil des Flächennutzungsplans i. d. F. der 25. Änderung geworden, mit der die Größe der Konzentrationsflächen im Verhältnis zur vorhergehenden 23. Änderung knapp verdoppelt worden ist.

16

Die nachträgliche rückwirkende Inkraftsetzung der 23. Änderung ändert hieran nichts.

17

Denn entgegen der Annahme der Antragstellerin ist darin die Zahl der Konzentrationsflächen nicht rückwirkend bereits ab dem 23. Januar 2015 von drei auf fünf heraufgesetzt und damit ihre Größe etwa verdoppelt worden. Dies ergibt sich nicht nur aus der zeichnerischen Darstellung der 23. Änderung. Vielmehr ist auf S. 18 der Begründung der 23. Änderung ausdrücklich klargestellt worden, dass es sich bei den beiden in Rede stehenden Änderungsbereichen um sog. "weiße Flächen" handele, d. h. um solche, die "weiterhin" nur "als Flächen für die Landwirtschaft dargestellt sind, mit dem Unterschied, dass ... die durch textliche Festsetzung getroffene Ausschlusswirkung nicht gilt". Widersprüchlich, angesichts der o. a. Ausführungen aber unerheblich ist insoweit, dass die Antragsgegnerin - worauf die Antragstellerin zu Recht verweist - an anderer Stelle der Begründung, aber auch der "Zusammenfassenden Erklärung" den danach unzutreffenden Eindruck erweckt, bereits durch die 23. Änderung insgesamt fünf Konzentrationsflächen dargestellt zu haben.

18

Der richtige Streitgegenstand bemisst sich nach der tatsächlich von "Normgeber" getroffenen Regelung und nicht nach der Rechtmäßigkeit dieser Regelung. Daher ist es insoweit auch unerheblich, dass erhebliche Bedenken an der Richtigkeit der - dem rückwirkenden Inkrafttreten der 23. Änderung offenbar zu Grunde liegenden - Annahme der Antragsgegnerin bestehen, sie könne einen in maßgebenden Teilregelungen - hier hinsichtlich des Umfangs der Positivflächen - bereits geänderten Bauleitplan (wegen formeller Mängel) rückwirkend allein für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum in Kraft setzen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.12.1995 - 4 NB 30/95 -, juris, Rn. 9), hier also durch Beschluss vom 30. August 2016 ihren Flächennutzungsplan in der inhaltlichen Fassung der 23. Änderung (mit weißen Flächen) rückwirkend vom 23. Januar 2015 (nur) bis zum 17. Dezember 2015.

19

Demnach wäre der Normenkontrolleilantrag grundsätzlich nur dann statthaft, wenn er so auszulegen wäre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.2.1997 - 4 NB 30/96 -, juris, Rn. 9), dass er sich auf den Inhalt des Flächennutzungsplans i. d. F. der 25. Änderung bezieht. Das ist jedoch nicht der Fall.

20

Denn sowohl der erste als auch der nunmehr aktuelle zweite mit dem Eilantrag korrespondierende Normenkontrollantrag sind ausdrücklich allein gegen die 23. Änderung des Flächennutzungsplans bzw. gegen den Flächennutzungsplan in dieser Fassung gerichtet worden, obwohl der Antragstellerin - wie oben dargelegt - schon bei der ersten Antragstellung die 25. Änderung bekannt war. Von einer Einbeziehung des neuen Inhalts der 25. Änderung hat die Antragstellerin jedoch bereits damals bewusst abgesehen. Hieran hat sie - auf der Grundlage ihres abweichenden Verständnisses zum Inhalt der 23. Änderung - auch in diesem Verfahren nach gerichtlichen Hinweis ausdrücklich festgehalten. Eine "Auslegung" des Antragsbegehrens gegen den erklärten Willen der fachanwaltlich vertretenen Antragstellerin ist daher nicht möglich.

21

b) Der Flächennutzungsplan in der Fassung der inhaltlich überholten 23. Änderung könnte demnach nur noch unter den o. a. Ausnahmebedingungen tauglicher Gegenstand der Normenkontrolle sein. Dass der Plan mit diesem Inhalt für die Antragstellerin noch negative Rechtswirkungen entfaltet, ist jedoch nicht ersichtlich. Insbesondere hat sie - bis heute - für die von ihr geplanten WEA keinen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungs- oder Vorbescheidsantrag gestellt, der bereits in der Vergangenheit aufgrund des Plans i. d. F. der 23. Änderung abgelehnt worden wäre. Dass sie von einem solchen Antrag wegen Erfolgslosigkeit bei Wirksamkeit des Plans i. d. F. der 23. Änderung abgesehen hat, ändert hieran nichts. Hierauf beruhende Schadenersatzansprüche macht sie selbst nicht geltend.

22

2. Hilfsweise wäre der Antrag im Übrigen auch unbegründet.

23

a) Der Senat hat insoweit zu den Voraussetzungen zuletzt mit Beschluss vom 23. Juni 2016 - 12 MN 156/15 - ausgeführt:

24

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung (nur) erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Der Maßstab des § 47 Abs. 6 VwGO, der voraussetzt, dass eine einstweilige Anordnung "dringend geboten" ist, ist strenger als im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 123 Abs. 1 VwGO, wo es ausreicht, dass eine einstweilige Anordnung "nötig erscheint". Die Entscheidung ergeht auf der Grundlage einer Interessenabwägung. Dabei sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu berücksichtigen, soweit sie sich hinreichend sicher absehen lassen. Hat nach summarischer Prüfung der Normenkontrollantrag offensichtlich Erfolg, wird im Allgemeinen der Erlass einer einstweiligen Anordnung aus wichtigen Gründen im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO geboten sein. Wird der Normenkontrollantrag offensichtlich erfolglos bleiben, scheidet regelmäßig der Erlass einer einstweiligen Anordnung aus. Im Übrigen ist eine Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen, bei der unter Beachtung des skizzierten strengeren Maßstabs in Rechnung zu stellen ist, welche Gründe für und welche Gründe gegen die Außervollzugsetzung der angegriffenen Vorschrift sprechen. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung müssen grundsätzlich derart gewichtige Gründe vorliegen, dass das Ergehen der einstweiligen Anordnung unabweisbar erscheint (Nds. OVG, Beschl. v. 30.7.2013 - 12 MN 301/12 -, NVwZ-RR 2014, 25 ff., hier zitiert nach juris, Rn. 33, m. w. N.).

25

Da der vorliegende Normenkontrolleilantrag bereits unzulässig ist, wäre er auch auf der Grundlage dieser, dem Wortlaut nach nicht zwischen Zulässigkeit und Begründetheit differenzierenden Rechtsprechung abzulehnen.

26

Im Übrigen wird an dieser Rechtsprechung insoweit nicht mehr festgehalten, als danach bereits "allein" der offensichtliche Erfolg des Antrags in der Hauptsache auch zum Erfolg des Eilantrages führen soll. Dabei wird nicht hinreichend berücksichtigt, dass dieser Maßstab gerade nicht strenger, sondern milder als im Verfahren nach § 123 VwGO ist. Denn in Letzterem ist unstreitig neben dem Anordnungsanspruch auch ein Anordnungsgrund, d. h. die besondere Eilbedürftigkeit, erforderlich, die unabhängig von den Erfolgsaussichten, d. h. dem Bestehen des materiellen Anspruchs, zu beurteilen ist. Diese Vorgabe ist auch im Normwortlaut des § 47 Abs. 6 VwGO angelegt. Dementsprechend ist vielmehr jedenfalls für die vorliegende Fallgestaltung des Angriffs gegen die Ausschlusswirkung in einem Flächennutzungsplan der neueren, in der o. a. Senatsrechtsprechung noch nicht thematisierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 16.9.2015 - 4 VR 2/15 - juris) zu folgen, nach der gilt:

27

Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind, jedenfalls bei Bebauungsplänen, zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die einträten, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, also so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (BVerwG, Beschluss vom 25. Februar 2015 - 4 VR 5.14 - ZfBR 2015, 381 Rn. 12 m.w.N.).

28

b) Hieran gemessen hätte daher der Antrag selbst dann, wenn man die o. a. Bedenken gegen die Zulässigkeit nicht teilen würde, keinen Erfolg, sondern wäre jedenfalls unbegründet.

29

aa) Dies gilt zunächst, soweit es um die "Abwehr von schweren Nachteilen" geht.

30

Denn diese Nachteile müssen gerade durch den Vollzug der angegriffenen Norm für den jeweiligen Antragsteller eintreten. Solche Nachteile macht die Antragstellerin aber nicht geltend und sind auch im Übrigen nicht gegeben.

31

Die Antragstellerin hat insbesondere keinen eigenen Antrag gestellt, der wegen der Ausschlusswirkung des Flächennutzungsplans abgelehnt worden wäre.

32

Ohne Erfolg beruft sie sich für das Vorliegen eines "schweren Nachteils" stattdessen darauf, dass durch den Flächennutzungsplan in den dargestellten Konzentrationsflächen eine Vielzahl von Anlagen ihrer vermeintlichen "Mitbewerber" mit der Folge genehmigt würde, dass die Antragsgegnerin selbst bei der - im Erfolgsfalle des Normenkontrollantrages notwendigen - Neuaufstellung ihres Flächennutzungsplans nur die dann bereits bestehenden Windparks als Konzentrationsflächen ausweisen würde. Diese Überlegung greift in mehrfacher Hinsicht nicht durch: Erstens ist die Existenz einer entsprechenden Konzentrationsfläche nicht notwendige Voraussetzung für die Genehmigung einer WEA. Die Genehmigung wird dadurch erleichtert, kann und sollte andernfalls aber nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB ebenfalls erteilt werden. Zweitens hat ohnehin nur die Ausschlusswirkung, nicht aber die Positivwirkung Normcharakter (entsprechend § 47 Abs. 1 VwGO); selbst wenn man hiervon absieht, beruht aber jedenfalls die Erteilung der erheblichen Anzahl von Genehmigungen in den sog. Änderungsbereichen 2 und 4 nicht auf der hier streitigen 23., sondern auf der 25. Änderung des Flächennutzungsplans. Schließlich ist schon fraglich, ob es überhaupt zulässig wäre, eine Ausschlusswirkung nur mit der Darstellung von Konzentrationsflächen zu verbinden, in denen vor kurzem neue Anlagen errichtet worden sind, also auf absehbare Zeit keine neuen mehr errichtet werden können; jedenfalls fehlen aber jegliche tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin so verfahren würde.

33

Es kann deshalb offenbleiben, ob überhaupt die stillschweigende Grundannahme der Antragstellerin zutrifft, bei einem Erfolg ihres Normenkontroll(eil)antrages sei bindend gegenüber jedermann auch die "Positivwirkung" im Flächennutzungsplan weggefallen (vgl. zur Reichweite der Allgemeinverbindlichkeit eines stattgebenden Normenkontrollurteils: Bay. VGH, Urt. v. 24.7.2007 - 1 N 07/1624 - Rn. 55 ff. m. w. N.).

34

Im Erfolgsfalle, d. h. bei Aufhebung der Ausschlusswirkung, wäre schließlich auch der von der Antragstellerin erstrebte Erfolg - die Genehmigung ihrer Anlagen - noch erreichbar. Ihre Errichtung und ihr Betrieb wären dann entweder unmittelbar nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB oder auf der Basis einer dann ggf. notwendigen Neufassung des Flächennutzungsplans der Antragsgegnerin möglich, die nicht zwingend zum umfassenden Nachteil der Antragstellerin ausfallen muss. Die von der Antragstellerin geltend gemachte "wiederauflebende" Ausschlusswirkung des Flächennutzungsplans in der Fassung der 16. Änderung dürfte dem jeweils nicht entgegenstehen. Denn es spricht Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin nach der zuvor referierten Begründung bereits beim Erlass der 23. Änderung ihres Flächennutzungsplans selbst davon ausgegangen ist, die erheblich weiter gehende Ausschlusswirkung i. d. F. der 16. Änderung entspreche mit der dafür ursprünglich gewählten Begründung den zwischenzeitlich in der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen nicht (mehr) und solle damit auch im Falle der Unwirksamkeit der nachfolgenden (23.) Änderung nicht wieder aufleben (vgl. Senatsurt. v. 15.5.2009 - 12 KN 49/07 -, juris, Rn. 17), zumal es sonst nicht zu der gewollten erheblichen Ausweitung der Windenergienutzung im Gemeindegebiet käme. Andernfalls, d. h. bei Annahme eines vermeintlichen Wiederauflebens aus Sicht der Antragsgegnerin, wäre die - danach fragliche - Wirksamkeit der 16. Änderung ihres Flächennutzungsplans inzident gerichtlich zu überprüfen.

35

bb) Ausgehend von den vorherigen Überlegungen mangelt es auf der Basis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch an einem sonstigen "wichtigen Grund", um die einstweilige Anordnung zu erlassen.

36

Denn auch Belange sonstiger Dritter oder der Allgemeinheit (vgl. Dombert, a. a. O., Rn. 604) lassen die Aussetzung des Flächennutzungsplans nicht als unaufschiebbar erscheinen. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn die Planung inhaltlich im Ergebnis erkennbar unvertretbar, d. h. nicht heilbar, wäre, oder andere schwere, nicht mehr rückgängig zu machende Nachteile eintreten würden. Beides ist hier nicht erkennbar der Fall. So werden durch den Vollzug etwa weder schützenswerte Naturelemente unwiederbringlich zerstört noch - etwa durch Verwirklichung anderer Vorhaben mit hohem Aufwand auf der geplanten Trasse der BAB 20 - vorrangige Infrastrukturmaßnahmen blockiert. Dass es in Teilbereichen des sog. Änderungsbereichs 1 zu Konflikten zwischen der Windenergienutzung und dem Torfabbau bzw. dem Rekultivierungsziel kommen kann, wiegt bezogen auf die sehr viel weiter gehende Steuerungswirkung des Flächennutzungsplans nicht so schwer, als dass deshalb dessen Außervollzugssetzung dringend geboten wäre. Ob die vorbezeichneten Folgen, die sich durch die Darstellung der Positivflächen und nicht der Negativflächen in dem Flächennutzungsplan ergeben, überhaupt berücksichtigungsfähig sind, muss deshalb nicht geklärt werden. Schließlich führt auch die Überlegung, dass bei einer fehlerhaften Planung der Antragsgegnerin ggf. nicht die objektiv bestgeeigneten Gebiete als Standorte von neuen Windparks ausgewählt worden sind, nicht auf den erforderlichen "wichtigen" Grund.

37

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

38

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).