Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.05.2018, Az.: 10 ME 198/18
Ergehen eines Hausverbotes für ein Behördengebäude zum Schutz der Rechte der Mitarbeiter oder der Besucher
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.05.2018
- Aktenzeichen
- 10 ME 198/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 51158
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2018:0517.10ME198.18.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 29.03.2018 - AZ: 11 B 146/18
Rechtsgrundlage
- Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG
Fundstellen
- DÖV 2018, 672
- FSt 2019, 361-364
- FuBW 2019, 45-48
- FuHe 2019, 100-102
- FuNds 2019, 130-133
- GK 2018, 257-264
- GV/RP 2019, 268-271
- KomVerw/T 2019, 134-137
- NdsVBl 2018, 314-316
- NordÖR 2018, 454
Amtlicher Leitsatz
Ein Hausverbot für ein Behördengebäude kann auch zum Schutz der Rechte der Mitarbeiter oder der Besucher ergehen.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichter der 11. Kammer - vom 29. März 2018 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Nachdem der Antragsteller am 3. November 2017 eine Mitarbeiterin des Antragsgegners bei einem Telefonat mit einer anderen Mitarbeiterin als "dumm" bezeichnet hatte und bei einem Besuch des Kreishauses als Dienstgebäude des Antragsgegners in Cloppenburg am 6. November 2017 gegenüber einer weiteren Mitarbeiterin angegeben hatte, den Kopf der zuvor als "dumm" bezeichneten Mitarbeiterin rollen sehen zu wollen, erteilte der Antragsgegner ihm mit Schreiben vom 21. November 2017 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung ein bis zum 30. Juni 2018 befristetes Hausverbot für das Kreishaus.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit Schreiben vom 21. Dezember 2017, welches das Verwaltungsgericht als Klage - 11 A 145/18 - und Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gewertet hat.
Mit Beschluss vom 29. März 2018 hat das Verwaltungsgericht Oldenburg - 11 B 146/18 - den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Das Interesse des Antragstellers an einer Aussetzung bleibe hinter dem öffentlichen Vollzugsinteresse zurück, weil sich das Hausverbot als offensichtlich rechtmäßig erweise. Aufgrund der vorangegangenen mehrfachen Beeinträchtigungen des ordnungsgemäßen Dienstbetriebes durch beleidigend und bedrohlich wirkende Äußerungen des Antragstellers gegenüber den Mitarbeitern des Antragsgegners, habe der Antragsteller ermessensfehlerfrei das Hausverbot zur Sicherstellung des ungehinderten Ablaufs des Dienstbetriebes und Wahrung der Rechte der Mitarbeiter erlassen dürfen.
Gegen die Ablehnung des Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 29. März 2018 hat keinen Erfolg.
Die Beschwerde ist zwar gem. § 146 Abs. 1 VwGO statthaft, jedoch, soweit sie auch im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO zulässig ist, nicht begründet.
Um dem Darlegungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO zu genügen, ist erforderlich, dass mit der Beschwerdebegründung die der Entscheidung zugrunde liegenden tragenden Überlegungen, die der Beschwerdeführer in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht für falsch oder unvollständig hält, genau bezeichnet werden und sodann im Einzelnen substantiiert ausgeführt wird, warum diese unrichtig sind, welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben und was richtigerweise zu gelten hat; der Beschwerdeführer muss sich deshalb im Einzelnen mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und diese mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellen (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 18.07.2017 - 11 ME 181/17 -, juris Rn. 10; vgl. auch Beschluss vom 23.12.2016 - 12 ME 186/16 -, juris Rn. 10; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 146 Rn. 75 ff. m.w.N.). Insoweit genügt weder eine Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrages (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 18.07.2017 - 11 ME 181/17 -, juris Rn. 10; vgl. auch Beschluss vom 29.02.2018 - 7 ME 1/18 -, juris Rn. 9), noch eine bloße Bezugnahme hierauf (Meyer-Ladewig/Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Juni 2017, § 146 Rn. 13c m.w.N.; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 146 Rn. 77, 79 m.w.N.). Aus den vorgetragenen Gründen muss sich auch ergeben, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts abzuändern oder aufzuheben ist (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 19.02.2018 - 7 ME 1/18 -, juris Rn. 7; vgl. auch Beschluss vom 25.07.2014 - 13 ME 97/14 -, juris Rn. 4; Guckelberger in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Auflage 2014, § 146 Rn. 78). Bereits diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung des Antragstellers in weiten Teilen nicht.
Die vom Antragsteller binnen der Monatsfrist (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO) dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt (Senatsbeschlüsse etwa vom 20.10.2017 - 10 ME 204/17 -, juris Rn. 16, vom 18.08.2017 - 10 ME 65/17 -, juris Rn. 17, und vom 04.01.2017 - 10 ME 57/16 -, nicht veröffentlicht), lassen nicht erkennen, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21. November 2017 abgelehnt hat.
1. Der Antragsteller rügt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem streitgegenständlichen Bescheid den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht genüge, weil es sich bei der verwendeten Formulierung "ungebührliches Verhalten" lediglich um eine formelhafte Wendung mit einer Wertung handele. Mit der dortigen Feststellung, dass das Hausverbot zum Schutz der betroffenen Mitarbeiter erforderlich sei, habe der Antragsgegner lediglich ein Ermessenskriterium wiedergegeben. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung sei daher nicht lediglich "knapp", wie es das Verwaltungsgericht formuliert habe, sondern ungenügend.
Mit seinem Vorbringen vermag der Antragsteller die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass das besondere Vollzugsinteresse ausreichend begründet worden sei, nicht infrage zu stellen.
Um dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO zu genügen, bedarf es einer konkreten und substantiierten Darstellung der wesentlichen Erwägungen, aus denen sich aus der Sicht der Behörde ergibt, dass im vorliegenden Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht und dass das Interesse des Betroffenen, von der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts vorerst verschont zu bleiben, hinter diesem öffentlichen Interesse zurückzutreten hat (Niedersächsisches OVG, Beschlüsse vom 27.03.2018 - 4 ME 41/18 -, juris Rn. 3, und vom 30.01.2014 - 5 ME 259/13 -, juris Rn. 20; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 18.09.2001 - 1 DB 26/01 -, juris Rn. 6). Hierdurch soll der Adressat insbesondere im Hinblick auf seine Rechtsschutzmöglichkeiten informiert und der Behörde der Ausnahmecharakter der sofortigen Vollziehung vor Augen geführt werden (BVerwG, Beschluss vom 30.03.2007 - 9 VR 7/07 -, juris Rn. 4). Nicht genügend ist insoweit eine Wiederholung der den Verwaltungsakt tragenden Gründe, eine bloße Wiedergabe des Textes des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO oder lediglich formelhafte, abstrakte und letztlich inhaltsleere Wendungen, namentlich solche ohne erkennbaren Bezug zu dem konkreten Fall (Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 10.07.2017 - 11 MC 186/17 -, juris Rn. 17).
Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des Antragsgegners in dem Bescheid gerecht. Aus ihnen wird deutlich, dass er sich des Ausnahmecharakters der Vollziehungsanordnung bewusst war, und sie lassen auch den Antragsteller hinreichend die Gründe der Anordnung des Sofortvollzugs erkennen. Der Antragsgegner hat das besondere Vollzugsinteresse auf einen konkreten Sachverhalt bezogen mit der Notwendigkeit des unverzüglichen Schutzes seiner Mitarbeiter vor weiterem ungebührlichem Fehlverhalten des Antragstellers und einer weiteren beachtlichen Störung des Dienstbetriebes begründet. Die Verwendung des Begriffs "erforderlich" steht dem nicht entgegen und bereits angesichts der in dem Bescheid enthaltenen Ausführungen zur Begründung des Hausverbotes, in denen zwei konkrete Vorfälle geschildert werden, erweist sich die Formulierung "ungebührliches Fehlverhalten" nicht als eine formelhafte Wendung. Insoweit musste der Antragsgegner seine vorangegangenen Ausführungen auch nicht noch einmal wiederholen. Insbesondere hätte sich hierdurch für den Antragssteller im Hinblick auf die Informationsfunktion auch kein Erkenntnisgewinn ergeben.
2. Weiter macht der Antragsteller geltend, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht vorläge.
Soweit er diesbezüglich auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln vom 3. Januar 2014 - 26 L 1943/13 - abstellt, in der bei einem anderen Sachverhalt eine zu befürchtende nachhaltige Störung des Dienstbetriebes bejaht wurde, genügt sein Vorbringen bereits nicht den Darlegungsanforderungen, weil es sich nicht mit der Subsumption des Verwaltungsgerichts Oldenburg zu der vorliegenden Konstellation auseinandersetzt.
Dies gilt auch für sein Vorbringen, dass es sich bei seinen Äußerungen (gegenüber den Mitarbeiterinnen) um offen subjektive und metaphorische Auffassungen bzw. Äußerungen gehandelt habe und er lediglich geäußert habe, dass das Verhalten der Mitarbeiterin für ihn "dumm" sei. Dies stellt in weiten Teilen lediglich eine Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrages ohne ausreichende Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts dar. Das Verwaltungsgericht hat zudem insoweit zutreffend ausgeführt, dass eine Beleidigung, die einer anderen Person den Geltungswert (teilweise) abspricht, auch bei der Äußerung einer persönlichen Meinung als Werturteil vorliegt (Lenckner/Eisele in Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage 2014, § 185 Rn. 2, 11) und die Aussage, er - der Antragsteller - wolle den "Kopf der Mitarbeiterin rollen sehen", von dieser als (Be-)Drohung empfunden werden konnte. Der Senat teilt die relativierende Auffassung des Antragstellers, es entspreche dem allgemeinen Sprachverständnis, dass mit "rollendem Kopf" eine dienstrechtliche Überprüfung gemeint sei, nicht.
Der Antragsteller führt weiter aus, dass seine Äußerungen einen politischen Bezug gehabt hätten, weil sie ein Verfahren beträfen, in dem es um die Abschiebung einer jungen Person in ein Krisengebiet gehe und seine Äußerungen daher nach Art. 5 Grundgesetz besonderen Schutz genießen würden. Auch dieses Vorbringen vermag die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das Interesse des Antragstellers überwiegt, weil das Hausverbot nach summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig sei, nicht zu erschüttern. Der Antragsteller hat bereits seine Äußerungen nicht auf ein konkretes Verwaltungsverfahren bezogen. Aus den Formulierungen als solchen ergibt sich ein solcher auch nicht und in ihnen ist auch keine polemisch zugespitzte sachliche Kritik zu erblicken, insbesondere zu einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage. Vielmehr stellen sich die Äußerungen als Diffamierung der Person der betroffenen Mitarbeiterin des Antragsgegners dar. Eine Auseinandersetzung mit der Sache ist daneben nicht zu erkennen. In diesem Fall tritt die Meinungsfreiheit hinter dem Ehrenschutz grundsätzlich zurück (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 08.02.2017 - 1 BvR 2973/14 -, juris Rn. 14).
3. Der Antragsteller rügt ferner, dass den Dienstbetrieb einschränkende Auswirkungen seiner Äußerungen weder vom Verwaltungsgericht festgestellt wurden, noch sonst ersichtlich sind. Das Hausverbot sei daher unverhältnismäßig.
Das Verwaltungsgericht hat insoweit angenommen, dass bereits durch die beiden beleidigend bzw. bedrohlich wirkenden Äußerungen selbst der ordnungsgemäße Dienstbetrieb beeinträchtigt worden sei, weil der ungestörte Ablauf des Dienstbetriebes auch der Wahrung der Rechte der Mitarbeiter aus Gründen der dienstrechtlichen Fürsorgepflicht und der Wahrung der Rechte der übrigen Nutzer der Einrichtung diene.
Mit dieser rechtlichen Würdigung setzt sich der Antragsteller durch sein Vorbringen nicht auseinander und vermag sie auch in der Sache nicht in Frage zu stellen. Zur Wahrung der Zweckbestimmung einer öffentlichen Einrichtung und insbesondere zur Abwehr von Störungen des Dienstbetriebes kann die Behörde über den Aufenthalt von Personen in den Räumen der Einrichtung bestimmen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.05.2017 - 1 S 893/17 -, juris Rn. 3; vgl. auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.08.2017 - 3 O 161/17 -, juris Rn. 8; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.02.2014 - 15 B 69/14 -, juris Rn. 3). Ein ungestörter Ablauf des Beratungs- und Dienstleistungsbetriebes dient auch der Wahrung der Rechte der Mitarbeiter aus Gründen der dienstrechtlichen Fürsorgepflicht und der Rechte der Besucher des Behördengebäudes (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 17.05.2017 - 1 S 893/17 -, juris Rn. 9); deren Sicherheit ist Grundvoraussetzung eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebes (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.02.2014 - 15 B 69/14 -, juris Rn. 5). Mit seinen Äußerungen hat der Antragsteller die Rechte der von ihnen betroffenen Mitarbeiterin beeinträchtigt, mithin - wie vom Verwaltungsgericht zutreffend angenommen - den Dienstbetrieb gestört.
Letztlich führt der Antragsteller aus, dass sich die Unverhältnismäßigkeit des Hausverbotes auch daraus ergebe, dass er sich aktiv für den Verbleib der in dem Verwaltungsverfahren betroffenen Ausländerin einsetze, ihm durch das Hausverbot allerdings ein persönliches Gespräch unmöglich gemacht werde und nach seinem Kenntnisstand Mitarbeiter des Jobcenters, er selbst sei Empfänger von Leistungen nach dem SGB II, auch im Kreishaus ansässig seien. Auch mit diesem Vorbringen vermag der Antragsteller die Auffassung des Verwaltungsgerichts, das Hausverbot sei rechtmäßig, insbesondere ermessenfehlerfrei erfolgt, nicht in Frage zu stellen. Mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, so etwa zu den Möglichkeiten der schriftlichen oder telefonischen Kontaktaufnahme, setzt er sich nicht auseinander, zumal er nicht vorträgt, weshalb seine persönliche Vorsprache in einem ausländerrechtlichen Verfahren, das eine andere Person als ihn selbst betrifft, erforderlich sein sollte. Hinsichtlich der Mitarbeiter des Jobcenters behauptet der Antragsteller bereits selbst nicht, dass er einen von ihnen im Kreishaus aufsuchen müsste.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung erging nach §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 2 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).