Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.05.2020, Az.: 13 MN 119/20

Corona; Folgenabwägung; Infektionsschutzrecht; Maske; Mund-Nasen-Bedeckung; Normenkontrolleilantrag; Schutzmaßnahme, notwendige

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.05.2020
Aktenzeichen
13 MN 119/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 72142
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes gegen Regelungen der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus betreffend die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung.

Die Antragstellerin wohnt in einer niedersächsischen Gemeinde.

Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, handelnd durch die Ministerin, erließ am 24. April 2020 die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus (Nds. GVBl. S. 84). Diese fügte in die zuvor am 17. April 2020 erlassene Niedersächsische Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus (Nds. GVBl. S. 74) unter anderem folgende Regelung ein:

§ 9
(1) 1Besucherinnen und Besucher von Verkaufsstellen, Einkaufscentern und Einrichtungen nach § 3 Nrn. 6 und 7, mit Ausnahme von Buchst. k, sowie Personen, die als Fahrgast ein Verkehrsmittel des Personenverkehrs und die hierzu gehörenden Einrichtungen, wie zum Beispiel Haltestellen und Aufenthaltsbereiche am Gleis, nutzen, sind verpflichtet, eine textile Barriere als Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. 2Private Personenkraftwagen sowie private und gewerbliche Lastkraftwagen sind keine Verkehrsmittel des Personenverkehrs im Sinne des Satzes 1.
(2) Eine Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne des Absatzes 1 ist jede textile Barriere, die aufgrund ihrer Beschaffenheit geeignet ist, eine Ausbreitung von übertragungsfähigen Tröpfchenpartikeln durch Husten, Niesen und Aussprache zu verringern, unabhängig von einer Kennzeichnung oder zertifizierten Schutzkategorie; geeignet sind auch Schals, Tücher, Buffs, aus Baumwolle oder anderem geeignetem Material selbst hergestellte Masken oder Ähnliches.
(3) Personen, für die aufgrund von Vorerkrankungen, zum Beispiel schwere Herz- oder Lungenerkrankungen, wegen des höheren Atemwiderstands das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht zumutbar ist, sind von der Verpflichtung nach Absatz 1 ausgenommen.
(4) Von der Verpflichtung nach Absatz 1 sind Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres ausgenommen.

Diese Regelung tritt gemäß Art. 3 Satz 1 der Änderungsverordnung am 27. April 2020 in Kraft und gemäß § 13 Satz 1 der Verordnung mit Ablauf des 6. Mai 2020 außer Kraft.

Die Antragstellerin hat am 27. April 2020 bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einen Antrag auf Durchführung des Normenkontrollverfahrens (13 KN 118/20) und einen darauf bezogenen Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung (13 MN 119/20) gestellt. Sie macht geltend, die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung könne nicht auf § 28 des Infektionsschutzgesetzes gestützt werden. Der Antragsgegner habe die bestehenden Infektionsgefahren nicht hinreichend nachgewiesen und auch keine Gefahrerforschungsmaßnahmen nach § 25 des Infektionsschutzgesetzes ergriffen. Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung greife unverhältnismäßig in ihre Grundrechte ein, insbesondere in die nach Art. 2 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit, die freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit und die körperliche Unversehrtheit. Sie erfreue sich bester Gesundheit und verbringe ihre Freizeit gerne sportlich und an der frischen Luft. Die Maskenpflicht verlange von ihr bei korrekter Handhabung einen erheblichen Aufwand, der in keinem Verhältnis zum angestrebten Erfolg stehe, Mitmenschen etwas besser vor Infektionen zu schützen. Sie befürchte, dass durch das Tragen der Maske ihre eigene Gesundheit gefährdet werde, ebenso durch unsachgemäßes Tragen von Masken durch andere Personen in ihrer Umgebung. Sie habe bisher selbst entschieden, was gut, nützlich und gesund für sie sei und habe Vertreter der Exekutive nicht um deren Rat gebeten. Die niedersächsische Gesundheitsministerin verfüge über keine besondere Expertise und habe auch keine fachliche Begründung für die Maskenpflicht gegeben, sondern mit politischen Allgemeinplätzen argumentiert. Auch das Robert Koch-Institut treffe nur eine vage Vermutung, dass das Tragen einer Maske gut sei. Der Präsident des Robert Koch-Instituts selbst habe auf den geringen Mehrwert hingewiesen. Mangels nachvollziehbarer Gründe verstehe sie die bußgeldbewehrte Pflicht zur Maskerade als "entmündigenden Maulkorberlass". Die Verordnungsregelung sei auch nicht hinreichend bestimmt. Es bleibe offen, welche textile Beschaffenheit gefordert werde. Der Ausschluss von Masken aus anderem Material sei nicht nachzuvollziehen. Sie - die Antragstellerin - komme mit einer Plexiglasrundhaube besser zu Recht, da diese die Atmung nicht beeinträchtige und das Gesichtsfeld nicht beschränke. Es fehlten Hinweise darauf, wie die Mund-Nase-Bedeckung zu gebrauchen und regelmäßig zu reinigen sei. Das häufige Tragen einer Maske führe dazu, dass sich auf dieser Viren, Bakterien und Keime vermehrten. Masken würden so nicht zu "Virenfängern", sondern zu "Virenschleudern". Die Benutzung von Masken verleite zudem dazu, die verordnete Abstandsregelung nicht mehr hinreichend zu beachten. Die begehrte einstweilige Außervollzugsetzung sei geboten. Zwar gelte die Verordnung nur bis zum 6. Mai 2020. Es sei aber mit einer Verlängerung zu rechnen.

Die Antragstellerin beantragt,

§ 9 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus bis zur Entscheidung über den von ihr gestellten Normenkontrollantrag einstweilig außer Vollzug zu setzen.

Der Antragsteller beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verteidigt die angefochtene Verordnungsregelung. Es bestehe unverändert eine hohe Gefahr der Weiterverbreitung des Corona-Virus auch durch unerkannt Infizierte. Es bestehe eine hohe Dunkelziffer unerkannt Infizierter und es sei "dadurch extrem risikobehaftet, dass bislang unentdeckt infizierte Personen sich im öffentlichen Raum bewegen und andere unwissentlich anstecken". Bereits die beim Atmen und Reden freigesetzten Tröpfchen könnten unter Umständen zu einer Infektion führen. Dies könne durch eine textile Mund-Nase-Bedeckung zumindest weitgehend unterbunden werden. Deshalb empfehle auch das Robert Koch-Institut das Tragen einer solchen Bedeckung. Sie helfe insbesondere in Situationen, in denen der eigentlich erforderliche Mindestabstand ohne Verschulden nicht unbedingt durchgängig eingehalten werden könne. Dies betreffe erfahrungsgemäß das Einkaufen und das Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel. Die Pflicht zur Nutzung einer textilen Mund-Nasen-Bedeckung gestalte die Verordnung nicht näher aus, um Spielräume für die individuelle Pflichterfüllung zu lassen und auch den jeweiligen Möglichkeiten Rechnung zu tragen. Entscheidend sei allein, dass überhaupt mithilfe einer Mund-Nasen-Bedeckung der Virusverbreitung durch Tröpfcheninfektion weitgehend Einhalt geboten werde. Die angeordnete Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sei trotz zwischenzeitlich rückläufiger Infektionszahlen notwendig, da die Krankheit noch nicht vollständig eingedämmt sei. Infektionszahlen gäben aufgrund der Inkubationszeit den Stand von vor 14 Tagen wieder, und ihre Rückläufigkeit gehe auch auf die ergriffenen Maßnahmen zurück. Demgegenüber seien die von der Antragstellerin vorgetragenen möglichen Gesundheitsgefahren und die mit der Maskenpflicht verbundenen Belastungen vernachlässigbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der Normenkontrolleilantrag bleibt ohne Erfolg. Er ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Der Normenkontrolleilantrag ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGOund § 75 NJG statthaft. Die Niedersächsische Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020, zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 24. April 2020 (Nds. GVBl. S. 84), ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 16 ff.).

Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da sie geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die auch an sie adressierte Pflicht nach § 9 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung, als Besucher von Verkaufsstellen, Einkaufscentern und Einrichtungen nach § 3 Nrn. 6 und 7, mit Ausnahme von Buchst. k, der Verordnung sowie als Person, die als Fahrgast ein Verkehrsmittel des Personenverkehrs und die hierzu gehörenden Einrichtungen, wie zum Beispiel Haltestellen und Aufenthaltsbereiche am Gleis, nutzt, eine textile Barriere als Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, lässt jedenfalls eine Verletzung ihres Grundrechts der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG möglich erscheinen.

Der Antrag ist nach der amtswegig erfolgten Korrektur des Passivrubrums gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 15.9.2017 (Nds. MBl. S. 1288), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 18.11.2019 (Nds. MBl. S. 1618)).

2. Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze bleibt der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des § 9 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020, zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 24. April 2020, ohne Erfolg. Der Senat vermag den Erfolg des in der Hauptsache gestellten Normenkontrollantrags derzeit nicht verlässlich abzuschätzen (a.). Die danach gebotene Folgenabwägung führt nicht dazu, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe überwiegen (b.).

a. Die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gestellten Normenkontrollantrags sind offen. Der Senat vermag derzeit nicht verlässlich abzuschätzen, ob der zulässigerweise gestellte Antrag (vgl. hierzu oben II.1.) auch begründet sein wird, mithin § 9 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020, zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 24. April 2020, für unwirksam zu erklären ist.

(1) Der Senat erachtet bei der hier gebotenen summarischen Prüfung zwar § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG -) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), in der hier maßgeblichen zuletzt durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) mit Wirkung vom 28. März 2020 geänderten Fassung, als taugliche und auch verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die erlassene Verordnung und die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 IfSG für ein staatliches Handeln als erfüllt. Der Senat hat hierzu zuletzt in seinem Beschluss vom 29. April 2020 - 13 MN 120/20 -, juris Rn. 13 ff., ausgeführt:

"(1) Rechtsgrundlage für den Erlass der Verordnung ist § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG -) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), in der hier maßgeblichen zuletzt durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) mit Wirkung vom 28. März 2020 geänderten Fassung. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtsgrundlagen, insbesondere mit Blick auf die Bestimmtheit der getroffenen Regelungen und deren Vereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes, drängen sich dem Senat nicht auf (vgl. hierzu im Einzelnen: OVG Bremen, Beschl. v. 9.4.2020 - 1 B 97/20 -, juris Rn. 24 ff.; Hessischer VGH, Beschl. v. 7.4.2020 - 8 B 892/20.N -, juris Rn. 34 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.4.2020 - 13 B 398/20.NE -, juris Rn. 36 ff.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 -, juris Rn. 39 ff.; Beschl. v. 30.3.2020 - 20 CS 20.611 -, juris 17 f.).

(2) Anstelle der nach § 32 Satz 1 IfSG ermächtigten Landesregierung war aufgrund der nach § 32 Satz 2 IfSG gestatteten und durch § 3 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften (Subdelegationsverordnung) vom 9. Dezember 2011 (Nds. GVBl. S. 487), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. März 2017 (Nds. GVBl. S. 65), betätigten Subdelegation das Niedersächsische Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung zum Erlass der Verordnung zuständig.

Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 2 NV sind die Verordnung und die Änderungsverordnung von der das Ministerium vertretenden Ministerin ausgefertigt und im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt vom 17. April 2020, S. 74 ff., und vom 24. April 2020, S. 84 f., verkündet worden.

§ 13 der Verordnung bestimmt, wie von Art. 45 Abs. 3 Satz 1 NV gefordert, den Tag des Inkrafttretens.

Auch dem Art. 43 Abs. 2 Satz 1 NV (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: BVerfG, Urt. v. 6.7.1999 - 2 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1 - juris Rn. 152 ff. (zu Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG); Steinbach, in: Epping/Butzer u.a., Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 43 Rn. 20 m.w.N.) dürfte die Verordnung genügen. …

(3) … Nach § 32 Satz 1 IfSG dürfen unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen werden.

(a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind erfüllt.

Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.

Es wurden zahlreiche Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider (vgl. die Begriffsbestimmungen in § 2 Nrn. 3 ff. IfSG) im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG festgestellt. Die weltweite Ausbreitung von COVID-19, die offizielle Bezeichnung der durch den neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (anfangs 2019-nCoV) als Krankheitserreger ausgelösten Erkrankung, wurde am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt. Weltweit sind derzeit mehr 2.900.000 Menschen mit dem Krankheitserreger infiziert und mehr als 202.000 Menschen im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben (vgl. www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019, Stand: 28.4.2020). Derzeit sind im Bundesgebiet mehr als 156.000 Menschen infiziert und mehr als 5.900 Menschen im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben und in Niedersachsen mehr als 9.900 Menschen infiziert und mehr als 390 Menschen im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben (vgl. Robert Koch Institut (RKI), COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html, Stand: 28.4.2020).

COVID-19 ist jedenfalls eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG. Die Erkrankung manifestiert sich als Infektion der Atemwege mit den Leitsymptomen Fieber und Husten. Bei 81 % der Patienten ist der Verlauf mild, bei 14 % schwer und 5 % der Patienten sind kritisch krank. Zur Aufnahme auf die Intensivstation führt im Regelfall Dyspnoe mit erhöhter Atemfrequenz (> 30/min), dabei steht eine Hypoxämie im Vordergrund. Mögliche Verlaufsformen sind die Entwicklung eines akuten Lungenversagens (Acute Respiratory Distress Syndrome - ARDS) sowie, bisher eher seltener, eine bakterielle Koinfektion mit septischem Schock. Weitere beschriebene Komplikationen sind zudem Rhythmusstörungen, eine myokardiale Schädigung sowie das Auftreten eines akuten Nierenversagens (vgl. zum Krankheitsbild im Einzelnen mit weiteren Nachweisen: Kluge/Janssens/Welte/Weber-Carstens/Marx/Karagiannidis, Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19, in: Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin v. 12.3.2020, veröffentlicht unter: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00063-020-00674-3.pdf, Stand: 30.3.2020). Obwohl schwere Verläufe auch bei Personen ohne Vorerkrankung auftreten und auch bei jüngeren Patienten beobachtet wurden, haben ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für einen schweren Verlauf ab etwa 50 bis 60 Jahren), Raucher (bei schwacher Evidenz), stark adipöse Menschen, Personen mit bestimmten Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (z.B. koronare Herzerkrankung und Bluthochdruck) und der Lunge (z.B. COPD) sowie Patienten mit chronischen Lebererkrankungen, mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), mit einer Krebserkrankung oder mit geschwächtem Immunsystem (z.B. aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht oder durch Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr schwächen, wie z.B. Cortison) ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe. Eine Impfung oder eine spezifische Medikation sind derzeit nicht verfügbar. Die Inkubationszeit beträgt im Mittel fünf bis sechs Tage bei einer Spannweite von einem bis zu 14 Tagen. Der Anteil der Infizierten, der auch tatsächlich erkrankt (Manifestationsindex), beträgt bis zu 86%. Die Erkrankung ist sehr infektiös, und zwar nach Schätzungen von etwa zwei Tagen vor Symptombeginn bis zum achten Tag nach Symptombeginn. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich im Wege der Tröpfcheninfektion. Auch eine Übertragung durch Aerosole und kontaminierte Oberflächen kann nicht ausgeschlossen werden, ist aber wenig wahrscheinlich. Es ist zwar offen, wie viele Menschen sich insgesamt in Deutschland mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren werden. Schätzungen gehen aber von bis zu 70 % der Bevölkerung aus, es ist lediglich unklar, über welchen Zeitraum dies geschehen wird. Grundlage dieser Schätzungen ist die so genannte Basisreproduktionszahl von COVID-19. Sie beträgt ohne die Ergreifung von Maßnahmen 2,4 bis 3,3. Dieser Wert kann so interpretiert werden, dass bei einer Basisreproduktionszahl von etwa 3 ungefähr zwei Drittel aller Übertragungen verhindert werden müssen, um die Epidemie unter Kontrolle zu bringen (vgl. zu Vorstehendem im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888, Stand: 24.4.2020; Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2, veröffentlicht unter: www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html, Stand: 22.4.2020).

Auch wenn nach derzeitigen Erkenntnissen nur ein kleiner Teil der Erkrankungen schwer verläuft, könnte eine ungebremste Erkrankungswelle aufgrund der bisher fehlenden Immunität und nicht verfügbarer Impfungen und spezifischer Therapien zu einer erheblichen Krankheitslast in Deutschland führen. Bei vielen schweren Verläufen muss mit einer im Verhältnis zu anderen schweren akuten respiratorischen Infektionen (SARI) - vermutlich sogar deutlich - längeren intensivmedizinischen Behandlung mit Beatmung/zusätzlichem Sauerstoffbedarf gerechnet werden. Selbst gut ausgestattete Gesundheitsversorgungssysteme wie das in Deutschland können hier schnell an Kapazitätsgrenzen gelangen, wenn sich die Zahl der Erkrankten durch längere Liegedauern mit Intensivtherapie aufaddiert. Dieser Gefahr für das Gesundheitssystem und daran anknüpfend der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung kann derzeit, da weder eine Impfung noch eine spezifische Therapie in konkret absehbarer Zeit zur Verfügung stehen, nur dadurch begegnet werden, die Verbreitung der Erkrankung so gut wie möglich zu verlangsamen, die Erkrankungswelle auf einen längeren Zeitraum zu strecken und damit auch die Belastung am Gipfel leichter bewältigbar zu machen (vgl. zur aktuellen Zahl - gemeldeter - freier Krankenhausbetten mit Beatmungskapazität: DIVI Intensivregister, Tagesreport, veröffentlicht unter: www.divi.de/images/Dokumente/Tagesdaten_Intensivregister_CSV/DIVI-IntensivRegister_Tagesreport_2020_04_28.pdf, Stand: 28.4.2020). Neben der Entwicklung von Impfstoffen und spezifischen Therapien sowie der Stärkung des Gesundheitssystems und der Erhöhung der medizinischen Behandlungskapazitäten, die indes nicht sofort und nicht unbegrenzt möglich sind, bedarf es hierzu zuvörderst der Verhinderung der Ausbreitung durch Fallfindung mit Absonderung von Erkrankten und engen Kontaktpersonen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko, des Schaffens sozialer Distanz und ähnlich wirkender bevölkerungsbezogener antiepidemischer Maßnahmen sowie des gezielten Schutzes und der Unterstützung vulnerabler Gruppen (vgl. hierzu im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: RKI, Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health, Epidemiologisches Bulletin Nr. 12/2020 v. 19.3.2020, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/ 2020/Ausgaben/12_20.pdf?__blob=publicationFile; Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 26.3.2020).

Die danach vorliegenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG verpflichten die zuständigen Behörden zum Handeln (gebundene Entscheidung, vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 212 - juris Rn. 23).

Zugleich steht fest, dass die Maßnahmen nicht auf die Rechtsgrundlage des § 16 Abs. 1 IfSG gestützt werden können. Denn die Rechtsgrundlagen einerseits des § 16 Abs. 1 IfSG im Vierten Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes "Verhütung übertragbarer Krankheiten" und andererseits des § 28 Abs. 1 IfSG im Fünften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes "Bekämpfung übertragbarer Krankheiten" stehen in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander; der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 IfSG ist nur eröffnet, solange eine übertragbare Krankheit noch nicht aufgetreten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 - BVerwG I C 60.67 -, BVerwGE 39, 190, 192 f. - juris Rn. 28 (zu §§ 10 Abs. 1, 34 Abs. 1 BSeuchG a.F.); Senatsurt. v. 3.2.2011 - 13 LC 198/08 -, juris Rn. 40)."

Die Sachlage hat sich seitdem nicht signifikant dahin geändert, dass ein zum Einschreiten der Infektionsschutzbehörden verpflichtendes Infektionsgeschehen im Land Niedersachsen derzeit gar nicht mehr gegeben wäre (vgl. hierzu den aktuellen täglichen Lagebericht des Robert Koch-Instituts, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-05-04-de.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 4.5.2020).

(2) Der Senat vermag im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes aber nicht verlässlich festzustellen, dass die in § 9 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020, zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 24. April 2020, angeordnete Pflicht, in Verkaufsstellen des Einzelhandels und im Personenverkehr eine textile Barriere als Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG ist.

§ 28 Abs. 1 IfSG liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 213 - juris Rn. 26 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 f.). Der Begriff der "Schutzmaßnahmen" ist folglich umfassend und eröffnet der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum geeigneter Maßnahmen (vgl. Senatsbeschl. v. 27.4.2020 - 13 MN 98/20 -, juris Rn. 51; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 2.4.2020 - 3 MB 8/20 -, juris Rn. 35).

Der danach weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall "notwendig" sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind (vgl. Senatsbeschl. v. 29.4.2020 - 13 MN 117/20 -, juris Rn. 35). Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).

Die Verpflichtung, bestimmte Orte nur mit einer Mund-Nasen-Bedeckung zu betreten, kann danach durchaus als eine Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG angesehen werden. Nach dem letzten Halbsatz dieser Bestimmung darf die zuständige Behörde auch "Personen verpflichten, … von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte … nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten".

Auch der weite Adressatenkreis der Regelung ist voraussichtlich nicht zu beanstanden. Wird ein Kranker, Krankheitsverdächtiger, Ansteckungsverdächtiger oder Ausscheider festgestellt, begrenzt § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG den Handlungsrahmen der Behörde nicht dahin, dass allein Schutzmaßnahmen gegenüber der festgestellten Person in Betracht kommen. Die Vorschrift ermöglicht Regelungen gegenüber einzelnen wie mehreren Personen. Vorrangige Adressaten sind zwar die in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG benannten Personengruppen. Bei ihnen steht fest oder besteht der Verdacht, dass sie Träger von Krankheitserregern sind, die bei Menschen eine Infektion oder eine übertragbare Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 1 bis Nr. 3 IfSG verursachen können. Wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr, eine übertragbare Krankheit weiterzuverbreiten, sind sie schon nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehr- und Polizeirechts als "Störer" anzusehen. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG können aber auch (sonstige) Dritte ("Nichtstörer") Adressat von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 212 f. - juris Rn. 25 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 3.4.2020 - OVG 11 S 14/20 -, juris Rn. 8 f.). Aus infektionsschutzrechtlicher Sicht maßgeblich ist insoweit allein der Bezug der durch die konkrete Maßnahme in Anspruch genommenen Person zur Infektionsgefahr. Dabei gilt für die Gefahrenwahrscheinlichkeit kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen erfassender Maßstab. Vielmehr ist der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Dafür sprechen das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen (§§ 1 Abs. 1, 28 Abs. 1 IfSG), sowie der Umstand, dass die betroffenen Krankheiten nach ihrem Ansteckungsrisiko und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen unterschiedlich gefährlich sind. Im Falle eines hochansteckenden Krankheitserregers, der bei einer Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen würde, drängt sich angesichts der schwerwiegenden Folgen auf, dass die vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts genügt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 216 - juris Rn. 32). Nach der Risikobewertung des gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG hierzu berufenen Robert Koch-Instituts im täglichen "Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)" vom 4. Mai 2020 besteht auch in Deutschland unverändert eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Die Zahl der Fälle in Deutschland steigt weiter an. Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland wird derzeit "insgesamt als hoch" eingeschätzt, "für Risikogruppen als sehr hoch" (vgl. www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-05-04-de.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 4.5.2020). Aufgrund dieser Bewertung besteht für jeden Adressaten der Verordnung ein hinreichend konkreter Bezug zu einer Infektionsgefahr.

Der Senat vermag derzeit aber nicht verlässlich festzustellen, dass die in § 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung angeordnete Pflicht, als Besucher von Verkaufsstellen, Einkaufscentern und Einrichtungen nach § 3 Nrn. 6 und 7, mit Ausnahme von Buchst. k, der Verordnung sowie als Person, die als Fahrgast ein Verkehrsmittel des Personenverkehrs und die hierzu gehörenden Einrichtungen, wie zum Beispiel Haltestellen und Aufenthaltsbereiche am Gleis, nutzt, eine textile Barriere als Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, als Schutzmaßnahme zur Verhinderung der Verbreitung der übertragbaren Krankheit COVID-19 objektiv notwendig ist.

Das hierzu gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG berufene Robert Koch-Institut

"empfiehlt ein generelles Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (MNB) in bestimmten Situationen im öffentlichen Raum als einen weiteren Baustein, um Risikogruppen zu schützen und den Infektionsdruck und damit die Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung zu reduzieren. Diese Empfehlung beruht auf einer Neubewertung aufgrund der zunehmenden Evidenz, dass ein hoher Anteil von Übertragungen unbemerkt erfolgt, und zwar bereits vor dem Auftreten von Krankheitssymptomen. … Der Hauptübertragungsweg von SARS-CoV-2, dem Erreger von COVID-19, sind feine Tröpfchen aus der Atemluft. Im medizinischen Bereich und in der Pflege ist ein enger physischer Kontakt häufig unvermeidbar und deshalb gehören der chirurgische Mund-Nasen-Schutz (MNS) und sogenannte partikelfiltrierende Halbmasken (FFP2-/FFP3-Maske) zum Standard der im Arbeitsschutz und Infektionsschutz eingesetzten persönlichen Schutzausrüstung. Der wesentliche Unterschied zwischen einem MNS und FFP2-/FFP3-Masken besteht nicht nur in der Stärke der Filterwirkung der Atemluft, sondern im Ziel des Einsatzes. Während ein MNS primär andere Personen vor feinen Tröpfchen und Partikeln in der Ausatemluft desjenigen schützen soll, der einen MNS trägt (Fremdschutz), ist das Ziel von FFP2-/FFP3-Masken der persönliche Schutz des Trägers vor Infektionen, einschließlich solche, die durch mikroskopisch kleine Tröpfchen (Aerosole) übertragen werden. Dieser Schutz ist von zentraler Bedeutung, um die Gesundheit von medizinischem Personal und Pflegenden zu erhalten und so eine sichere Behandlung und Pflege ohne Infektionsrisiko zu gewährleisten. In einer aktuellen Studie konnte gezeigt werden, dass auch MNS zu einer relevanten Reduktion der Ausscheidung von Atemwegsviren über die Ausatemluft führt und aus Studien zur Influenza gibt es Hinweise auf eine Reduktion des Ansteckungsrisikos für gesunde Personen in Haushalten mit einem Erkrankten. … Kommerziell und privat hergestellte MNB bestehen meist aus handelsüblichen, unterschiedlich eng gewebten Baumwollstoffen und entsprechen in ihrer Funktionsweise am ehesten einem MNS. Sie sind jedoch keine Medizinprodukte und unterliegen nicht entsprechenden Prüfungen oder Normen. Die Filterwirkung von MNB auf Tröpfchen und Aerosole wurde nur in wenigen Studien untersucht und war im Vergleich zu medizinischem MNS geringer. … MNB werden aufgrund der Heterogenität der Materialien und fehlenden Daten zur individuellen Schutzwirkung in Studien in Deutschland nicht für den Arbeitsschutz empfohlen. Wichtig ist, dass bei einem Hustenstoß sowohl die Filterwirkung von MNS als auch von MNB reduziert ist, d. h. dass eine (Selbst-)Isolation symptomatisch Erkrankter unabhängig vom Einsatz von MNB trotzdem erforderlich bleibt. … Während in einigen asiatischen Ländern das Tragen von MNB oder MNS als Teil einer allgemeinen Präventionsstrategie während Influenzawellen akzeptiert ist, würde dies in Ländern wie Deutschland einen deutlichen Schritt weg von dem gewohnten Bild in der Öffentlichkeit darstellen. In einer aktuellen Empfehlung stellt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) fest, dass der Einsatz von MNB im öffentlichen Raum nicht ausreichend evaluiert ist und daher weder eine Empfehlung für noch gegen den Einsatz gegeben werden könne. Wie die WHO betont, ist eine klare Kommunikation zu den Hintergründen, zu Kriterien und Gründen für die getroffene Entscheidung essenziell. Eine aktuelle Stellungnahme des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) kommt zu dem Schluss, dass der Einsatz von Gesichtsmasken als Mittel der Kontrolle von Infektionsquellen eingesetzt werden kann, um die Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung durch infizierte Personen, die noch keine Symptome entwickelt haben, zu verhindern. Die Centers for Disease Control and Prevention (das amerikanische Public-Health-Institut CDC) sprechen eine Empfehlung für den Einsatz von MNB aus, um in Situationen, in denen andere Maßnahmen der physischen Distanzierung nur schwierig eingehalten werden können, eine Übertragung des Virus auf andere zu verhindern. Dies dient besonders dem Schutz von Menschen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass der Einsatz von MNB die zentralen Schutzmaßnahmen, wie die (Selbst-)Isolation Erkrankter, die Einhaltung der physischen Distanz von mindestens 1,5 m, die Hustenregeln und die Händehygiene zum Schutz vor Ansteckung, nicht ersetzen kann. Diese zentralen Schutzmaßnahmen müssen also weiterhin strikt eingehalten werden. In einer Aktualisierung ihres Cochrane Reviews aus dem Jahr 2003 empfehlen die Autoren, basierend auf Beobachtungsstudien während des SARS-Ausbruchs, den Einsatz von Masken ebenfalls in Kombination mit anderen Maßnahmen. … Auch die hygienische Handhabung und Pflege von MNB sind zu beachten. Aus diesem Grund ist darauf zu achten, dass die MNB – insbesondere beim Auf- und Absetzen – nicht berührt wird, um eine Kontamination durch die Hände zu verhindern. Generell geht eine längere Tragedauer auch mit einer erhöhten Kontaminationsgefahr einher (s. Hinweise des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)). Wie Beobachtungen aus Ausbruchsuntersuchungen und Modellierungsstudien zeigen, beruht die rasche Ausbreitung von SARS-CoV-2 auf einem hohen Anteil von Erkrankungen, die initial mit nur leichten Symptomen beginnen, ohne die Erkrankten in ihrer täglichen Aktivität einzuschränken. … Bereits 1 – 3 Tage vor Auftreten der Symptome kann es zu einer Ausscheidung von hohen Virusmengen kommen. Eine teilweise Reduktion dieser unbemerkten Übertragung von infektiösen Tröpfchen durch das Tragen von MNB könnte auf Populationsebene zu einer weiteren Verlangsamung der Ausbreitung beitragen. Dies betrifft die Übertragung im öffentlichen Raum, an denen mehrere Menschen zusammentreffen und sich dort länger aufhalten (z. B. Arbeitsplatz) oder der physische Abstand von mindestens 1,5 m nicht immer eingehalten werden kann (z. B. Einkaufssituation, öffentliche Verkehrsmittel). Tätigkeiten, die mit vielen oder engeren Kontakten einhergehen, sind hier von besonderer Bedeutung. Da bei vielen Ansteckungen die Infektionsquelle unbekannt ist, kann eine unbemerkte Ausscheidung des Virus in diesen Fällen weder durch eine Verhaltensänderung (wie eine Selbstquarantäne) noch durch eine frühzeitige Testung erkannt werden, da der Beginn der Infektiosität unbekannt ist. Aus diesem Grund kann das Tragen von MNB im öffentlichen Raum vor allem dann im Sinne einer Reduktion der Übertragungen wirksam werden, wenn sich möglichst viele Personen daran beteiligen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass es Personen gibt, die aufgrund von Vorerkrankungen den höheren Atemwiderstand beim Tragen von Masken nicht tolerieren können. Um möglichst rasch eine nachhaltige Reduktion der Ausbreitungsgeschwindigkeit von COVID-19 in der Bevölkerung und sinkende Neuerkrankungszahlen zu erreichen, ist es notwendig, mehrere Komponenten einzusetzen, die sich gegenseitig ergänzen (s. 2. Strategie-Update …). Dabei sind immer die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen und deren unerwünschte Auswirkungen sorgsam gegeneinander abzuwägen. In dem System verschiedener Maßnahmen ist ein situationsbedingtes generelles Tragen von MNB (oder von MNS, wenn die Produktionskapazität dies erlaubt) in der Bevölkerung ein weiterer Baustein, um Übertragungen zu reduzieren." (Robert Koch-Institut, Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19. Strategie-Ergänzung zu empfohlenen Infektionsschutzmaßnahmen und Zielen (3. Update), in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 19/2020, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20_MNB.pdf?__blob=publicationFile, Stand: 14.4.2020; vgl. auch Robert Koch-Institut, Ist das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in der Öffentlichkeit zum Schutz vor SARS-CoV-2 sinnvoll?, veröffentlicht unter: www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Mund_Nasen_Schutz.html, Stand: 27.4.2020).

Unter Berücksichtigung dieser fachlichen Einschätzung - und auch der allgemeinen Lebenserfahrung - ist nicht zu leugnen, dass eine Mund-Nasen-Bedeckung filternde Wirkung auf die Ausatemluft haben kann, indem sie in dieser vorhandene Tröpfchen und Partikel teilweise zurückhält oder jedenfalls deren Austrittsgeschwindigkeit und damit den Ausbreitungsradius verringert. Abhängig vom Wirkungsgrad der Mund-Nasen-Bedeckung und der Zahl der Personen, die eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen, kann sie daher durchaus als eine Maßnahme anzusehen sein, die den Schutz Fremder vor einer Infektion verbessert.

Abgesehen von diesen grundlegenden Annahmen, die es ausschließen, die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung als offensichtlich nicht geeignete Schutzmaßnahme anzusehen, fehlt es derzeit aber an nachvollziehbaren Erkenntnissen, dass die in § 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung angeordnete Pflicht, als Besucher von Verkaufsstellen, Einkaufscentern und Einrichtungen nach § 3 Nrn. 6 und 7, mit Ausnahme von Buchst. k, der Verordnung sowie als Person, die als Fahrgast ein Verkehrsmittel des Personenverkehrs und die hierzu gehörenden Einrichtungen, wie zum Beispiel Haltestellen und Aufenthaltsbereiche am Gleis, nutzt, eine textile Barriere als Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, eine objektiv notwendige, also geeignete, erforderliche und auch angemessene Schutzmaßnahme ist (vgl. dahingehend auch Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Hinweise des BfArM zur Verwendung von selbst hergestellten Masken (sog. "Community-Masken"), medizinischem Mund-Nasen-Schutz (MNS) sowie filtrierenden Halbmasken (FFP2 und FFP3) im Zusammenhang mit dem Coronavirus (SARS-CoV-2 / Covid-19), veröffentlicht unter www.bfarm.de/SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte/DE/schutzmasken.html, Stand: 31.3.2020: "'Community-Maske', Behelfs-Mund-Nasen-Maske: Schutzwirkung i.d.R. nicht nachgewiesen"). Fraglich ist insoweit zunächst der Wirkungsgrad einer Mund-Nasen-Abdeckung, wie sie in § 9 Abs. 2 der Verordnung mit nur minimalen Anforderungen vorgegeben ist als "jede textile Barriere, die aufgrund ihrer Beschaffenheit geeignet ist, eine Ausbreitung von übertragungsfähigen Tröpfchenpartikeln durch Husten, Niesen und Aussprache zu verringern, unabhängig von einer Kennzeichnung oder zertifizierten Schutzkategorie; geeignet sind auch Schals, Tücher, Buffs, aus Baumwolle oder anderem geeignetem Material selbst hergestellte Masken oder Ähnliches". Darüber hinaus bedarf es der weiteren Aufklärung, ob die Mund-Nasen-Bedeckung in den von der Verordnung bestimmten Fallgestaltungen des Besuchs von Verkaufsstellen, Einkaufscentern und Einrichtungen nach § 3 Nrn. 6 und 7 der Verordnung und der Nutzung des Personenverkehrs überhaupt ihre Wirkung entfalten kann, wenn in diesen Fallgestaltungen eine Unterschreitung des Abstands nach § 8 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung nicht unwahrscheinlich ist, "der Einsatz von MNB (Mund-Nasen-Bedeckungen) die zentralen Schutzmaßnahmen, wie … die Einhaltung der physischen Distanz von mindestens 1,5 m, … (aber) nicht ersetzen kann", vielmehr "diese zentralen Schutzmaßnahmen … weiterhin strikt eingehalten werden" müssen (so Robert Koch-Institut, Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von COVID-19. Strategie-Ergänzung zu empfohlenen Infektionsschutzmaßnahmen und Zielen (3. Update), in: Epidemiologisches Bulletin Nr. 19/2020, a.a.O.). Erst in Abhängigkeit von den insoweit zu treffenden Feststellungen kann die Angemessenheit der Schutzmaßnahme mit Blick auf die mit ihr verbundenen Beeinträchtigungen der persönlichen Handlungsfreiheit beurteilt werden.

b. Die wegen der danach offenen Erfolgsaussichten gebotene Folgenabwägung führt aber dazu, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe nicht überwiegen.

Würde § 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung einstweilig außer Vollzug gesetzt, bliebe der Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg, könnte die Antragstellerin zwar vorübergehend die mit der Schutzmaßnahme verbundenen persönlichen Belastungen vermeiden. Die Möglichkeit, eine weitere geeignete und erforderliche Schutzmaßnahme zu ergreifen und so die Verbreitung der Infektionskrankheit zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350 - juris Rn. 119 m.w.N.), effektiver zu verhindern, bliebe hingegen (irreversibel) ungenutzt.

Würde hingegen § 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung nicht einstweilig außer Vollzug gesetzt, hätte der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache Erfolg, wäre die Antragstellerin vorübergehend zu Unrecht zur Befolgung der - für den Fall der Nichtbefolgung bußgeldbewehrten - Schutzmaßnahme verpflichtet. Der damit verbundene Eingriff in ihr Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG würde für die Dauer der Verpflichtung, längstens für die Dauer des Hauptsacheverfahrens, verfestigt. Dieser Eingriff ist nach Einschätzung des Senats indes nur von geringem Gewicht und im Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten legitimen Ziel eines effektiven Infektionsschutzes von der Antragstellerin vorübergehend hinzunehmen. Die Belastung erschöpft sich darin, als Besucher von Verkaufsstellen, Einkaufscentern und Einrichtungen nach § 3 Nrn. 6 und 7, mit Ausnahme von Buchst. k, der Verordnung sowie als Person, die als Fahrgast ein Verkehrsmittel des Personenverkehrs und die hierzu gehörenden Einrichtungen, wie zum Beispiel Haltestellen und Aufenthaltsbereiche am Gleis, nutzt, eine textile Barriere als Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen und die damit für den Träger in wenigen, kurzzeitigen Alltagssituationen verbundenen subjektiven Unannehmlichkeiten zu ertragen. Die Beschaffung der Mund-Nasen-Abdeckung dürfte angesichts der an sie in § 9 Abs. 2 der Verordnung gestellten minimalen Anforderungen regelmäßig mit keinem messbaren Aufwand verbunden sein. Hygienische und daran anknüpfende Bedenken, die sich aus der Nutzung der eigenen Mund-Nasen-Bedeckung ergeben können, dürfte der Träger selbst hinreichend beeinflussen können. Stehen gesundheitliche Gründe der Nutzung einer Mund-Nasen-Bedeckung von vorneherein entgegen, bestimmt § 9 Abs. 3 der Verordnung eine ausnahmsweise Befreiung von der grundsätzlichen Pflicht. Schließlich ist die Verpflichtung derzeit für einen kurzen Geltungszeitraum befristet, und auch wenn eine Verlängerung der Geltungsdauer nicht unwahrscheinlich ist, hat die zuständige Behörde die Notwendigkeit der angeordneten Maßnahme weiterhin fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).