Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.03.2022, Az.: 14 MN 176/22
Antragsbefugnis; Corona-Pandemie; Maskenpflicht; Signatur
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.03.2022
- Aktenzeichen
- 14 MN 176/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59837
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Antrag des Antragstellers ist trotz anwaltlicher Vertretung entsprechend §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO auszulegen. Danach ist das Gericht an die Fassung der Anträge nicht gebunden, darf aber über das Klagebegehren nicht hinausgehen. Zwar ist dem Antragsgegner zuzustimmen, dass der Streitgegenstand aufgrund der Formulierung des Antrages in Bezug auf die Bezeichnung der Verordnung, deren Bestimmungen für nichtig erklärt werden sollen, für sich allein betrachtet unklar ist. Allerdings geht der Senat unter Berücksichtigung der Angabe des Streitgegenstandes auf Seite 1 der Antragsschrift und des übrigen Vorbringens des Antragstellers in der Antragschrift davon aus, dass er sich nur gegen die aktuell geltende Niedersächsische Verordnung über Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 23. Februar 2022 (Nds. GVBl. 2022 S. 97), geändert durch Art. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 23. Februar 2022 (Nds. GVBl. 2022 S. 111), wendet und aufgrund der Nennung des § 47 Abs. 6 VwGO und seinen Ausführungen hierzu die vorläufige Außervollzugsetzung begehrt.
Der so verstandene Antrag,
die Niedersächsische Corona-Verordnung und § 4 der Niedersächsischen Verordnung vorläufig außer Vollzug zusetzen,
hat keinen Erfolg. Der Antrag ist bereits unzulässig (1.) und wäre im Übrigen auch unbegründet (2.).
Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.
1. Der Antrag ist aus mehreren Gründen unzulässig. Zum einen ist er nicht formwirksam gestellt worden (a)), zum anderen fehlt dem Antragsteller die Antragsbefugnis (b)).
a) Die von der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers eingereichte Antragsschrift für den Normenkontrolleilantrag wahrt nicht die gemäß § 55d VwGO erforderliche Form. Nach dieser Vorschrift sind insbesondere vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln, wobei nach § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO das elektronische Dokument entweder mit einer qualifizierten Signatur der verantwortenden Person versehen oder von der verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden sein muss. Diese Anforderungen sind vorliegend nicht eingehalten. Damit fehlt es an einem vom Amts wegen zu prüfenden zwingenden und unverzichtbaren Formerfordernis der Antragsschrift.
Ausweislich des Prüfvermerks vom 10. März 2022 sind die als elektronische Dokumente "olgmaske.pdf" und "Seite2.pdf" an das Gericht übersandten Dateien nicht qualifiziert signiert. Die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat den Schriftsatz zwar - wie sich ebenfalls aus dem Prüfvermerk ergibt - über einen sicheren Übermittlungsweg, nämlich aus einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach i.S.d. § 55a Abs. 4 Nr. 2 VwGO, eingereicht, jedoch mangelt es der Antragschrift an der zusätzlich erforderlichen einfachen Signatur i.S.v. § 55a Abs. 3 Satz 1 VwGO.
aa) Eine einfache elektronische Signatur nach dieser Variante der Regelung besteht gemäß Art. 3 Nr. 10 der EU-Verordnung Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (eIDAS-Verordnung) aus Daten in elektronischer Form, die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verbunden werden und die der Unterzeichner zum Unterzeichnen verwendet. Bei der durch bzw. mit einem Textverarbeitungsprogramm zum Abschluss des Schriftsatzes angebrachten Namenswiedergabe des Verfassers handelt es sich um solche Daten (BAG, Beschl. v. 14.9.2020 - 5 AZB 23/20 -, juris Rn. 14 m.w.N.).
Die (einfache) Signatur meint die einfache Wiedergabe des Namens am Ende des Textes (BAG, Beschl. v. 14.9.2020 - 5 AZB 23/20 -, juris Rn. 15 m.w.N.). Dies kann beispielsweise der maschinenschriftliche Namenszug unter dem Schriftsatz oder eine eingescannte Unterschrift sein (BAG, Beschl. v. 14.9.2020 - 5 AZB 23/20 -, juris Rn. 15 m.w.N.; Ulrich, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 41. EL Juli 2021, § 55a Rn. 73 m.w.N.).
Die (einfache) elektronische Signatur dient dem Abschluss des elektronischen Dokuments sowie der Dokumentation, dass die vom sicheren Übermittlungsweg als Absender ausgewiesene Person mit der das Dokument verantwortenden Person identisch ist. Ist deren Identität bei Fehlen der (einfachen) elektronischen Signatur nicht auf andere Weise feststellbar, ist das elektronische Dokument nicht wirksam eingereicht (BAG, Beschl. v. 14.9.2020 - 5 AZB 23/20 -, juris Rn. 15 m.w.N.; Ulrich, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 41. EL Juli 2021, § 55a Rn. 73 m.w.N.). Die (einfache) Signatur muss dabei nach dem Willen des Gesetzgebers jedenfalls auf dem elektronischen Dokument angebracht werden, das die prozessrelevanten Erklärungen i.S.d. § 82 Abs. 1 VwGO enthält (vgl. BT-Drs. 17/12634 S. 25 zur inhaltsgleichen Parallelregelung in § 130a Abs. 3 ZPO; Ulrich, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 41. EL Juli 2021, § 55a Rn. 74).
bb) Vorliegend ist die Antragschrift - wie sich aus dem Prüfvermerk vom 10. März 2022 ergibt - aus nicht näher genannten Gründen in zwei separaten Teilen jeweils als elektronisches Dokument übersandt worden. Das übermittelte Dokument "olgmaske.pdf" enthält neben einem Anschreiben und der Prozessvollmacht die Seiten 1 sowie 3 bis 9 der Antragschrift vom 9. März 2022; das Dokument "Seite2.pdf" deren Seite 2. Das Dokument "olgmaske.pdf" weist eine einfache Signatur auf, die Datei "Seite2.pdf" jedoch nicht. Der überwiegende Teil des nach § 82 Abs. 1 VwGO prozessrelevanten Antrags ist jedoch lediglich in dem elektronischen Dokument "Seite2.pdf" enthalten. Diese hätte daher (ebenfalls) signiert werden müssen.
cc) Es kann hier auch nicht aufgrund sonstiger Umstände von einer ordnungsgemäßen Einlegung des Normenkontrolleilantrags ausgegangen werden.
1) Die einfache Signatur soll - ebenso wie die eigenhändige Unterschrift oder die qualifizierte elektronische Signatur - die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (vgl. BT-Drs. 17/12634 S. 25 zur inhaltsgleichen Parallelregelung in § 130a Abs. 3 ZPO; BAG, Beschl. v. 14.9.2020 - 5 AZB 23/20 -, juris Rn. 19 m.w.N.). Das Fehlen einer einfachen Signatur kann - ebenso wie einer Unterschrift - ausnahmsweise unschädlich sein, wenn - ohne Beweisaufnahme - aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei feststeht, dass der Prozessbevollmächtigte die Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes übernommen hat (BAG, Beschl. v. 14.9.2020 - 5 AZB 23/20 -, juris Rn. 19 m.w.N.; Ulrich, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 41. EL Juli 2021, § 55a Rn. 73).
2) Solche besonderen Begleitumstände sind hier aber nicht gegeben. Eine der einfachen Signatur vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers und deren Willen, die Antragschrift in den Rechtsverkehr zu bringen, bieten weder die Verwendung des Briefbogens ihrer Kanzlei noch der Umstand, dass das Dokument "olgmaske.pdf" eine einfache Signatur aufweist. Die Verwendung des Kanzleibriefkopfes trifft bereits keine Aussage darüber, wer für den sodann folgenden Inhalt der Antragschrift die Verantwortung übernehmen will. Es ist nicht erkennbar, ob die im Briefkopf als Absenderin ausgewiesene Person identisch mit der den Inhalt des Schriftsatzes verantwortenden Person ist (vgl. BAG, Beschl. v. 14.9.2020 - 5 AZB 23/20 -, juris Rn. 22 m.w.N.). Auch die einfache Signatur des elektronischen Dokuments "olgmaske.pdf" lässt nicht bereits den Rückschluss zu, dass die gleiche Person auch das Dokument "Seite2.pdf" verantwortet. Die einfache Signatur bezieht sich nur auf den Inhalt des jeweils übersendeten elektronischen Dokuments. So wird in der Gesetzesbegründung zu der inhaltsgleichen Vorschrift des § 130a ZPO ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das elektronische Dokument zu signieren ist, das die prozessrelevanten Erklärungen enthält. Sofern ein Schriftsatz also - wie hier - in mehrere separat übersandte Teile geteilt wird, muss daher zumindest auch jeder Teil (einfach) signiert werden, der prozessrelevante Erklärungen enthält.
Hierauf ist die Prozessbevollmächtigte in der Eingangsmitteilung hingewiesen worden, ohne dass sie hierauf reagiert hat.
b) Ferner fehlt dem Antragsteller die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis. Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Antrag eine natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne dieser Bestimmung sind die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei der Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005 - 6 BN 1.05 -, juris Rn. 3 ff., insbes. 7; Urt. v. 26.2.1999 - 4 CN 6.98 -, juris Rn. 9). Ausreichend, aber auch erforderlich ist es daher, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in seinen subjektiven Rechten verletzt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1998 - 4 CN 2.98 -, juris Rn. 8; NdsOVG, Beschl. v. 29.7.2020 - 13 MN 280/20 -, juris Rn. 9). Ein Antragsteller ist nur antragsbefugt, soweit sich sein Antrag gegen Verordnungsregelungen richtet, die ge- oder verbietend an ihn adressiert sind, die zu ihn betreffenden belastenden Verwaltungs- oder Realakten ermächtigen oder die sonst wie eine ihn belastende Wirkung entfalten können (vgl. Senatsbeschl. v. 11.3.2022 - 14 MN 171/22 -, juris Rn. 6).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Antragsteller eine Antragsbefugnis nicht (hinreichend) glaubhaft gemacht.
Auch wenn der Antragsteller sich seinem insoweit knappen Vorbringen nach gegen die Verpflichtung zum Tragen einer (FFP2-) Maske wendet, so enthält sowohl die Niedersächsische Corona-Verordnung, aber auch allein § 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung eine Vielzahl von Einzelregelungen, in denen das Tragen einer medizinischen Maske als Mund-Nasen-Bedeckung bzw. das Tragen einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus in unterschiedlichen Lebensbereichen angeordnet und der Umfang dieser Verpflichtung geregelt wird. Aus der Antragschrift geht insoweit nicht hervor, gegen welche die Maskenpflicht betreffende Regelungen sich der Antragsteller im Einzelnen überhaupt wendet. So zitiert der Antragsteller neben dem gesamten § 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung auch die §§ 1 bis 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, die sich schon nicht auf die Maskenpflicht beziehen. Auch in Bezug auf § 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung stellt der Antragsteller nicht klar, gegen welche Regelungen dieser Norm er sich konkret wendet. Dass insoweit überhaupt eine Präzisierung erforderlich sein dürfte, müsste jedenfalls der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers aus anderen von ihr geführten Verfahren bekannt sein, auch wenn sich die jeweiligen Antragsteller dort gegen andere Vorschriften gewandt hatten (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 15.9.2021 - 13 MN 396/21 -, juris Rn. 8). Jedenfalls in einem Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes mit Anwaltszwang ist es nicht Aufgabe des Senats, von dem Antragsteller schlicht behauptete tatsächliche Beeinträchtigungen konkreten rechtlichen Verbotsregelungen zuzuordnen und so die von ihm geforderte Geltendmachung einer möglichen Rechtsverletzung zu ersetzen. Auch die pauschale Behauptung der Verletzung zitierter Normen des Grundgesetzes (Art. 1 Abs. 1 Satz 2, Art. 2 Abs. 2 Satz 1, Art. 19 Abs. 2 GG) genügt den Anforderungen an die Geltendmachung der erforderlichen Antragsbefugnis nicht (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 15.9.2021 - 13 MN 396/21 -, juris Rn. 8).
2. Im Übrigen wäre der Antrag - selbst wenn dieser jedenfalls im Hinblick auf die allein in § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 1a der Niedersächsischen Corona-Verordnung geregelte Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske bzw. Atemschutzmaske (soweit nicht das Tragen einer medizinischen Maske als Mund-Nasen-Bedeckung in einer Diskothek, einem Club oder einer ähnlichen Einrichtung oder einer Einrichtung, in der Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, betroffen ist, vgl. zur diesbezüglichen vorläufigen Außervollzugsetzung des § 4 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung Senatsbeschl. v. 11.3.2022 - 14 MN 171/22 -, juris) als zulässig angesehen würde - jedenfalls unbegründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. "Doppelhypothese" die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG RP Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); SächsOVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); NdsOVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).
Unter Anwendung dieser Grundsätze kommt eine vorläufige Außervollzugsetzung der streitgegenständlichen Verordnungsregelungen nicht in Betracht. Ein in der Hauptsache noch zu stellender Normenkontrollantrag des Antragstellers wäre, soweit er sich gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 1a der Niedersächsischen Corona-Verordnung richtet, zwar zulässig, aber voraussichtlich unbegründet, sodass der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Denn nach summarischer Prüfung erweisen sich die genannten Bestimmungen der Niedersächsischen Corona-Verordnung voraussichtlich als rechtmäßig.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 der zunächst bis zum 19. März 2022 gültigen Niedersächsischen Corona-Verordnung hat jede Person in geschlossenen Räumen, die öffentlich
oder im Rahmen eines Besuchs- oder Kundenverkehrs zugänglich sind, eine medizinische Maske als Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift auch für Personen, die 1. Verkehrsmittel des Personenverkehrs oder die dazugehörigen Einrichtungen in geschlossenen Räumen, wie zum Beispiel an Haltestellen, Bahnhöfen, Flughäfen und Fähranlegern, nutzen, 2. als Fahrgäste an touristischen Bus-, Schiffs- und Kutschfahrten teilnehmen, es sei denn, dass alle Fahrgäste einen Impfnachweis, einen Genesenennachweis oder einen Nachweis über eine negative Testung vorlegen, 3. an einer Sitzung, Zusammenkunft oder Veranstaltung im Sinne des § 8 Abs. 1, des § 10, 11 oder 11 a, in geschlossenen Räumen teilnehmen, 4. am Unterricht oder an einer Prüfung in einem Fahrzeug im Rahmen einer Fahrausbildung oder Fahrlehrerausbildung teilnehmen, oder 5. Tätigkeiten und Dienstleistungen ausüben, die den Abstand nach § 2 Satz 1 naturgemäß unterschreiten, insbesondere im Rahmen der Gesundheitsversorgung, der Pflege von Personen oder des Handels, soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist. Nach § 4 Abs. 1a der Niedersächsischen Corona-Verordnung haben Personen ab dem vollendeten 14. Lebensjahr, die Verkehrsmittel des Personenverkehrs oder die dazugehörigen Einrichtungen in geschlossenen Räumen, wie zum Beispiel an Haltestellen, Bahnhöfen, Flughäfen und Fähranlegern, nutzen, abweichend von Absatz 1 Sätze 1 und 2 Nr. 1 eine Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus zu tragen, wobei Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführer von der Pflicht nach Halbsatz 1 ausgenommen sind.
a) Der bis zum 31. Dezember 2021 für das Infektionsschutzrecht zuständige 13. Senat des erkennenden Gerichts hat mit Beschluss vom 15. September 2021 (13 MN 369/21 -, juris), teilweise auch unter Verweis auf zuvor ergangene Beschlüsse, entschieden, dass es sich bei der in § 4 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung festgelegten Verpflichtung einer jeden Person, in geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs- oder Kundenverkehrs zugänglich sind, eine medizinische Maske als Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, um eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne der § 28 Abs. 1, § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG handele, die in rechtmäßiger Weise durch Rechtsverordnung nach § 32 IfSG erlassen worden sei. Der 13. Senat ist weiter davon ausgegangen, dass die materielle Rechtmäßigkeit der Niedersächsischen Corona-Verordnung im Hinblick auf das "Ob" eines staatlichen Handelns keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt und die in diesen Verordnungsregelungen gewählte Art der Schutzmaßnahmen nicht zu beanstanden sei (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 15.9.2021 - 13 MN 369/21 -, juris Rn. 8, 9). Gleiches gelte für den von den streitgegenständlichen Verordnungsregelungen betroffenen Adressatenkreis (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 15.9.2021 - 13 MN 369/21 -, juris Rn. 10 f.). Die Schutzmaßnahmen genügten zudem noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 15.9.2021 - 13 MN 369/21 -, juris Rn. 19 ff.). Diese Auffassung bestätigte der 13. Senat zuletzt in seinem Beschluss vom 23. September 2021 (- 13 MN 398/21 -, juris Rn. 8 f.).
Diesen Einschätzungen und den ihnen zugrundeliegenden Erwägungen schließt sich der 14. Senat nach unabhängiger Überprüfung der Sach- und Rechtslage, unter Berücksichtigung des § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 IfSG und des aktuellen Infektionsgeschehens (vgl. dazu zuletzt Senatsbeschl. v. 11.3.2022 - 14 MN 171/22 -, juris Rn. 28) sowie unter Abwägung sämtlicher für und gegen eine Aussetzung der Vollziehung sprechenden Argumente vollumfänglich an und verweist wegen der Einzelheiten darauf (vgl. auch zur Maskenpflicht in Schulen die Senatsbeschl. v. 7.3.2022 - 14 MN 173/22 -, juris Rn. 15 u. v. 26.1.2022 - 14 MN 117/22 -, juris Rn. 23). Keine andere Beurteilung ergibt sich für die in § 4 Abs. 1 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung geregelte Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Maske in den dort genannten Situationen sowie die in § 4 Abs. 1a der Niedersächsischen Corona-Verordnung geregelte Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus in Verkehrsmitteln des Personenverkehrs oder den dazugehörigen Einrichtungen in geschlossenen Räumen für Personen ab dem vollendeten 14. Lebensjahr.
b) Der Antragsteller hat keine Argumente vorgebracht, die eine Änderung dieser Einschätzungen begründen könnten.
aa) Zunächst führen die Änderung des Infektionsschutzgesetzes mit Wirkung vom 24. November 2021 und die Aufhebung der Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite mit Ablauf des 25. November 2021 nicht zu einer anderen Einschätzung. Denn nach § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 IfSG kann unabhängig von einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite die Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) oder einer medizinischen Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Schutz) - wie in § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 und Abs. 1a der Niedersächsischen Corona-Verordnung umgesetzt - notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 sein, soweit sie zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich sind.
bb) Durchgreifende Bedenken bestehen dabei auch nicht hinsichtlich des Adressatenkreises von § 4 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 und Abs. 1a der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Insbesondere können sich Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG auch gegen Nichtstörer richten, selbst wenn diese im Zusammenhang mit COVID-19 geimpft oder genesen sind (vgl. zuletzt Senatsbeschl. v. 11.3.2022 - 14 MN 171/22 -, juris Rn. 14).
cc) Ferner ist die Anordnung der Maskenpflicht in geschlossenen Räumen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung auch vor dem Hintergrund, dass der Verordnungsgeber in § 4 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung zahlreiche Ausnahmen, insbesondere bei der Teilnahme an Veranstaltungen mit höchstens 50 Personen unabhängig vom Veranstaltungsort (§ 4 Abs. 3 Nr. 3), im Zusammenhang mit der Wahrnehmung eines politischen Mandats sowie bei Kontakten im Wahlkampf oder bei der Wahlwerbung für Personen, die sich im Rahmen einer öffentlichen Wahl um ein politisches Mandat oder Amt bewerben (§ 4 Abs. 3 Nr. 4), sowie bei Veranstaltungen und Sitzungen des Niedersächsischen Landtages, seiner Gremien und Fraktionen und von kommunalen Vertretungen, deren Gremien und Fraktionen (§ 4 Abs. 3 Nr. 5), vorgesehen hat, nicht zu beanstanden. Zwar können sich auch Teilnehmer von Veranstaltungen mit höchstens 50 Personen oder Personen, die von den Ausnahmen in § 4 Abs. 3 Nr. 4 und 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung betroffen sind, mit dem SARS-CoV-2 Virus infizieren. Jedoch hat der Verordnungsgeber in Bezug auf die Ausnahme in § 4 Abs. 3 Nr. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nachvollziehbar, und ohne dass der Antragsteller dem insoweit entgegengetreten ist, in der Begründung zur Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 23. Februar 2022 ausgeführt (Nds. GVBl. 2022 S. 116): „Kommt es nach einer Infektion mit der Omikronvariante des Coronavirus zu einer Erkrankung, so verläuft diese mit milderen Symptomen als bei der zuvor vorherrschenden Deltavariante. Dennoch ist es auch bei milderen Verläufen notwendig, einer ungebremsten Übertragung auf eine unbegrenzte Personenanzahl sowie einer Überlastung der Krankenhäuser vorzubeugen. Daher gilt die in Absatz 1 geregelte Befreiung nur für Veranstaltungen mit höchstens 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.“
Die weiteren von dem Antragsteller als Vergleich herangezogenen Ausnahmen von der Maskenpflicht in § 4 Abs. 3 Nr. 4 und 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung sind vor dem Hintergrund der zwingenden Aufrechterhaltung staatlicher Funktionen und dem grundrechtlich besonders geschützten Bereich des politischen Mandats (Art. 38 Abs. 1 GG) gerechtfertigt (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 25.11.2021 - 13 KN 389/20 -, juris Rn. 98).
cc) Soweit der Antragsteller noch ausführt, dass „Grundrechtseingriffe“ auf der Grundlage von Inzidenzzahlen eklatant grundrechtswidrig, willkürlich und rechtsmissbräuchlich seien, beziehen sich diese Ausführungen schon nicht auf die vom Antragsteller beanstandete Maskenpflicht. Selbst wenn man dies zugunsten des Antragstellers annehmen wollte, so ist darauf hinzuweisen, dass die in § 4 Abs. 1 Satz 1, 2 und Abs. 1a der Niedersächsischen Corona-Verordnung geregelte Maskenpflicht von dem Verordnungsgeber offensichtlich nicht allein von der Inzidenz bei den Neuinfektionen abhängig gemacht wurde. Vielmehr hat er in der Begründung zur Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 23. Februar 2022 das Infektionsgeschehen in Niedersachsen im Hinblick auf die Inzidenz bei der Intensivbettenbelegung, die Hospitalisierungsinzidenz, die Inzidenz bei den Neuinfektionen sowie im Hinblick auf die Impfquote beleuchtet und die zu diesem Zeitpunkt aktuellen Kennzahlen seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Dies entspricht den Vorgaben des nach § 28a Abs. 7 Satz 3 IfSG anzuwendenden § 28a Abs. 3 Satz 4 bis 5 IfSG. Dass der Verordnungsgeber dabei nicht - wie zuvor - auf Schwellenwerte in Form der Warnstufensystematik abstellt, ist unschädlich. Denn insoweit räumt § 28a Abs. 3 Satz 6 IfSG ihm ein Ermessen ein (vgl. Senatsbeschl. v. 11.3.2022 - 14 MN 171/22 -, juris Rn. 30).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat ist der Auffassung, dass in Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in der Hauptsache grundsätzlich der doppelte Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen ist (vgl. Senatsbeschl. v. 21.2.2022 - 14 MN 154/22 -, juris Rn. 55; vgl. auch bereits NdsOVG, Beschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf vorläufige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).