Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.02.2022, Az.: 14 MN 139/22

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.02.2022
Aktenzeichen
14 MN 139/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59496
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag,

§§ 2 Abs. 2, 3 Abs. 5 Satz 1, 3a, 7a Abs. 1 Satz 1, 8b Abs. 2 der Niedersächsischen Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 23. November 2021 (Nds. GVBl. S. 770), zuletzt geändert durch Änderungsverordnung vom 1. Februar 2022 (online eilverkündet unter www.niedersachsen.de/verkuendung), im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen,

hat keinen Erfolg.

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Der Antrag ist nur teilweise zulässig.

a) Er ist unzulässig, soweit der Antragsteller begehrt, §§ 2 Abs. 2, 3a und 8b Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen. Dem Antragsteller fehlt insoweit die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Antrag eine natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne dieser Bestimmung sind die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei der Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005 - BVerwG 6 BN 1.05 -, juris Rn. 3 ff., insbes. 7; Urt. v. 26.2.1999 - BVerwG 4 CN 6.98 -, juris Rn. 9). Ausreichend, aber auch erforderlich ist es daher, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in seinen subjektiven Rechten verletzt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1998 - BVerwG 4 CN 2.98 -, juris Rn. 8; Nds. OVG, Beschl. v. 29.7.2020 - 13 MN 280/20 -, juris Rn. 9). Ein Antragsteller ist nur antragsbefugt, soweit sich sein Antrag gegen Verordnungsregelungen richtet, die ge- oder verbietend an ihn adressiert sind, die zu ihn betreffenden belastenden Verwaltungs- oder Realakten ermächtigen oder die sonst wie eine ihn belastende Wirkung entfalten können (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 23.12.2020 - 13 MN 506/20 -, juris Rn. 21).

Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich der §§ 2 Abs. 2, 3a und 8b Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht vor.

§§ 2 Abs. 2 und 3a der Niedersächsischen Corona-Verordnung bestimmen lediglich abstrakt, nach welchen Maßgaben die zuständigen Behörden eine Warnstufe festzustellen haben, enthalten aber selbst keine Regelungen, die ge- oder verbietend an den Antragsteller adressiert sind oder sonst eine diesen unmittelbar belastende Wirkung haben (vgl. dazu auch Senatsbeschl. v. 27.1.2022 - 14 MN 133/22 -, juris Rn. 5; Nds. OVG, Beschl. v. 7.9.2021 - 13 MN 378/21 -, juris Rn. 11 m.w.N.).

Hinzu kommt - und das gilt auch für die Regelung des § 8b Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung -, dass die angegriffenen Regelungen den Antragsteller weder gegenwärtig noch in absehbarer Zeit betreffen (vgl. zu diesem Maßstab Nds. OVG, Beschl. v. 10.12.2021 - 13 MN 462/21 -, juris Rn. 26), da gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung jedenfalls noch bis zum 23. Februar 2022 die Warnstufe 3 landesweit für das C. festgestellt ist. Angesichts des aktuellen Infektionsgeschehens ist auch nicht absehbar, wann die angegriffenen Vorschriften wieder Anwendung finden.

b) Der Antrag ist hingegen zulässig, soweit er sich gegen § 3 Abs. 5 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (Feststellung der landesweiten Warnstufe 3 bis zum Ablauf des 23. Februar 2022) und § 7a Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (Kontaktbeschränkung für Personen, die weder über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV noch über einen Genesenennachweis gemäß § 2
Nr. 5 SchAusnahmV verfügen) richtet.

Insoweit ist der Antragsteller antragsbefugt. Er kann als nicht geimpfte und nicht genesene Person geltend machen, in seinem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und in seinem dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG korrespondierenden Grundrecht verletzt zu sein. Die Auffassung des Antragsgegners, dass die Regelung des § 7a Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung derzeit nicht zur Anwendung kommt, sondern nur bei Geltung der Warnstufen 0 und 1 eingreift, trifft ersichtlich nicht zu. Sie gilt gerade auch bei der derzeit festgestellten Warnstufe 3.

Der Normenkontrolleilantrag erfüllt bezogen auf die §§ 3 Abs. 5 Satz 1 und 7a Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen.

2. Der insoweit zulässige Antrag ist jedoch unbegründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. „Doppelhypothese“ die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Diese Voraussetzungen einer vorläufigen Außervollzugsetzung sind nicht erfüllt. Der in der Hauptsache noch zu stellende Normenkontrollantrag des Antragstellers bliebe voraussichtlich mangels Begründetheit ohne Erfolg.Nach der derzeit nur gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass sich die angegriffenen Bestimmungen als rechtmäßig erweisen. Im Übrigen überwiegen die Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnungsregelungen bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe nicht.

a) Die durch § 3 Abs. 5 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (in Gestalt der Änderungsverordnung vom 1. Februar 2022) für den Zeitraum bis einschließlich zum 23. Februar 2022 geregelte Verlängerung der sogenannten Winterruhe wird sich in einem Hauptsachverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen.

aa) Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf den Beschluss des bis zum 31. Dezember 2021 für das Infektionsschutzrecht zuständigen 13. Senats des beschließenden Gerichts vom 21. Dezember 2021 (- 13 MN 478/21 -, juris) sowie die Senatsbeschlüsse vom 10. Januar 2022 (- 14 MN 79/22 -) und vom 24. Januar 2022 (- 14 MN 129/22 -, beide in juris). In dem letztgenannten Beschluss hat der Senat entschieden, dass sich (auch) die zweite Verlängerung der sogenannten Winterruhe sowohl als notwendig im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG und an den Vorgaben des § 28a IfSG ausgerichtet als auch als verhältnismäßig darstellt. An den dortigen Erwägungen hält der Senat fest.

bb) Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der Erwägungen des Verordnungsgebers in der Begründung der Änderungsverordnung vom 1. Februar 2022 wird sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich auch die Verlängerung der sogenannten Winterruhe bis zum Ablauf des 23. Februar 2022 als rechtmäßig erweisen.

(1) Der Verordnungsgeber hat zur Begründung für die Verlängerung der Winterruhe unter Bezugnahme auf die Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) und des Expertenrats der Bundesregierung maßgeblich darauf abgestellt, dass sich das C. wie auch die gesamte Bundesrepublik Deutschland inmitten der fünften Infektionswelle befinde. Am 27. Januar 2022 habe das RKI bestätigt, dass der Anteil der gemäß IfSG gemeldeten Infektionen, welche durch die Omikron-Variante verursacht würden, in der dritten Kalenderwoche 2022 bei 96,1 Prozent der übermittelten COVID-19-Fälle gelegen habe. Es sei ein weiterer Anstieg der Infektionszahlen zu erwarten, und es könnten in der Spitze 7-Tages-Inzidenzen von mehreren Tausend regional erreicht werden. Das Ausmaß der Krankenhausbelastung werde entscheidend von den Inzidenzen in der Gruppe der ungeimpften Erwachsenen und der über 50-Jährigen abhängen. Das RKI prognostiziere für Mitte bis Ende Februar den Höhepunkt der Omikron-Welle. Die stark steigenden Infektionszahlen würden sich zunehmend auf die Kliniken und damit auf die Indikatoren „Hospitalisierung und Intensivbetten" auswirken. Es sei mit einem Anstieg der Anzahl der Corona-Patienten zu rechnen, auch unter der Berücksichtigung, dass eine niedrigere Hospitalisierungsrate bei der Omikron-Variante als bei der Delta-Variante erwartet werde. Vor diesem Hintergrund sei eine Fortgeltung der durch die Niedersächsische Corona-Verordnung definierten kontaktreduzierenden Maßnahmen weiterhin notwendig und erforderlich.Bekräftigt werde ein Festhalten an den Grundsätzen und dem Maßnahmenkatalog der bestehenden Verordnung auch durch Punkt 1 des Beschlusses der Videoschaltkonferenz des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 27. Januar 2022. Hier sei beschlossen worden, dass die bisherigen Maßnahmen und bisher geltenden Regeln grundsätzlich fortgelten und weiterhin Bestand haben sollten.

Zur Regelung des § 3 Abs. 5 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung hat der Verordnungsgeber außerdem u.a. ausgeführt: „Die Hospitalisierungsinzidenz, als Leitindikator gemäß § 28 a Abs. 3 IfSG, steigt ebenfalls mit kontinuierlicher Tendenz schnell und besorgniserregend an: Lag der Hospitalisierungswert zum Zeitpunkt der Änderungsverordnung vom 14. Januar 2022 noch bei 4,7, so stellt er sich zehn Tage später (Stand: 24.01.2022) bereits mit einem Wert von 6,6 dar. Mit Datum vom 27. Januar 2022 beträgt der Hospitalisierungswert 7,4, mit Datum vom 31. Januar 2022 bereits 8,4. Hieran zeigt sich die enorme Infektiosität der Omikronvariante und auch, dass diese weiterhin zu schweren Verläufen führt. Es ist davon auszugehen, dass die Steigerungsrate dieses Leitindikators, aber auch der anderen Indikatoren (Inzidenz und Intensivbetten) weiterhin exponentiell in die Höhe schnellen werden. Es ist auch davon auszugehen, dass sich die Steigerung des Hospitalisierungswertes infolge der weiter stark zunehmenden Infektionszahlen weiter fortsetzt und in wenigen Tagen den Grenzwert der Warnstufe 3 überschreiten wird. Die starke Steigerung des Hospitalisierungswertes in den letzten Tagen hat gezeigt, dass auf eine starke Steigerung der Anzahl der Neuinfizierten auch weiterhin eine Steigerung der Hospitalisierung folgt. Noch deutlicher zeigt sich diese Tendenz bei den Belegungen der Intensivstationen: Seitdem die Omikronvariante immer mehr die Deltavariante verdrängte, sanken zunächst die Zahlen bei der Belegung der Intensivbetten. Lag der Wert am 14. Januar 2022 noch bei 6,3 Prozent, fiel er zunächst deutlich und lag erstmals am 24. Januar 2022 wieder leicht höher als am Vortag: 4,7 Prozent der Intensivbetten waren mit COVID-19-Patienten belegt, dieser Wert wurde zuvor letztmals am 30. Oktober 2021 bestimmt. Damals lag die 7-Tages-Inzidenz aber bei gerade mal 75,4. Mit Stand 27. Januar 2022, also nur drei Tage später, liegt der Wert bereits bei 5,4 Prozent. Die Aufnahme auf eine Intensivstation aufgrund einer COVID-19-Infektion erfolgt in der Regel erst mehrere Wochen nach der Infektion. Die niedrigen Belegungszahlen Anfang Januar spiegeln also die Folgen des Infektionsgeschehens Anfang Dezember wieder. Die Folgen des heutigen Infektionsgeschehen werden erst in mehreren Wochen auf den Intensivstationen sichtbar sein. Bereits jetzt ist daher nicht mehr zu verhindern, dass der zurückliegende explosionsartige Anstieg der Infektionszahlen der letzten Tage und Wochen mit einem Versatz von zwei bis drei Wochen sich in eine weiter steigende Belegung der Krankenhaus- und Intensivbetten niederschlagen wird. Auch der Expert:innenrat der Bundesregierung zu COVID-19 rät in seiner dritten Stellungnahme vom 22. Januar 2022, sich von der derzeit niedrigen Hospitalisierungsrate nicht täuschen zu lassen. Nach Einschätzung der Expert:innen müsste die Hospitalisierungsrate bei Omikron um etwa Faktor 10 niedriger liegen als im vergangenen Winter, um die erwartet hohe Fallzahl zu kompensieren.“

Diese Einschätzung des Verordnungsgebers findet Bestätigung in den von ihm zitierten Quellen. Hervorzuheben sind insbesondere die Ausführungen des Expertenrats der Bundesregierung in seiner Stellungnahme vom 22. Januar 2022: „Das Ausmaß der Krankenhausbelastung wird entscheidend von den Inzidenzen in der Gruppe der ungeimpften Erwachsenen und der über 50-Jährigen abhängen. Hier sind die Inzidenzen derzeit noch vergleichsweise niedrig, jedoch wurden in der Vergangenheit die Infektionen aus anderen Teilen der Bevölkerung in die Gruppe der Älteren eingetragen. Zudem besteht auch bei den über 50-Jährigen weiterhin eine zu große Impflücke. Die genauen Hospitalisierungsraten oder die Intensivpflichtigkeit bei Infektionen mit der Omikron-Variante sind in diesen Gruppen noch nicht bekannt. Die Hospitalisierungsrate wird niedriger als bei der Delta-Variante erwartet, müsste aber eine ganze Größenordnung (etwa Faktor 10) niedriger liegen als im vergangenen Winter, um die erwartete hohe Fallzahl zu kompensieren und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Von einer derart starken Reduktion der Hospitalisierungsrate ist auf der Basis der aktuell verfügbaren Daten trotz Impfungen nicht auszugehen. Entsprechend sind bei weiter steigenden Inzidenzen sehr viele Krankenhausaufnahmen zu erwarten.“

Vor diesem Hintergrund hat - bei kontinuierlich steigenden Infektionszahlen - auch bei Erlass der angegriffenen Regelung weiterhin ein sachlich begründetes Interesse daran bestanden, die Zahl der noch zu erwartenden Omikron-Infektionen auf einem möglichst niedrigen Niveau zu halten, um einer Überlastung der Gesundheitsversorgungsstrukturen und anderer kritischer Versorgungsstrukturen entgegenzuwirken. Wie aus der oben zitierten Begründung der Änderungsverordnung ersichtlich, hat der Verordnungsgeber die Auswirkungen der Omikron-Welle auf die Krankenhausaufnahmen („Hospitalisierungsinzidenz“) und auf die Belegung der Intensivbetten in seine Entscheidung für eine Verlängerung der Winterruhe maßgeblich und für den Senat nachvollziehbar einbezogen.

(2) Auch seit dem Erlass der angegriffenen Regelung nimmt die Zahl der Infektionen mit der Omikron-Variante weiter deutlich zu. Die 7-Tage-Inzidenz für Niedersachsen betrug bei Erlass der angegriffenen Regelung 949,9 und am 9. Februar 2022 bereits 1180,2. Die Landes-Inzidenz Hospitalisierung hat am 4. Februar erstmals die Marke von 9,0 überschritten und lag bei 9,3, was der Warnstufe 3 entspricht (vgl. zum Ganzen: https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/niedersachsen-und-corona-aktuelle-leitindikatoren-203487.html). Am 9. Februar lag sie bereits bei 11,4. Das RKI schätzt die Gefährdung durch COVID-19 für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland daher auch weiterhin insgesamt als sehr hoch ein; die 7-Tage-Inzidenz der hospitalisierten Fälle bundesweit lag am 3. Februar 2022 bei 5,45 Fällen pro 100.000 EW (vgl. Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 3. Februar 2022 unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-02-03.pdf?__blob=publicationFile) und am 8. Februar 2022 bei 5,6 (vgl. Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 8. Februar 2022 unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2022/2022-02-04-de.pdf?__blob=publicationFile).

(3) Das Vorbringen des Antragstellers rechtfertigt keine andere Beurteilung. Insbesondere stellen die von ihm geltend gemachten Unschärfen in der Erfassung der Covid-Hospitalisierungen - keine Differenzierung, ob die Aufnahme „mit“ oder „wegen“ Covid-19 erfolgt - die oben zitierten Einschätzungen des RKI und des Expertenrats der Bundesregierung sowie das Abstellen auf den Leitindikator der Hospitalisierung jedenfalls derzeit nicht durchgreifend in Frage. Der Antragsgegner hat zum einen nachvollziehbar dargelegt, dass bei einer Hospitalisierung eines Covid-Patienten immer ein erhöhter Aufwand und Einsatz des Krankenhauspersonals in Ansatz zu bringen ist; schon deshalb kommt auch die Aufnahme von Patienten „mit“ Covid-19 eine maßgebliche Bedeutung für die Prognose einer zu erwartenden Überlastung des Gesundheitswesens zu. Zum anderen hat der Antragsgegner hervorgehoben, dass die Erfassung der Hospitalisierung in Niedersachsen über das sogenannte IVENA-System erfolge und die Krankenhäuser bei diesen Meldungen gehalten seien, nur die Fälle zu melden, in denen Covid-19 auch der ursächliche Grund für die Krankenhausaufnahme ist.

b) Die außerdem begehrte Außervollzugsetzung des § 7a Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Regelung in ihrer derzeit geltenden Fassung würde sich in einem Hauptsachverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen. Bei dieser Prüfung ist davon auszugehen, dass aufgrund der derzeitigen Ausgestaltung der Niedersächsischen Corona-Verordnung der Geltungsanspruch des § 7a Abs. 1 Satz 1 dieser Verordnung auf die Warnstufe 3 beschränkt ist (dazu unter aa). Die insoweit angeordnete Kontaktbeschränkung dürfte voraussichtlich nicht zu beanstanden sein (bb). Darüber hinaus überwiegen die Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnungsregelungen bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe nicht (cc).

aa) § 7a Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung lautet:

Gilt mindestens die Warnstufe 1 in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt, so ist die private Zusammenkunft einer Person, die weder über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV noch über einen Genesenennachweis gemäß § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügt, mit anderen Personen auf die Personen ihres Haushalts und zwei Personen aus einem weiteren Haushalt beschränkt, wobei Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres nicht einzurechnen sind und nicht zusammenlebende Paare als ein Haushalt gelten.

Der Geltungsbereich dieser Vorschrift bestimmt sich indessen nicht allein nach ihrem Wortlaut. Er wird maßgeblich durch § 3 Abs. 5 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung festgelegt. In dieser Vorschrift hat der niedersächsische Verordnungsgeber angeordnet, dass für den Zeitraum vom 24. Dezember 2021 bis zum Ablauf des 23. Februar 2022 die Warnstufe 3 landesweit für das C. festgestellt wird. Der 13. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat mit Beschluss vom 21. Dezember 2021 (- 13 ME 478/21 -, juris Rn. 31 ff.) entschieden, dass darin - für den Zeitraum der gesonderten Feststellung der Warnstufe 3 - eine Abkehr vom Warnstufensystem der §§ 2 und 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung liege und der niedersächsische Verordnungsgeber berechtigt sei, seine eigene Verordnung abzuändern oder zu ergänzen. In Fortführung dieser Rechtsprechung geht der beschließende 14. Senat davon aus, dass nach der derzeitigen Rechtslage durch § 7a Abs. 1 Satz 1 die Warnstufen 1 und 2 nicht geregelt werden, sondern der Geltungsanspruch der Norm von vorneherein nur auf die Warnstufe 3 gerichtet ist. Angesichts dessen ist die Überprüfung durch den Senat auf die Warnstufe 3 beschränkt.

bb) Die insoweit in § 7a Abs. 1 Satz 1 angeordnete Kontaktbeschränkung dürfte nach summarischer Prüfung eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG und verhältnismäßig sein.

(1) Das gilt zunächst im Hinblick auf den in § 7a Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung genannten Adressatenkreis(Personen, die nicht über einen Impfnachweis gemäß § 2 Nr. 3 SchAusnahmV oder einen Genesenennachweis nach § 2 Nr. 5 SchAusnahmV verfügen). Es gibt nach wie vor erhebliche Hinweise darauf, dass zwischen Ungeimpften und Nicht-Genesenen einerseits und Geimpften und Genesenen andererseits deutliche Unterschiede bestehen im Hinblick auf das Risiko, sowohl sich selbst mit dem SARS-CoV-2-Virus zu infizieren und daran mit schwerem Verlauf zu erkranken als auch das Virus weiter zu verbreiten und dadurch unmittelbar oder mittelbar zur Überlastung des Gesundheitssystems beizutragen (vgl. etwa Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 3. Februar 2022, abzurufen unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/COVID-19-Trends/COVID-19-Trends.html?__blob=publicationFile#/home, sowie RKI, Risikobewertung zu COVID-19, Stand: 14. Januar 2022, abrufbar unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html; in diesem Sinne auch BayVerfGH, Entsch. v. 28.1.2022 - Vf. 65-VII-21 -, juris Rn. 31).

(2) Auch Art und Umfang der vom Antragsgegner konkret gewählten Schutzmaßnahme sind voraussichtlich nicht ermessensfehlerhaft. Eine erhebliche Reduzierung der sozialen Kontakte Ungeimpfter und Ungenesener ist angesichts der hohen Infektiosität der Omikron-Variante und des zuvor beschriebenen besonderen Gefährdungspotentials dieser Personengruppe geeignet und erforderlich, um die Verbreitung des Virus in der Bevölkerung zu verlangsamen. Ausbruchsgeschehen finden sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum statt. Besonders in geschlossenen privaten Räumlichkeiten stattfindende direkte und längere Kontakte bergen ein hohes Infektionsrisiko (vgl. dazu auch BVerfG, Beschl. v. 19.11. 2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 208). Mildere, aber in ihrer Wirkung gleich effektive Mittel drängen sich dem Senat nicht auf. Insbesondere ist eine vorhergehende Test- oder Quarantänepflicht voraussichtlich nicht als milderes Mittel anzusehen. Gleiches gilt für die Verpflichtung zum Tragen einer FFP-2-Maske. Die Einhaltung derartiger Pflichten ist schon nicht in gleicher Weise überprüfbar (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 23.12.2020 - 13 MN 569/20 -, juris Rn. 25).

Die Beschränkung der Kontakte auf die Personen des eigenen Haushalts und zwei Personen aus einem weiteren Haushalt, die zu einem Eingriff in deren Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und allgemeine Handlungsfreiheit) und gegebenenfalls auch zu einem Eingriff in Art. 6 Abs. 1 GG (Ehe- und Familienleben) führt (vgl. bereits Nds. OVG, Beschl. v. 23.12.2020 - 13 MN 569/20 -, juris Rn. 31), erweist sich angesichts des gegenwärtigen Infektionsgeschehens voraussichtlich auch als noch angemessen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nicht geimpfte oder genesene Personen innerhalb des eigenen Hausstands ohne Personenbegrenzung zusammenkommen können und über den eigenen Hausstand hinaus zwei Personen aus einem weiteren Hausstand hinzukommen dürfen, wobei Kinder bis einschließlich 14 Jahren nicht mitzählen und nicht zusammenlebende Paare als ein Haushalt gelten. § 7 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung enthält weitere Ausnahmen. Die Normadressaten sind auch nicht gehindert, sich mit jeder beliebigen Person ohne Einhaltung von Infektionsschutzmaßnahmen individuell privat zu treffen. Als Alternativen für die Zusammenkunft vieler Personen stehen die jederzeit möglichen Kontaktaufnahmen über Fernkommunikation zur Verfügung. Besteht in einer Person ein dringender besonderer Anlass, eine größere Anzahl an haushaltsfremden Personen zu treffen, so kann dies jedenfalls nacheinander erfolgen (vgl. bereits Nds. OVG, Beschl. v. 23.12.2020 - 13 MN 569/20 -, juris Rn. 36).

Der so verstandene Eingriff ist angesichts der Bedeutung der Kontaktbeschränkung für Ungeimpfte und Nicht-Genesene als essentieller Grundbaustein bevölkerungsbezogener antiepidemischer Maßnahmen zur Verhinderung der Corona-Pandemie gerechtfertigt. Mit der Anzahl der Hausstände bzw. Personen, die sich gleichzeitig treffen dürfen, steigen die Verbreitungsmöglichkeiten des Virus erheblich an. Mit jeder Ansteckung droht angesichts der gegenwärtigen erheblichen Gefahrenlage das Risiko eines Eintrags der Infektion in das jeweilige soziale Umfeld des Betroffenen, was wiederum eine Vielzahl neuer Infektionsketten zur Folge haben kann (vgl. zu vergleichbaren Kontaktbeschränkungen auch BayVerfGH, Entsch. v. 7.12.2021 - Vf. 60-VII-21 -, juris Rn. 28, u. v. 28.1.2022 - Vf. 65-VII-21 -, juris Rn. 32; OVG NRW, Beschl. v. 23.12.2021 - 13 B 1901/21.NE -, juris Rn. 190 ff.).

cc) Ohne eine vorläufige Außervollzugsetzung drohen dem Antragsteller schließlich auch keine derart gewichtigen Nachteile, dass diese die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe überwiegen könnten. Dabei erlangen die erörterten Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gestellten oder zu stellenden Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Normenkontrolleilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag in der Hauptsache noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn die angegriffene Norm erhebliche Grundrechtseingriffe bewirkt, sodass sich das Normenkontrolleilverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweist (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 -, juris Rn. 31).

Schon danach wiegt das Interesse des Antragstellers an einer einstweiligen Außervollzugsetzung der Verordnung für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens nicht schwer. Dieses Gewicht signifikant erhöhende wesentliche oder schwerwiegende Nachteile durch den weiteren Normvollzug ergeben sich aus dem Vorbringen des Antragstellers nicht. Demgegenüber sind die Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte und Nicht-Genesene wesentliche Elemente eines vom Verordnungsgeber verfolgten Gesamtkonzepts, dessen Wirksamkeit bei einer Außervollzugsetzung des § 7a Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angesichts der derzeitigen Dynamik des Infektionsgeschehens voraussichtlich erheblich beeinträchtigt würden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat teilt die Auffassung des 13. Senats des beschließenden Gerichts, nach dessen ständiger Rechtsprechung in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich der doppelte Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 31.1.2019
- 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).