Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.06.2022, Az.: 14 MN 259/22

FFP-2; Maske; Maskenpflicht; ÖPNV

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.06.2022
Aktenzeichen
14 MN 259/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59571
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Bei der in § 12 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln des Personennahverkehrs handelt es sich voraussichtlich um eine in § 28a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 IfSG ausdrücklich vorgesehene zulässige besondere niederschwellige Schutzmaßnahme zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19.

2. § 12 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ist rechtskonform dahin auslegen, dass die Maske für den eng begrenzten Zeitraum einer notwendigen Aufnahme von Speisen und Getränken abgenommen werden darf.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I. Der Antrag,

§ 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Verordnung über Schutzmaßnahmen gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 und dessen Varianten vom 1. April 2022, zuletzt geändert durch Verordnung vom 24. Mai 2022 (online eilverkündet am 1. April bzw. 24. Mai 2022 unter www.niedersachsen.de/verkuendung; im Folgenden: Niedersächsische Corona-Verordnung), vorläufig außer Vollzug zu setzen,

hat keinen Erfolg.

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des jeweiligen Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. „Doppelhypothese“ die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG RP, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); SächsOVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); NdsOVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N).

Diese Voraussetzungen einer vorläufigen Außervollzugsetzung sind nicht erfüllt. Der in der Hauptsache noch zu stellende Normenkontrollantrag des Antragstellers bliebe voraussichtlich mangels Begründetheit ohne Erfolg.Nach der derzeit nur gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass sich die angegriffene Bestimmung als rechtmäßig erweist (1.). Im Übrigen überwiegen die Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnungsregelungen bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe nicht (2.).

1. Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung haben Personen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr, die Verkehrsmittel des Personennahverkehrs nutzen, sowie Kontroll- und Servicepersonal und Fahr- und Steuerpersonal, soweit tätigkeitsbedingt physische Kontakte zu anderen Personen bestehen, nach § 2 eine medizinische Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Abweichend von § 2 Abs. 1 haben nach Satz 2 dieser Vorschrift Personen zwischen dem vollendeten 6. Lebensjahr und dem vollendeten 14. Lebensjahr eine medizinische Maske und Personen ab dem vollendeten 14. Lebensjahr eine medizinische Maske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus zu tragen. Diese Regelung wird sich voraussichtlich als rechtmäßig erweisen.

Der Senat hat sich bereits in seinem Beschluss vom 13. April 2022 (- 14 MN 217/22 -, juris) mit der Vorgängerfassung des § 12 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung befasst und diese unbeanstandet gelassen. Auf die dortigen Ausführungen zu den rechtlichen Grundlagen, zur formellen Rechtmäßigkeit und zur Bestimmtheit der Norm wird verwiesen.

Weder die zwischenzeitliche Änderung des § 12 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (a) noch die Einwände des Antragstellers (b) begründen durchgreifende Bedenken an der Rechtmäßigkeit dieser Regelung.

a) In seiner ursprünglichen Fassung vom 1. April 2022 sah § 12 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung eine Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Maske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus für Personen ab dem vollendeten 14. Lebensjahr vor. Die jetzige Fassung, die für die Personengruppe zwischen dem vollendeten 6. Lebensjahr und dem vollendeten 14. Lebensjahr die Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Maske regelt, hat die Norm im Wege der Änderungsverordnung vom 28. April 2022 erhalten. Ziel war die Harmonisierung der Anforderungen an die Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Personennahverkehr an die entsprechenden Regelungen des Bundes im Personenfernverkehr in § 28 b Abs. 1 IfSG. Diese Änderung unterliegt - auch mit Blick auf die Vorgabe in § 28a Abs. 7 Satz 4 IfSG (Berücksichtigung der besonderen Belange von Kindern und Jugendlichen) - keinen rechtlichen Bedenken.

b) Der Antragsteller wiederholt zur Begründung seines Normenkontrolleilantrages in weiten Teilen die Einwände, die er bereits im Verfahren 14 MN 217/22 vorgebracht hat. Zusammengefasst macht er geltend, die Schutzmaßnahme sei nicht gerechtfertigt, weil angesichts der aktuellen Infektionslage keine Überlastung des Gesundheitssystems drohe. Im Vergleich zu dem Zeitpunkt der Entscheidung des Senats vom 13. April 2022 im Verfahren 14 MN 217/22 liege die 7-Tage-Inzidenz nunmehr bei nur noch 412,7 und falle stetig. Das Robert-Koch-Institut (RKI) habe seinerzeit die Gefährdungslage als „sehr hoch“ eingestuft; inzwischen stufe es sie nur noch als „hoch“ ein. Es sei daher eine signifikante Lageänderung festzustellen, die es nicht mehr erlaube, derartige Grundrechtseingriffe zu ermöglichen, schon gar nicht in Gestalt einer FFP2-Maskenpflicht. Die Schutzmaßnahme sei zudem - wie auch ein internationaler Vergleich zeige - weder geeignet noch erforderlich, um die Verbreitung des Corona-Virus zu verhindern. Zur Begründung könne in diesem Zusammenhang insbesondere nicht die vermehrte Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel des Personennahverkehrs wegen des 9-Euro-Tickets angeführt werden. Jedenfalls sei der Eingriff unangemessen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass keine Ausnahme von der Verpflichtung zum Tragen einer Maske vorgesehen sei, um beispielsweise Getränke zu sich zu nehmen. Eine solche Ausnahme sei aber angesichts der sommerlichen Temperaturen unabdingbar. Es sei auch bemerkenswert, dass der Antragsgegner nunmehr auch das verpflichtende Tragen einer Maske in Krankenhäusern und in Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen abschaffe, sprich in den Einrichtungen, in denen die vulnerabelste Personengruppe zu finden sei. Hier entschieden dann die Einrichtungen selbst über die Maskenpflicht. Offenbar sehe der Antragsgegner keine Veranlassung mehr, eine solche Pflicht vorzuschreiben.

Auch unter Berücksichtigung dieser Einwände stellt sich die in § 12 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung geregelte Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln des Personennahverkehrs als eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG und insbesondere als verhältnismäßig dar.

aa) Entgegen der Auffassung des Antragstellers darf die beanstandete Anordnung der Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln des Personennahverkehrs voraussichtlich nicht nur unter der Voraussetzung getroffen werden, dass aufgrund des jeweils aktuellen Infektionsgeschehens eine Überlastung des Gesundheitssystems konkret und unmittelbar droht.

Nach § 28a Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 b) IfSG kann die Verpflichtung zum Tragen einer Atemschutzmaske (FFP2 oder vergleichbar) oder einer medizinischen Gesichtsmaske (Mund-Nasen-Schutz) in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personennahverkehrs für Fahrgäste sowie das Kontroll- und Servicepersonal und das Fahr- und Steuerpersonal, soweit für dieses tätigkeitsbedingt physischer Kontakt zu anderen Personen besteht, unabhängig von einer durch den Deutschen Bundestag nach § 5 Absatz 1 Satz 1 festgestellten epidemischen Lage von nationaler Tragweite eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Absatz 1 Satz 1 und 2 sein, soweit sie zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist. Gemäß § 28a Abs. 7 Satz 3 IfSG gilt u.a. Absatz 3 der Norm entsprechend. § 28a Abs. 3 IfSG unterscheidet zwischen „Maßnahmen zum präventiven Infektionsschutz“ (Satz 2) und „weitergehenden Schutzmaßnahmen“ (Satz 3 ff.). Satz 2 bestimmt, dass zum „präventiven Infektionsschutz“ insbesondere die Schutzmaßnahmen nach Abs. 1 Nr. 1, 2, 2a, 4 und 17 ergriffen werden können. Der Gesetzgeber ging dabei davon aus, dass nach Satz 2 niederschwellige Schutzmaßnahmen ergriffen werden können (vgl. dazu auch Johann/Gabriel, in: Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, 11. Ed., § 28a Rn. 41), die sich (nur) an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit messen lassen müssen. Für im Vergleich dazu „weitergehende Schutzmaßnahmen“ hat der Gesetzgeber die besonderen Anforderungen der Sätze 3 ff. des § 28a IfSG normiert (vgl. hierzu VGH BW, Beschl. v. 25.1.2022 - 1 S 89/22 -, juris Rn. 29; OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 23.11.2021 - 11 S 103/21 -, juris Rn. 34; SächsOVG, Beschl. v. 15.10.2021 - 3 B 355/21 -, juris Rn. 34; BayVGH, Beschl. v. 28.10.2021 - 25 NE 21.2579 -, juris Rn. 33 f.; OVG NRW, Beschl. v. 24.9.2021 - 13 B 1534/21.NE -, juris Rn. 26).

Bei der in Rede stehenden Anordnung der Maskenpflicht in § 12 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung handelt es sich voraussichtlich um eine in § 28a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 IfSG ausdrücklich vorgesehene besondere niederschwellige Schutzmaßnahme zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19. Dabei versteht der Senat den in § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG verwendeten Begriff der Mund-Nasen-Bedeckung dahin, dass die zuständigen Behörden auch das Tragen von in ihrer Schutzwirkung über die Alltagsmasken hinausreichenden medizinischen Gesichtsmasken oder partikelfiltrierenden Halbmasken anordnen können (vgl. Johann/Gabriel, in: Eckart/Winkelmüller, BeckOK Infektionsschutzrecht, 11. Ed., § 28a Rn.11; Kießling, IfSG, 2. Auflage 2021, § 28a Rn. 34). Mit Blick auf das aktuelle Infektionsgeschehen unterliegt es schon im Ansatz keinen Bedenken, die Schutzmaßnahme unter dem Gesichtspunkt des präventiven Infektionsschutzes als grundsätzlich zulässig anzusehen. Bei Erlass der Regelung lag die 7-Tage-Inzidenz in Niedersachsen bei 412,7 und damit weiterhin über dem Bundesdurchschnitt von 307,2. Niedersachsen lag damit nur knapp unter der deutschlandweit höchsten 7-Tage-Inzidenz von 465,5 in Bremen. Auch derzeit kann keine Rede davon sein, dass das Infektionsgeschehen nicht mehr nennenswert wäre; die Inzidenz lag am 2. Juni 2022 bei 286,8 (Bundesdurchschnitt: 221,4). Der Antragsgegner verhält sich auch nicht widersprüchlich, indem er die Maskenpflicht in Krankenhäusern sowie Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen nicht mehr in der Niedersächsischen Corona-Verordnung anordnet, im öffentlichen Personennahverkehr aber aufrechterhält. Unabhängig davon, dass diese Einrichtungen und Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs nicht vergleichbar sind, wird in § 4 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung den Leitungen dieser Einrichtungen die Pflicht auferlegt, Regelungen nach § 2 über das Tragen einer medizinischen Maske in geschlossenen Räumen zu treffen. Die Maskenpflicht in diesen Einrichtungen ist daher nicht abgeschafft. Darüber hinaus gelten für das Betreten und Verweilen in diesen Einrichtungen die besonderen Vorgaben nach § 4 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung.

bb) Die in § 12 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung geregelte Maskenpflicht in Verkehrsmitteln des Personennahverkehrs ist grundsätzlich geeignet, die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern. Ausreichend ist, dass durch die Maßnahme die Erreichung der legitimen Ziele gefördert wird, im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit eines und einer jeden die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen und die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern. Das steht für den Senat bezogen auf die - von dem Antragsteller beanstandete - Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Maske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus in Verkehrsmitteln des Personennahverkehrs außer Frage (vgl. im Einzelnen Senatsbeschl. v. 13.4.2022 - 14 MN 217/22 -, juris Rn. 17).

cc) Der Verordnungsgeber darf die getroffene Regelung unter Berücksichtigung des ihm zukommenden Einschätzungsspielraums auch für erforderlich halten. Mildere Mittel drängen sich dem Senat nicht auf. Sie sind insbesondere nicht in den von dem Antragsteller genannten Alternativen des Tragens sogen. OP-Masken sowie des Eigenschutzes vulnerabler Personen zu sehen. Anders als der Antragsteller meint, geht es nicht lediglich darum, die Ansteckung vulnerabler Personen in öffentlichen Verkehrsmitteln des Personennahverkehrs zu verhindern, sondern - wie bereits dargelegt - nach wie vor um die Erreichung der zuvor genannten legitimen übergeordneten Ziele. Mit Blick auf diese Ziele stellen das Tragen sogen. OP-Masken, die das Übertragungsrisiko vergleichsweise weniger wirksam verhindern, und der Eigenschutz vulnerabler Personen jedenfalls - schon auf der Grundlage des Vorbringens des Antragstellers - keine gleich wirksamen Regelungsalternativen (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 202 ff.) dar. Gleiches gilt ersichtlich für die von dem Antragsteller benannte Maskenpflicht nur für solche Personen, die keinen Sitzplatz eingenommen haben.

dd) Mit seiner Argumentation stellt der Antragsteller auch die Angemessenheit der Schutzmaßnahme nicht durchgreifend in Frage. Bei der Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Maske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus handelt es sich um eine vergleichsweise geringe Einschränkung (so etwa auch für die Verpflichtung zum Tragen einer FFP2-Maske auf Veranstaltungen unter freiem Himmel BayVerfGH, Entsch. v. 7.12.2021 - Vf. 60-VII-21 -, juris Rn. 29). Soweit durch das Tragen einer solchen Atemschutzmaske konkrete und erhebliche körperliche Beeinträchtigungen entstehen, kann diesem Umstand dadurch begegnet werden, dass eine ärztliche Bescheinigung beigebracht wird, die eine Befreiung von der Maskenpflicht ermöglicht (vgl. § 2 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung). Dass der Antragsteller die Verpflichtung zum Tragen einer medizinischen Maske mindestens des Schutzniveaus FFP2, KN 95 oder eines gleichwertigen Schutzniveaus in Verkehrsmitteln des Personenverkehrs als lästig empfinden mag, stellt schon im Ansatz keine unangemessene Beeinträchtigung dar. Gleiches gilt für den von dem Antragsteller angeführten Umstand, dass die Maske „den Ausdruck der eigenen und das Empfangen von Mimik bei Dritten“ verhindert, zumal das auch für die von ihm als milderes Mittel favorisierten sogen. OP-Masken gilt. Es drängt sich auch nicht auf, inwieweit dies bei der Benutzung der hier in Rede stehenden Verkehrsmittel von Bedeutung sein soll.

Die in § 12 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vorgesehene Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln des Personennahverkehrs ist entgegen der Auffassung des Antragstellers schließlich nicht deshalb unangemessen, weil der Verordnungsgeber keine ausdrücklichen Ausnahmen für die Einnahme von Speisen und Getränken vorgesehen hat. Denn § 12 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung lässt sich rechtskonform dahin auslegen, dass die Maske für den eng begrenzten Zeitraum einer notwendigen Aufnahme von Speisen und Getränken abgenommen werden darf. Einer solchen Auslegung der Norm bedarf es, weil sie ansonsten unangemessen wäre.

Zwar ist dem Antragsgegner zuzugeben, dass von einer Notwendigkeit, Speisen und Getränke im öffentlichen Personennahverkehr zu sich zu nehmen, in aller Regel angesichts der üblicherweise geringen Verweildauer in ein und demselben Verkehrsmittel nicht auszugehen sein wird. Die meisten Fahrtstrecken sind kurz oder werden in verschiedenen Verkehrsmitteln im Wege von Umstiegen bewältigt. Einem Fahrgast ist es - auch bei sommerlichen Temperaturen - grundsätzlich durchaus zumutbar, für einen gewissen Zeitraum auf die Einnahme von Getränken und erst recht Speisen zu verzichten, zumal das Verweilen in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mit einer gesteigerten körperlichen Aktivität einhergeht. Der Antragsteller weist aber zu Recht darauf hin, dass innerhalb von Niedersachsen im öffentlichen Personennahverkehr längere Fahrtstrecken anfallen können, die auch nicht ohne Weiteres unterbrochen werden können. Ebenso mag es aus persönlichen Gründen oder aufgrund besonderer äußerer oder verkehrlicher Umstände Situationen geben, in denen ebenfalls die Aufnahme von Speisen oder Getränken notwendig ist. In diesen Fällen eine Speise- und Getränkeaufnahme auszuschließen und der Maskenpflicht gegenüber diesen notwendigen körperlichen Bedürfnissen den Vorrang einzuräumen, wäre aus Sicht des Senats unangemessen. Denn zum einen ist die Gefahr, Mitreisende zu infizieren, bei einer solchen kurzzeitigen Abnahme der Maske überschaubar, zum anderen ist in Rechnung zu stellen, dass es sich - bei einem derzeit beherrschbaren Infektionsgeschehen - wie oben dargelegt (nur noch) um eine Maßnahme des präventiven Infektionsschutzes handelt. Hiervon ausgehend vermag der Senat nicht zu erkennen, dass § 12 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung auch für diese eng begrenzten Ausnahmefälle uneingeschränkte Geltung beanspruchen will, zumal ein solches Verständnis nicht der seit Beginn der Pandemie gelebten Umsetzung der Maskenpflicht im öffentlichen Nah- und Fernverkehr - auch § 28b Abs. 1 IfSG enthält für Verkehrsmittel des Luftverkehrs und des öffentlichen Personenfernverkehrs keine ausdrückliche Ausnahmeregelung - entspräche.

Anders als in dem vom Antragsteller herangezogenen Verfahren 14 MN 171/22 (Maskenpflicht in Diskotheken) ist § 12 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung einer solchen rechtskonformen Auslegung zugänglich. Auch in dem Verfahren 14 MN 171/22 hatte der Senat die Möglichkeit einer rechtskonformen Auslegung der Regelung geprüft, sich dazu aus den in seinem Beschluss vom 11. März 2022 (veröffentlicht in juris) im Einzelnen dargelegten Gründen, die hier nicht vorliegen, aber nicht in der Lage gesehen.

2. Ohne eine vorläufige Außervollzugsetzung drohen dem Antragsteller schließlich auch keine derart gewichtigen Nachteile, dass diese die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe überwiegen könnten. Dabei erlangen die erörterten Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gestellten oder zu stellenden Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Normenkontrolleilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag in der Hauptsache noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn die angegriffene Norm erhebliche Grundrechtseingriffe bewirkt, sodass sich das Normenkontrolleilverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweist (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 -, juris Rn. 31). Schon danach wiegt das Interesse des Antragstellers an einer einstweiligen Außervollzugsetzung der Verordnung für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens nicht schwer. Dieses Gewicht signifikant erhöhende wesentliche oder schwerwiegende Nachteile durch den weiteren Normvollzug ergeben sich aus dem Vorbringen des Antragstellers - wie bereits aus den vorhergehenden Ausführungen ersichtlich - nicht.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG. Nach der Rechtsprechung des Senats ist in Normenkontrollverfahren nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in der Hauptsache grundsätzlich der doppelte Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 21.2.2022 - 14 MN 154/22 -, juris Rn. 55; vgl. auch bereits NdsOVG, Beschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).