Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.06.2020, Az.: 13 MN 192/20

Ansammlungsverbot; Corona; Kontaktbeschränkung; Normenkontrolleilantrag; Schutzmaßnahme, notwendige; Vertretungszwang; Zusammenkunft; öffentlicher Raum

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.06.2020
Aktenzeichen
13 MN 192/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 71711
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Es genügt dem Vertretungszwang des § 67 Abs. 4 VwGO nicht, wenn seitens des beauftragten Prozessbevollmächtigten pauschal und ohne erkennbare eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des vorgebrachten Streitstoffs auf Schreiben Bezug genommen wird, die die von ihm vertretenen Beteiligten oder ein Dritter verfasst haben.

2. "Zusammenkunft oder Ansammlung" von Personen im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97) ist jedes gezielte Zusammenkommen von Menschen an einem Ort um der kollektiven Ansammlung willen, nicht aber jede bloß zufällige gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Menschen.

3. § 28 Abs. 1 IfSG in der Fassung des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) bietet eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage dafür, auch Zusammenkünfte und Ansammlungen weniger einzelner Personen zu verbieten oder zu beschränken.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich im Normenkontrolleilverfahren gegen den weiteren Vollzug des grundsätzlichen Verbots von Zusammenkünften und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020.

Der Antragsteller lebt im niedersächsischen Landkreis Diepholz.

Am 8. Mai 2020 erließ das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung, handelnd durch die Ministerin, die (5.; vgl. zu den vorausgegangenen Verordnungen den Senatsbeschl. v. 14.5.2020 - 13 MN 165/20 -, juris Rn. 4 ff.) Niedersächsische Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, deren Artikel 1 die Niedersächsische Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus beinhaltet. Diese Verordnung wurde im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt vom 9. Mai 2020, S. 97 ff., verkündet und trat am 11. Mai 2020 in Kraft. Nach Änderungen durch die Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 130), vom 22. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 134) und vom 5. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 147) sieht die Niedersächsische Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus mit Wirkung vom 8. Juni 2020 unter anderem folgende Regelungen vor:

§ 1Verhaltensregeln, Schließung von Einrichtungen,
Durchführung von Veranstaltungen

(1) Jede Person hat physische Kontakte zu anderen Menschen, die nicht zu den Angehörigen des eigenen Hausstandes gehören, auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren. …

§ 2
Allgemeine Verhaltensregeln im öffentlichen Raum
(1) Physische Kontakte einer Person außerhalb der eigenen Wohnung sind nur erlaubt, wenn dabei die in den Absätzen 2 und 3 genannten Bedingungen eingehalten werden.
(2) 1In der Öffentlichkeit einschließlich des Öffentlichen Personenverkehrs und dessen Wartebereiche sowie der Wartebereiche im Flugverkehr hat jede Person soweit möglich einen Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen einzuhalten. 2Dies gilt nicht gegenüber solchen Personen, die dem Hausstand der pflichtigen Person oder einem weiteren Hausstand angehören. 3Verhaltensweisen in der Öffentlichkeit, die das Abstandsgebot nach Satz 1 gefährden, sind untersagt. 4Dies gilt insbesondere für Gruppenbildungen, Picknick oder Grillen im Freien. 5Für die körperliche und sportliche Betätigung im Freien gilt abweichend von Satz 1 ein Mindestabstand von 2 Metern.
(3) 1Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist vorbehaltlich des Satzes 2 jeder einzelnen Person gestattet. 2Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum sind auf höchstens zwei Personen beschränkt; hiervon ausgenommen sind Zusammenkünfte einer Person mit Angehörigen sowie mit Personen, die dem eigenen oder einem weiteren Hausstand angehören. 3Physische Kontakte und Ansammlungen von Personen an öffentlichen Orten sind zulässig, wenn diese im Zusammenhang mit der Betreuung und Versorgung von hilfebedürftigen Personen stehen, die in sozialen Hilfs- und Beratungseinrichtungen erbracht werden. 4Abweichend von Satz 2 dürfen zur körperlichen und sportlichen Betätigung im Freien Gruppen zusammenkommen, wenn diese durch eine Trainerin oder einen Trainer angeleitet werden und ein Abstand von mindestens 2 Metern jeder Person zu jeder anderen teilnehmenden Person, die nicht zum eigenen Hausstand gehört, eingehalten wird.
(4) 1Absatz 3 Satz 2 gilt nicht für Versammlungen unter freiem Himmel nach Artikel 8 des Grundgesetzes. 2Die Veranstalterin oder der Veranstalter der Versammlung hat durch geeignete Maßnahmen den Schutz vor Infektionen mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 sicherzustellen. 1Die zuständige Versammlungsbehörde kann zum Schutz vor Infektionen mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 die Versammlung auf der Grundlage des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes beschränken.

Der Antragsteller persönlich hat am 20. Mai 2020 bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht einen Normenkontrolleilantrag gestellt, mit dem er die einstweilige Außervollzugsetzung des § 2 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung begehrt. Die Regelung sei rechtswidrig. Es fehle bereits an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, da nicht alle von der Regelung Betroffenen Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider seien. Das aktuelle Infektionsgeschehen erfordere die Regelung nicht mehr. Die Zahl aktueller Infektionen sei jedenfalls ab Anfang April 2020 rückläufig und erhöhe sich auch angesichts bereits erfolgter Lockerungen und deutlich verstärkter Testungen nicht weiter. In Niedersachsen seien nur noch 1.180 Personen und im Landkreis Diepholz nur noch 15 Personen aktuell infiziert (Stand: 17.5.2020). Außerhalb geschlossener Räume sei die Infektionsgefahr nicht signifikant hoch. Der Verordnungsgeber selbst gehe davon aus, dass bei Einhaltung eines Abstands von 1,5 m eine Ansteckungsgefahr jedenfalls deutlich reduziert werde. Selbst bei einer Infektion bestehe nur ein geringes Risiko einer behandlungsbedürftigen Erkrankung. Das Sterberisiko für die Allgemeinbevölkerung im Schul- und Arbeitsalter gehe zumeist nicht über das einer Autofahrt zur Arbeit hinaus. Die WHO selbst habe 2019 wenig bis keine wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit von Maßnahmen des social distancing gefunden. In verschiedenen anderen Lebensbereichen verzichte der Verordnungsgeber dann auch auf das Ansammlungsverbot. Deshalb bestehe kein Grund mehr, an dem allgemeinen Verbot in § 2 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung festzuhalten. Angesichts des Infektionsgeschehens könne dieses Verbot jedenfalls angemessen reduziert werden, etwa auf Ansammlungen von mehr als zehn Personen. Die einstweilige Außervollzugsetzung der Regelung sei notwendig. Er und seine Frau hätten nun seit mehreren Wochen auf zahlreiche Kontakte, Fahrradtouren und Ausflüge im öffentlichen Raum verzichten müssen.

Am 29. Mai 2020 hat sich der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers legitimiert und sich das bisherige Vorbringen des Antragstellers zu eigen gemacht.

Der Antragsteller beantragt,

die einstweilige Außervollzugsetzung der Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 2 der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 anzuordnen, soweit dadurch die Zusammenkunft von Personen im öffentlichen Raum, die nicht in einem Haushalt leben, auf zwei Personen beschränkt ist.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er verteidigt die angefochtene Verordnungsregelung. Die Kontaktbeschränkung im öffentlichen Raum sei unverändert eine notwendige Schutzmaßnahme. Die Zahl der Infektionsfälle nehme weiter zu, und die Gefahr einer Ansteckung sei hoch. Auch wenn die Zahl täglicher Neuinfektionen aufgrund der ergriffenen staatlichen Maßnahmen sinke, sei das Infektionsgeschehen nicht beendet, wie aktuelle Ereignisse insbesondere in den Landkreises Göttingen, Leer und Cuxhaven sowie in der Region Hannover zeigten. Er - der Antragsgegner - nehme fortlaufend eine Neubewertung der Lage und der verordneten Maßnahmen vor, halte die Kontaktbeschränkung im öffentlichen Raum aber derzeit noch für unverzichtbar. Die hohe Infektiosität des Corona-Virus führe gerade bei persönlichen Kontakten zur einer signifikanten Ansteckungsgefahr. Die erhebliche Zahl von unerkannt Infizierten bedinge zudem ein mit der Zahl sozialer Kontakte deutlich steigendes Risiko. Der Einzelne könne dieses Risiko nicht kontrollieren. Die negativen sozialen Auswirkungen der Kontaktbeschränkung seien zwar nicht zu leugnen, müssten aber weiter hingenommen werden, zumal die Kontaktbeschränkung deutlich milder sei als eine generelle Ausgangssperre oder zeitlich begrenzte Ausgangsmöglichkeiten. Auch seien zahlreiche weitere Lockerungen betreffend wichtige wirtschaftliche und soziale Bereiche bereits veranlasst worden, deren Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen erst abgewartet werden müssten. Unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Verordnungsregelung könne der Antragsteller deren einstweilige Außervollzugsetzung schon deshalb nicht beanspruchen, weil die hierfür erforderlichen schweren Nachteile fehlten. Die Verordnungsregelung tangiere nur einen Teilbereich der persönlichen Lebensführung und des Freizeitverhaltens im öffentlichen Raum. Eine unangemessene Belastung des Antragstellers sei hiermit nicht verbunden. Er wolle "offensichtlich schlicht und einfach sein gewohntes gesellschaftliches Leben wieder aufnehmen, ohne dabei Rücksicht auf die nach wie vor bestehende Pandemie nehmen zu müssen. Der Wunsch nach unbeschränkten gesellschaftlichen Aktivitäten ist jedoch im Verhältnis zu der nach wie vor bestehenden Gefahrenlage deutlich geringer zu bewerten."

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der Normenkontrolleilantrag bleibt ohne Erfolg. Der Antrag ist unzulässig (1.) und auch unbegründet (2.).

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Der Normenkontrolleilantrag ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGOund § 75 NJG statthaft. Die Niedersächsische Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97), geändert durch die Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 130), vom 22. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 134) und vom 5. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 147), ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 16 ff.).

Der Antragsteller ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da er geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Das in § 2 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung bestimmte Verbot von Zusammenkünften und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen, ausgenommen Zusammenkünfte einer Person mit Angehörigen sowie mit Personen, die dem eigenen oder einem weiteren Hausstand angehören, ist auch an den Antragsteller adressiert und lässt es möglich erscheinen, dass er in seinem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt ist.

Der Antrag ist nach der amtswegig erfolgten Änderung des Passivrubrums gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 15.9.2017 (Nds. MBl. S. 1288), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 18.11.2019 (Nds. MBl. S. 1618)).

Der Antrag genügt aber nicht dem Vertretungserfordernis des § 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO. Für den Antragsteller hat sich zwar nachträglich ein Prozessbevollmächtigter legitimiert, der gemäß § 67 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1 VwGO zur Vertretung vor dem Oberverwaltungsgericht zugelassen ist. Es stellt aber eine unzulässige Umgehung des § 67 Abs. 4 VwGO dar, wenn seitens des bevollmächtigten Prozessbevollmächtigten pauschal auf Schreiben Bezug genommen wird, die die von ihm vertretenen Beteiligten oder ein Dritter verfasst haben. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Zweck des Vertretungszwangs nach § 67 Abs. 4 VwGO. Danach muss erkennbar sein, dass der Prozessbevollmächtigte sich die von ihm vorgetragenen oder vorgelegten Ausführungen seiner Mandanten zu eigen gemacht hat. Sein schriftsätzliches Vorbringen muss erkennen lassen, dass er selbst eine eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des vorgebrachten Streitstoffs vorgenommen hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.11.2019 - BVerwG 5 B 18.19 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 11.12.2012 - BVerwG 8 B 58.12 -, juris Rn. 16 jeweils m.w.N.). Die danach erforderliche eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des vom Antragsteller persönlich vorgebrachten Streitstoffs durch dessen Prozessbevollmächtigten lässt sich hier nicht erkennen. Dessen Schriftsatz vom 29. Mai 2020 wird damit eingeleitet, dass "nachfolgend der Eilantrag auf Normenkontrolle des Antragstellers nochmals mit nahezu wortidentischer Begründung vom Unterzeichner als Bevollmächtigter des Antragstellers nachgereicht" (Blatt 83 der Gerichtsakte) wird, und erschöpft sich hierin auf den folgenden vierzehn Seiten (vgl. einerseits Blatt 3 bis 17 und andererseits Blatt 84 bis 90 der Gerichtsakte). Auch andere Anhaltspunkte für eine eigenständige Durchdringung des Prozessstoffs durch den Prozessbevollmächtigten, etwa eine inhaltliche Reaktion auf den gerichtlichen Hinweis vom 27. Mai 2020 (Blatt 76 der Gerichtsakte) und eine Anpassung des persönlichen Vorbringens des Antragstellers zu den offensichtlich nicht einschlägigen Entscheidungen zur Quarantäne nach § 30 des Infektionsschutzgesetzes, fehlen.

2. Ungeachtet dessen erweist sich der Antrag aber auch als unbegründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze bleibt der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des § 2 Abs. 3 Satz 2 der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97), zuletzt geändert durch die Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 130), vom 22. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 134) und vom 5. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 147), ohne Erfolg.

Der Senat vermag den Erfolg eines in der Hauptsache noch zu stellenden Normenkontrollantrags derzeit nicht verlässlich abzuschätzen (a.). Die danach gebotene Folgenabwägung führt nicht dazu, dass die von dem Antragsteller geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe überwiegen (b.).

a. Die Erfolgsaussichten eines in der Hauptsache noch zu stellenden Normenkontrollantrags sind offen. Der Senat vermag derzeit nicht verlässlich abzuschätzen, ob ein zulässigerweise zu stellender Antrag (vgl. hierzu oben 1.) auch begründet sein wird, mithin das in § 2 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung bestimmte Verbot von Zusammenkünften und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen, ausgenommen Zusammenkünfte einer Person mit Angehörigen sowie mit Personen, die dem eigenen oder einem weiteren Hausstand angehören, für unwirksam zu erklären ist.

(1) Rechtsgrundlage für den Erlass der Verordnung ist § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG -) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), in der hier maßgeblichen zuletzt durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) mit Wirkung vom 28. März 2020 geänderten Fassung. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtsgrundlagen, insbesondere mit Blick auf die Bestimmtheit der getroffenen Regelungen und deren Vereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes, drängen sich dem Senat nicht auf (vgl. hierzu im Einzelnen: OVG Bremen, Beschl. v. 9.4.2020 - 1 B 97/20 -, juris Rn. 24 ff.; Hessischer VGH, Beschl. v. 7.4.2020 - 8 B 892/20.N -, juris Rn. 34 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.4.2020 - 13 B 398/20.NE -, juris Rn. 36 ff.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 -, juris Rn. 39 ff.; Beschl. v. 30.3.2020 - 20 CS 20.611 -, juris 17 f.).

(2) Nach der im Normenkontrolleilverfahren nur gebotenen summarischen Prüfung drängt sich eine formelle Rechtswidrigkeit der Verordnungsregelung nicht auf.

Anstelle der nach § 32 Satz 1 IfSG ermächtigten Landesregierung war aufgrund der nach § 32 Satz 2 IfSG gestatteten und durch § 3 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften (Subdelegationsverordnung) vom 9. Dezember 2011 (Nds. GVBl. S. 487), zuletzt geändert durch Verordnung vom 17. März 2017 (Nds. GVBl. S. 65), betätigten Subdelegation das Niedersächsische Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung zum Erlass der Verordnung zuständig.

Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 2 NV ist die Verordnung von der das Ministerium vertretenden Ministerin ausgefertigt und im Niedersächsischen Gesetz- und VerordnungsBlatt vom 8. Mai 2020, S. 97 f., verkündet worden.

§ 13 der Verordnung bestimmt, wie von Art. 45 Abs. 3 Satz 1 NV gefordert, den Tag des Inkrafttretens.

Auch dem Art. 43 Abs. 2 Satz 1 NV (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: BVerfG, Urt. v. 6.7.1999 - 2 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1 - juris Rn. 152 ff. (zu Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG); Steinbach, in: Epping/Butzer u.a., Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 43 Rn. 20 m.w.N.) dürfte die Verordnung genügen.

(3) Derzeit ist aber offen, ob das in § 2 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung bestimmte Verbot von Zusammenkünften und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen (noch) materiell rechtmäßig ist.

(a) Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit ergeben sich zwar nicht mit Blick auf die Bestimmtheit der Verordnungsregelung (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: VerfGH Berlin, Beschl. v. 20.5.2020 - 81 A/20 -, juris Rn. 18; Senatsbeschl. v. 29.4.2020 - 13 MN 120/20 -, juris Rn. 18 m.w.N.). Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung sind Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum auf höchstens zwei Personen beschränkt (Halbsatz 1); hiervon ausgenommen sind Zusammenkünfte einer Person mit Angehörigen (Halbsatz 2 Alt. 1) sowie mit Personen, die dem eigenen oder einem weiteren Hausstand angehören (Halbsatz 2 Alt. 2).

(aa) Die Begriffe "Zusammenkünfte und Ansammlungen" im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung werden vom Verordnungsgeber synonym verwendet. Hierfür sprechen die Gleichstellung der Begriffe in anderen Verordnungsregelungen (bspw. in § 1 Abs. 6 Satz 1 der Verordnung: "Veranstaltungen, Zusammenkünfte und ähnliche Ansammlungen") oder die Verwendung nur eines der Begriffe, ohne aber erkennbar eine Abgrenzung zu dem anderen Begriff vornehmen zu wollen (bspw. in § 2 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 der Verordnung: "hiervon ausgenommen sind Zusammenkünfte einer Person mit Angehörigen sowie mit Personen, die dem eigenen oder einem weiteren Hausstand angehören", in § 2d Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 der Verordnung: "Die Betreiberin oder der Betreiber einer Einrichtung nach Satz 1 ist darüber hinaus verpflichtet, Maßnahmen zur Steuerung des Zutritts, zur Vermeidung von Warteschlangen und zur Beachtung des Abstandsgebots bei Ansammlungen von Personen zu treffen; …" und in § 2o Satz 2 der Verordnung: "Die Betreiberin oder der Betreiber einer Einrichtung nach Satz 1 ist darüber hinaus verpflichtet, Maßnahmen zur Steuerung des Zutritts, zur Vermeidung von Warteschlangen und zur Beachtung des Abstandsgebots bei Ansammlungen von Personen zu treffen, insbesondere im Bereich der Umkleideeinrichtungen und Duschen."). Auch der Bundesgesetzgeber verwendet im Normtext des § 28 Abs. 1 IfSG nur den Begriff "Ansammlungen von Menschen", versteht hierunter aber "alle Zusammenkünfte von Menschen" (so Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 14/2530, S. 74 f.). "Zusammenkunft oder Ansammlung" von Personen im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung ist danach jedes gezielte Zusammenkommen von Menschen an einem Ort um der kollektiven Ansammlung willen, nicht aber jede bloß zufällige gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Menschen (so schon Senatsbeschl. v. 23.4.2020 - 13 MN 109/20 -, juris Rn. 55). Die "Zusammenkunft oder Ansammlung" im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung unterscheidet sich von einer "Versammlung" im Sinne des § 2 Abs. 4 der Verordnung dadurch, dass nur letztere eine auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtete Erörterung oder Kundgebung als Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.12.2010 - 1 BvR 1402/06 -, juris Rn. 19).

(bb) Derartige Zusammenkünfte und Ansammlungen werden nach § 2 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung nur für den "öffentlichen Raum" untersagt (vgl. bspw. weitergehend: § 3 Satz 1 der Fünften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung - 5. BayIfSMV - v. 29.5.2020: "Der Teilnehmerkreis einer Zusammenkunft in privat genutzten Räumen und auf privat genutzten Grundstücken darf nur die Angehörigen des eigenen Hausstands, Ehegatten, Lebenspartner, Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, Verwandte in gerader Linie, Geschwister sowie Angehörige eines weiteren Hausstands umfassen."). "Öffentlich" ist jeder Raum, der für die Öffentlichkeit frei zugänglich, für den also ein allgemeiner öffentlicher Verkehr eröffnet ist (vgl. im Einzelnen und mit zahlreichen Beispielen: BVerfG, Urt. v. 22.2.2011 - 1 BvR 699/06 -, BVerfGE 128, 226, 251 ff. - juris Rn. 66 ff.).

(cc) Die in Halbsatz 1 des § 2 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung bestimmte Höchstgrenze zulässiger Zusammenkünfte im öffentlichen Raum von zwei Personen wird durch Halbsatz 2 in zwei verschiedenen Fallgestaltungen aufgehoben, in denen Zusammenkünfte von Personen im öffentlichen Raum zahlenmäßig unbegrenzt gestattet (oder besser: nicht verboten) sind.

Dies sind nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 Alt. 1 der Verordnung zum einen "Zusammenkünfte einer Person mit Angehörigen". Da der Verordnungsgeber auf eine eigene Legaldefinition des "Angehörigen" verzichtet hat, kann zur Begriffsbestimmung auf andere gesetzliche Festlegungen zurückgegriffen werden. So sind beispielsweise nach § 15 Abs. 1 der Abgabenordnung Angehörige der Verlobte, der Ehegatte oder Lebenspartner, Verwandte und Verschwägerte gerader Linie, Geschwister, Kinder der Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner der Geschwister und Geschwister der Ehegatten oder Lebenspartner, Geschwister der Eltern und Personen, die durch ein auf längere Dauer angelegtes Pflegeverhältnis mit häuslicher Gemeinschaft wie Eltern und Kind miteinander verbunden sind (Pflegeeltern und Pflegekinder). Unerheblich ist nach dem insoweit klaren Wortlaut der Verordnung und der systematischen Abgrenzung zu § 2 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 Alt. 2 der Verordnung, ob der Angehörige dem Hausstand der weiteren Person angehört (vgl. die hiervon abweichende allgemeine "Verhaltensregel" in § 1 Abs. 1 der Verordnung: "Jede Person hat physische Kontakte zu anderen Menschen, die nicht zu den Angehörigen des eigenen Hausstandes gehören, auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren.").

Ausgenommen sind zum anderen aber nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 Alt. 2 der Verordnung auch "Zusammenkünfte einer Person … mit Personen, die dem eigenen oder einem weiteren Hausstand angehören". "Hausstand" im Sinne dieser Bestimmung ist der Ersthaushalt (Hauptwohnung), an dem sich eine Person - abgesehen von den Zeiten der Arbeitstätigkeit und ggf. Urlaubsfahrten - regelmäßig aufhält, den sie fortwährend nutzt und von dem aus sie ihr Privatleben führt, an dem sie also ihren Lebensmittelpunkt hat (vgl. BFH, Urt. v. 1.10.2019 - VIII R 29/16 -, juris Rn. 25). An welchem Ort in diesem Sinne ein "Hausstand" besteht und welche Personen diesem Hausstand angehören, ist anhand einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls festzustellen.

(b) Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der Verordnungsregelung ergeben sich auch nicht mit Blick auf das "Ob" eines staatlichen Handelns nach § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG.

Nach § 32 Satz 1 IfSG dürfen unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind erfüllt.

Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.

Es wurden zahlreiche Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider (vgl. die Begriffsbestimmungen in § 2 Nrn. 3 ff. IfSG) im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG festgestellt. Die weltweite Ausbreitung von COVID-19, die offizielle Bezeichnung der durch den neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (anfangs 2019-nCoV) als Krankheitserreger ausgelösten Erkrankung, wurde am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt. Weltweit sind derzeit mehr 7.100.000 Menschen mit dem Krankheitserreger infiziert und mehr als 407.000 Menschen im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben (vgl. WHO, Coronavirus disease (COVID-19) Pandemic, veröffentlicht unter: www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019, Stand: 10.6.2020). Derzeit sind im Bundesgebiet mehr als 184.000 Menschen infiziert und mehr als 8.700 Menschen im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben und in Niedersachsen mehr als 12.600 Menschen infiziert und mehr als 600 Menschen infolge der Erkrankung verstorben (vgl. Robert Koch Institut (RKI), COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html, Stand: 10.6.2020).

COVID-19 ist eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG. Die Erkrankung manifestiert sich als Infektion der Atemwege mit den Leitsymptomen Fieber, Husten und Halsschmerzen. Bei der deutlich überwiegenden Zahl der Patienten ist der Verlauf mild. 8 bis 10% der Patienten müssen hospitalisiert werden. Zur Aufnahme auf die Intensivstation führt im Regelfall Dyspnoe mit erhöhter Atemfrequenz (> 30/min), dabei steht eine Hypoxämie im Vordergrund. Mögliche Verlaufsformen sind die Entwicklung eines akuten Lungenversagens (Acute Respiratory Distress Syndrome - ARDS) sowie, bisher eher seltener, eine bakterielle Koinfektion mit septischem Schock. Weitere beschriebene Komplikationen sind zudem Rhythmusstörungen, eine myokardiale Schädigung sowie das Auftreten eines akuten Nierenversagens (vgl. zum Krankheitsbild im Einzelnen mit weiteren Nachweisen: Kluge/Janssens/Welte/Weber-Carstens/Marx/Karagiannidis, Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19, in: Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin v. 12.3.2020, veröffentlicht unter: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00063-020-00674-3.pdf, Stand: 30.3.2020). Obwohl schwere Verläufe auch bei Personen ohne Vorerkrankung auftreten und auch bei jüngeren Patienten beobachtet wurden, haben ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für einen schweren Verlauf ab etwa 50 bis 60 Jahren), Raucher (bei schwacher Evidenz), stark adipöse Menschen, Personen mit bestimmten Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (z.B. koronare Herzerkrankung und Bluthochdruck) und der Lunge (z.B. COPD) sowie Patienten mit chronischen Lebererkrankungen, mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), mit einer Krebserkrankung oder mit geschwächtem Immunsystem (z.B. aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht oder durch Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr schwächen, wie z.B. Cortison) ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe. Eine Impfung oder eine spezifische Medikation sind derzeit nicht verfügbar. Die Inkubationszeit beträgt im Mittel fünf bis sechs Tage bei einer Spannweite von einem bis zu 14 Tagen. Der Anteil der Infizierten, der auch tatsächlich erkrankt (Manifestationsindex), beträgt bis zu 86%. Die Erkrankung ist sehr infektiös, und zwar nach Schätzungen von etwa zwei Tagen vor Symptombeginn bis zum achten Tag nach Symptombeginn. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich im Wege der Tröpfcheninfektion. Untersuchungen weisen darauf hin, dass auch eine Übertragung über Aerosole auch im gesellschaftlichen Umgang möglich ist. Auch eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen kann nicht ausgeschlossen werden. Es ist zwar offen, wie viele Menschen sich insgesamt in Deutschland mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren werden. Schätzungen gehen aber von bis zu 70 % der Bevölkerung aus, es ist lediglich unklar, über welchen Zeitraum dies geschehen wird. Grundlage dieser Schätzungen ist die so genannte Basisreproduktionszahl von COVID-19. Sie beträgt ohne die Ergreifung von Maßnahmen 2,4 bis 3,3. Dieser Wert kann so interpretiert werden, dass bei einer Basisreproduktionszahl von etwa 3 ungefähr zwei Drittel aller Übertragungen verhindert werden müssen, um die Epidemie unter Kontrolle zu bringen (vgl. zu Vorstehendem im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888, Stand: 29.5.2020; Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2, veröffentlicht unter: www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html, Stand: 8.6.2020).

Auch wenn nach derzeitigen Erkenntnissen nur ein kleiner Teil der Erkrankungen schwer verläuft, könnte eine ungebremste Erkrankungswelle aufgrund der bisher fehlenden Immunität und nicht verfügbarer Impfungen und spezifischer Therapien zu einer erheblichen Krankheitslast in Deutschland führen. Bei vielen schweren Verläufen muss mit einer im Verhältnis zu anderen schweren akuten respiratorischen Infektionen (SARI) - vermutlich sogar deutlich - längeren intensivmedizinischen Behandlung mit Beatmung/zusätzlichem Sauerstoffbedarf gerechnet werden. Selbst gut ausgestattete Gesundheitsversorgungssysteme wie das in Deutschland können hier schnell an Kapazitätsgrenzen gelangen, wenn sich die Zahl der Erkrankten durch längere Liegedauern mit Intensivtherapie aufaddiert. Dieser Gefahr für das Gesundheitssystem und daran anknüpfend der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung kann derzeit, da weder eine Impfung noch eine spezifische Therapie in konkret absehbarer Zeit zur Verfügung stehen, nur dadurch begegnet werden, die Verbreitung der Erkrankung so gut wie möglich zu verlangsamen, die Erkrankungswelle auf einen längeren Zeitraum zu strecken und damit auch die Belastung am Gipfel leichter bewältigbar zu machen (vgl. zur aktuellen Zahl - gemeldeter - freier Krankenhausbetten mit Beatmungskapazität: DIVI Intensivregister, Tagesreport, veröffentlicht unter: www.divi.de, Stand: 10.6.2020). Neben der Entwicklung von Impfstoffen und spezifischen Therapien sowie der Stärkung des Gesundheitssystems und der Erhöhung der medizinischen Behandlungskapazitäten, die indes nicht sofort und nicht unbegrenzt möglich sind, bedarf es hierzu zuvörderst der Verhinderung der Ausbreitung durch Fallfindung mit Absonderung von Erkrankten und engen Kontaktpersonen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko, des Schaffens sozialer Distanz und ähnlich wirkender bevölkerungsbezogener antiepidemischer Maßnahmen sowie des gezielten Schutzes und der Unterstützung vulnerabler Gruppen (vgl. hierzu im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: RKI, Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten und Public Health, Epidemiologisches Bulletin Nr. 12/2020 v. 19.3.2020, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/ 2020/Ausgaben/12_20.pdf?__blob=publicationFile; Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 26.5.2020).

Die danach vorliegenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG verpflichten die zuständigen Behörden zum Handeln (gebundene Entscheidung, vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 212 - juris Rn. 23).

Zugleich steht damit fest, dass die Maßnahmen nicht auf die Rechtsgrundlage des § 16 Abs. 1 IfSG gestützt werden können. Denn die Rechtsgrundlagen einerseits des § 16 Abs. 1 IfSG im Vierten Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes "Verhütung übertragbarer Krankheiten" und andererseits des § 28 Abs. 1 IfSG im Fünften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes "Bekämpfung übertragbarer Krankheiten" stehen in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander; der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 IfSG ist nur eröffnet, solange eine übertragbare Krankheit noch nicht aufgetreten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 - BVerwG I C 60.67 -, BVerwGE 39, 190, 192 f. - juris Rn. 28 (zu §§ 10 Abs. 1, 34 Abs. 1 BSeuchG a.F.); Senatsurt. v. 3.2.2011 - 13 LC 198/08 -, juris Rn. 40).

(c) Der Senat vermag im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes aber nicht verlässlich festzustellen, dass das in § 2 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung bestimmte Verbot von Zusammenkünften und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen (noch) eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG ist.

§ 28 Abs. 1 IfSG liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 213 - juris Rn. 26 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 f.). Der Begriff der "Schutzmaßnahmen" ist folglich umfassend und eröffnet der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum geeigneter Maßnahmen (vgl. Senatsbeschl. v. 26.5.2020 - 13 MN 182/20 -, juris Rn. 37; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 2.4.2020 - 3 MB 8/20 -, juris Rn. 35).

(aa) Eine solche Maßnahme kann zwar auch darin bestehen, Ansammlungen und Zusammenkünfte von mehr als zwei Personen im öffentlichen Raum zu unterbinden. Zwar durften die zuständigen Behörden nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG in der bis zum 27. März 2020 geltenden Fassung nur "Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer g r ö ß e r e n A n z a h l von Menschen beschränken oder verbieten". Ob von einer solchen "größeren Anzahl von Menschen" bereits bei mehr als zwei Personen ausgegangen werden konnte, ist fraglich (vgl. dahingehend aber Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften, BT-Drs. 14/2530, S. 74 f.: "Die Vorschrift ermöglicht die Anordnung von Maßnahmen gegenüber einzelnen wie mehreren Personen. Bei Menschenansammlungen können Krankheitserreger besonders leicht übertragen werden. Deshalb ist hier die Einschränkung von Freiheitsrechten in speziellen Fällen gerechtfertigt. Die bisher geltende Vorschrift des BSeuchG zählte einzelne Veranstaltungen in Räumen und Ansammlungen unter freiem Himmel beispielhaft auf. Auf diese Aufzählung wird nun verzichtet und stattdessen der Begriff 'Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen einer größeren Anzahl von Menschen' verwandt. Durch diese Beschreibung ist sichergestellt, dass alle Zusammenkünfte von Menschen, die eine Verbreitung von Krankheitserregern begünstigen, erfasst werden."). Diese Frage bedarf aber ebenso wenig wie die damit verbundene Folgefrage, ob Ansammlungen einer geringen Zahl von Menschen auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in der bis zum 27. März 2020 geltenden Fassung beschränkt oder verboten werden durften (vgl. hierzu Guckelberger, Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote anlässlich der Corona-Pandemie, in: NVwZ-Extra 9a/2020, S. 6 f.), in diesem Verfahren keiner Beantwortung. Denn nach der hier maßgeblichen, ab dem 28. März 2020 geltenden Fassung des § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG dürfen die zuständigen Behörden jedwede "Veranstaltungen oder sonstigen Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten". Die angesichts der bereits laufenden Pandemie in Kenntnis der Diskussion um die rechtlichen Voraussetzungen für bereits angeordnete Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote vorgenommene Streichung der früheren Tatbestandsvoraussetzung "einer größeren Anzahl" legt nahe, dass jedenfalls nunmehr § 28 Abs. 1 IfSG den zuständigen Behörden eine hinreichende Ermächtigungsgrundlage dafür bietet, auch Zusammenkünfte und Ansammlungen weniger einzelner Personen zu verbieten oder zu beschränken (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 19.5.2020 - 13 B 557/20.NE -, juris Rn. 59; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 13.5.2020 - 1 S 1314/20 -, juris Rn. 70, Beschl. v. 30.4.2020 - 1 S 1101/20 -, juris Rn. 39; Guckelberger, a.a.O., S. 7).

(bb) Der Senat vermag derzeit aber nicht verlässlich festzustellen, dass das in § 2 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung bestimmte Verbot von Zusammenkünften und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen auch unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens als Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG weiterhin unverändert notwendig ist.

Der weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall "notwendig" sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind (vgl. Senatsbeschl. v. 26.5.2020 - 13 MN 182/20 -, juris Rn. 38). Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).

Angesichts der hohen Infektiosität und der Übertragungswege (siehe hierzu im Einzelnen oben II.2.a.(3)(b)) steht außer Zweifel, dass Beschränkungen von Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen notwendige Schutzmaßnahmen sein können. Der Senat erachtet das Ansammlungsverbot und das Abstandsgebot unverändert als wichtige Grundbausteine bevölkerungsbezogener antiepidemischer Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von SARS-CoV-2 und von COVID-19 (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 29.5.2020 - 13 MN 185/20 -, juris Rn. 29).

Auch aufgrund dieser Maßnahmen hat sich das beschriebene Infektionsgeschehen (siehe oben II.2.a.(3)(b)) in letzter Zeit verlangsamt. Die Zahl der Neuinfektionen, aber auch die Zahl der tatsächlich (noch) Infizierten ist deutlich zurückgegangen. Auch wenn die Gefahr der Verbreitung der Infektion und die daran anknüpfende Gefahr der mangelnden hinreichenden Behandelbarkeit schwer verlaufender Erkrankungen wegen fehlender spezifischer Behandlungsmöglichkeiten und nicht unbegrenzt verfügbarer Krankenhausbehandlungsplätze fortbesteht, hat sich diese Gefahr deutlich vermindert. Diese Gefahreneinschätzung liegt offenbar auch dem Plan der Niedersächsischen Landesregierung "Nach dem Lockdown - Neuer Alltag in Niedersachsen, Stufenplan" vom 4. Mai 2020, zuletzt aktualisiert am 22. Mai 2020 (veröffentlicht unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/neuer-alltag-mit-dem-coronavirus-188010.html, Stand: 10.6.2020), und der darauf basierenden Niedersächsischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 8. Mai 2020, zuletzt geändert durch die Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Mai 2020, vom 22. Mai 2020 und vom 5. Juni 2020, zugrunde. Danach wird zwar an dem Ansammlungsverbot und dem Abstandsgebot prinzipiell festgehalten. Die zur Umsetzung dieser Maßnahmen konkret erlassenen weitreichenden und teilweise vollständigen Verbote beruflicher, sozialer und privater Aktivitäten wurden aber einer Revision unterzogen und nach einer Bewertung unter infektiologischen, volkswirtschaftlichen und auch gesellschaftlichen Aspekten aufgehoben oder "gelockert". Das angesichts lokaler Ausbrüche aber unverändert verfolgte legitime Ziel der Pandemiebekämpfung soll insoweit nicht mehr mit den bisher geltenden Verboten erreicht werden, sondern mit Beschränkungen und Auflagen.

Dem folgend wurde auch das Verbot von Zusammenkünften und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen, das durch § 2 Abs. 3 Satz 2 der (1.) Niedersächsischen Verordnung zur Beschränkung sozialer Kontakte anlässlich der Corona-Pandemie vom 27. März 2020 (Nds. GVBl. S. 48) verhängt wurde und das Ausnahmen nur für Angehörige und Personen, die in einer gemeinsamen Wohnung leben oder sich im Wartebereich des Öffentlichen Personennahverkehrs aufhalten, vorsah, "gelockert", und zwar unter anderem durch

- die (4.) Niedersächsische Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74), die in § 2 Abs. 3 Satz 4 Kontakte und Ansammlungen im Zusammenhang mit der Betreuung und Versorgung von hilfebedürftigen Personen und in § 2 Abs. 4 Ausnahmen für Versammlungen unter freiem Himmel gestattete,

- die (4.) Niedersächsische Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74), geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 5. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 90), die in §§ 2c, 2d, 2e, 2f Ansammlungen und Zusammenkünfte mehrerer Personen regelmäßig unter Einhaltung des Abstandsgebots in Einrichtungen von Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften, in zoologischen Gärten, Tierparks, Museen und auf Spielplätzen gestattete,

- die (5.) Niedersächsische Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97), die in §§ 2g und 2h Zusammenkünfte und Ansammlungen mehrerer Personen regelmäßig unter Einhaltung des Abstandsgebots zum Zwecke des Dienst- und Ausbildungsbetriebs im Brand- und Katastrophenschutz und zur Wahrnehmung von Bildungsangeboten für zulässig erklärte,

- die (5.) Niedersächsische Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97), geändert durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 22. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 134), die in § 2m Zusammenkünfte und Ansammlungen mehrerer Personen regelmäßig unter Einhaltung des Abstandsgebots im Rahmen der Erbringung bestimmter touristischer Dienstleistungen im öffentlichen Raum, etwa Stadtführungen mit bis zu 10 Personen, erlaubte, und schließlich durch

- die (5.) Niedersächsische Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97), geändert durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 5. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 147), die in § 1 Abs. 5c kulturelle Veranstaltungen im Freien unter Auflagen mit bis zu 250 Personen, in § 2 Abs. 3 Satz 4 die Zusammenkunft in Gruppen zur körperlichen und sportlichen Betätigung im Freien unter Anleitung eines Trainers und Einhaltung von Abständen, in § 2c Abs. 2 die Zusammenkunft von bis zu 50 Personen am letzten Gang zur Grab- oder Beisetzungsstelle im Rahmen einer Beerdigung oder an der Grab- oder Beisetzungsstelle, in § 2o Zusammenkünfte und Ansammlungen mehrerer Personen regelmäßig unter Einhaltung des Abstandsgebots in Schwimm- und Spaßbädern und in § 3 Nrn. 11 und 12 die Teilnahme an bestimmten Feierlichkeiten mit bis zu 50 Personen wieder erlaubte.

Diese Verordnungsregelungen deuten auf die Einschätzung des Verordnungsgebers hin, dass Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen nicht mehr mit derart gravierenden Infektionsgefahren verbunden sind, dass diesen nur durch ein striktes Verbot effektiv begegnet werden könnte, vielmehr eine jedenfalls signifikante Reduzierung der Infektionsgefahr auch durch Beschränkungen erreicht werden kann, etwa das allgemeine Abstandsgebot des § 2 Abs. 2 der Verordnung und absolute Begrenzungen der Zahl zusammenkommender Personen, die deutlich über die zwei Personen des § 2 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 der Verordnung hinausgehen. Ausgehend von einer solchen Einschätzung, die der Senat anhand des aktuellen Infektionsgeschehens und der hierhin führenden Entwicklung in den vergangenen Wochen durchaus sachgerecht findet, ist fraglich, ob das in § 2 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 der Verordnung bestimmte grundsätzliche Verbot von Zusammenkünften und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen derzeit noch erforderlich ist. Dem Antragsgegner ist zwar zuzugestehen, dass die aufgezeigten Lockerungen auch den Anwendungsbereich des Verbots nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 der Verordnung und die damit verbundenen tatsächlichen Beschränkungen für die betroffenen Personen reduziert haben. Das auch im Stufenplan der Niedersächsischen Landesregierung angelegte schrittweise Zulassen begrenzter Risiken stellt auch nach der Rechtsprechung des Senats eine sachlich begründbare tastende Vorgehensweise dar, mit der Lockerungen nach dem Prinzip "Alles oder Nichts" nicht zu vereinbaren sind (vgl. Senatsbeschl. v. 14.5.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 37). Letztgenannter Vorgehensweise bedarf es aber auch mit Blick auf das Verbot nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 der Verordnung nicht. Vielmehr dürfte das dem Grunde nach durchaus berechtigte Ziel, größere, insbesondere unüberschaubare Ansammlungen einer Vielzahl untereinander unbekannter Personen zu vermeiden, auch bei einer "tastenden" und schrittweisen Erhöhung der Zahl zulässigerweise im öffentlichen Raum zusammenkommender Personen hinreichend effektiv erreicht werden können. Eine solche Vorgehensweise dürfte auch angezeigt erscheinen, um unangemessene Belastungen und gleichheitssatzwidrige Benachteiligungen solcher vom Verbot des § 2 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 der Verordnung betroffener Personen zu vermeiden, die von keiner der bisherigen Ausnahmeregelungen profitieren, insbesondere weil sie über keine Angehörigen verfügen, mit keinen weiteren Personen in einem Hausstand zusammenleben oder keinen der insbesondere in §§ 2a ff. der Verordnung genannten privilegierten Zwecke verfolgen, sondern schlicht mit anderen Personen im öffentlichen Raum zusammen kommen wollen.

b. Die wegen der danach offenen Erfolgsaussichten gebotene Folgenabwägung führt aber dazu, dass die von dem Antragsteller geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe nicht überwiegen.

Würde der Senat das in § 2 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung bestimmte Verbot von Zusammenkünften und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen vollständig (vgl. zur Unzulässigkeit von Normergänzungen im Normenkontrollverfahren: Senatsbeschl. v. 14.5.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 5 m.w.N.) außer Vollzug setzen, bliebe der Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg, könnte der Antragsteller zwar vorübergehend die mit der Schutzmaßnahme verbundenen persönlichen Belastungen vermeiden. Ein wesentlicher Grundbaustein der Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners würde aber in seiner Wirkung deutlich reduziert, wenn nicht gar dieser Wirkung vollständig beraubt (vgl. zur Berücksichtigung dieses Aspekts in der Folgenabwägung: BVerfG, Beschl. v. 1.5.2020 - 1 BvQ 42/20 -, juris Rn. 10). Die Möglichkeit, eine dem Grunde nach geeignete und erforderliche Schutzmaßnahme zu ergreifen und so die Verbreitung der Infektionskrankheit zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350 - juris Rn. 119 m.w.N.), effektiver zu verhindern, bliebe hingegen zumindest zeitweise bis zu einer Reaktion des Verordnungsgebers (irreversibel) ungenutzt.

Würde hingegen das in § 2 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung bestimmte Verbot von Zusammenkünften und Ansammlungen im öffentlichen Raum von mehr als zwei Personen nicht einstweilig außer Vollzug gesetzt, hätte der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache Erfolg, wäre die Antragsteller vorübergehend zu Unrecht zur Befolgung der - für den Fall der Nichtbefolgung bußgeldbewehrten - Schutzmaßnahme verpflichtet. Der damit verbundene Eingriff in sein Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG würde für die Dauer der Verpflichtung, längstens für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens, verfestigt. Dieser Eingriff ist nach Einschätzung des Senats indes nur von geringem Gewicht und im Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten legitimen Ziel eines effektiven Infektionsschutzes von dem Antragsteller vorübergehend hinzunehmen. Die Belastung erschöpft sich darin, hierauf weist der Antragsgegner durchaus zutreffend darauf hin, dass der Antragsteller gehindert wird, in anderen als den in der Verordnung genannten Ausnahmefällen mit mehr als einer weiteren Person im öffentlichen Raum zusammenzukommen. Diese Belastung wird indes voraussichtlich nur noch von kurzer Dauer sein. Denn der Stufenplan der Niedersächsischen Landesregierung sieht vor, dass die Obergrenze zulässiger Zusammenkünfte und Ansammlungen im öffentlichen Raum von bisher 2 Personen ab dem 22. Juni 2020 auf 10 Personen erhöht werden wird (vgl. Niedersächsische Landesregierung, Anlage 2 (zuletzt aktualisiert am 4.6.2020) zum Stufenplan "Nach dem Lockdown - Neuer Alltag in Niedersachsen, Stufenplan", veröffentlicht unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/neuer-alltag-mit-dem-coronavirus-188010.html, Stand: 10.6.2020). Die vom Antragsteller konkret erstrebten Zusammenkünfte mit mehreren Personen zur körperlichen und sportlichen Betätigung im Freien sind zudem unter den in § 2 Abs. 3 Satz 4 der Verordnung genannten und wohl auch durch den Antragsteller zu erfüllenden Voraussetzungen bereits derzeit erlaubt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).