Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.01.2022, Az.: 14 MN 79/22

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.01.2022
Aktenzeichen
14 MN 79/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59466
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag,

§ 3 Abs. 5 und § 12 Abs. 6 der Niedersächsischen Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 23. November 2021 (Nds. GVBl. S. 770), zuletzt geändert durch Änderungsverordnung vom 23. Dezember 2021 (online eilverkündet unter www.niedersachsen.de/verkuendung), im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen,

ist zulässig, aber unbegründet.

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. „Doppelhypothese“ die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Diese Voraussetzungen einer vorläufigen Außervollzugsetzung der durch § 3 Abs. 5 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (aufgrund der Änderungsverordnung vom 23. Dezember 2021 auch) für den Zeitraum vom 3. bis einschließlich zum 15. Januar 2022 zur Geltung gebrachten Norm des § 12 Abs. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (Schließung von Diskotheken, Clubs, Shisha-Bars und ähnlichen Einrichtungen für den Kunden- und Besuchsverkehr) sind nicht erfüllt. Der in der Hauptsache gestellte Normenkontrollantrag der Antragstellerin, die in D. eine - grundsätzlich von Montag bis Samstag von 15 Uhr bis 3 Uhr und an den Sonntagen von 15 Uhr bis 1 Uhr geöffnete - Shisha-Bar mit Alkoholausschank betreibt, bleibt voraussichtlich mangels Begründetheit ohne Erfolg.Nach der derzeit nur gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass sich die angegriffenen Bestimmungen als rechtmäßig erweisen. Im Übrigen überwiegen die Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnungsregelungen bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe nicht.

1. Der bis zum 31. Dezember 2021 für das Infektionsschutzrecht zuständige 13. Senat des beschließenden Gerichts hat mit Beschluss vom 21. Dezember 2021 (- 13 MN 478/21 -, juris) eine vorläufige Außervollzugsetzung der Regelungen über die sogenannte Weihnachts- und Neujahrsruhe abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, nach der derzeit nur gebotenen summarischen Prüfung spreche Überwiegendes dafür, dass sich § 3 Abs. 5 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung als rechtmäßig erweisen werde. Die durch § 3 Abs. 5 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung zur Geltung gebrachten Infektionsschutzmaßnahmen - darunter auch die des § 12 Abs. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung - erwiesen sich jedenfalls für die Zeit vom 24. Dezember 2021 bis zum Ablauf des 2. Januar 2022 als notwendig im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG. Sie seien an den Vorgaben des § 28a Abs. 3 IfSG ausgerichtet und verhältnismäßig, d.h. geeignet, erforderlich und angemessen. Im Rahmen einer außerdem angestellten Interessenabwägung hat der Senat hervorhoben, dass die Belange des (dortigen) Antragstellers, betroffener Dritter und der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnungsregelungen bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe nicht überwögen. Dieser Einschätzung und den ihr zugrundeliegenden Erwägungen schließt sich der 14. Senat nach unabhängiger Überprüfung der Sach- und Rechtslage und unter Abwägung sämtlicher für und gegen eine Aussetzung der Vollziehung sprechenden Argumente vollumfänglich an und verweist wegen der Einzelheiten darauf.

2. Auf dieser Grundlage und unter Berücksichtigung der Erwägungen des Verordnungsgebers in der Begründung der Änderungsverordnung vom 23. Dezember 2021 wird sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich auch die Verlängerung der sogenannten Weihnachts- und Neujahrsruhe bis zum Ablauf des 15. Januar 2022, soweit sie die Schließung von Diskotheken, Clubs, Shisha-Bars und ähnlichen Einrichtungen zur Folge hat, als rechtmäßig erweisen.

a) Der Verordnungsgeber hat zur Begründung für die Verlängerung der Weihnachts- und Neujahrsruhe maßgeblich darauf abgestellt, dass es gerade vor dem Hintergrund der neuen Omikron-Variante erforderlich sei, „auch physische Kontakte zwischen verschiedenen Personen zu reduzieren, um das Übertragungs- sowie das Infektionsrisiko dadurch zu verringern.“ In der Begründung ist weiter ausgeführt: „Das Robert Koch-Institut (RKI) berichtet, dass durch diese Variante mit einer Infektionswelle von bisher noch nicht beobachteter Dynamik gerechnet werden muss und empfiehlt unter anderem maximale Kontaktbeschränkungen sowie maximale infektionspräventive Maßnahmen (ControlCOVID – Strategie-Ergänzung zur Bewältigung der beginnenden pandemischen Welle durch die SARS-COV-2-Variante Omikron, Stand: 21.12.2021). Daher erscheint die Verlängerung der sog. Weihnachtsruhe für geboten und verhältnismäßig. Die Verringerung von physischen Kontakten hat sich im Verlauf der Pandemie bewährt. Auch das RKI verspricht sich von konsequenten und flächendeckenden Kontaktbeschränkungen größte Effekte auf die Dynamik der Omikron-Welle. Sollte die Dynamik der bevorstehenden Omikron-Welle nicht gebremst werden, so die Schätzungen des RKI, ist aufgrund der in kurzer Zeit zu erwartenden hohen Fallzahlen mit einer Überlastung der Gesundheitsversorgungsstrukturen in Deutschland zu rechnen. Auch mit einer darüber hinausgehenden Beeinträchtigung der kritischen Versorgungsstrukturen (z. B. Transport- und Produktions-ketten, Energie, Polizei, Feuerwehr etc.) muss gerechnet werden (ControlCOVID – Strategie-Ergänzung zur Bewältigung der beginnenden pandemischen Welle durch die SARS-COV-2-Variante Omikron, Stand: 21.12. 2021). Dafür sollen die Weihnachtsferien in Niedersachsen sowie die damit verbundene Urlaubszeit genutzt werden.“

Hiervon ausgehend stellt sich die Verlängerung der sogenannten Weihnachts- und Neujahrsruhe sowohl als notwendig im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG und an den Vorgaben des § 28a Abs. 3 IfSG ausgerichtet als auch als verhältnismäßig dar. Auf die Erwägungen des beschließenden Gerichts in dem oben genannten Beschluss vom 21. Dezember 2021 (- 13 MN 478/21 -, juris) zur Legitimität der verfolgten Ziele sowie zur Eignung und Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Infektionsschutzmaßnahmen wird verwiesen; sie gelten hier entsprechend. Gleiches gilt im Grundsatz auch für die dortigen Ausführungen zur Angemessenheit der Infektionsschutzmaßnahme (hier bezogen auf § 12 Abs. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung). Dabei ist in Rechnung zu stellen, dass die ersten beiden Wochen des Monats Januar durch die Besonderheit der zeitlichen Nähe zu den Feiertagen gekennzeichnet sind und die Schulferien in der ersten Woche des Jahres andauerten. Als weiterer - entscheidender - Gesichtspunkt tritt hinzu, dass sich für den Verordnungsgeber das zum Jahreswechsel zu erwartende Infektionsgeschehen wegen der neuen Omikron-Variante im Zeitpunkt des Erlasses der Änderungsverordnung vom 23. Dezember 2021 als zunehmend besorgniserregend und weniger beherrschbar darstellte (RKI, ControlCOVID – Strategie-Ergänzung zur Bewältigung der beginnenden pandemischen Welle durch die SARS-CoV-2-Variante Omikron v. 21.12.2021: „dass durch diese Variante mit einer Infektionswelle von bisher noch nicht beobachteter Dynamik gerechnet werden muss“). Diese absehbaren Änderungen hatte der Verordnungsgeber gemäß § 28a Abs. 3 Satz 1 letzter Halbsatz IfSG zu berücksichtigen. Erste Analysen des RKI deuteten „trotz noch vorhandener Unsicherheiten darauf hin, dass Omikron bereits Anfang Januar 2022 die Mehrzahl der Infektionsfälle in Deutschland, und mehrere Zehntausend Infektionsfälle täglich ausmachen“ könne. Vor diesem Hintergrund bestand ein sachlich begründetes Interesse daran, die Schwelle der um den Jahreswechsel und unmittelbar danach zu erwartenden Omikron-Infektionen auf einem möglichst niedrigen Niveau zu halten, um einer Überlastung der Gesundheitsversorgungsstrukturen und anderer kritischer Versorgungsstrukturen entgegenzuwirken. Dementsprechend bezeichnete das RKI „maximale Kontaktbeschränkungen“ und „maximale infektionspräventive Maßnahmen“ als notwendig. Weiter sollten u. a. als Maßnahmen „sofort implementiert“ werden: „Kontakte wo immer möglich reduzieren und AHA+L-Regeln konsequent einhalten“ sowie „Schließung von Bars, Clubs, Diskotheken usw“.

b) Diese beim Erlass der angegriffenen Regelungen bestehende Sachlage hat sich inzwischen bestätigt. Seit dem Jahreswechsel steigt die 7-Tage-Inzidenz der Fallzahlen sowohl in Niedersachsen (vgl. unter https://experience.arcgis.com/experience/91344cc987c044b59ba8d0c629b50672) als auch im Bundesdurchschnitt (vgl. unter www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/fallzahlen-coronavirus-1738210) an. Ebenso hat sich die Omikron-Variante inzwischen massiv verbreitet (vgl. die „Tägliche Übersicht zu Omikron-Fällen“ v. 7.1.2022, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Omikron-Faelle/Omikron-Faelle.html?__blob=publicationFile). Obgleich sich möglicherweise abzeichnet, dass die Omikron-Variante im Vergleich zur Delta-Variante weniger schwere Verläufe und eine niedrigere Hospitalisierungsrate zur Folge haben könnte, drohen auf der Grundlage der derzeitigen Erkenntnisse bei einer unkontrollierten Ausbreitung gravierende Folgen für das Gesundheitssystem und die sogenannten kritischen Versorgungsstrukturen. Der Expertenrat der Bundesregierung zu COVID-19 führt in seiner Stellungnahme vom 6. Januar 2022 (veröffentlicht unter www.bundesregierung.de/resource/blob/997532/1995094/0e24018c4ce234c5b9e40a83ce1b3892/2022-01-06-zweite-stellungnahme-expertenrat-data.pdf?download=1) aus: „Erste epidemiologische Analysen aus Großbritannien, Dänemark und den USA deuten auf einen milderen Krankheitsverlauf bei Infektionen mit der Omikron-Variante im Vergleich zur Delta-Variante hin. Dies gilt auch für Kinder. Vorläufige experimentelle Studien unterstützen diese Beobachtung. Infektionen mit der Omikron-Variante führen, bezogen auf die Fallzahl, seltener zu Krankenhausaufnahmen und schweren Krankheitsverläufen. Die Reduktion der relativen Krankheitsschwere erklärt sich größtenteils durch Impfungen und vorangegangene Infektionen eines Großteils der Bevölkerung, zu einem Teil aber auch durch eine Verminderung der krankmachenden Eigenschaften des Virus. Impfungen und insbesondere Boosterimpfungen schützen auch bei Omikron-Infektion vor schweren Krankheitsverläufen und Hospitalisierung. Die starke Infektionsdynamik und die damit verbundene hohe Zahl von parallel auftretenden Erkrankungen droht jedoch den gegenüber der Delta-Variante gegebenen Vorteil der milderen Krankheitsverläufe quantitativ aufzuwiegen. So führen die zeitweise sehr hohen Fallzahlen in einzelnen europäischen Staaten und in den USA derzeit zu einem deutlichen Anstieg der Krankenhausaufnahmen. Aktuelle Statistiken aus verschiedenen europäischen Staaten zeigen deutlich vermehrte Aufnahmen auf die Normalstationen, aber im Vergleich zu vorangegangen Infektionswellen anteilig weniger Aufnahmen auf die Intensivstationen. Es ist zu betonen, dass sich die Omikron-Variante erst allmählich in älteren Bevölkerungsgruppen ausbreitet und die Krankheitsschwere in dieser gefährdeten Gruppe noch nicht ausreichend beurteilbar ist. Obwohl sich die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung für die Impfung entschieden hat, gibt es im Vergleich zu Ländern mit ähnlicher Bevölkerungsstruktur immer noch einen größeren Anteil von Menschen, die bislang keinen Immunschutz erworben haben. Dies betrifft auch eine signifikante Zahl von Menschen, die einer vulnerablen Gruppe zuzuordnen sind. Gerade bei Menschen, die älter als 60 Jahre sind, ist dieser Anteil im Vergleich zu anderen europäischen Staaten wie z.B. Großbritannien oder Spanien(https://www.focus.de/orte/spanien/) höher. Diese Faktoren könnten zu einer stärkeren intensivmedizinischen Belastung als in vergleichbaren Ländern führen. (…) Trotz einer reduzierten Hospitalisierungsrate ist bei sehr hohen Inzidenzwerten aufgrund des hohen zeitgleichen Aufkommens infizierter Patient:innen mit einer erheblichen Belastung und regional auch Überlastung der Krankenhäuser und der ambulanten Versorgungsstrukturen (Praxen, Ambulanzen, Tageskliniken) und dem öffentlichen Gesundheitsdienst zu rechnen. Da auch Geimpfte wieder in das Infektionsgeschehen mit einbezogen werden, entsteht ein weiteres wesentliches Problem durch Personalausfälle aufgrund von Ansteckungen innerhalb der Belegschaften von Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen und ambulanten Versorgungsstrukturen. Diese Personalausfälle werden ärztliches und pflegerisches, aber auch nicht-medizinisches Personal betreffen. Ein hohes Patientenaufkommen kombiniert mit akutem Personalmangel kann innerhalb von kurzer Zeit die allgemeine medizinische Versorgung in Deutschland gefährden. Alle medizinischen und pflegerischen Versorgungseinrichtungen müssen sich für die kommenden Wochen auf eine erhebliche Belastungssituation einstellen.“

Das RKI (Wöchentlicher COVID-19-Lagebericht v. 6.1.2022, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-01-06.pdf?__blob=publicationFile) schätzt die Gefährdung durch COVID-19 für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland weiterhin insgesamt als sehr hoch ein. Aufgrund der rasanten Verbreitung der Omikron-Variante sei mit einer schlagartigen Erhöhung der Infektionsfälle zu rechnen, und es könne zu einer schnellen Überlastung des Gesundheitssystems und ggf. weiterer Versorgungsbereiche kommen. Die Infektionsgefährdung wird weiterhin für die Gruppe der Ungeimpften als sehr hoch, für die Gruppen der Genesenen und Geimpften mit Grundimmunisierung (zweimalige Impfung) als hoch und für die Gruppe der Geimpften mit Auffrischimpfung (dreimalige Impfung) als moderat eingeschätzt.

c) Das Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Antragstellerin macht geltend, die Schließung von Shisha-Bars sei unverhältnismäßig, da von ihnen kein signifikantes Infektionsgeschehen ausgehe und mildere Mittel in Gestalt von Hygienemaßnahmen gegenüber dem „Lock-down“ für Shisha-Bars zur Verfügung stünden. Demgegenüber hat der Senat keinen vernünftigen Zweifel daran, dass das Geschehen auch in Shisha-Bars besonders infektionsrelevant ist (vgl. hierzu bereits Nds. OVG, Beschl. v. 3.8.2021 - 13 MN 352/21 -, juris Rn. 33 u. v. 7.9.2021 - 13 MN 378/21 -, juris Rn. 49 ff.). In Shisha-Bars treffen in geschlossenen Räumen zahlreiche Personen, teilweise Personengruppen, mit längerer Verweildauer und intensiven Personenkontakten zusammen. Bei diesen Kontakten steht - anders als in Gaststätten und Restaurants - eine besonders aerosolerzeugende Verhaltensweise, nämlich das Rauchen, gerade im Mittelpunkt. Soweit sich die Antragstellerin auf zur Verfügung stehende mildere Mittel beruft, hat der 13. Senat des beschließenden Gerichts in seinem Beschluss vom 21. Dezember 2021 (- 13 MN 478/21 -, juris Rn. 55) die Erforderlichkeit der Maßnahme zu Recht mit Blick darauf bejaht, dass der mit der Schließung von Diskotheken, Clubs und Shisha-Bars für den Kunden- und Besucherverkehr durch § 3 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung verbundene vollständige Entfall der Infektionsrisiken durch die Anwendung bloßer Zugangsbeschränkungen ersichtlich nicht erreicht werde, so dass diese nicht als gleich effektiv angesehen werden können. Gleiches gilt im Hinblick auf die Anwendung bloßer Hygienekonzepte. Zur Frage der Angemessenheit hat der 13. Senat des beschließenden Gerichts in dem vorgenannten Beschluss (juris Rn. 60) ausgeführt: „So beziehen sich die drastischen Maßnahmen - die Verbote von (…) sowie die Schließung von Diskotheken, Clubs und Shishabars für den Kunden- und Besucherverkehr durch § 3 Abs. 5 Satz 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung - auf Geschehen, die nicht nur durch das Zusammentreffen einer Vielzahl von Personen in geschlossenen Räumen, sondern durch zusätzliche, die Infektionsgefahren erhöhende Aspekte gekennzeichnet sind, etwa durch eine Erhöhung der absoluten Zahl von Personenkontakten, durch vermehrte unmittelbare Personenkontakte und körperliche Aktivitäten sowie eine nicht durchgehend gewährleistete Befolgung und Durchsetzung von Basisschutzmaßnahmen wie der Maskenpflicht. (…) Angesichts der befürchteten Immunevasion dürfte in diesen besonders infektionsrelevanten Bereichen auch der Übergang von der bisher geltenden 2-G-Plus-Regelung zur vollständigen Schließung nicht zu beanstanden sein.“ Diesen Erwägungen schließt sich der Senat an.

Angesichts dessen liegt auch der gerügte Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gegenüber anderen Branchen, die für den Kunden- und Besuchsverkehr nicht geschlossen sind (Einzelhandel, Gastronomie), voraussichtlich nicht vor.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 - juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 - juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 - juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 - juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 - juris Rn. 79).

Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020 - OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.3.2020 - 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 - 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62).

Daran gemessen ist die vom Verordnungsgeber vorgenommene Differenzierung mit Blick auf die zuvor beschriebenen Unterschiede voraussichtlich nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Der Senat teilt die Auffassung des 13. Senats des beschließenden Gerichts, nach dessen ständiger Rechtsprechung in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich der doppelte Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).