Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.05.2021, Az.: 13 MN 260/21

Beherbergung; Corona; Landeskinder; Landeskinderklausel; Landeskinderregelung; notwendige Schutzmaßnahme; Ungleichbehandlung; Verbot

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.05.2021
Aktenzeichen
13 MN 260/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71151
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die "Landeskinderregelung" in § 8 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung stellt keine notwendige Schutzmaßnahme dar. Ein Verbot der Beherbergung von Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen ist unverhältnismäßig, da die Einschränkungen - insbesondere der Berufsfreiheit der betroffenen Beherbergungsbetriebe - nicht in einem angemessenen Verhältnis zum geringen Nutzen der Maßnahme stehen.

2. Die Ungleichbehandlung von Landeskindern mit Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen bei der Beherbergung ist nicht gerechtfertigt und verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da die Auswirkungen auf den Infektionsschutz nicht ins Gewicht fallen. Da Übernachtungen von Personen aus niedersächischen Gebieten mit hoher Inzidenz und weite Anreisen innerhalb Niedersachsens möglich sind, die mit Blick auf das Infektionsgeschehen gefährlicher sind als die Übernachtung von Personen aus Regionen außerhalb Niedersachsens mit geringer Inzidenz und ggf. kurzer Anreise, lässt sich die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen.

Tenor:

§ 8 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl S. 368), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 8. Mai 2021 (Nds. GVBl. S. 253) - Niedersächsische Corona-Verordnung -, wird vorläufig außer Vollzug gesetzt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der sinngemäß gestellte Antrag (vgl. Schriftsatz des Antragstellers vom 11.5.2021, S. 1),

§ 8 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 368), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 8. Mai 2021 (Nds. GVBl. S. 253), vorläufig außer Vollzug zu setzen,

hat Erfolg.

Der Antrag ist zulässig (1.) und begründet (2.) und führt zur vorläufigen Außervollzugsetzung der Verordnungsbestimmung mit allgemeinverbindlicher Wirkung (3.).

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Der Antrag ist zulässig.

a. Er ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGOund § 75 NJG statthaft.

§ 8 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 16 ff.). Diese Norm lautet:

§ 8 Beherbergung
(2) 1Übernachtungsangebote und Vermietungsangebote in Bezug auf eine Einrichtung oder Anlage nach Absatz 1 dürfen sich nur an Personen richten, die in Niedersachsen ihren Wohnsitz haben, es sei denn, die Übernachtungen oder Vermietungen dienen ausschließlich notwendigen Zwecken, wie zum Beispiel Dienst- oder Geschäftsreisen.

b. Der Antragsteller ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da er geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Das in § 8 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz der Niedersächsischen Corona-Verordnung bestimmte grundsätzliche Verbot, Personen, die ihren Wohnsitz nicht in Niedersachsen haben, zu beherbergen, lässt es möglich erscheinen, dass der Antragsteller, der keinen Wohnsitz in Niedersachsen hat und ab dem 22. Mai 2021 einen Aufenthalt in einer Ferienwohnung auf Borkum gebucht hat, in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt ist. Auch eine Verletzung in dem dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG korrespondierenden Grundrecht des Antragstellers erscheint im Hinblick darauf, dass Personen mit einem Wohnsitz in Niedersachsen bei der Beherbergung grundlegend anders behandelt werden als Personen ohne einen solchen Wohnsitz, möglich.

c. Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet.

Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 15.9.2017 (Nds. MBl. S. 1288), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 18.11.2019 (Nds. MBl. S. 1618)).

2. Der Normenkontrolleilantrag ist begründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. "Doppelhypothese" die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 8 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz der Niedersächsischen Corona-Verordnung Erfolg. Ein in der Hauptsache noch zu stellender Normenkontrollantrag des Antragstellers wäre voraussichtlich begründet (a.). Zudem überwiegen die gewichtigen Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnung bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe (b.).

a. Ein vom Antragsteller in der Hauptsache noch zulässigerweise zu stellender Normenkontrollantrag hat voraussichtlich Erfolg. Nach der derzeit nur gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass § 8 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz der Niedersächsischen Corona-Verordnung materiell rechtswidrig ist und wegen der damit einhergehenden Verletzung des Antragstellers in seinem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären sein wird.

Rechtsgrundlage für den Erlass der Verordnung ist § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit §§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a Abs. 1 Nr. 12 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes vom 7. Mai 2021 (BGBl. I S. 850).

Der Tatbestand der genannten Rechtsgrundlage ist unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt mit eingehender Begründung und weiteren Nachweisen etwa die Senatsbeschl. v. 5.1.2021 - 13 MN 582/20 -, Umdruck S. 4 ff., und v. 30.11.2020 - 13 MN 519/20 -, juris Rn. 26 ff.) und unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens (vgl. hierzu die Angaben im täglichen Situationsbericht des Robert Koch-Instituts unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html und des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/) auch weiterhin erfüllt, und die materielle Rechtmäßigkeit der Niedersächsischen Corona-Verordnung ist im Hinblick auf das „Ob“ eines staatlichen Handelns keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt.

Auch sind (bezogen auf die Rechtsfolgenseite) die in § 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Beschränkungen mit Blick auf den Adressatenkreis dieser Regelung und die grundsätzliche Art der gewählten Schutzmaßnahme nicht zu beanstanden (vgl. zu den Betriebsbeschränkungen in § 10 der Niedersächsischen Corona-Verordnung: Senatsbeschl. v. 19.3.2021 - 13 MN 114/21 -, juris Rn. 17 m.w.N.).

§ 28 Abs. 1 IfSG liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 213 - juris Rn. 26 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 f.). Der Begriff der "Schutzmaßnahmen" in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist folglich umfassend und eröffnet der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum geeigneter Maßnahmen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 2.4.2020 - 3 MB 8/20 -, juris Rn. 35).

"Schutzmaßnahme" im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG kann daher, wie § 28a Abs. 1 Nr. 12 IfSG konkretisiert, die Untersagung oder die Beschränkung von Übernachtungsangeboten sein.

Der weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall "notwendig" sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind (vgl. Senatsbeschl. v. 26.5.2020
- 13 MN 182/20 -, juris Rn. 38). Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).

Für die Anordnung, dass sich Übernachtungsangebote und Vermietungsangebote nur an Personen richten dürfen, die in Niedersachsen ihren Wohnsitz haben, sind diese tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Sie verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und stellt damit keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar (aa.). Darüber hinaus verletzt die Regelung den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG (bb.).

aa. Das grundsätzliche Verbot der Beherbergung von Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

(1) Zweifelsohne verfolgt der Verordnungsgeber weiterhin die legitimen Ziele (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -, juris Rn. 43), im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit eines und einer jeden die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden. Zur Vorbeugung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage sollen die Kontakte in der Bevölkerung drastisch reduziert werden, um das Infektionsgeschehen insgesamt zu verlangsamen und die Zahl der Neuinfektionen wieder in durch den öffentlichen Gesundheitsdienst nachverfolgbare Größenordnungen zu senken (vgl. hierzu auch die Angaben in der Begründung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und ihrer Änderungsverordnungen, Nds. GVBl. 2020, 411 ff., 457, 491 f. und 2021, 6 ff., 28 f., 58, 101 f., 123, 172 f., 193 ff., 267).

Diese Zielrichtung wahrt die besonderen Anforderungen des § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG (vgl. Senatsbeschl. v. 23.12.2020 - 13 MN 506/20 -, juris Rn. 61).

Ob darüber hinaus für die Gesamtheit der in der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Schutzmaßnahmen die konkrete Erreichung einer 7-Tage-Inzidenz (Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) von 50
oder gar 35 legitim ist, erscheint zweifelhaft (vgl. Senatsbeschl. v. 20.1.2021 - 13 MN 10/21 -, juris Rn. 20 ff. (zur 50er Inzidenz) und v. 15.2.2021 - 13 MN 44/21 -, juris Rn. 25 ff. (zur 35er Inzidenz)), bedarf in diesem Verfahren aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn das hier streitgegenständliche Beherbergungsverbot für Personen, die ihren Wohnsitz nicht in Niedersachsen haben, ist nach den Verordnungsbestimmungen mit keiner dieser Inzidenzen unmittelbar verknüpft, sondern unter Berücksichtigung auch aller weiteren für das Infektionsgeschehen relevanten Umstände angeordnet worden.

(2) Im Hinblick auf die verfolgten legitimen Ziele ist die Eignung der streitgegenständlichen Verordnungsregelung wohl noch gegeben, auch wenn diese Maßnahme von vorneherein nur für einen eng begrenzten und allenfalls geringen Teil des tatsächlichen Infektionsgeschehens im Bundesgebiet und im Land Niedersachen Auswirkungen hat. Denn das in § 8 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete grundsätzliche Beherbergungsverbot für Personen, die ihren Wohnsitz nicht in Niedersachsen haben, bewirkt unmittelbar nur, dass Personen aus anderen Bundesländern in niedersächsischen Beherbergungsstätten oder ähnlichen Einrichtungen, Hotels, Campingplätzen, Stellplatzanlagen für Wohnmobilen und Anlagen für Bootsliegeplätze zu touristischen Zwecken grundsätzlich nicht mehr übernachten dürfen. Mittelbare Folge dieses Verbots soll zudem sein, dass die genannten Personen von Einreisen zu touristischen Zwecken in das Land Niedersachsen absehen (s. Schriftsatz des Antragsgegners vom 14.5.2021, S. 14). Ob und in welchem Umfang diese mittelbare Folge wirklich erreicht wird, ist angesichts nicht unwahrscheinlicher tagestouristischer Aktivitäten von Personen aus einem der an Niedersachsen angrenzenden neun Bundesländer offen, zumal für Tagestouristen die in § 8 Abs. 7 der Niedersächsischen Corona-Verordnung normierten Testpflichten nicht greifen. Von dem Verbot der Beherbergung von Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen nicht umfasst sind nach den in § 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung getroffenen Regelungen zudem Beherbergungen durch Private, Beherbergungen zu anderen als touristischen Zwecken sowie die Nutzung von dauerhaft angemieteten oder im Eigentum befindlichen Immobilien und von dauerhaft abgestellten Wohnwagen, Wohnmobilen und ähnlichen Einrichtungen durch die Nutzungsberechtigten. Von dem bloßen Beherbergungsverbot gar nicht betroffen sind schließlich bloße Einreisen und Aufenthalte ohne Übernachtungen zu jedweden Zwecken, unter anderem Fahrten von Berufspendlern und Heimreisen niedersächsischer Bürgerinnen und Bürger aus Urlauben in anderen Bundesländern. Auch die Beherbergung von Personen mit einem Wohnsitz in Niedersachsen, die in einem Gebiet mit einer hohen Inzidenz wohnen, oder von Personen, die in Niedersachsen lediglich einen Nebenwohnsitz haben (vgl. Begründung der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 8.5.2021, Nds. GVBl. S. 253 (273 f.)), bleibt möglich. Zwar wird der Zweck nach Auffassung des Senats durch die streitgegenständliche Regelung gefördert, die Auswirkungen dürften angesichts der geschilderten Ausnahmen aber gering bleiben.

(3) Angesichts der nur geringen Eignung des grundsätzlichen Beherbergungsverbots für Personen, die ihren Wohnsitz nicht in Niedersachsen haben, ist die Erforderlichkeit des Verbots jedenfalls zweifelhaft. Denn das Beherbergungsverbot bezieht sich auf Sachverhalte, die jedenfalls nicht offensichtlich mit einer erhöhten Gefahr der weiteren Ausbreitung von CoViD-19 verbunden sind (α), und werden von weitergehenden Einschränkungs- und Kontrollmaßnahmen flankiert (β), die ein milderes, ebenso geeignetes Mittel darstellen könnten.

(α) Die mit dem Verbot unmittelbar nur untersagte Beherbergung von Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen zu touristischen Zwecken dürfte bei lebensnaher Betrachtung kaum mit erhöhten Infektionsgefahren verbunden sein. Es ist nicht ersichtlich, dass aus dem Aufenthalt am Reiseort oder gar im Beherbergungsbetrieb eine deutlich gesteigerte Gefahr der Infektion einhergeht, weshalb der Antragsgegner in früheren Verfahren maßgeblich in den Reisewegen und den dort eintretenden Kumulationen von Reisenden erhöhte Gefahren gesehen hat (vgl. Senatsbeschl. v. 15.10.2020 - 13 MN 371/20 -, juris Rn. 57). Auch in dem vorliegenden Verfahren hat der Antragsgegner keine nachvollziehbaren tatsächlichen Erkenntnisse dazu präsentiert, welche Zahl von infizierten Personen im Bundesgebiet und in Niedersachsen auf Reisen innerhalb des Bundesgebiets zurückzuführen sind (vgl. schon Senatsbeschl. v. 15.10.2020 - 13 MN 371/20 -, juris Rn. 58). Es kann aber davon ausgegangen werden, dass derzeit bei innerdeutschen Reisen der eigene Pkw das meistgenutzte Verkehrsmittel sein dürfte, weshalb eine relevante Erhöhung der Infektionszahlen durch die An- und Abreise nicht zu erwarten sein dürfte. Jedenfalls hat der Antragsgegner hierzu keine Erkenntnisse vorgelegt. Hinzu kommt, dass die Anreise aus einem Ort innerhalb Niedersachsens in vielen Fällen nicht kürzer ist als bei einer Anreise aus einem angrenzenden Bundesland. Es verbleibt folglich bei einer lediglich geringfügigen Steigerung des Infektionsrisikos, wenn auch Personen, die ihren Wohnsitz nicht in Niedersachsen haben, beherbergt werden dürfen.

(β) Diesem lediglich leicht erhöhten Risiko kann nach Auffassung des Senats durch mildere Mittel als das grundsätzliche Beherbergungsverbot für Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen nahezu ebenso effektiv begegnet werden. Die derzeitige Regelung zur Beherbergung sieht bereits in § 8 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vor, dass Beherbergungsstätten und ähnliche Einrichtungen sowie Hotels grundsätzlich nur zu 60 Prozent ihrer Kapazität ausgelastet sein dürfen. Eine entsprechende Regelung findet sich für Campingplätze, Stellplatzanlagen für Wohnmobile und Bootsliegeplätze (§ 8 Abs. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung). Für Ferienwohnungen und -häuser gilt nach § 8 Abs. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, dass an eine andere Mieterin oder einen anderen Mieter erst am übernächsten Tag nach Ende eines vorherigen Mietverhältnisses vermietet werden darf. Dadurch hat der Antragsgegner bereits weitreichende Einschränkungen hinsichtlich der Kapazität von Beherbergungsbetrieben vorgenommen, die auch anzuwenden wären, wenn Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen beherbergt werden dürften. Diese Einschränkungen sollen nach Auffassung des Antragsgegners dazu führen, dass es in den Unterkünften und an den Urlaubsorten nicht zu einem Aufkommen an Urlaubern kommt, welches die Wahrung der Mindestabstände nach § 2 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung unmöglich macht (vgl. Begründung der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 8.5.2021, Nds. GVBl. S. 253 (273 f.)). Die Beherbergung von Personen, die keinen Wohnsitz in Niedersachsen haben, führt folglich nicht dazu, dass insgesamt mehr Personen beherbergt werden dürften, als es bislang vom Antragsgegner für unproblematisch erachtet wird. Sofern der Antragsgegner mit der Beschränkung auf Personen, die in Niedersachsen einen Wohnsitz haben, eine gleichzeitige zusätzliche Beschränkung der in § 8 Abs. 4 bis 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vorgesehenen Beschränkungen der Kapazität hat vornehmen wollen, wäre es naheliegender gewesen, eine niedrigere Schwelle als 60 Prozent der Kapazität zu wählen.

Hinzu kommt, dass alle in einer Einrichtung oder Anlage nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung oder in einem fremden Ferienhaus oder einer fremden Ferienwohnung beherbergten Personen bei Beginn der Nutzung einen negativen Corona-Test im Sinne des § 5a Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung sowie darüber hinaus mindestens zwei Tests pro Woche durchzuführen und dies dem Vermieter oder Betreiber nachzuweisen haben (§ 8 Abs. 7 der Niedersächsischen Corona-Verordnung). Diese Testpflicht gilt nicht für Personen, die eine Impfdokumentation nach § 5a Abs. 2 oder einen Genesenenausweis nach § 5 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vorlegen können. Die Anwendung dieser Vorschrift auf Personen, die keinen Wohnsitz in Niedersachsen haben, würde ein milderes, aber nahezu gleich effektives Mittel darstellen, da sowohl bei Beginn des Aufenthalts als auch während des Aufenthalts durch Tests nachgewiesen werden müsste, dass keine Corona-Infektion vorliegt. Auch wenn diese Tests keinen vollständigen Schutz vor einer Weiterverbreitung des SARS-CoV-2-Virus gewährleisten können, so führt gerade die wiederholte Testung zu einem so hohen Grad an Sicherheit, dass ein relevanter Unterschied in der Effektivität der Maßnahme im Vergleich zu einem Beherbergungsverbot für den Senat nicht ersichtlich ist (vgl. hierzu bereits den Senatsbeschl. v. 19.4.2021 - 13 MN 192/21 -, juris Rn. 55). Sofern der Antragsgegner gerade durch die Anreise eine Erhöhung der Infektionsgefahr befürchtet, wäre ein milderes, aber ebenfalls effektives Mittel die Einführung einer Pflicht zur Durchführung eines Tests nach § 5a Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung bereits vor der Abreise vom Wohnort.

(4) Ungeachtet der danach bestehenden erheblichen Zweifel an der Erforderlichkeit des grundsätzlichen Beherbergungsverbots für Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen ist dieses zur Erreichung des legitimen Ziels der Verhinderung der weiteren Ausbreitung von CoViD-19 jedenfalls nicht angemessen.

Angemessen ist eine Freiheitseinschränkung nur dann, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Um dies feststellen zu können, ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte dient, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig. Hierbei müssen die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Andererseits wird der Gemeinschaftsschutz umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können. Diese Prüfung am Maßstab des Übermaßverbots kann dazu führen, dass der an sich in legitimer Weise angestrebte Schutz zurückstehen muss, wenn das eingesetzte Mittel zu einer unangemessenen Beeinträchtigung der Rechte des Betroffenen führen würde. Nur so kann die Prüfung der Angemessenheit staatlicher Eingriffe ihren Sinn erfüllen, geeignete und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen einer gegenläufigen Kontrolle mit Blick darauf zu unterwerfen, ob die eingesetzten Mittel unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkungen für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BVerfG, Urt. v. 26.2.2020 - 2 BvR 2347/15 -, BVerfGE 153, 182 – juris Rn. 265 m.w.N.).

Bei der Abwägung können im Rahmen der Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 VwGO nicht nur die Freiheitseinschränkungen berücksichtigt werden, die sich für den konkreten Antragsteller ergeben, es sind vielmehr auch die Wirkungen einer Vorschrift für die Allgemeinheit und für ebenfalls von der Regelung betroffene Dritte zu berücksichtigen.

Auch wenn das angeordnete Beherbergungsverbot für Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen, für den einzelnen Urlauber, nur geringfügige Auswirkungen hat und lediglich einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG darstellt, so hat es ersichtlich gravierende negative Auswirkungen für die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübung der im Rahmen des objektiven Normenkontrollverfahrens ebenfalls zu berücksichtigenden betroffenen Betreiber von Beherbergungsstätten, Hotels, Campingplätzen, Ferienwohnungen und -häusern und ähnlichen Einrichtungen. Diese sind einerseits gehalten, auf die äußerst kurzfristige Änderung der Verordnungslage zu reagieren und bereits gebuchte Zimmer wieder zu stornieren, sofern kein Erst- oder Zweitwohnsitz in Niedersachsen vorhanden ist. Diese Belastungen werden erhöht durch die finanziellen Einbußen, die sich aus den Stornierungen der teils lange im Vorfeld des geplanten Aufenthalts durchgeführten Buchungen und der in der Kürze der Zeit in den meisten Fällen unmöglichen Wiederbelegung ergeben. Andererseits setzt sich dies fort in der bestehenden Unsicherheit, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Beherbergung von Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen nach Außerkrafttreten der aktuellen Verordnung am 30. Mai 2021 (§ 20 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) möglich sein wird. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen ist davon auszugehen, dass über eine Verlängerung oder Änderung der Verordnung erst äußerst kurzfristig entschieden wird, so dass es den Betreibern von Beherbergungsbetrieben auch für folgende Zeiträume unmöglich gemacht wird, eventuell notwendige Stornierungen bereits jetzt durchzuführen und durch eine Neubelegung auszugleichen.

Diese gravierenden Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG stehen in keinem angemessenen Verhältnis zu den sehr überschaubaren Auswirkungen eines solchen Beherbergungsverbots auf das Infektionsgeschehen. Angesichts der auch für auswärtige Urlauber möglichen und gebotenen Testpflichten zu Beginn und während des Aufenthalts sowie der ohnehin eingeschränkten Kapazität der Beherbergungseinrichtungen bringt ein Verbot der Beherbergung für Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen keinen erheblichen Nutzen im Hinblick auf die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus, der die geschilderten Einschränkungen für die Beherbergungsbetriebe rechtfertigen kann.

Darüber hinaus ist es nicht angemessen, dass eine Beherbergung von Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen grundsätzlich pauschal verboten wurde, ohne Rücksicht darauf, ob von der jeweiligen Gruppe tatsächlich ein erhöhtes Infektionsrisiko ausgeht. So erscheint es auch im Hinblick auf das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG unangemessen, auch Geimpfte und Genesene von der Beherbergung auszuschließen. Der Antragsgegner hat durch die Regelung des § 8 Abs. 7 der Niedersächsischen Corona-Verordnung deutlich gemacht, dass er ein deutlich gemindertes Risiko durch geimpfte und genesene Personen sieht, indem er diese von der Testpflicht ausgenommen hat. Somit erkennt der Antragsgegner an, dass von diesem Personenkreis kein relevanter Einfluss auf das Infektionsgeschehen zu erwarten ist. Insofern erscheint es inkonsequent und unangemessen, geimpfte und genesene Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen gleichwohl von der Beherbergung auszuschließen. Gleiches gilt für die Tatsache, dass der Inzidenzwert und die Belastung für das Gesundheitssystem für die Frage, ob eine Beherbergung in Niedersachsen erlaubt ist, keine Rolle spielen. So ermöglicht es § 8 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, dass Personen aus Gebieten mit hoher Inzidenz zu touristischen Zwecken in Niedersachsen beherbergt werden, wenn dieses Gebiet in Niedersachsen liegt. Es ist in Anbetracht des verfolgten Zwecks und des geringen Nutzens der Maßnahme nicht angemessen, dass zugleich Personen aus Gebieten außerhalb Niedersachsens mit einer geringen Inzidenz oder einem lediglich lokal begrenzten Ausbruchsgeschehen nicht beherbergt werden dürfen, nur weil kein Wohnsitz des Betroffenen in Niedersachsen besteht.

Die Abwägung der widerstreitenden Interessen im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes ergibt somit, dass das Verbot der Beherbergung von Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen unangemessen und die Regelung daher insoweit voraussichtlich rechtswidrig ist.

bb. Das grundsätzliche Verbot der Beherbergung von Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen ist auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und verletzt die Betroffenen daher zugleich in dem damit korrespondierenden Gleichheitsgrundrecht.

(1) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 - juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 - juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 - juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 - juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 - juris Rn. 79).

Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020 - OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 26.3.2020 - 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 - 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62). Auch die Überprüfbarkeit der Einhaltung von Ge- und Verboten kann berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 9.6.2020 - 13 MN 211/20 -, juris Rn. 41).

(2) Selbst nach diesem Maßstab liegt in der angegriffenen Verordnungsregelung eine Ungleichbehandlung ((α)), die nicht gerechtfertigt werden kann ((β)).

(α) Während Personen ohne einen Wohnsitz in Niedersachsen nach § 8 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung grundsätzlich nicht beherbergt werden dürfen, ist eine Beherbergung von Personen mit einem Erst- oder Zweitwohnsitz zu touristischen Zwecken in Niedersachsen unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 bis 7 der Niedersächsischen Corona-Verordnung grundsätzlich möglich. Dabei kommt es für Personen mit einem Erst- oder Zweitwohnsitz in Niedersachsen weder darauf an, ob sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Niedersachsen haben, noch darauf, wie hoch die Inzidenz an ihrem Wohnsitz ist oder wie weit die Anreise zum Urlaubsort ist. Es wird somit für die Möglichkeit der Beherbergung ausschließlich an das Vorliegen eines Erst- oder Zweitwohnsitzes in Niedersachsen angeknüpft.

(β) Unterschiede zwischen diesen beiden Vergleichskonstellationen bestehen im Hinblick auf die dadurch ausgelösten Begegnungen von Menschen und unter Berücksichtigung des jeweiligen infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades und aller sonstigen relevanten Belange nicht oder jedenfalls nicht in dem Ausmaß oder Gewicht, dass sie die durch § 8 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung bewirkte Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, zumal - wie ausgeführt - § 8 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung sogar Übernachtungen von Personen aus niedersächsischen Gebieten mit hoher Inzidenz und weite Anreisen innerhalb Niedersachsens ermöglicht, die mit Blick auf das Infektionsrisiko gefährlicher sein können als verbotene Übernachtungen von Personen zum Beispiel aus Hamburg (7-Tages-Inzidenz: 42, vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html, Stand: 18.5.2021) oder Schleswig-Holstein (7-Tages-Inzidenz: 33, vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html, Stand: 18.5.2021). Das Ansinnen des Verordnungsgebers, eine versuchsweise Öffnung zu erproben und eine Sogwirkung in niedersächsische Urlaubsgebiete zu vermeiden (Schriftsatz des Antragsgegners vom 14.05.2021, S. 14 und 20), ist insoweit nicht von hinreichendem Gewicht, um den Gleichheitsverstoß rechtfertigen zu können.

b. Die konstatierten Freiheits- und Gleichheitsverstöße führen zu einer Verletzung des Antragstellers in seinen Grundrechten aus Artt. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG und begründen mit Blick auf die Verletzung der Berufsfreiheit der Betreiber von Beherbergungsbetrieben aus Art. 12 Abs. 1 GG zugleich einen gewichtigen Nachteil, der eine vorläufige Außervollzugsetzung des § 8 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz der Niedersächsischen Corona-Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO gebietet.

Eine Unterminierung des Schutzkonzepts des Antragsgegners steht demgegenüber nicht zu befürchten. Denn die vorläufige Außervollzugsetzung durch den vorliegenden Senatsbeschluss hat lediglich zur Folge, dass innerhalb der einschränkenden Regelungen des § 8 Abs. 3 bis 7 der Niedersächsischen Corona-Verordnung eine Beherbergung zu touristischen Zwecken auch von Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen möglich ist. Die vom Antragsgegner für ausreichend erachtete Beschränkung der Hotels, Beherbergungsstätten, Campingplätzen und ähnlichen Einrichtungen auf 60 Prozent der Kapazität, die Karenzzeit für die Wiederbelegung von Ferienwohnungen und -häusern sowie die Testpflicht bleiben bestehen und gelten künftig auch für Personen ohne Wohnsitz in Niedersachsen. Zudem ist das Beherbergungsverbot ersichtlich keine zwischen allen Bundesländern abgestimmte Maßnahme eines bundesweiten Gesamtkonzepts

3. Die vorläufige Außervollzugsetzung wirkt nicht nur zugunsten des Antragstellers in diesem Verfahren; sie ist allgemeinverbindlich (vgl. Senatsbeschl. v. 28.8.2020 - 13 MN 307/20 -, juris Rn. 36; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 611). Der Antragsgegner hat die hierauf bezogene Entscheidungsformel in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGOunverzüglich im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der ständigen Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).