Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.03.2021, Az.: 13 MN 134/21
Corona; Elternrecht; Grundschulen; Normenkontrolleilverfahren; Präsenzpflicht; Präsenzunterricht; Schulpflicht; Schutzpflicht
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 24.03.2021
- Aktenzeichen
- 13 MN 134/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 70830
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 28 IfSG
- § 32 IfSG
- § 47 Abs 6 VwGO
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens zu je einem Drittel.
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 15.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Der sinngemäß gestellte Antrag,
§ 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 368), zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. März 2021 (Nds. GVBl. S. 120), bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag vorläufig außer Vollzug zu setzen,
bleibt ohne Erfolg.
Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.
I. Der Normenkontrolleilantrag ist zulässig.
Insbesondere sind die Antragsteller antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da sie geltend machen können, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Nach ihrem Vorbringen erscheint ein Verstoß gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und gegen das Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG (Antragseller zu 1. und zu 2.) nicht von vorneherein ausgeschlossen.
II. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).
Unter Anwendung dieser Grundsätze bleibt der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des § 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 368), zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. März 2021 (Nds. GVBl. S. 120), ohne Erfolg. Der in der Hauptsache gestellte Normenkontrollantrag der Antragsteller wird voraussichtlich unbegründet sein (1.). Zudem überwiegen die von den Antragstellern geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe nicht (2.).
1. Der in der Hauptsache zulässigerweise gestellte Normenkontrollantrag bleibt voraussichtlich ohne Erfolg. Nach der derzeit nur gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass § 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 vom 30. Oktober 2020, zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. März 2021, mit dem Schülerinnen und Schüler der Schuljahrgänge 1 bis 4 von der Untersagung des Präsenzunterrichts in § 13 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung ausgenommen werden, rechtmäßig ist.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats beruht diese Regelung auf einer tragfähigen Rechtsgrundlage (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 11.11.2020 - 13 MN
485/20 -, juris Rn. 13 ff. m.w.N.). Für den Senat besteht auch kein Anlass, an der formellen Rechtmäßigkeit der Verordnungsregelung zu zweifeln (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsbeschl. v. 11.11.2020 - 13 MN 485/20 -, juris Rn. 19 ff. m.w.N.). Insbesondere wurden die Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 6. März 2021, zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 7. März 2021 und zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 12. März 2021 wirksam verkündet (vgl. Senatsbeschl. v. 15.3.2021 - 13 MN 103/21 -, juris Rn. 10 ff.).
b) Der Senat vermag auch keine materielle Rechtswidrigkeit dieser Regelung festzustellen.
aa) § 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 vom 30. Oktober 2020, zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. März 2021, verstößt nach Auffassung des Senats entgegen der Ansicht der Antragsteller nicht gegen § 28a IfSG.
In § 28a Abs. 3 IfSG heißt es unter anderem:
„„4Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen ist insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 je 100 000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen. 5Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. 6Bei Überschreitung eines Schwellenwertes von über 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind breit angelegte Schutzmaßnahmen zu ergreifen, die eine schnelle Abschwächung des Infektionsgeschehens erwarten lassen. 7Unterhalb eines Schwellenwertes von 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen kommen insbesondere Schutzmaßnahmen in Betracht, die die Kontrolle des Infektionsgeschehens unterstützen. 8Vor dem Überschreiten eines Schwellenwertes sind die in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen insbesondere bereits dann angezeigt, wenn die Infektionsdynamik eine Überschreitung des jeweiligen Schwellenwertes in absehbarer Zeit wahrscheinlich macht. 9Bei einer bundesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind bundesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben. 10Bei einer landesweiten Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen sind landesweit abgestimmte umfassende, auf eine effektive Eindämmung des Infektionsgeschehens abzielende Schutzmaßnahmen anzustreben. 11Nach Unterschreitung eines in den Sätzen 5 und 6 genannten Schwellenwertes können die in Bezug auf den jeweiligen Schwellenwert genannten Schutzmaßnahmen aufrechterhalten werden, soweit und solange dies zur Verhinderung der Verbreitung der Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) erforderlich ist.“
"Umfassende Schutzmaßnahmen" im Sinne dieser Vorschrift liegen nicht erst dann vor, wenn alle in § 28a Abs. 1 IfSG beispielhaft genannten Schutzmaßnahmen oder gar alle Lebensbereiche vollständig erfassende und jedwedes Handeln berührende staatliche Maßnahmen ergriffen worden sind. In Abgrenzung zu den "breit angelegten" Schutzmaßnahmen liegen "umfassende Schutzmaßnahmen" vielmehr schon dann vor, wenn sie zu "schwerwiegenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens" führen (so ausdrücklich Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, BT-Drs. 19/23944, S. 13 und 34 betreffend die zunächst vorgesehene Unterscheidung zwischen "schwerwiegenden Schutzmaßnahmen" und "stark einschränkenden Schutzmaßnahmen", die durch die nun in § 28a Abs. 3 IfSG Gesetz gewordenen Begrifflichkeiten aber nur redaktionell klargestellt werden sollte, vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 19/24334, S. 24 und 73). Diese Schwelle überschreiten die in der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Verbote und Beschränkungen unter Berücksichtigung ihrer flächendeckenden Anordnung, der mit ihnen verbundenen erheblichen Eingriffe in die Grundrechte der Normadressaten und der massiven negativen Auswirkungen für Dritte und auch die Allgemeinheit nach dem Dafürhalten des Senats ohne jeden Zweifel (vgl. Senatsbeschl. v. 11.3.2021 - 13 MN 70/21 -, juris Rn. 44.).
Auch der Bereich der Schulen wird in § 13 der Niedersächsischen Corona-Verordnung einer umfassenden Regelung unterworfen, die vom Grundsatz der Untersagung des Präsenzunterrichts ausgeht. Die dazu geltenden Ausnahmen sind Bestandteil dieser Regelung. Die Vorschrift enthält dabei ein fein austariertes System von Schließungen und Beschränkungen des Schulunterrichts und schulischer Veranstaltungen. Neben dem reinen Infektionsschutz berücksichtigt sie auch psychische und soziale Aspekte des Schulbesuchs jüngerer Jahrgänge sowie die geringe Effizienz des „Homeschoolings“ in diesem Bereich. An die Stelle der Schließung treten eine (eingeschränkte) Maskenpflicht und die Bildung geteilter und damit kleinerer Lerngruppen im Wechselunterricht, die personell möglichst unverändert bleiben sollen. Dies erfüllt die Voraussetzungen umfassender Maßnahmen auch für den Schulbereich und genügt damit auch der Pflicht zum Handeln nach § 28 a Abs. 3 Satz 5 lfSG. Entgegen der Auffassung der Antragsteller schreibt § 28a IfSG bei der Überschreitung bestimmter Inzidenzwerte keine konkreten Maßnahmen vor. Schon gar nicht ist dieser Bestimmung eine detaillierte Vorgabe für die Regelung einzelner Lebensbereiche im Pandemiefall zu entnehmen. Insbesondere kann dieser Vorschrift ein striktes Gebot zur Schließung aller Grundschulen ab einem bestimmten Inzidenzwert nicht entnommen werden. Es ist vor diesem Hintergrund - bei allem Streit über die Rolle der Schulen bei der Verbreitung der Pandemie - vertretbar, wenn weitere Einschränkungen von einer höheren (100er) Inzidenz abhängig gemacht werden und selbst bei Überschreitung dieser Marke die Grundschulen weiterhin geöffnet bleiben.
bb) Etwas anderes ergibt sich auch nicht bei Beachtung des Rechts der Antragsteller auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG).
Zwar ist das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.12.1951 - 1 BvR 220/51 -, juris Rn. 33), sondern umfasst es auch die Pflicht, sich schützend und fördernd vor das Leben der Einzelnen zu stellen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4.4.2006 - 1 BvR 518/02 -, BVerfGE 115, 320, 346 [BVerfG 04.04.2006 - 1 BvR 518/02] m.w.N.) sowie vor Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit und der Gesundheit zu schützen (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 - 1 BvR 3262/07 -, BVerfGE 121, 317, 356 m.w.N.). Doch kommt dem Gesetzgeber auch dann, wenn er dem Grunde nach verpflichtet ist, Maßnahmen zum Schutz eines Rechtsguts zu ergreifen, ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.7.2016 - 1 BvL 8/15 -, 142, 313, 337 f. m.w.N.). Was konkret zu tun ist, um Grundrechtsschutz zu gewährleisten, hängt von vielen Faktoren ab, im Besonderen von der Eigenart des Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der hier betroffenen Rechtsgüter (vgl. zuletzt BVerfG, Beschl. v. 12.5.2020 - 1 BvR 1027/20, juris Rn. 6 f., Urt. v. 26.2.2020 - 2 BvR 2347/15 -, juris Rn. 224 m.w.N.). Die Verletzung dieser Schutzpflicht kann nur dann festgestellt werden, wenn Schutzvorkehrungen entweder überhaupt nicht getroffen sind, wenn die getroffenen Regelungen und Maßnahmen offensichtlich ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder wenn sie erheblich hinter dem Schutzziel zurückbleiben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.7.2016 - 1 BvL 8/15 -, BVerfGE 142, 313, 337 f. m.w.N.).
Der Einzelne kann insbesondere keine - zur Pandemiebekämpfung gewiss besonders effektive - soziale Isolation möglichst weiter Teile der Bevölkerung - hier der Grundschüler - verlangen. Die Verfassung gebietet keinen vollkommenen Schutz vor jeglicher Gesundheitsgefahr (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.5.2020 - 1 BvR 1027/20 -, juris Rn. 6 f.); dies gilt in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie umso mehr, als ein „gewisses Infektionsrisiko mit dem Corona-Virus derzeit für die Gesamtbevölkerung zum allgemeinen Lebensrisiko gehört“ (BVerfG, Beschl. v. 19.5.2020 - 2 BvR 483/20 -, juris Rn. 9; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 18.9.2020 - 1 S 2831 -, juris Rn. 10; BGH, Beschl. v. 17.11.2020 - 3 Ars 14/20 -, juris Rn. 17). Zudem sind einzelne Schutzmaßnahmen als Bestandteil einer Summe von Einzelmaßnahmen nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit oder Situation zu beurteilen, sondern auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 5.11.2020 - 6 B 11353/20 -, BeckRS 2020, 30986 Rn. 10 m. w. N.). Die Schulbesuchspflicht als „ein Kernstück“ des Bildungsauftrags des Staates aus Art. 7 Abs. 1 GG durfte der Verordnungsgeber daher in seine Gesamtabwägung einstellen (vgl. hierzu auch VG Braunschweig, Beschl. v. 8.10.2020 - 6 B 187/20 -, juris Rn. 35 m. w. N.). Durch seine in den §§ 63 ff. NSchG getroffene Grundentscheidung für den Präsenzunterricht - und solange er durch ein umfassendes und effektives Hygienekonzept begleitet wird - trägt das Land dem ebenfalls verfassungsmäßigen Grundsatz Rechnung, dass nur durch die unter bestimmten Bedingungen zugelassene soziale Interaktion auch anderen grundrechtlich geschützten Freiheiten Rechnung getragen werden kann (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 20.11.2020 - 2 B 11333/20 -, juris Rn. 10).
cc) Das Grundprinzip des Präsenzunterrichts setzt sich auch gegen das in Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG garantierte Elternrecht durch. Im Handlungsfeld des öffentlichen Schulwesens stößt das elterliche Erziehungsrecht auf den in Art. 7 Abs. 1 GG verankerten staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag. Art. 7 Abs. 1 GG vermittelt dem Staat Befugnisse zur Planung, Organisation, Leitung und inhaltlich-didaktischen Ausgestaltung des öffentlichen Schulwesens, seiner Ausbildungsgänge sowie des dort erteilten Unterrichts (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 8.10.1997 - 1 BvR 9/97 -, BVerfGE 96, 288, 303; BVerwG, Urt. v. 17.6.1998 - BVerwG 6 C 11.97 -, BVerwGE 107, 75, 78 u. v. 11.9.2013 – BVerwG 6 C 25.12 -, juris Rn. 11). Der Staat verfügt danach über eine umfassende Schulgestaltungsmacht in organisatorischer wie inhaltlicher Hinsicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.4.2014 – BVerwG 6 C 11.13 -, juris Rn. 13). Dadurch ist geklärt, dass das Elternrecht innerhalb der Schulpflicht zur Entfaltung kommt, sich aber grundsätzlich nicht gegen die Schulpflicht durchsetzen kann. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass der staatliche Erziehungsauftrag nicht nur auf Wissensvermittlung, sondern auch auf die Herausbildung sozialer und staatsbürgerlicher Kompetenz zielt. Die Schule soll neben der Vermittlung von Fachwissen auch der sozial-emotionalen Entwicklung der Schüler, der Einübung ihrer Interaktionsfähigkeit mit anderen, der Förderung der Adaptionsmöglichkeit an neue Situationen, dem Erwerb eines Sozialverhaltens in Konfliktsituationen sowie der Entwicklung eines gefestigten Selbstbewusstseins dienen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 8.5.2008 – BVerwG 6 B 65.07 –, juris Rn. 4). Im Hinblick auf diese Ziele kann die Einschätzung, die bloße staatliche Kontrolle über häuslichen Unterricht sei weniger wirksam als der regelmäßige Besuch einer öffentlichen Schule, nicht als rechtsfehlerhaft angesehen werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.10.2009 – BVerwG 6 B 27.09 -, juris Rn. 2, 5 m. w. N).
Dies gilt auch im Hinblick auf die durch die Corona-Pandemie hervorgerufenen Gesundheitsgefahren. Für die niedersächsischen Schulen besteht mit § 13 der Corona-Verordnung und dem „Niedersächsischen Rahmen-Hygieneplan Corona Schulen“, Version 4.2, Stand 8. Januar 2021, ein ausführliches Hygiene-Konzept. Dieses (Wechselunterricht in kleinen festen Gruppen, regelmäßiges Lüften, (eingeschränkte) Maskenpflicht, Handhygiene) ist nicht offensichtlich ungeeignet, die Gesundheitsgefahren für die Schüler und ihre Angehörigen zu minimieren. Wie bei der Gestaltung des Unterrichtsinhalts kann sich die Auffassung einzelner Eltern daher grundsätzlich nicht gegen die für alle Schüler geltenden Regelungen durchsetzen. Etwaige Bedenken rechtfertigen aus den oben genannten Gründen auch kein Fernhalten der Kinder vom Schulbesuch. Allerdings steht es den Antragstellern zu 1. und zu 2. frei, den Antragsteller zu 3. nicht mit den von ihnen kritisierten Stoffmasken, sondern mit höherwertigen Masken auszustatten und ihn zu veranlassen, diese dauerhaft zu tragen. Auch hat der Antragsgegner die Entwicklung der Ausbreitung des Virus, insbesondere im Hinblick auf die ansteckendere und auch jüngere Personengruppen treffende Variante B.1.1.7, genau zu beobachten und gegebenenfalls durch Verschärfung der Hygienemaßnahmen auch in der Primarstufe zu reagieren. Dabei dürfte die regelmäßige Testung der Schüler spätestens nach den Osterferien auch in Grundschulen geboten sein.
dd) Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass § 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 vom 30. Oktober 2020, zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. März 2021, mit dem die Schuljahrgänge 1 bis 4 von der Untersagung des Präsenzunterrichts in § 13 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung ausgenommen werden, gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt und den Antragsteller zu 3. in dem damit korrespondierenden Gleichheitsgrundrecht verletzt.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 - juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 - juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 - juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 - juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 - juris Rn. 79).
§ 13 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 vom 30. Oktober 2020, zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. März 2021, bewirkte zwar eine zeitweilige Ungleichbehandlung. Die dort (und die in den Nrn. 1, 2 und 4 der Regelung) genannten Schülerinnen und Schüler wurden von der Untersagung des Präsenzunterrichts nach § 13 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung ausgenommen, während gegenüber den in § 13 Abs. 1 Satz 3 der Verordnung genannten Schülerinnen und Schülern die Untersagung des Präsenzunterrichts bis zum 14. März 2021 (§ 13 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 der Verordnung) bzw. bis zum 21. März 2021 (§ 13 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 der Verordnung) fortgalt. Dieser Zustand ist am 22. März 2021 beendet worden, so dass es auf eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung nicht mehr ankommt (vgl. dazu Senatsbeschl. v. 30.4.2020 - 13 MN 131/20 -, juris u. v. 4.5.2020 - 13 MN 144/20 -, V. n.b.).
2. Schließlich überwiegen auch die von den Antragstellern geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe nicht.
Dabei erlangen die erörterten Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gestellten oder zu stellenden Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Normenkontrolleilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag in der Hauptsache noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn die angegriffene Norm erhebliche Grundrechtseingriffe bewirkt, sodass sich das Normenkontrolleilverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweist (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 -, juris Rn. 31).
Danach wiegt das Interesse der Antragsteller an einer einstweiligen Außervollzugsetzung der Verordnung für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens nicht schwer. Dieses Gewicht wird durch besondere individuelle Umstände nicht signifikant erhöht. Insbesondere der Antragsteller zu 3. ist durch die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts zwar einem etwas erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt. Die Antragsteller haben aber nicht ansatzweise aufgezeigt, dass sie zu einer Gruppe gehören, die besonderen Erkrankungsrisiken ausgesetzt ist (vgl. zu diesen Gruppen: Senatsbeschl. v. 14.4.2020
- 13 MN 63/20 -, juris Rn. 46 m.w.N.), oder dass wegen solcher besonderen Risiken nicht ausnahmsweise eine Befreiung vom Präsenzunterricht in Betracht kommen kann (vgl. hierzu insbesondere Ziff. 1. e) der Rundverfügung Nr. 10/21 des Regionalen Landesamtes für Schule und Bildung Osnabrück v. 6.3.2021).
Das danach geringe Interesse an einer einstweiligen Außervollzugsetzung wird von dem erheblichen öffentlichen Interesse überwogen, dem in Art. 7 Abs. 1 GG normierten staatlichen Erziehungsauftrag zur Durchsetzung zu verhelfen, welcher seinerseits nicht nur im durch Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Kindesinteresse, sondern ebenso im Allgemeininteresse liegt (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 15.10.2014 - 2 BvR 920/14 -, juris Rn. 16).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).