Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.01.2021, Az.: 13 MN 14/21
Betriebsschließung; Corona; Gastronomie; Normenkontrolleilantrag; Spielhallen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 21.01.2021
- Aktenzeichen
- 13 MN 14/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 71211
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 28 IfSG
- § 32 IfSG
- § 47 Abs 6 VwGO
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der sinngemäß gestellte Antrag der Antragsteller (Schriftsatz v. 14.1.2021, S. 3),
§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 6 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 368), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 8. Januar 2021 (Nds. GVBl. S. 3), vorläufig außer Vollzug zu setzen,
bleibt ohne Erfolg.
Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. "Doppelhypothese" die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).
Die hiernach bestehenden Voraussetzungen für eine vorläufige Außervollzugsetzung der streitgegenständlichen Verordnungsregelung sind nicht erfüllt. Der Senat vermag den Erfolg des in der Hauptsache (13 KN 13/21) gestellten Normenkontrollantrags derzeit nicht verlässlich abzuschätzen (1.). Die danach gebotene Folgenabwägung führt nicht dazu, dass die von den Antragstellern geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe überwiegen (2.).
1. Derzeit ist offen, ob § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 6 Niedersächsischen Corona-Verordnung, soweit danach Gastronomiebetriebe sowie Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnliche Einrichtungen für den Publikumsverkehr und Besuche geschlossen sind, im Hauptsacheverfahren für unwirksam zu erklären ist.
a. Dabei geht der Senat unter Zugrundelegung seiner bisherigen Rechtsprechung (vgl. zuletzt mit eingehender Begründung und weiteren Nachweisen etwa den Senatsbeschl. v. 5.1.2021 - 13 MN 582/20 -, Umdruck S. 4 ff.; v. 30.11.2020 - 13 MN 519/20 -, juris Rn. 26 ff.) und unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens (vgl. hierzu die Angaben im täglichen Situationsbericht des Robert Koch-Instituts unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html und des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/) weiterhin davon aus, dass die Niedersächsische Corona-Verordnung und die auf diese bezogenen Änderungsverordnungen auf einer tauglichen Rechtsgrundlage beruhen, formell rechtmäßig sind und hinsichtlich deren materieller Rechtmäßigkeit im Hinblick auf das "Ob" eines staatlichen Handelns keine durchgreifenden Bedenken bestehen. Auch sind die in § 10 Abs. 1, 1b und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Betriebsverbote und -beschränkungen mit Blick auf den Adressatenkreis dieser Regelungen und die Art der gewählten Schutzmaßnahme nicht zu beanstanden (vgl. hierzu im Einzelnen und mit näherer Begründung etwa die Senatsbeschlüsse
- v. 6.11.2020 - 13 MN 433/20 - (zur Schließung von Fitnessstudios nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),
- v. 6.11.2020 - 13 MN 411/20 - und v. 5.1.2021 - 13 MN 582/20 - (zur Schließung von Gastronomiebetrieben nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),
- v. 9.11.2020 - 13 MN 472/20 - (zur Schließung von Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnlichen Einrichtungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),
- v. 10.11.2020 - 13 MN 412/20 - (zur Schließung von Kosmetikstudios nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),
- v. 10.11.2020 - 13 MN 479/20 - (zur Schließung von Tattoostudios nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),
- v. 11.11.2020 - 13 MN 485/20 - (zur Schließung von Prostitutionsstätten nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 der Niedersächsischen Corona-Verordnung),
- v. 11.11.2020 - 13 MN 436/20 - (zu der gegenüber gewerblichen oder privaten Vermietern einer Ferienwohnung oder eines Ferienhauses in § 10 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung getroffenen Untersagung, Übernachtungsangebote zu touristischen Zwecken zu unterbreiten und das Übernachten zu touristischen Zwecken zu gestatten) und
- v. 20.11.2020 - 13 MN 516/20 - (zur Schließung von Sportanlagen für den Freizeit- und Amateursport nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 der Niedersächsischen Corona-Verordnung)
alle veröffentlicht in juris oder der kostenfrei zugänglichen Rechtsprechungsdatenbank der niedersächsischen Justiz unter www.rechtsprechung.niedersachsen.de).
Derzeit ist für den Senat aber nicht verlässlich festzustellen, ob die in § 10 Abs. 1, 1b und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Betriebsverbote und -beschränkungen - und damit auch die in diesem Verfahren streitgegenständliche Schließung von Gastronomiebetrieben sowie Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnlichen Einrichtungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung - in Gänze im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG objektiv notwendig sind.
(1) Zweifelsohne verfolgt der Verordnungsgeber weiterhin die legitimen Ziele (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -, juris Rn. 43), im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit eines und einer jeden die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden. Zur Vorbeugung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage sollen die Kontakte in der Bevölkerung drastisch reduziert werden, um das Infektionsgeschehen insgesamt zu verlangsamen und die Zahl der Neuinfektionen wieder in durch den öffentlichen Gesundheitsdienst nachverfolgbare Größenordnungen zu senken (vgl. hierzu auch die Angaben in der Begründung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und ihrer Änderungsverordnungen, Nds. GVBl. 2020, 411 ff., 457, 491 f. und 2021, 6 ff.). Diese Zielrichtung wahrt die besonderen Anforderungen des § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG (vgl. Senatsbeschl. v. 23.12.2020 - 13 MN 506/20 -, juris Rn. 61).
Fraglich ist aber, ob darüber hinaus für die Gesamtheit der in der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Schutzmaßnahmen die konkrete Erreichung einer 7-Tage-Inzidenz (Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) von genau 50 legitim ist.
Der Senat nimmt zur Kenntnis, dass ein maßgeblich inzidenzgesteuertes Vorgehen in § 28a Abs. 3 Sätze 4 ff. IfSG gesetzlich vorgesehen ist und eine 7-Tage-Inzidenz von höchstens 50 häufig als eine Größenordnung angesehen wird, bis zu welcher der öffentliche Gesundheitsdienst als zu einer effektiven Kontaktnachverfolgung fähig angesehen wird. Der Senat stellt auch nicht infrage, dass bei einer 7-Tage-Inzidenz von 50 in einem bestimmten Gebiet tatsächliche Anhaltspunkte für ein dynamisches Infektionsgeschehen und eine erhöhte Infektionswahrscheinlichkeit bestehen. Dies allein rechtfertigt es aber nicht ohne Weiteres, für alle Personen in einem solchen Gebiet eine einheitliche Gefahrenlage anzunehmen und diesen gegenüber unterschiedslos generalisierende infektionsschutzrechtliche Maßnahmen zu treffen. Vielmehr können vorhandene oder zumutbar zu ermittelnde tatsächliche Erkenntnisse zum Infektionsgeschehen in dem betroffenen Gebiet zu einer differenzierten Betrachtung und zu unterschiedlichen infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen zwingen, etwa bei zu lokalisierenden und klar eingrenzbaren Infektionsvorkommen (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschl. v. 15.10.2020 - 13 MN 371/20 -, juris Rn. 59; Bayerischer VGH, Beschl. v. 28.7.2020 - 20 NE 20.1609 -, juris Rn. 45; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.7.2020 - 13 B 940/20.NE -, juris Rn. 54 ff.).
Es bedarf zudem näherer Prüfung, die nur in einem Hauptsacheverfahren geleistet werden kann, ob die seit Pandemiebeginn angenommene 7-Tage-Inzidenz von 50 als Obergrenze für eine effektive Kontaktnachverfolgung durch den öffentlichen Gesundheitsdienst als sachlich gerechtfertigt angesehen werden kann. Hierin bestehen in verschiedener Richtung Zweifel. Zum einen ist fraglich, ob bis zu einer 7-Tage-Inzidenz von 50 die Kontaktnachverfolgung durch den öffentlichen Gesundheitsdienst wirklich umfassend gewährleistet ist. Schon angesichts bestehender rechtlicher Grenzen für die Tätigkeit des öffentlichen Gesundheitsdienstes dürfte eine lückenlose Kontaktnachverfolgung kaum möglich sein. Auch die Angaben des RKI zur Erforschung von Infektionsumfeldern (RKI, Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland, in: Epidemiologisches Bulletin v. 17.9.2020, S. 3 ff., veröffentlicht unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/38_20.pdf?__blob=publicationFile) nähren Zweifel. Denn hiernach war der öffentliche Gesundheitsdienst in der Zeit bis zum 11. August 2020 bei 7-Tage-Inzidenzen von deutlich unter 50 (vgl. RKI, COVID-19-Lagebericht v. 11.8.2020, a.a.O., S. 6) in der weit überwiegenden Zahl der Fälle nicht in der Lage, eine Infektion bis zu ihrem Ursprung zurückzuverfolgen und ein konkretes Infektionsumfeld festzustellen. Zum anderen ist die personelle und sachliche (etwa die Einführung des Systems SORMAS) Verstärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes während der Pandemie, die fraglos auch der Antragsgegner betrieben hat, zu berücksichtigen und zu klären, wie sich diese auf die Fähigkeit des öffentlichen Gesundheitsdiensts zur Kontaktnachverfolgung, die bereits ohne diese Verstärkung bei einer 7-Tage-Inzidenz von bis zu 50 angenommen wurde, ausgewirkt hat. Die sich danach ergebende tatsächliche Fähigkeit zur Kontaktnachverfolgung des öffentlichen Gesundheitsdiensts dürfte schließlich das weitere Vorgehen des Antragsgegners im Falle der Erreichung des Ziels einer 7-Tage-Inzidenz von 50 ganz maßgeblich bestimmen.
(2) Im Hinblick auf die verfolgten legitimen Ziele ist auch die Eignung der streitgegenständlichen Betriebsverbote und -beschränkungen gegeben. Denn angesichts der hohen Infektiosität und der Übertragungswege steht für den Senat außer Zweifel, dass Beschränkungen von Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen - vor allem in geschlossenen Räumen - geeignet sind, die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern (vgl. Senatsbeschl. v. 18.11.2020 - 13 MN 448/20 -, juris Rn. 81; v. 11.6.2020 - 13 MN 192/20 -, juris Rn. 52; siehe auch RKI, COVID-19-Lagebericht v. 20.1.2021, a.a.O, S. 2: „Menschenansammlungen – besonders in Innenräumen – sollten möglichst gemieden werden.“).
Der Senat sieht die Eignung - entgegen der Auffassung der Antragsteller - nicht durch einzelne Studien, die bei restriktiven nicht-pharmazeutischen Interventionen (NPIs) keine signifikanten Vorteile gegenüber weniger restriktiven NPIs finden konnten, in Frage gestellt. Die Antragsteller verkennen den Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung, wenn sie einzelne Publikationen zitieren, die sich kritisch mit der Wirksamkeit von ausgewählten Maßnahmen auseinandersetzen. Wissenschaftliche Erkenntnisse werden nicht dadurch gewonnen, dass von allen Seiten gleichförmige Paradigmen wiederholt werden, sondern dadurch, dass sich aus verschiedenen Beiträgen und Sichtweisen eine Synthese bildet (vgl. Senatsbeschl. v. 23.12.2020 - 13 MN 506/20 -, juris Rn. 80).
(3) Zweifelhaft ist aber, ob der Verordnungsgeber die in § 10 Abs. 1, 1b und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Betriebsverbote und -beschränkungen - und damit auch die in diesem Verfahren streitgegenständliche Schließung von Gastronomiebetrieben sowie Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnlichen Einrichtungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung - in Gänze noch für erforderlich halten darf.
(a) Es ist bei summarischer Prüfung nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass mildere, in ihrer Wirkung aber ähnlich effektive Mittel im Hinblick auf das tätigkeitsbezogene Infektionsgeschehen zur Verfügung stehen.
Der Vortrag der Antragsteller, es gebe keine Erkenntnisse dahingehend, dass in ihren Betrieben keine über das normale Maß hinausgehende Ansteckungsgefahr bestehe (Schriftsatz der Antragsteller v. 14.1.2021, S. 10), greift bereits deshalb zu kurz, weil ein normales Maß der Ansteckungsgefahr nicht Existiert. Darüber hinaus ist das Maß der Ansteckungsgefahr kaum nachweisbar. Belastbare Erkenntnisse zu einer mangelnden infektiologischen Relevanz des Geschehens in Gastronomie und Spielhallen ergeben sich insoweit auch nicht aus dem Bericht des RKI zum "Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland". Das RKI konnte in einer "Quellensuche" (Datenstand: 11. August 2020) von insgesamt 202.225 übermittelten Fällen nur 55.141 Fälle bestimmten Ausbruchsgeschehen zuordnen und feststellen, in welchen von 30 unterschiedlichen, verschiedenste Lebensbereiche erfassenden Infektionsumfeldern sich diese ereignet haben (vgl. RKI, Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland, in: Epidemiologisches Bulletin v. 17.9.2020, S. 3 ff., veröffentlicht unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/38_20.pdf?__blob=publicationFile). Diese nur eingeschränkte Erkenntnis bestätigt der Tägliche COVID-19-Lagebericht des RKI vom 19. Januar 2021, a.a.O., S. 11. Danach kann nur ein kleiner Teil der insgesamt gemeldeten COVID-19 Fälle einem Ausbruch zugeordnet werden. Für eine weit überwiegende Mehrheit der Fälle fehlen Informationen zur Infektionsquelle. Dabei ist zu beachten, dass Clustersituationen in anonymen Menschengruppen viel schwerer für das Gesundheitsamt erfassbar sind als in nicht-anonymen Menschengruppen.
Ein milderes, in seiner Wirkung aber ähnlich effektives Mittel dürfte - entgegen der Auffassung der Antragsteller (Schriftsatz der Antragsteller v. 14.1.2021, S. 11, 13) - auch nicht in den betrieblichen Hygienekonzepten zu sehen sein, wie sie bis zur Schließung durch die Niedersächsische Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 Anwendung gefunden haben. Der Senat verkennt nicht, dass die Inhaber der Betriebe erhebliche Arbeitskraft und finanzielle Mittel in die Umsetzung dieser Konzepte investiert haben. Ein regelmäßiges Vollzugsdefizit, dem - in gewissen Grenzen - durch verstärkte behördliche Kontrollen entgegengewirkt werden könnte (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 28.8.2020 - 13 MN 307/20 -, juris Rn. 32), ist nicht zu erkennen. Eine gewisse Wirksamkeit der Konzepte ist nicht zu leugnen, auch wenn diese mangels belastbarer tatsächlicher Erkenntnisse zum konkreten Infektionsumfeld nicht validiert werden kann. Angesichts der Infektionsdynamik, die sich ab Oktober 2020 trotz dieser flächendeckend in allen Betrieben mit Publikums- und Kundenverkehr angewendeten Konzepte entwickelt hat, ist aber nicht festzustellen, dass diese Konzepte infektionsschutzrechtlich eine vergleichbare Effektivität aufweisen wie die Betriebsschließungen (vgl. Senatsbeschl. v. 25.11.2020 - 13 MN 487/20 -, juris Rn. 85; v. 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -, juris Rn. 49).
Diese Annahme, dass die bisher angewendeten betrieblichen Hygienekonzepte nicht hinreichend effektiv waren, rechtfertigt aber nicht ohne Weiteres den Schluss, dass (verbesserte) betriebliche Hygienekonzepte von vorneherein nicht in der Lage sein könnten, eine im Hinblick auf die Verhinderung der Virusverbreitung ähnlich effektive Wirkung wie Betriebsschließungen zu entfalten. Hierfür wäre vielmehr zu ermitteln, welche - insbesondere über die Vorgaben in §§ 4 Abs. 2 und 10 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung hinausgehenden - Schutzmaßnahmen noch ergriffen und verhältnismäßig auch verbindlich normativ angeordnet werden und welche infektiologische Wirkung diese Maßnahmen, etwa bei einer versuchsweisen Öffnung (vgl. zu dieser Vorgehensweise: Senatsbeschl. v. 14.5.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 37), entfalten könnten. Diese Ermittlung ist - auch unter Berücksichtigung der von den Antragstellern in Bezug genommenen wissenschaftlichen Untersuchung - zwar in einem Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu leisten. Der Senat hält es aber nicht für ausgeschlossen, dass ein verbessertes betriebliches Hygienekonzept (etwa mit erhöhten Anforderungen an die von Beschäftigten und Kunden zu tragenden Mund-Nasen-Bedeckungen und die Gewährleistung der Einhaltung des Abstandsgebots vor und in den Ladengeschäften, weiteren Beschränkungen der Verkaufsfläche, Maßnahmen zur Kontaktdatennachverfolgung und technischen Maßnahmen zum Austausch oder zur Reinigung der Raumluft) einhergehend mit einer Verbesserung der staatlichen Überwachung und des Vollzugs angeordneter Schutzmaßnahmen als milderes, aber hinreichend effektives Mittel in Betracht kommen kann. Das gegen eine Erhöhung der derzeit nach § 3 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung geltenden Anforderungen an zu tragende Mund-Nasen-Bedeckungen gerichtete Argument
des Antragsgegners, das Tragen etwa einer FFP2-Maske biete "kein messbares Mehr an Schutz", vermag der Senat kaum nachzuvollziehen. Denn anders als die den Anforderungen des
§ 3 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung genügende Mund-Nasen-Bedeckung führt die als persönliche Schutzausrüstung zugelassene und zertifizierte filtrierende Halbmaske bei ordnungsgemäßer Anwendung nicht nur zu einer Reduzierung des Atemstroms und des Speichel-, Schleim- und Tröpfchenauswurfs bei dem Träger, sondern bietet einen Eigen- und Fremdschutz sogar vor Aerosolen (vgl. die Hinweise des BfArM zur Verwendung von Mund-Nasen-Bedeckungen, medizinischen Gesichtsmasken sowie partikelfiltrierenden Halbmasken (FFP-Masken) unter www.bfarm.de/
SharedDocs/Risikoinformationen/Medizinprodukte/DE/schutzmasken.html?fbclid=IwAR2U0ZYUJgoUOgoohWmyyNQ29le2x2sx-US9D_c5ZAnXDxQhCbfpZw95hmA,
Stand: 19.1.2021).
(b) Ebenso ist bei summarischer Prüfung nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass mildere, in ihrer Wirkung aber ähnlich effektive Mittel im Hinblick auf das gebietsbezogene Infektionsgeschehen ergriffen werden können.
Dabei stellt der Senat nicht in Abrede, dass der Verordnungsgeber die Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Betriebsverbote und -beschränkungen - anders als bei den zuvor angeordneten Beherbergungsverboten (vgl. Senatsbeschl. v. 15.10.2020 - 13 MN 371/20 -, juris Rn. 59) und Sperrzeiten im Gastronomiebereich (vgl. Senatsbeschl. v. 29.10.2020 - 13 MN 393/20 -, juris Rn. 57) - nicht nur anhand der 7-Tage-Inzidenz, also der Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen, beurteilt, sondern, wie in dem von der Niedersächsischen Landesregierung erstellten "Handlungskonzept zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens in der COVID 19 Pandemie" (veröffentlicht unter: www.stk.niedersachsen.de/startseite/presseinformationen/vorsorgliches-handlungskonzept-zur-bekampfung-eines-gegebenenfalls-weiter-ansteigenden-infektionsgeschehens-in-der-covid-19-pandemie-193263.html, Stand: 5.10.2020) vorgesehen, auch alle anderen für das Infektionsgeschehen relevanten Umstände in seine Bewertung einbezogen hat (vgl. zu dieser Verpflichtung zuletzt: Senatsbeschl. v. 29.10.2020
- 13 MN 393/20 -, juris Rn. 57). Diese Bewertung als solche rechtfertigt es auch noch, landesweit einheitliche infektionsschützende Maßnahmen zu ergreifen. Landesweit beträgt die 7-Tage-Inzidenz etwa 100. Der weit überwiegende Teil der Landkreise und kreisfreien Städte weist eine 7-Tage-Inzidenz von mehr als 50 auf. Hinzu kommt ein landesweit diffuses Infektionsgeschehen. Auch wenn es deutliche regionale Unterschiede in der Verteilung gibt, steigen die Zahlen von Neuinfektionen flächendeckend an und sind die Ausbruchsgeschehen weit überwiegend keinen bestimmten Ereignissen oder Örtlichkeiten mehr zuzuordnen. Die örtlichen Gesundheitsämter sind trotz personeller Verstärkung häufig nicht mehr in der Lage, Infektionsketten nachzuverfolgen. Die Zahl infizierter und erkrankter Menschen, die älter als 60 Jahre sind und die ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, ist deutlich angestiegen. Auch die Sterbefallzahlen und die Auslastung medizinischer und insbesondere intensivmedizinischer Kapazitäten befinden sich weiterhin auf hohem Niveau, wobei der Antragsgegner seine Maßnahmen nicht erst dann treffen darf, wenn diese (nahezu) erschöpft sind (vgl. hierzu im Einzelnen die Angaben des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes unter https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/ und des RKI im täglichen Lagebericht unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html?nn=13490888).
Der angesichts dieser im Oktober 2020 einsetzenden Entwicklung vom Antragsgegner mit der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 vollzogene Strategiewechsel weg von bis dahin bloßen Betriebsbeschränkungen hin zu weitreichenden flächendeckenden Betriebsverboten und ergänzenden Betriebsbeschränkungen durfte als verlässliches effektives Mittel auch für erforderlich erachtet werden (vgl. Senatsbeschl. v. 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -, juris Rn. 52).
Zweifelhaft erscheint aber, ob der Antragsgegner diese nun bereits mehrere Monate andauernde Entwicklung des Infektionsgeschehens durch in erster Linie bloße Verlängerungen der Geltungsdauer und teilweise Ausdehnung der Betriebsverbote und -beschränkungen begleiten darf. Auch wenn insoweit eine abschließende Sachaufklärung im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes von Amts wegen nicht geboten ist und daher eine abschließende Bewertung dieser Frage derzeit nicht erfolgen kann, erscheint es bei summarischer Prüfung nicht schlechthin abwegig, dass dem Verordnungsgeber mildere, zur Erreichung aller verfolgten legitimen Ziele aber durchaus ähnlich effektive Mittel im Hinblick auf das gesamte gebietsbezogene Infektionsgeschehen zur Verfügung stehen könnten.
Dies betrifft zunächst die Verstärkung von Schutzmaßnahmen für besonders schutzbedürftige (Risiko-)Gruppen von Personen. Zwar ist dem Antragsgegner insoweit zuzugestehen, dass angesichts der Größe, Heterogenität, Verteilung in der Bevölkerung und der bisher nur begrenzt möglichen Konkretisierung dieser Gruppen die tatsächliche Umsetzung solcher Schutzmaßnahmen und deren Effektivität kaum verlässlich einzuschätzen ist (so auch Senatsbeschl. v. 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -, juris Rn. 54). Nach einer Konkretisierung der weitgehend konturlosen Definition von (Hoch-)Risikogruppen (vgl. die Darstellung unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikogruppen.HTML, Stand: 29.10.2020 (Sic !)) dürfte es aber durchaus im Bereich des Möglichen liegen, für diese durch eine Infektion mit SARS-CoV-2 und eine Erkrankung an COVID-19 besonders gefährdeten Gruppen, deren Schutz auch die bisherige allgemeine Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners dienen soll, spezielle Schutzmaßnahmen zu entwickeln und auch verbindlich anzuordnen. Dies betrifft etwa die in Heimen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen lebenden älteren Personen, für die auch der Antragsgegner einen erhöhten Schutzbedarf nicht infrage stellt, und zu deren Schutz anstelle der "Bereitstellung eines Muster-Hygienekonzepts" und der Nennung beispielsweise möglicher Schutzmaßnahmen deutlich konkretere Vorgaben möglich erscheinen, als sie bisher in § 14 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnet sind.
Dies betrifft aber auch die Verstärkung von Schutzmaßnahmen, die die gesamte Bevölkerung betreffen, etwa eine durchaus möglich erscheinende Ausweitung der Pflicht zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen und Erhöhung der derzeit nach § 3 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung geltenden Anforderungen an zu tragende Mund-Nasen-Bedeckungen in bestimmten Fallgestaltungen dahin, dass - ggf. ergänzt durch staatliche Unterstützung bei der Beschaffung - als persönliche Schutzausrüstung zugelassene partikelfiltrierende Schutzmasken zu tragen sind.
Dies betrifft schließlich aber auch Maßnahmen, die ein noch aktiveres Handeln staatlicher Stellen bei der Pandemiebekämpfung erfordern, etwa die Intensivierung der Erforschung von Infektionsumfeldern und die Effektivierung der Kontaktnachverfolgung, sowohl durch Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes als auch durch Verbesserung technischer Instrumente. Fraglos hat der Antragsgegner auch insoweit bereits ganz erhebliche Anstrengungen unternommen. Ein staatliches Handeln kann sicher auch nicht unbesehen personeller, sachlicher und finanzieller Ressourcen eingefordert werden. Verbesserungen, etwa betreffend die personelle Unterstützung der Gesundheitsämter durch den Einsatz von "MDK-Personal", "Containment-Scouts" und die Zurverfügungstellung von Landesbediensteten (erster Kabinettsbeschluss v. 19.10.2020 und Befristung bis zum 31.1.2021), die technische Ausstattung der Gesundheitsämter (Ausstattung von bisher 14 Gesundheitsämtern mit dem System SORMAS und tatsächliche Nutzung in 10 Gesundheitsämtern) und die finanzielle Unterstützung der Gesundheitsämter zum Zwecke der technischen Modernisierung (Verteilung der vom Bund in Höhe von 4,7 Mio. EUR für Niedersachsen bereitgestellten finanziellen Hilfen erst auf der Grundlage eines Erlasses "im ersten Quartal 2021" mit dem Ziel, "die Gesundheitsämter möglichst zügig in die Lage zu versetzen, ihre Aufgaben, insbesondere die Meldung und die Kontaktnachverfolgung gut und sicher zu erledigen", Schriftsatz des Antragsgegners v. 19.1.2021, S. 13 f.), die einen durchaus erheblichen Beitrag zur Bekämpfung der Pandemie im Land Niedersachsen leisten können, sind aber nicht völlig fernliegend.
(4) Die danach bestehenden Zweifel an der Erforderlichkeit setzen sich bei der Beurteilung der Angemessenheit der Betriebsverbote und -beschränkungen - und damit auch der in diesem Verfahren streitgegenständlichen Schließung von Gastronomiebetrieben sowie Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnlichen Einrichtungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung - fort.
Die Betriebsverbote und -beschränkungen greifen tief, während der seit März 2020 bestehenden Corona-Pandemie wiederholt und nun bereits über einen nicht unerheblichen Zeitraum in die Berufsausübungsfreiheit der Betriebsinhaber ein und machen ihnen die Berufsausübung nahezu unmöglich, erschweren sie aber jedenfalls ganz erheblich und dies nach einer Phase, in der sie erhebliche Arbeitskraft und finanzielle Mittel in die Umsetzung von infektionsschutzrechtlichen Hygienekonzepten investiert haben. Das Gewicht dieses "Sonderopfers" wird zwar dadurch gemildert, dass ihnen staatlicherseits Kompensationen für die zu erwartenden Umsatzausfälle in durchaus erheblichem Umfang in Aussicht gestellt worden sind (vgl. hierzu im Einzelnen zuletzt: Senatsbeschl. v. 5.1.2021 - 13 MN 582/20 -, Umdruck S. 8 f. m.w.N.). Die Wirkung dieser Kompensationen ist, etwa wegen den von den Antragstellern geschilderten (Schriftsatz v. 14.1.2021, S. 14) und allgemein bekannten Schwierigkeiten bei dem tatsächlichen Erhalt, aber begrenzt und nicht geeignet, die Eingriffswirkung vollständig zu beseitigen oder auf ein dauerhaft hinzunehmendes Maß zu reduzieren. Hinzu kommt mit zunehmender Dauer der streitgegenständlichen Betriebsverbote und -beschränkungen eine Verfestigung des zwangsläufig geänderten Konsumverhaltens der Kunden, das auch bei Aufhebung der Betriebsverbote und -beschränkungen zu fortdauernden Beeinträchtigungen der betroffenen Betriebe führen wird. Angesichts dieser immer gewichtiger werdenden Nachteile für die betroffenen Betriebsinhaber, aber auch für die in den geschlossenen Betrieben Beschäftigten und die gesamte Volkswirtschaft ist für den Senat derzeit offen und bei summarischer Prüfung auch nicht abschließend zu klären, ob die streitgegenständlichen Betriebsverbote und -beschränkungen in Gänze noch angemessen und allein mit Blick auf die gravierenden, teils irreversiblen Folgen eines weiteren Anstiegs der Zahl von Ansteckungen und Erkrankungen für die zwar hochwertigen, aber verfassungsrechtlich nicht absolut geschützten Rechtsgüter Leib und Leben einer Vielzahl Betroffener sowie einer Überlastung des Gesundheitswesens weiterhin unverändert hinzunehmen sind.
b. Mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG dürften die streitgegenständliche Schließung von Gastronomiebetrieben sowie Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnlichen Einrichtungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung hingegen vereinbar sein.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich
zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 - juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 - juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 - juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 - juris Rn. 65;
Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 - juris Rn. 79).
Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020 - OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.3.2020 - 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 - 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62). Auch die Überprüfbarkeit der Einhaltung von Ge- und Verboten kann berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 9.6.2020 - 13 MN 211/20 -, juris Rn. 41).
Die von den Antragstellern in ihrem Antrag (Schriftsatz der Antragsteller v. 14.1.2021, S. 12, v. 20.1.2021, S. 7) hervorgehobene Ungleichbehandlung gegenüber den nicht geschlossenen religiösen Veranstaltungsorten ist mit Blick auf die durch Art. 4 Abs. 2 GG gewährleistete Religionsausübung sachlich gerechtfertigt (vgl. Senatsbeschl. v. 25.11.2020 - 13 MN 487/20 -, juris Rn. 97).
Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung sich nicht daraus ergeben kann, dass andere Länder von den niedersächsischen Anordnungen abweichende Schutzmaßnahmen getroffen haben. Voraussetzung für eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist, dass die Vergleichsfälle der gleichen Stelle zuzurechnen sind. Daran fehlt es, wenn die beiden Sachverhalte von zwei verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt gestaltet werden; der Gleichheitssatz bindet jeden Träger öffentlicher Gewalt allein in dessen Zuständigkeitsbereich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 -, BVerfGE 76, 1, 73 - juris Rn. 151 m.w.N.). Ein Land verletzt daher den Gleichheitssatz nicht deshalb, weil ein anderes Land den gleichen Sachverhalt anders behandelt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.5.2008 - 1 BvR 645/08 -, juris Rn. 22 m.w.N.).
2. Die wegen der danach offenen Erfolgsaussichten gebotene Folgenabwägung führt dazu, dass die von den Antragstellern geltend gemachten Gründe für die vorläufige Außervollzugsetzung und auch die Interessen Dritter oder der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe derzeit nicht überwiegen.
Würde der Senat die Schließung von Gastronomiebetrieben sowie Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnlichen Einrichtungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vollständig (vgl. zur Unzulässigkeit von Normergänzungen im Normenkontrollverfahren: Senatsbeschl. v. 14.5.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 5 m.w.N.) außer Vollzug setzen, bliebe der Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg, könnten die Antragsteller zwar vorübergehend die mit der Schutzmaßnahme verbundenen Beschränkungen für ihre Betriebe vermeiden. Ein ganz erheblicher Baustein der komplexen derzeitigen Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners würde aber in seiner Wirkung deutlich reduziert (vgl. zur Berücksichtigung dieses Aspekts in der Folgenabwägung: BVerfG, Beschl. v. 1.5.2020 - 1 BvQ 42/20 -, juris Rn. 10), und dies in einem Zeitpunkt eines weiterhin dynamischen und ernst zu nehmenden Infektionsgeschehens. Die Möglichkeit, eine geeignete und erforderliche Schutzmaßnahme zu ergreifen und so die Verbreitung der Infektionskrankheit zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350 - juris Rn. 119 m.w.N.), noch effektiver als bisher zu verhindern, bliebe hingegen zumindest zeitweise bis zu einer Reaktion des Verordnungsgebers (irreversibel) ungenutzt. Diese Reaktion des Verordnungsgebers erscheint auch kurzfristig kaum möglich, da sie, wie dargestellt (siehe oben I.1.a.(3)(a) und (b)), durchaus aufwändige Ermittlungen und Anstrengungen des Antragsgegners bei einer Prüfung und Realisierung von anderen oder ergänzenden Schutzmaßnahmen erfordert.
Würde hingegen die Schließung von Gastronomiebetrieben sowie Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnlichen Einrichtungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt, hätte der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache Erfolg, wären die Antragsteller vorübergehend zu Unrecht zur Befolgung der - für den Fall der Nichtbefolgung bußgeldbewehrten - Schutzmaßnahme verpflichtet und müssten ihre Betriebe weiterhin für den Publikumsverkehr und Besuche geschlossen halten. Der damit verbundene Eingriff in ihre grundrechtlich geschützte Berufsausübungsfreiheit würde, wie dargestellt (siehe oben I.1.a.(4)), weiter verfestigt. Auch wenn dies eine mögliche Unangemessenheit der Schutzmaßnahme nicht beseitigt, ist für die gerichtliche vorläufige Außervollzugsetzung doch von Belang, dass für Umsatzausfälle im Betrieb der Antragsteller staatlicherseits Kompensationen durchaus in Aussicht gestellt sind und dass für die im Betrieb der Antragsteller Beschäftigten staatliche Hilfeleistungen tatsächlich gewährt werden. Angesichts dessen erscheint die fortdauernde Schließung von Gastronomiebetrieben sowie Spielhallen, Spielbanken, Wettannahmestellen und ähnlichen Einrichtungen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 6 der Niedersächsischen Corona-Verordnung noch hinnehmbar. Denn ohne diese könnte sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der Erkrankung zahlreicher weiterer Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen auch nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen noch weiter erhöhen (vgl. zu dieser Gewichtung: BVerfG, Beschl. v 7.4.2020 - 1 BvR 755/20 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 28.4.2020 - 1 BvR 899/20 -, juris Rn. 12 f.).
In diese Folgenabwägung wird auch eingestellt, dass die Verordnung gemäß ihres § 20 Abs. 1 zeitlich befristet wurde. Damit ist sichergestellt, dass die Verordnung unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen der Corona-Pandemie fortgeschrieben werden muss. Hierbei hat der Antragsgegner – auch außerhalb der Konferenzen der Bundeskanzlerin mit dem Regierungschefinnen und -chefs der Länder bei jeder weiteren Fortschreibung der Verordnung - hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren relevanten Schließung zu untersuchen, ob es angesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet werden kann, die Betriebsverbote und -beschränkungen unter - notwendigenfalls strengen - Auflagen und gegebenenfalls nur versuchsweise wieder zu lockern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 28/20 -, juris Rn. 16).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO.
III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1, 39 Abs. 1 GKG. Es entspricht der ständigen Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO für jeden Antragsteller grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).