Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.05.2018, Az.: 13 LB 2/17

Änderung des Auslegungshorizonts i.R.d. Erteilung der Verpflichtungserklärung durch Unterzeichnung eines von der Ausländerbehörde verwendeten Vordrucks mit vorformulierten Erklärungen und Erläuterungen; Auslegung einer Verpflichtungserklärung zur Übernahme der Kosten für den Lebensunterhalt eines Asylsuchenden

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.05.2018
Aktenzeichen
13 LB 2/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 16095
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 09.09.2016

Fundstellen

  • AUAS 2018, 138-141
  • FuBW 2019, 60-63
  • FuNds 2019, 143-146
  • InfAuslR 2018, 332-335
  • ZAR 2018, 399-402

Amtlicher Leitsatz

Zur Auslegung einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG.

Inhalt und Reichweite einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG sind durch Auslegung anhand der objektiv erkennbaren Umstände zum Zeitpunkt der Unterzeichnung zu ermitteln. Maßgebend ist grundsätzlich der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger der Erklärung bei objektiver Würdigung verstehen musste. Dieser Auslegungshorizont ändert sich ausnahmsweise dann, wenn die Verpflichtungserklärung durch Unterzeichnung eines von der Ausländerbehörde verwendeten Vordrucks mit vorformulierten Erklärungen und Erläuterungen und gegebenenfalls maßgeblich von der Ausländerbehörde vorgenommenen Änderungen oder Ergänzungen erteilt wird. In diesem Fall ist darauf abzustellen, wie der Erklärende die Erklärung bei objektiver Würdigung verstehen durfte. Verbleiben insoweit Unklarheiten, gehen diese zu Lasten der den Vordruck verwendenden Ausländerbehörde.

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Einzelrichter der 4. Kammer - vom 9. September 2016 geändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2014 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Kosten, die der Beklagte für den Lebensunterhalt des iranischen Staatsangehörigen D. nach dem Asylbewerberleistungsgesetz im Zeitraum vom 7. September 2012 bis zum 31. Juli 2014 aufgewandt hat.

Unter dem 24. Oktober 2011 erteilte der Kläger auf einem amtlichen Vordruck (Bundesdruckerei Artikel-Nr. 10150) eine "Verpflichtungserklärung", die er unter dem 19. Dezember 2011 wegen Fehlern bei der Angabe des Namens und der Passnummer des Ausländers berichtigte. Mit dieser Erklärung verpflichtete er sich gegenüber der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Hannover für den iranischen Staatsangehörigen D., geboren am ... 1978 in Teheran, nach § 68 des Aufenthaltsgesetzes die Kosten für den Lebensunterhalt und nach §§ 66 und 67 des Aufenthaltsgesetzes die Kosten für die Ausreise zu tragen. Als Dauer der Verpflichtung gibt der amtliche Vordruck an "vom Beginn der voraussichtlichen Visumgültigkeit am ... bis zur Beendigung des Aufenthalts o.g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck". Diese Angabe wird ergänzt durch den maschinenschriftlich eingefügten Zusatz "gültig ab Ausstellungsdatum, Besuchseinreise".

Am 15. April 2012 erteilte die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Teheran Herrn D. ein vom 30. Mai 2012 bis zum 28. Juni 2012 gültiges Visum zu Besuchszwecken. Mit diesem Visum reiste er am 3. Juni 2012 in das Bundesgebiet ein. Hier stellte er am 21. Juni 2012 einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 27. Februar 2014 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge diesen Asylantrag ab, erkannte dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft und einen subsidiären Schutzstatus nicht zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf Iran nicht vorliegen. Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht Braunschweig mit Urteil vom 20. August 2014 ab. Am 18. Dezember 2014 reiste Herr D. freiwillig aus dem Bundesgebiet aus.

Der Beklagte gewährte Herrn D. antragsgemäß ab dem 7. September 2012 bis zum 31. Juli 2014 Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von insgesamt 7.633,64 EUR.

Nach Anhörung zog der Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 4. Juli 2014 zur Erstattung der Herrn D. gewährten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz heran und forderte ihn zur Zahlung in Höhe von 7.633,64 EUR auf. Zur Begründung machte der Beklagte geltend, der Kläger habe eine wirksame Verpflichtungserklärung abgegeben. Hiernach sei er verpflichtet, sämtliche öffentlichen Mittel, die für den Lebensunterhalt sowie für die Versorgung im Krankheitsfall und bei Pflegebedürftigkeit des Herrn D. aufgewendet worden seien, zu erstatten. Die Erstattung könne die öffentliche Stelle verlangen, welche die öffentlichen Mittel aufgewendet habe. Die Erstattungspflicht beschränke sich nicht auf die während der Gültigkeitsdauer des Besuchsvisums gewährten Leistungen, denn nach der Verpflichtungserklärung erstrecke sich die Verpflichtung auf den gesamten Zeitraum bis zur Ausreise oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels mit einem anderen Aufenthaltszweck. Der Kläger müsse daher auch die nach Beendigung des Besuchsaufenthalts während des Asylverfahrens gewährten Leistungen erstatten.

Der im Bescheid vom 4. Juli 2014 gegebenen Rechtsbehelfsbelehrung folgend legte der Kläger am 23. Juli 2014 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 28. Juli 2014 zurückgewiesen wurde.

Gemäß der im Widerspruchsbescheid erteilten Rechtsbehelfsbelehrung hat der Kläger am 10. September 2014 vor dem Sozialgericht Braunschweig Klage erhoben. Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht Braunschweig mit Beschluss vom 24. November 2014 - S 20 AY 17/14 - den Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das zuständige Verwaltungsgericht Braunschweig verwiesen. Dort ist das Verfahren seit dem 26. November 2014 anhängig.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, die Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu den Kosten des Lebensunterhalts eines Ausländers in § 68 des Aufenthaltsgesetzes sei verfassungswidrig. Derjenige, der eine Verpflichtungserklärung nach dieser Bestimmung abgebe, sei nicht in der Lage, den Eintritt, die Dauer und auch die Höhe der Zahlungspflicht zu beeinflussen oder auch nur zu erkennen. Dies verstoße gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot. Der Verpflichtete habe auch keine Möglichkeit, seine Haftung zu begrenzen. Allenfalls in einem nachgelagerten Vollstreckungsverfahren könne die Höhe der Erstattungspflicht gerichtlich überprüft werden. Dies verstoße gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes. Jedenfalls sei er nur zur Kostenerstattung für die Dauer der Gültigkeit des Besuchsvisums verpflichtet. Eine Verpflichtungserklärung nach § 68 des Aufenthaltsgesetzes erstrecke sich nur auf den Zeitraum der vorgesehenen Aufenthaltsdauer, denn sie diene nur dazu, die Voraussetzungen für die Erteilung eines bestimmten und einem konkreten Aufenthaltszweck dienenden Aufenthaltstitels zu schaffen. Hier sei nur ein Besuchsaufenthalt von 15 Tagen vorgesehen gewesen. Nur für diesen Besuchsaufenthalt sei ein Visum erteilt worden. Und nur für die Erteilung dieses Visums habe er die Verpflichtungserklärung abgegeben. Für ihn sei auch nicht erkennbar gewesen, dass ein über einen Besuch hinausgehender Aufenthaltszweck verfolgt worden sei oder sich die Verpflichtungserklärung auf solche anderen Aufenthaltszwecke erstrecke. Herr D. sei fest im Iran verwurzelt gewesen. Er sei Angestellter der Firma E., die für das iranische Energieministerium tätig sei, und dort in der Verwaltung für das Haushalts- und Finanzwesen zuständig. Im Iran lebten seine Ehefrau, eine gemeinsame zweijährige Tochter und sämtliche seiner sonstigen Angehörigen. Vor der Einreise in das Bundesgebiet habe er über ein nicht unerhebliches Vermögen verfügt. Seine Ehefrau habe zuletzt noch ein Einfamilienhaus in der Nähe Teherans erworben, das als Wohnsitz für die Familie gedacht gewesen sei. Wenn Herr D. sich entgegen dieser nach außen erkennbaren Umstände entschieden habe, einen anderen Aufenthaltszweck zu verfolgen und einen Asylantrag zu stellen, ende seine - des Klägers - Verpflichtung zur Erstattung der Lebensunterhaltskosten. Denn nicht nur der Aufenthaltszweck wechsele mit der Asylantragstellung, sondern auch die rechtliche Grundlage für den Aufenthalt im Bundesgebiet. Dieser sei zunächst aufgrund des erteilten Visums und später auf der Grundlage der asylrechtlichen Aufenthaltsgestattung rechtmäßig gewesen. Es sei auch widersprüchlich, die Verpflichtung von solchen Zweckwechseln unberührt lassen zu wollen. Denn die damit verbundene Unterstellung, der Ausländer habe bereits bei der Einreise zu Besuchszwecken auch einen anderen, dauerhaften Aufenthaltszweck verfolgt, hätte bereits bei der Visumerteilung berücksichtigt werden müssen und hätte dieser entgegengestanden. Seine Heranziehung zu den Kosten sei jedenfalls unverhältnismäßig und ermessensfehlerhaft. Der Beklagte habe keine Ermessenserwägungen angestellt. Er habe die unangemessen lange Verfahrensdauer bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und seine finanzielle Belastbarkeit nicht berücksichtigt. Auch habe er ihn erst sehr spät mit der Inanspruchnahme aus der Verpflichtungserklärung überhaupt konfrontiert und dadurch seiner Schadensminderungspflicht nicht genügt. Vielmehr habe er ihm so die Möglichkeit genommen, auf eine Reduzierung der Lebensunterhaltskosten hinzuwirken, etwa durch eine günstigere Unterbringung des Herrn D..

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juli 2014 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat seinen Bescheid verteidigt. Die vom Kläger abgegebene Verpflichtungserklärung sei wirksam. Mit der Formulierung "gültig ab Ausstellungsdatum, Besuchseinreise" sei nur der Beginn des für die Verpflichtung maßgeblichen Zeitraums bestimmt worden. Das Ende dieses Zeitraums ergebe sich aus dem Vordrucktext der Verpflichtungserklärung. Eine Beschränkung auf die Gültigkeitsdauer des Besuchsvisums sei hingegen nicht erfolgt. Hierzu hätte es konkreter Datumsangaben bedurft. Auch der Kläger habe diese Angaben bei objektiver Würdigung nicht anders verstehen dürfen. Die nach der Einreise zu Besuchszwecken erfolgte Asylantragstellung beende die Verpflichtung des Klägers nicht. Denn die Aufenthaltsgestattung sei kein "Aufenthaltstitel zu einem anderen Aufenthaltszweck" im Sinne des Vordrucktextes der Verpflichtungserklärung. Dem stehe auch die Subsidiarität der Gewährung der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz entgegen, der die Verpflichtung nach § 68 des Aufenthaltsgesetzes vorgehe. Besonderer Ermessenserwägungen habe es nicht bedurft. Die Heranziehung des Verpflichtungserklärenden sei der Regelfall. Anhaltspunkte für eine Ausnahme lägen hier nicht vor. Der Kläger sei als praktizierender Rechtsanwalt hinreichend kundig, um Inhalt und Folgen der Verpflichtungserklärung zu überblicken. Anhaltspunkte für eine mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit seien nicht gegeben. Eine frühere Information des Klägers über den Umfang seiner Heranziehung sei ihm - dem Beklagten - nicht möglich gewesen, da ihm die Verpflichtungserklärung erst im Mai 2014 von der Landeshauptstadt Hannover übersandt worden sei.

Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger mit Schreiben vom 24. November 2014 gegenüber dem Beklagten seine Verpflichtungserklärung widerrufen, hilfsweise mit sofortiger Wirkung gekündigt. Der Beklagte hat Widerruf und Kündigung mit Schreiben vom 27. November 2014 zurückgewiesen.

Das Verwaltungsgericht Braunschweig - Einzelrichter der 4. Kammer - hat die Klage mit Urteil vom 9. September 2016 abgewiesen. Es hat die Klage für zulässig, aber unbegründet erachtet. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Durchgreifende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage in § 68 des Aufenthaltsgesetzes bestünden nicht. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Haftung zeitlich begrenzt. Eine höhenmäßige Begrenzung der Haftung sei verfassungsrechtlich nicht erforderlich, da die Verpflichtung zur Kostenerstattung freiwillig eingegangen werde. Zudem bestehe die Möglichkeit, auf eine nachträgliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zu reagieren. So könne nach § 8 Abs. 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes Personen, die sechs Monate oder länger eine Verpflichtung nach § 68 Abs. 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes erfüllt hätten, ein monatlicher Zuschuss gewährt werden, wenn außergewöhnliche Umstände in der Person des Verpflichteten den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Darüber hinaus bestehe die Möglichkeit einer Reduzierung der Kostenschuld aus Verhältnismäßigkeitsgründen im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens. Der Bescheid sei auch formell und materiell rechtmäßig. Der Kläger habe die Verpflichtungserklärung wirksam abgegeben. Die eingegangene Verpflichtung zur Übernahme der Lebenshaltungskosten erfasse die hier streitigen Leistungen und insbesondere auch den hier maßgeblichen Leistungszeitraum. Die Auslegung der vom Kläger abgegebenen Erklärung zeige, dass er sich für einen Zeitraum beginnend mit der Ausstellung des Visums an Herrn D. und endend mit der Beendigung des Aufenthalts oder der Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck verpflichtet habe. Zwar sei in dem Erklärungsvordruck im Abschnitt "Dauer der Verpflichtung" maschinenschriftlich eingefügt worden "gültig ab Ausstellungsdatum; Besuchseinreise". Der Wortlaut spreche aber dafür, dass mit der maschinenschriftlichen Ergänzung nur der Beginn der Verpflichtung gegenüber dem im Vordruck vorgesehenen Zeitpunkt "vom Beginn der voraussichtlichen Visumgültigkeit am..." vorverlegt werden sollte. Hätte durch das Wort "Besuchseinreise" die Haftung des Klägers auf den Zeitraum der Gültigkeit des Herrn D. erteilten Visums eingeschränkt werden sollen, hätten die Beteiligten dies deutlicher zum Ausdruck gebracht. Üblicherweise werde an dieser Stelle ein konkreter Zeitraum eingetragen, in dem die Verpflichtung gelten solle. Ebenso deute das Wort "Besuchseinreise" darauf hin, dass hier der Zeitpunkt fixiert werden sollte, zu dem die Verpflichtung beginnen sollte. Andernfalls hätte es nahegelegen, das Wort "Besuchsaufenthalt" zu verwenden. Darüber hinaus sei es in der Praxis üblich, auf der zweiten Seite des Formulars links unten in dem Feld "Bemerkungen" Eintragungen zur Gültigkeitsdauer bzw. zu einem bestimmten Aufenthaltszweck, an den die Verpflichtung gebunden sein solle, vorzunehmen. Schließlich würde eine zeitliche Begrenzung dem gesamten übrigen Text des Formulars, der von den Beteiligten nicht verändert worden sei, widersprechen. Soweit der Kläger sich darauf berufe, er habe nicht absehen können, dass Herr D. nicht in den Iran zurückkehren würde, weil alle Umstände für eine Rückkehrbereitschaft gesprochen hätten, greife dieser Einwand nicht durch, weil der Kläger dem Formular hinreichend klar habe entnehmen können, in welchem Umfang er haften würde. Auch der Einwand des Klägers, er habe die Verpflichtungserklärung nur abgegeben, damit Herr D. ein Besuchsvisum mit einer Gültigkeitsdauer vom 30. Mai 2012 bis zum 28. Juni 2012 erhalten könne und deshalb könne seine Verpflichtung nicht über diesen Zeitraum hinausgehen, greife nicht durch. Denn die Geltungsdauer des mit Blick auf eine Verpflichtungserklärung erteilten Aufenthaltstitels habe grundsätzlich keine entscheidende Bedeutung für die Frage, für welchen Aufenthaltszweck und für welche Aufenthaltsdauer eine Verpflichtungserklärung gelten solle. Die für die Bestimmung des Aufenthaltszwecks maßgeblichen Tatsachen bestünden unabhängig davon, ob und gegebenenfalls auf welcher rechtlichen Grundlage und für welche Gültigkeitsdauer dem betreffenden Ausländer ein Aufenthaltstitel erteilt werde. Die Entgegennahme der und die Inanspruchnahme aus der Verpflichtungserklärung seien auch nicht unverhältnismäßig. Die Ausländerbehörde sei grundsätzlich nicht gehindert, die Verpflichtungserklärung eines Dritten ohne entsprechende Bonitätsprüfung entgegenzunehmen und der entsprechenden Visumerteilung zugrunde zu legen sowie in der Folge den Verpflichteten zur Erstattung gewährter öffentlicher Leistungen heranzuziehen. Besondere Umstände, die im konkreten Einzelfall eine abweichende Beurteilung gebieten könnten, seien nicht ersichtlich. Die Verpflichtung des Klägers zur Kostenerstattung sei auch nicht dadurch beendet worden, dass Herr D. am 21. Juni 2012 Asyl beantragt habe. Die gesetzliche Aufenthaltsgestattung sei kein Aufenthaltstitel im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes. Das Fortbestehen der Verpflichtung ergebe sich auch nach § 8 des Asylbewerberleistungsgesetzes, der als Ausdruck nur subsidiärer Leistungsgewährung notwendigerweise voraussetze, dass die vom Gesetzgeber ausdrücklich genannte Haftung aufgrund einer Verpflichtungserklärung nicht mit der Asylantragstellung des Ausländers ende. Die Verpflichtung des Klägers sei auch nicht durch seine Widerrufs- und Kündigungserklärung beendet worden. Ermessensfehler der Heranziehung des Klägers aufgrund seiner Verpflichtungserklärung bestünden nicht. Atypische Umstände im konkreten Einzelfall, die ein Absehen von der im Regelfall möglichen Inanspruchnahme aus einer Verpflichtungserklärung gebieten würden, lägen weder mit Blick auf den Zeitpunkt der Information des Klägers über seine Inanspruchnahme aus der Verpflichtungserklärung oder auf die Verfahrensdauer bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Klägers vor.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, die der Senat mit Beschluss vom 2. Januar 2017 - 13 LA 208/16 - wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zugelassen hat.

Zur Begründung seiner Berufung wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend macht er geltend, es sei widersprüchlich, die Möglichkeit einer unbegrenzten Haftung hinzunehmen und gleichzeitig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Verpflichteten zu unterstellen. Diesem Widerspruch könne nicht allein mit einem Hinweis auf die freiwillige Abgabe der Verpflichtungserklärung begegnet werden. § 68 des Aufenthaltsgesetzes sei auch deshalb verfassungswidrig, weil es dem Verpflichteten unmöglich sei, seine Verpflichtung durch einseitige Erklärung zu beenden. Das Gebot der Fairness und der Rechtsklarheit fordere eine solche Möglichkeit. Die von ihm abgegebene Verpflichtungserklärung beschränke sich zudem ausdrücklich auf die Dauer des Herrn D. erteilten Besuchsvisums. Soweit nach den individuellen Eintragungen im Vordruck der Verpflichtungserklärung hieran überhaupt noch Zweifel bestünden, gingen diese zu Lasten des Beklagten. Auch seine - des Klägers - Inanspruchnahme aus der Verpflichtungserklärung sei unverhältnismäßig, da der Beklagte seine finanzielle Leistungsfähigkeit nie geprüft und ihn erst sehr spät über die Herrn D. gewährten öffentlichen Leistungen informiert habe. Auch die ungewöhnlich lange Verfahrensdauer beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge habe berücksichtigt werden müssen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Einzelrichter der 4. Kammer - vom 9. September 2016 zu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2014 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 28. Juli 2014 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt den angefochtenen Bescheid und die erstinstanzliche Entscheidung. Die individuellen Angaben in der Verpflichtungserklärung seien entgegen der Auffassung des Klägers dahin zu verstehen, dass die Verpflichtung sich auf einen Zeitraum "gültig ab Ausstellungsdatum" der Erklärung erstrecke. Die weitere Angabe "Besuchseinreise" weise lediglich erläuternd auf den Einreisezweck hin, schränke den Umfang der Verpflichtungserklärung aber nicht ein. Jedes andere Verständnis liefe Sinn und Zweck der Verpflichtungserklärung zuwider. Der Vordruck sei auch so gestaltet, dass sich etwa eingefügte individuelle Angaben nur auf den Beginn des Verpflichtungszeitraums bezögen, dessen Ende aber stets erst mit der Beendigung des Aufenthalts oder mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck erreicht sei. Dieser Erklärungsinhalt müsse auch dem Kläger, einem im Ausländerrecht praktizierenden Rechtsanwalt, erkennbar gewesen sein. Die Inanspruchnahme des Klägers aus der von ihm abgegebenen Verpflichtungserklärung sei auch nicht unverhältnismäßig, zumal seitens der Landeshauptstadt Hannover vor Entgegennahme der Verpflichtungserklärung regelmäßig eine Bonitätsprüfung anhand aktueller Verdienstbescheinigungen erfolge und diese nur nicht zur Ausländerakte genommen würden. Die Originale der Verpflichtungserklärungen seien Anfang 2018 vernichtet worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2014 und der Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2014 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

A. Die Klage ist zulässig.

Der Zulässigkeit der Klage steht von vorneherein nicht entgegen, dass vor ihrer Erhebung ein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden ist. Die Durchführung eines Vorverfahrens war nach § 68 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO in Verbindung mit - dem zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 4. Juli 2014 (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Zeitpunktes: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 68 Rn. 35 (Stand: Oktober 2014)) noch geltenden - § 8a Abs. 1 des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zur Verwaltungsgerichtsordnung in der zuletzt durch Gesetz vom 25. November 2009 (Nds. GVBl. S. 437) geänderten Fassung nicht vorgesehen.

Die Erhebung der Klage am 10. September 2014 wahrt auch die Klagefrist. Denn aufgrund der unrichtig erteilten Rechtsbehelfsbelehrungen im Bescheid vom 4. Juli 2014, in dem unzutreffend auf die Möglichkeit der Einlegung eines Widerspruchs hingewiesen worden ist, und auch im Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2014, in dem unzutreffend die Eröffnung des Sozialrechtsweges dargestellt ist, gilt die Jahresfrist nach § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

B. Die Klage ist auch begründet.

I. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.1.2017 - BVerwG 1 C 10.16 -, BVerwGE 157, 208, 212 - juris Rn. 17 m.w.N.) und damit im vorliegenden Fall das Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG -) in der zuletzt durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechte von international Schutzberechtigten und ausländischen Arbeitnehmern vom 29. August 2013 (BGBl. I S. 3484, ber. S. 3899) geänderten Fassung.

II. Der Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2014 über die Heranziehung zu Kosten, die der Beklagte für den Lebensunterhalt des iranischen Staatsangehörigen D. nach dem Asylbewerberleistungsgesetz im Zeitraum vom 7. September 2012 bis zum 31. Juli 2014 aufgewandt hat, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Wer sich der Ausländerbehörde oder einer Auslandsvertretung gegenüber verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt eines Ausländers zu tragen, hat nach § 68 Abs. 1 Satz 1 AufenthG sämtliche öffentlichen Mittel zu erstatten, die für den Lebensunterhalt des Ausländers einschließlich der Versorgung mit Wohnraum und der Versorgung im Krankheitsfalle und bei Pflegebedürftigkeit aufgewendet werden, auch soweit die Aufwendungen auf einem gesetzlichen Anspruch des Ausländers beruhen. Aufwendungen, die auf einer Beitragsleistung beruhen, sind hiervon nach § 68 Abs. 1 Satz 2 AufenthG ausgenommen. Gemäß § 68 Abs. 2 Satz 1 AufenthG bedarf die Verpflichtung der Schriftform. Der Erstattungsanspruch steht nach § 68 Abs. 2 Satz 3 AufenthG der öffentlichen Stelle zu, die die öffentlichen Mittel aufgewendet hat. Diese Regelung setzt die Befugnis der erstattungsberechtigten Stelle voraus, den Erstattungsanspruch durch Verwaltungsakt (Leistungsbescheid) geltend zu machen (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.2.2014 - BVerwG 1 C 4.13 -, BVerwGE 149, 65, 68 - juris Rn. 8 m.w.N.).

Die hiernach maßgebliche Verpflichtungserklärung des Klägers vom 24. Oktober 2011, berichtigt am 19. Dezember 2011, bietet keine Grundlage für seine Heranziehung zu Kosten, die der Beklagte für den Lebensunterhalt des iranischen Staatsangehörigen D. nach dem Asylbewerberleistungsgesetz im Zeitraum vom 7. September 2012 bis zum 31. Juli 2014 aufgewandt hat (1.), jedenfalls aber ist die Heranziehung des Klägers auf Grundlage dieser Verpflichtungserklärung rechtswidrig (2.).

1. Die Verpflichtungserklärung zur Begründung eines entsprechenden Kostenerstattungsanspruches der Ausländerbehörde ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung; einer vertraglichen Vereinbarung bedarf es nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1998 - BVerwG 1 C 33.97 -, BVerwGE 108, 1, 5 - juris Rn. 26; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 8.12.2017 - 18 A 1197/16 -, juris Rn. 42; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 23.7.2015 - 7 A 11145/14 -, juris Rn. 23; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 5.7.2013 - 4 LC 317/11 -, juris Rn. 27; Bayerischer VGH, Urt. v. 26.4.2012
- 10 B 11.2838 -, juris Rn. 24; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 5.6.2007
- 11 LC 88/06 -, juris Rn. 6). Inhalt und Reichweite einer Verpflichtungserklärung, insbesondere für welchen Aufenthaltszweck und für welche Dauer sie gelten soll, sind durch Auslegung anhand der objektiv erkennbaren Umstände zum Zeitpunkt der Unterzeichnung zu ermitteln (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.1.2017, a.a.O., S. 216 ff. - juris Rn. 27 ff.; Urt. v. 24.11.1998, a.a.O., S. 6 f. - juris Rn. 34). Maßgebend ist grundsätzlich der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger der Erklärung bei objektiver Würdigung verstehen musste. Dieser Auslegungshorizont ändert sich ausnahmsweise dann, wenn die Verpflichtungserklärung durch Unterzeichnung eines von der Ausländerbehörde verwendeten Vordrucks mit vorformulierten Erklärungen und Erläuterungen und gegebenenfalls maßgeblich von der Ausländerbehörde vorgenommenen Änderungen oder Ergänzungen erteilt wird. In diesem Fall ist darauf abzustellen, wie der Erklärende die Erklärung bei objektiver Würdigung verstehen durfte. Verbleiben insoweit Unklarheiten, gehen diese zu Lasten der den Vordruck verwendenden Ausländerbehörde (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 12.7.2017 - 11 S 2338/16 -, juris Rn. 29; OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 7.8.2013 - 4 LB 14/12 -, juris Rn. 34; Bayerischer VGH, Urt. v. 26.4.2012, a.a.O., Rn. 26 f.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 5.6.2007, a.a.O., Rn. 6).

Unter Anwendung dieses Maßstabs hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass sich die Dauer der Verpflichtung im vorliegenden konkreten Einzelfall nur auf einen Zeitraum erstreckt, der mit der Ausstellung der Verpflichtungserklärung am 24. Oktober 2011 beginnt und jedenfalls mit dem Ablauf der Gültigkeitsdauer des Herrn D. erteilten Visums zu Besuchszwecken am 28. Juni 2012 endet.

Zwar enthält der von der Ausländerbehörde verwendete Vordruck unter "Dauer der Verpflichtung" die Angabe "vom Beginn der voraussichtlichen Visumgültigkeit am ... bis zur Beendigung des Aufenthalts o.g. Ausländers/in oder bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels zu einem anderen Aufenthaltszweck". Der Kläger hat aber mit dem - durch die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Hannover - maschinenschriftlich eingefügten Zusatz "gültig ab Ausstellungsdatum, Besuchseinreise" eine hiervon abweichende individuelle Dauer der Verpflichtung bestimmt.

Dies gilt zum einen für den Beginn des Verpflichtungszeitraums. Die Worte "gültig ab Ausstellungsdatum" sind - hierin besteht zwischen dem Kläger und der Landeshauptstadt Hannover, deren Ausländerbehörde die Erklärung formuliert und entgegen genommen hat, Einigkeit - dahin auszulegen, dass die Verpflichtung gegenüber dem im Erklärungsvordruck vorgesehenen Zeitpunkt "vom Beginn der voraussichtlichen Visumgültigkeit am ..." auf den Zeitpunkt der Ausstellung der Verpflichtungserklärung vorverlegt werden sollte.

Dies gilt zum anderen aber auch für das Ende des Verpflichtungszeitraums. Dem Beklagten ist zuzugeben, dass der individuelle Zusatz "Besuchseinreise" für sich genommen nur wenig aussagekräftig ist und allenfalls auf eine Beschreibung des Aufenthaltszwecks hindeutet. Die gebotene objektive Würdigung der zum Zeitpunkt der Unterzeichnung erkennbaren Umstände zeigt aber, dass der Empfänger der Erklärung, die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Hannover, die Angabe "Besuchseinreise" als individuelle Bestimmung des Endes des Verpflichtungszeitraums auf den Zeitpunkt des Ablaufs der Gültigkeitsdauer des Herrn D. erteilten Visums zu Besuchszwecken am 28. Juni 2012 verstehen musste und auch der Erklärende, der Kläger, die Angabe dahin verstehen durfte.

Dies folgt zunächst aus dem Umstand, dass die Angabe "Besuchseinreise" in der Rubrik "Dauer der Verpflichtung" des Erklärungsvordrucks erfolgte. Der Erklärungsvordruck unterscheidet zwischen den Rubriken "Dauer der Verpflichtung" (Seite 1 des Erklärungsvordrucks) und "Voraussichtliche Dauer des Aufenthalts" sowie "Zweck des Aufenthalts" (Seite 2 des Erklärungsvordrucks als Bestandteil der "Bemerkungen"). Nach dem vom Bundesministerium des Innern herausgegebenen bundeseinheitlichen Merkblatt zur Verwendung des bundeseinheitlichen Formulars der Verpflichtungserklärung zu § 68 i.V.m. § 66 und § 67 AufenthG - M I 3 - 125 101 - 68/1 - (Stand: Oktober 2009), dort Nr. 5 "Gültigkeitsdauer", dienen Eintragungen in den Rubriken "Voraussichtliche Dauer des Aufenthalts" sowie "Zweck des Aufenthalts" der Information der Auslandsvertretung für die Visumerteilung und sind für die Dauer der Verpflichtung regelmäßig ohne Bedeutung (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.11.1998, a.a.O., S. 8 f. - juris Rn. 33 f.; Senatsurt. v. 13.11.2013 - 13 LC 197/11 -, juris Rn. 33). Angaben in der Rubrik "Dauer der Verpflichtung" sollen hingegen den im Erklärungsvordruck durch die Angabe "..." offengehaltenen Beginn des Verpflichtungszeitraums konkretisieren oder einen vom Erklärenden individuell bestimmten, konkreten Zeitraum für die Aufrechterhaltung seiner Verpflichtung dokumentieren. Daraus, dass die Angabe "Besuchseinreise" hier nicht in den Rubriken "Voraussichtliche Dauer des Aufenthalts" sowie "Zweck des Aufenthalts" auf Seite 2 des Erklärungsvordrucks erfolgte, muss darauf geschlossen werden, dass sich die Angabe nicht in einer bloßen Information der Auslandsvertretung über den beabsichtigten Aufenthaltszweck und die voraussichtliche Aufenthaltsdauer erschöpft. Ihre Aufnahme gerade in die Rubrik "Dauer der Verpflichtung" zeigt vielmehr, dass der Angabe eine Bedeutung für die Bestimmung des Verpflichtungszeitraums zukommen sollte, wie dies für die weitere Angabe "gültig ab Ausstellungsdatum" zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist. Da der Beginn des Verpflichtungszeitraums bereits individuell auf den Zeitpunkt der Ausstellung der Verpflichtungserklärung am 24. Oktober 2011 festgelegt worden war und insoweit keiner weiteren Erläuterung bedurfte, kann der Angabe nur eine Bedeutung für die Bestimmung des Endes des Verpflichtungszeitraums zukommen. Objektiv ist dieses mit der Gültigkeitsdauer des aufgrund der Verpflichtungserklärung erteilten Visums zu Besuchszwecken beschrieben.

Diese Auslegung findet Bestätigung in dem Umstand, dass der sich verpflichtende Kläger gegenüber der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Hannover seine finanzielle Leistungsfähigkeit weder nachweisen noch glaubhaft machen musste. Dass eine solche Bonitätsprüfung tatsächlich nicht erfolgt ist, ergibt sich zur Überzeugung des Senats bereits aus der Verpflichtungserklärung vom 24. Oktober 2011, berichtigt am 19. Dezember 2011, selbst. Dort sind auf Seite 2 in der Rubrik "Stellungnahme der Ausländerbehörde/Auslandsvertretung" mit dem Vordrucktext "Die finanzielle Leistungsfähigkeit des/der Verpflichtungserklärenden wurde" die Kästchen "nicht glaubhaft gemacht" und "nicht nachgewiesen" angekreuzt. Die so abgegebene Stellungnahme ist paraphiert und mit einem Dienstsiegel der Landeshauptstadt Hannover versehen. Dem folgend ist auch die Deutsche Botschaft in Teheran im Visumverfahren ausdrücklich davon ausgegangen, dass die finanzielle Leistungsfähigkeit des Klägers von der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Hannover nicht überprüft worden ist (vgl. Schreiben v. 15.3.2012, Blatt 118 der Beiakte 2). Angesichts dieser Umstände sieht der Senat keine weitere Veranlassung für eine amtswegige Sachaufklärung, etwa durch zeugenschaftliche Vernehmung der Mitarbeiterin der Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Hannover, Frau F., zumal diese in den vorbereitenden Schriftsätzen stets nur ausgeführt hat, dass dies regelmäßig, nicht aber dass dies auch im konkreten Einzelfall geschehen ist. Die danach mangelnde Prüfung der finanziellen Leistungsfähigkeit durch die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Hannover bestätigt, dass auch diese nicht nur von einem konkreten, sondern von einem überschaubaren, kurzen Verpflichtungszeitraum ausgegangen ist und dass der Kläger in diesem kurzen Zeitraum der Gültigkeitsdauer des aufgrund der Verpflichtungserklärung erteilten Visums zu Besuchszwecken etwa entstehende finanzielle Verpflichtungen ohne Weiteres wird erfüllen können. Gleiches gilt mit Blick auf die visumerteilende Auslandsvertretung, welche die mangelnde Bonitätsprüfung erkannt, diese aber gleichwohl nicht beanstandet (vgl. zur grundsätzlichen Unbeachtlichkeit einer ohne Bonitätsprüfung erteilten Verpflichtungserklärung: vgl. BMI, Bundeseinheitliches Merkblatt zur Verwendung des bundeseinheitlichen Formulars der Verpflichtungserklärung zu § 68 i.V.m. § 66 und § 67 AufenthG - M I 3 - 125 101 - 68/1 - (Stand: Oktober 2009), dort Nrn. 3 "Bonitätsprüfung" und 3.1 "Prüfungsmaßstab"), sondern auch mit Blick auf die beabsichtigte kurze Aufenthaltsdauer des Ausländers das beantragte Visum erteilt hat.

Diesem Auslegungsergebnis steht - anders als es die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Hannover (E-Mail v. 6.3.2017, Blatt 145 der Gerichtsakte) meint - schließlich nicht entgegen, dass durch eine individuelle Bestimmung eines konkreten Verpflichtungszeitraums der Zweck einer Verpflichtungserklärung verfehlt würde. Vielmehr ist eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG gerade darauf gerichtet, für einen konkret festgelegten Zeitraum eine finanzielle Belastung des Staates durch die Einreise und den Aufenthalt des betroffenen Ausländers (weitgehend) auszuschließen. Der konkrete Zeitraum, für den die Verpflichtung übernommen wird, ist anhand der erteilten Verpflichtungserklärung und durch deren Auslegung zu ermitteln (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.1.2017, a.a.O., S. 218 - juris Rn. 32).

Erstreckt sich die vom Kläger erteilte Verpflichtungserklärung danach nur auf einen Zeitraum, der mit der Ausstellung der Verpflichtungserklärung am 24. Oktober 2011 beginnt und jedenfalls mit dem Ablauf der Gültigkeitsdauer des Herrn D. erteilten Visums zu Besuchszwecken am 28. Juni 2012 endet, erfasst sie die hier Herrn D. im Zeitraum zwischen dem 7. September 2012 und dem 31. Juli 2014 gewährten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von insgesamt 7.633,64 EUR nicht und bietet daher von vorneherein keine Grundlage für die Heranziehung des Klägers zu diesen Kosten.

2. Selbst dann, wenn die vom Kläger erteilte Verpflichtungserklärung die zu 1. dargestellte konkrete zeitliche Beschränkung nicht beinhaltet und sie deshalb Grundlage für eine Heranziehung des Klägers zu den Kosten für die Herrn D. im Zeitraum zwischen dem 7. September 2012 und dem 31. Juli 2014 gewährten Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Höhe von insgesamt 7.633,64 EUR sein kann, erweist sich der Bescheid des Beklagten vom 4. Juli 2014 gleichwohl als rechtswidrig. Denn der Beklagte hat die im vorliegenden Fall erforderliche Ermessensentscheidung nicht getroffen.

Der aus einer Erklärung nach § 68 AufenthG Verpflichtete ist zwar im Regelfall zur Erstattung heranzuziehen, ohne dass es dahingehender Ermessenserwägungen bedarf. Ein Regelfall liegt vor, wenn die Voraussetzungen der Aufenthaltsgenehmigung einschließlich der finanziellen Leistungsfähigkeit des Verpflichteten im Verwaltungsverfahren geprüft worden sind und nichts dafür spricht, dass die Heranziehung zu einer unzumutbaren Belastung führen könnte. Hingegen hat die erstattungsberechtigte Stelle bei atypischen Gegebenheiten im Wege des Ermessens zu entscheiden, in welchem Umfang der Anspruch geltend gemacht wird und welche Zahlungserleichterungen dem Verpflichteten gegebenenfalls eingeräumt werden. Wann in diesem Sinne ein Ausnahmefall vorliegt, ist anhand einer wertenden Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden und unterliegt voller gerichtlicher Nachprüfung (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.2.2014, a.a.O., S. 73 - juris Rn. 16 m.w.N.).

Hier ist ein atypischer Fall gegeben, der ausnahmsweise eine Ermessensentscheidung über die Heranziehung auf Grundlage der Verpflichtungserklärung erforderte. Die Atypik ergibt sich schon daraus, dass die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt Hannover die finanzielle Leistungsfähigkeit des sich verpflichtenden Klägers nicht überprüft hat (siehe oben B.II.1.).

Die danach erforderliche Ermessensentscheidung über die Heranziehung des Klägers auf Grundlage der Verpflichtungserklärung hat der Beklagte nicht getroffen. Im angefochtenen Bescheid vom 4. Juli 2014 - und auch im Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2014 - finden sich keinerlei Erwägungen, die erkennen lassen, dass der Beklagte die Notwendigkeit einer Ermessensentscheidung erkannt und das ihm zukommende Ermessen betätigt hat. Die daraus folgende Ermessensfehlerhaftigkeit im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO konnte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch eine Nachholung von Ermessenserwägungen nicht geheilt werden. § 114 Satz 2 VwGO schafft die prozessualen Voraussetzungen lediglich dafür, dass die Behörde defizitäre Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen kann, nicht hingegen dafür, dass sie ihr Ermessen nachträglich erstmals ausübt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.7.2013 - BVerwG 9 B 30.13 -, juris Rn. 8; Urt. v. 5.9.2006 - BVerwG 1 C 20.05 -, juris Rn. 22 m.w.N.).

III. Auch der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 28. Juli 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Widerspruchsbescheid ist schon deshalb rechtswidrig, weil mit ihm trotz des nicht statthaften Widerspruchs des Klägers (siehe oben A.) eine Sachentscheidung getroffen worden ist. Zudem ist diese Sachentscheidung auch selbst rechtswidrig (siehe oben B.II.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.