Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.05.2020, Az.: 13 MN 158/20

Antragsbefugnis; Ausnahme; Außervollzugsetzung; Außervollzugsetzungsinteresse, besonderes; Beanstandungsverfahren, objektives; Corona-Virus; Dienstleistungsverbot; Doppelhypothese; Einschlag, subjektiver; erledigt erklärt; Folgenabwägung; hygienebezogen; Kontaktbeschränkung; Kontaktminimierungsgebot; Landesverordnung; Maskenpflicht; Nachteil, gewichtiger; Normenkontrolle, abstrakte; Normenkontrolleilantrag; Popularantrag; Popularklage; Präsenzunterricht; Prozessstandschaft; Quarantänemaßnahmen; Rechtsschutzbedürfnis; Schule; streitig; Vereinseinrichtung; Versammlung; Zusammenkunft

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.05.2020
Aktenzeichen
13 MN 158/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 72012
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Bei der (abstrakten, prinzipalen) Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 VwGO und dem zugehörigen Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO handelt es sich ungeachtet des Charakters dieser Rechtsbehelfe als "objektive Beanstandungsverfahren" nicht um eine Popularklage bzw. um einen Popularantrag.

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit sich der Antrag gegen Bestimmungen der (4.) Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74), zuletzt geändert durch (2.) Änderungsverordnung vom 5. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 90), gerichtet hat.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 10.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Nachdem die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 12. und 13. Mai 2020 (Bl. 184 f. und 203 der GA) den Eilrechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, soweit sich der am 7. Mai 2020 gestellte Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO auf vorläufige Außervollzugsetzung von Bestimmungen der (4.) Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74), zuletzt geändert durch (2.) Änderungsverordnung vom 5. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 90), gerichtet hat, ist das Normenkontrolleilverfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

II. Im Übrigen, das heißt soweit der Antragsteller mit Schriftsatz vom 12. Mai 2020 seinen Normenkontrolleilantrag nach §§ 47 Abs. 6, 91 Abs. 1 VwGO sachdienlich und damit dem Grunde nach zulässigerweise auf Bestimmungen der (5.) Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97), zuletzt geändert mit Wirkung vom 20. Mai 2020 durch Änderungsverordnung vom 19. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 130), erstreckt hat, bleibt dieser Antrag ohne Erfolg. Er ist zum großen Teil unzulässig (2.). Soweit er zulässig ist, mangelt es ihm an der Begründetheit (3.), so dass er abzulehnen ist. Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Nach gebotener Auslegung (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) geht der Senat zugunsten des Antragstellers davon aus, dass mit dem Antrag (nur) diejenigen Bestimmungen der (5.) Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97), zuletzt geändert mit Wirkung vom 20. Mai 2020 durch Änderungsverordnung vom 19. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 130), angegriffen werden, die auf Seiten 16 ff. der Antragsschrift vom 7. Mai 2020 (Bl. 16 ff. der GA) einer näheren Betrachtung unterzogen werden und die in dieser Verordnung noch in gleicher Weise enthalten sind wie in der ursprünglich (vgl. oben I.) angegriffenen Vorläuferverordnung.

2. So verstanden, ist der Normenkontrolleilantrag zum großen Teil bereits unzulässig.

a) Er ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJG zwar weithin statthaft. Die (5.) Niedersächsische Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97), zuletzt geändert mit Wirkung vom 20. Mai 2020 durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 130), ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 16 ff.). Da diese Landesverordnung selbst keine Ausreisebeschränkungen regelt, finden die darauf bezogenen Rügen aus der Antragsschrift vom 7. Mai 2020 (Bl. 21 f. der GA) allerdings keinen statthaften Anknüpfungspunkt. Unstatthaft ist der Normenkontrolleilantrag auch, soweit einzelne Ausführungen in der Antragsschrift dahin zu verstehen sein sollten, dass dieser sich unmittelbar gegen Vorschriften des Bundesrechts, namentlich §§ 4, 5, 28 und 32 IfSG, richtet (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 25. Aufl. 2019, § 47 Rn. 28).

b) Der Antrag, soweit statthaft, ist auch zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird allerdings nicht durch die Niedersächsische Staatskanzlei, sondern durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 15.9.2017 (Nds. MBl. S. 1288), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 18.11.2019 (Nds. MBl. S. 1618)). Das Passivrubrum ist von Amts wegen entsprechend geändert worden.

c) Jedoch fehlt es dem Antragsteller hinsichtlich etlicher der angegriffenen Verordnungsbestimmungen an der Antragsbefugnis entsprechend § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

aa) Er kann nämlich nicht hinsichtlich aller von ihm angegriffenen Normen geltend machen, in seinen Rechten verletzt zu sein. Auch wenn es sich bei der (abstrakten, prinzipalen) Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 VwGO und dem zugehörigen Eilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO um objektive Beanstandungsverfahren handelt, die für einen Erfolg in der Begründetheit eine auf der Rechtswidrigkeit der zu überprüfenden Norm beruhende Verletzung in eigenen Rechten nicht zwingend voraussetzen, so muss es doch für die Zulässigkeit dieser Rechtsbehelfe den als Antragsbefugnis in § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geregelten „subjektiven Einschlag“ der Norm geben, welcher die Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten in sich birgt, denn es handelt sich bei diesen Rechtsbehelfen nicht etwa um eine Popularklage bzw. um einen Popularantrag (vgl. Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 40). Dort, wo der Rechtsbehelfsführer von einer Norm ersichtlich nicht betroffen wird - etwa weil sich diese an einen ganz anderen Adressatenkreis wendet, dessen Lebensverhältnisse sie regelt - fehlt diese Möglichkeit. So liegt es hier zu einem großen Teil. Denn der Normenkontrolleilantrag bestandet in der Manier einer (auch unter dem Aspekt der Prozessführungsbefugnis unzulässigen) Prozessstandschaft für verschiedentlich Normbetroffene ganz allgemein und umfassend in weiten Teilen Bestimmungen der Verordnungen, die für Lebensbereiche und gesellschaftliche Gruppen gelten, zu deren Tätigkeiten oder Einrichtungen der Antragsteller gar keinen Bezug aufweist. Soweit die Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten danach fehlt, ist der Antragsteller auch nicht befugt, angebliche „übergreifende“ Mängel der Verordnung (Fehlen einer Rechtsgrundlage, fehlende Bestimmtheit oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen der vom Antragsgegner benannten Rechtsgrundlage (§ 28, 32 IfSG) nach Tatbestand und Rechtsfolge zu rügen, die er ersichtlich auf jede der Vorschriften bezieht.

Das gilt etwa, soweit sich der Antragsteller gegen das Verbot von Zusammenkünften in Vereinseinrichtungen (§ 1 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung) wendet, weil nicht erkennbar ist, dass er überhaupt einem Verein mit Vereinseinrichtung zugehört. Gleichermaßen fehlt jeder Bezug zur Person des Antragstellers, soweit eine Ungleichbehandlung bestimmter Profi- und Spitzensportler (§ 1 Abs. 9 der Verordnung) mit Gastronomen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung) gerügt wird, da der Antragsteller zu keiner der beiden Gruppen zählt (vgl. im Übrigen § 6 Abs. 1 der (5.) Verordnung, der für Gastronomen nicht länger ein Verbot, sondern nunmehr eine Öffnung unter Hygieneauflagen vorsieht). Auch seine Angriffe gegen das seit dem 27. April 2020 schrittweise gelockerte Verbot eines Präsenzunterrichts an Schulen (§ 1a der Verordnung) und die damit einhergehende teilweise Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts für bestimmte Klassenstufen bzw. Schulbereiche verschiedener Schulformen (vgl. für die Viertklässler des Primarbereichs Senatsbeschl. v. 30.4.2020 - 13 MN 131/20 -, juris) sowie gegen die Einschränkungen hinsichtlich der Beförderung von Fahrgästen auf niedersächsische Inseln (§ 7a der (5.) Verordnung, der sich allerdings nur noch auf die zu Befördernden bezieht) und eine damit angeblich verbundene Ungleichbehandlung von Betreibern von Ferienwohnungen bzw. Hotels und von Transportunternehmen mit Landwirten wegen der für die Einreise und Unterbringung von Erntehelfern geltenden Vorschriften (§ 10 Abs. 2, 3 der Verordnung) beziehen sich auf Lebens- und Gesellschaftsbereiche, die den Antragsteller nicht betreffen. Die gerügte (angebliche) „unverhältnismäßige Ungleichbehandlung“ zwischen dem Dienstleistungsverbot für Masseure (§ 7 der Verordnung) mit der Zulässigkeit der Tätigkeit von Physiotherapeuten nach § 3 Nr. 3 der Verordnung (in Wahrheit: „Psychotherapeuten“; physiotherapeutische Leistungen waren und sind in § 3 Nr. 4 geregelt) (vgl. nunmehr aber ohnehin § 7 Abs. 1 Satz 3 der (5.) Verordnung, der die Erbringung von Massage-Dienstleistungen an die Beachtung bestimmter Hygieneregeln knüpft) betrifft den Antragsteller, der keiner dieser Berufsgruppen angehört, ebenso wenig. Eine Nachfragesituation hinsichtlich Massageleistungen auf Seiten des Antragstellers ist nicht behauptet worden.

bb) Die Antragsbefugnis des Antragstellers ist demgegenüber nur hinsichtlich folgender von ihm angegriffener Verordnungsregelungen gegeben, gegen die er auch die unter aa) genannten „übergreifenden“ Rügen richten darf:

(1) Soweit sich der Antragsteller gegen das an jedermann gerichtete „Kontaktminimierungsgebot“ (§ 1 Abs. 1 der Verordnung; die Rechtsnormqualität derartiger Vorgaben allerdings bezweifelnd: Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 -, juris Rn. 50), in seiner Eigenschaft als potentieller Nachfrager gegen die Schließung von Bars, Kinos, Opern, Theater und Saunen (§ 1 Abs. 3 Nrn. 1, 2, 3 und 5 passim der Verordnung) sowie gegen das Verbot der Beherbergung zu touristischen Zwecken durch Hotels und andere Beherbergungseinrichtungen (§ 1 Abs. 4 Satz 1 der Verordnung), gegen die allgemeinen quantitativen Kontaktbeschränkungsregelungen und das Grill- und Picknickverbot im öffentlichen Raum (§ 2 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 Sätze 3 und 4 der Verordnung) und gegen das Gebot, als Besucher bzw. Kunde von Verkaufsstellen, Geschäften und Dienstleistungseinrichtungen sowie in Einrichtungen und als Fahrgast in Verkehrsmitteln des öffentlichen Personenverkehrs eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen (§ 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung, sog. „Maskenpflicht“) wendet, besteht die Möglichkeit (§ 42 Abs. 2 VwGO analog) einer Verletzung in seinem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) und in seinem dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) korrespondierenden Gleichheitsgrundrecht.

(2) Der Antragsteller ist ferner grundsätzlich antragsbefugt, soweit es die (noch nicht aufgehobene) Regelung über Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende (§ 5 der Verordnung) angeht. Die ihn daraus bei einer Auslandsreisetätigkeit als Ingenieur und anschließender Rückkehr nach Deutschland treffende Quarantänepflicht nach dieser Verordnungsbestimmung lässt jedenfalls eine Verletzung in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) sowie in seinem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) als möglich erscheinen (vgl. aber unten II.2.d)).

(3) Schließlich ist der nach eigenem Vortrag politisch aktive Antragsteller antragsbefugt, soweit er sich (sinngemäß) gegen die statuierten hygienebezogenen Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahme von der Kontaktbeschränkung aus § 2 Abs. 3 Satz 2 HS. 1 der Verordnung zur Durchführung von Versammlungen unter freiem Himmel und die hygienebezogene Beschränkungs- und Beauflagungsermächtigung der Versammlungsbehörde (§ 2 Abs. 4 Sätze 1 und 2 der Verordnung) wendet. Denn diese Regelungen verletzen ihn möglicherweise in seinem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG).

d) An einem Rechtsschutzbedürfnis (§ 242 BGB analog) für den Normenkontrolleilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO mangelt es dem Antragsteller allerdings ungeachtet seiner vorgetragenen Auslandsreisetätigkeit als Ingenieur, soweit er sich gegen die Regelung über Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende (§ 5 der Verordnung, vgl. oben II.2.c)bb)(2)) wendet, weil diese Norm bereits in einem Parallelverfahren (vgl. Senatsbeschl. v. 11.5.2020 - 13 MN 143/20 -, Nds. GVBl. S.127 und juris) vorläufig außer Vollzug gesetzt worden ist.

3. Soweit der Antrag nach alledem zulässig ist, fehlt es ihm an der Begründetheit.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. „Doppelhypothese“ diejenigen Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze bleibt der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung der oben unter II.2.c)bb) genannten Vorschriften der (5.) Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97), zuletzt geändert mit Wirkung vom 20. Mai 2020 durch Änderungsverordnung vom 19. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 130), in der Sache ohne Erfolg.

a) Hinsichtlich der „Maskenpflicht“ (§ 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung) kann im Normenkontrolleilverfahren weder die Rechtmäßigkeit noch die Rechtswidrigkeit verlässlich bejaht werden, vielmehr sind die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache vom Antragsteller gestellten Normenkontrollantrags 13 KN 157/20 insoweit offen. Eine Folgenabwägung im Rahmen der sog. Doppelhypothese ergibt aber, dass die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnungsbestimmung sprechenden Gründe (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) nicht überwiegen (vgl. Senatsbeschl. v. 5.5.2020 - 13 MN 119/20 -, juris Rn. 21 ff., 47 ff. für § 9 Abs. 1 und 2 der (4.) Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74) in der Fassung der (1.) Änderungsverordnung vom 24. April 2020 (Nds. GVBl. S. 84). An dieser Einschätzung hält der Senat auch für die aktuelle Fassung des § 9 Abs. 1 und 2 der (5.) Verordnung fest, der eine geringfügig geänderte Definition der „Mund-Nasen-Bedeckung“ zugrundeliegt.

b) Auch hinsichtlich der übrigen unter II.2.c)bb) genannten Verordnungsbestimmungen hat auf den Antrag des Antragstellers keine Außervollzugsetzung zu erfolgen.

aa) Unterstellt, die mit der Normenkontrolle 13 KN 157/20 auch angegriffenen Schließungsanordnungen sowie weiteren Ge- und Verbote, die oben unter II.2.c)bb)(1) aufgezählt sind (§§ 1 Abs. 1, Abs. 3 Nrn. 1, 2, 3 und 5 passim, Abs. 4 Satz 1, 2 Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 Sätze 3 und 4 der Verordnung), haben allesamt Rechtssatzqualität, wären rechtswidrig und gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären, das heißt, der Normenkontrollantrag hätte in der Hauptsache insoweit Erfolg, so fehlte es im vorliegenden Fall dennoch an einem gewichtigen Nachteil, aufgrund dessen es im Sinne des § 47 Abs. 6 VwGO „dringend geboten“ (unaufschiebbar) wäre, diese Normen vorläufig außer Vollzug zu setzen. Mit anderen Worten mangelt es im Hinblick auf die begehrte einstweilige Anordnung insoweit jedenfalls an einem Eilbedürfnis (an einem „besonderen Außervollzugsetzungsinteresse“). Aus der geltend gemachten bloßen Schließungs-, Ge- oder Verbotswirkung dieser Normen, die der Antragsteller für verfassungswidrig hält, und der daraus resultierenden Betroffenheit der Rechtssphäre des Antragstellers folgt ein Eilbedürfnis nicht ohne Weiteres; dass der Antragsteller aus äußeren oder inneren Gründen auf die uneingeschränkte Vornahme der durch die Normen geregelten Verhaltensweisen dringlich angewiesen wäre, ist nicht vorgetragen und wird nicht erkennbar (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 28.4.2020 - 13 MN 90/20 -, juris Rn. 12).

bb) Gleiches gilt bei Lichte besehen für die oben unter II.2.c)bb)(3) erwähnte Norm des § 2 Abs. 4 der Verordnung. Ungeachtet der hohen Bedeutung des kommunikativen Grundrechts der Versammlungsfreiheit in der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft geht der Vortrag des Antragstellers über die Behauptung der Rechtswidrigkeit der Norm nicht hinaus. Die in einem Textabsatz formulierte Rüge des Antragstellers in der Antragsschrift vom 7. Mai 2020 (Bl. 18 der GA) erschöpft sich im Wesentlichen darin, eine Regelung im Niedersächsischen Versammlungsgesetz anstelle einer Norm in infektionsschutzrechtlichen Verordnungen aufgrund des IfSG einzufordern. Ein gewichtiger Nachteil für den Versammlungswilligen wird damit nicht dargetan. Im Übrigen moniert der Antragsteller, dass er geplante Versammlungen - wie nach allgemeinem Versammlungsrecht (§ 5 NVersG) - nicht mehr nur anzuzeigen hat, sondern nach dem durch § 2 Abs. 4 Sätze 1 und 2 der Verordnung vorgesehenen Verwaltungsverfahren eine Ausnahme von der Kontaktbeschränkung mit Hygieneauflagen einzuholen hat. Dabei legt er offensichtlich - zu Recht - zugrunde, diese beauflagte Ausnahme im Falle zureichender Hygieneauflagen bei sorgfältiger Prüfung des Einzelfalls bei verfassungskonformer Auslegung dieser Vorschrift im Lichte des Art. 8 Abs. 1 GG auch erhalten zu müssen; ein ausnahmsloses Verbot der Versammlung steht somit nicht in Rede. Der Antragsteller beanstandet also letztlich allein die Verhängung von Hygieneauflagen, das heißt eine allgemeine Modalität der Durchführung einer Versammlung im Interesse des Gesundheitsschutzes (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Darin liegt auch vor Art. 8 Abs. 1 GG kein gewichtiger Nachteil, zumal der Antragsteller Abstandsregelungen als solche (etwa in §§ 2 Abs. 2 Satz 1, 7 Abs. 1 Satz 3, 8 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung) offenbar selbst für rechtmäßig hält (vgl. Antragsschrift v. 7.5.2020, Bl. 18 der GA). Die Norm des § 2 Abs. 4 der Verordnung ist im Übrigen letztlich in Reaktion auf die Judikatur des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 17.4.2020 - 1 BvQ 37/20 -, juris) geschaffen worden. Der Senat hat keine Zweifel, dass die Versammlungsbehörden die darin geforderten Anforderungen, insbesondere zur kooperativen Suche nach Lösungen zur Minimierung von Infektionsrisiken (a.a.O., Rn. 25 ff.), einhalten werden.

III. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des als erledigt eingestellten Teils (oben I.) auf § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO und hinsichtlich des streitig ablehnenden Teils (oben II.) auf § 154 Abs. 1 VwGO. Danach hat der Antragsteller die Kosten des gesamten Verfahrens 13 MN 158/20 zu tragen.

1. Hinsichtlich des aufrechterhaltenen Teils seines Normenkontrollantrags (II.) unterliegt der Antragsteller vollständig (§ 154 Abs. 1 VwGO).

2. Für den für erledigt erklärten Teil seines Antrags, der gegen Vorschriften der mit Ablauf des 11. Mai 2020 außer Kraft getretenen (4.) Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74), zuletzt geändert durch (2.) Änderungsverordnung vom 5. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 90), gerichtet war (I.), hätte voraussichtlich dasselbe gegolten; mit Ausnahme der insoweit auch angegriffen gewesenen Regelung über die Quarantäne für Ein- und Rückreisende (§ 5 dieser Verordnung), (nur) in dieser Beziehung hätte der für erledigt erklärte Antrag des Antragstellers voraussichtlich Erfolg gehabt (vgl. Senatsbeschl. v. 11.5.2020 - 13 MN 143/20 -, juris). Gemessen an der Vielzahl hier angegriffener Vorschriften der (4.) Verordnung wäre aber der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren mit dieser Norm nur zu einem geringen Teil unterlegen, so dass es in Anwendung des Rechtsgedankens des § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO billigem Ermessen entspricht (§ 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO), dem Antragsteller die gesamten Kosten des erledigten Normenkontrolleilantrags aufzuerlegen.

IV. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 39 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung einer Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren. Jedoch ist der sich hieraus ergebende Wert von 5.000 EUR gemäß § 39 Abs. 1 GKG im vorliegenden Verfahren zweimal anzusetzen, weil sich der Antragsteller gegen Vorschriften aus zwei verschiedenen Verordnungen gewandt hat, so dass sich als Streitwert ein Betrag von 10.000 EUR ergibt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 2 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).