Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.07.2021, Az.: 13 MN 350/21

7-Tage-Inzidenz; Corona; Sauna; Schließung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.07.2021
Aktenzeichen
13 MN 350/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70902
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die grundsätzliche Schließung von Saunen bei einer 7-Tage-Inzidenz zwischen 35 und 50 ist rechtswidrig, da sie unverhältnismäßig ist und gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz verstößt.

Tenor:

§ 7f Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Verordnung zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 - Niedersächsische Corona-Verordnung - vom 30. Mai 2021 (Nds. GVBl S. 297), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 27. Juli 2021 (Nds. GVBl. S. 559), wird vorläufig außer Vollzug gesetzt, soweit darin die Schließung von Saunen angeordnet ist.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten jeweils zur Hälfte.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der sinngemäß gestellte Antrag (vgl. Schriftsatz der Antragstellerin vom 26.7.2021, S. 2),

§ 7f der Niedersächsischen Verordnung zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Mai 2021 (Nds. GVBl. S. 297), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 27. Juli 2021 (Nds. GVBL. S. 559), vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit darin die Schließung von Saunen ab einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 35 bzw. 50 angeordnet ist,

hat teilweise Erfolg.

Der Antrag hat keinen Erfolg (1.), soweit er sich gegen die Regelung in § 7f Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung richtet. Soweit er sich gegen die Regelung in § 7f Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona Verordnung richtet, hat der Antrag hingegen Erfolg (2.) und führt zur vorläufigen Außervollzugsetzung dieser Verordnungsbestimmung mit allgemeinverbindlicher Wirkung (3.).

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Der Antrag ist unzulässig, soweit er sich gegen § 7f Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung richtet.

Der Antragstellerin fehlt für die von ihr angegriffene Verordnungsregelung des § 7f Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Antrag eine natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne dieser Bestimmung sind die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei der Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005 - BVerwG 6 BN 1.05 -, juris Rn. 3 ff., insbes. 7; Urt. v. 26.2.1999 - BVerwG 4 CN 6.98 -, juris Rn. 9). Ausreichend, aber auch erforderlich ist es daher, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in seinen subjektiven Rechten verletzt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1998 - BVerwG 4 CN 2.98 -, juris Rn. 8; Senatsbeschl. v. 29.7.2020 - 13 MN 280/20 -, juris Rn. 9). Ein Nachteil ist „in absehbarer Zeit zu erwarten“, wenn sein Eintritt nach den konkret gegebenen Umständen bereits voraussehbar ist (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 27.2.1980 - 9 C 2/79 -, juris Leitsatz 1). Es kommt darauf an, ob die Rechtsverletzung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit für so nahe Zukunft droht, dass eine vernünftige, ihre Belange nicht überängstlich wahrende Person bei objektiver Würdigung der konkreten Umstände das Bemühen um Rechtsklarheit nicht noch aufschieben würde (Schoch/Schneider, VwGO, § 47 Rn. 48 (Stand: Juli 2020); Senatsbeschl. v. 25.8.2020 - 13 MN 319/20 -, juris Rn. 23; Bayerischer VGH, Beschl. v. 28.9.2020 - 20 NE 20.2142 - juris Rn. 16). Dem Grundsatz nach wird nur dann, wenn die Beschwer des Antragstellers noch nicht greifbar ist oder von Bedingungen abhängt, deren Eintritt prognostisch nicht eingeschätzt werden kann, der Antrag unzulässig sein (Schoch/Schneider, VwGO, § 47 Rn. 48 (Stand: Juli 2020)).

§ 7f Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung hat den folgenden Wortlaut:

§ 7f Schwimmbäder, Saunen, Thermen

(1) 1In Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen unter Anwendung des § 1 a die 7-Tage-Inzidenz mehr als 50 beträgt, sind Saunen, Thermen, Schwimm- und Spaßbäder und ähnliche Einrichtungen für den Publikumsverkehr und Besuche geschlossen. 2Ausgenommen hiervon sind

1. Freibäder unter den Voraussetzungen des Satzes 3 und

2. Schwimmhallen für die Erteilung von Schwimmunterricht und Schwimmkursen, für Rettungsschwimmtraining sowie die Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen unter den Voraussetzungen der Sätze 4 bis 6.

3Die Betreiberin oder der Betreiber eines Freibads hat Maßnahmen aufgrund eines Hygienekonzepts nach § 4 zu treffen; für volljährige Besucherinnen und Besucher gilt § 5 a. 4Die Nutzung von Schwimmhallen ist zulässig für die Erteilung von Schwimmunterricht und Schwimmkursen, für Rettungsschwimmtraining sowie die Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen für Einzelpersonen und Gruppen von nicht mehr als 20 Personen, wobei geimpfte Personen und genesene Personen im Sinne des § 5 a Abs. 2 und 3 nicht eingerechnet werden. 5Die Veranstalterin oder der Veranstalter des Schwimmunterrichts des Schwimmkurses oder des Rettungsschwimmtrainings oder die Person, die die Rehabilitationsmaßnahmen durchführt, hat Maßnahmen aufgrund eines Hygienekonzepts nach § 4 zu treffen. 6Für unterrichtende oder betreuende Personen sowie volljährige Teilnehmerinnen und Teilnehmer gilt § 5 a.

Ausgehend von den oben dargestellten Grundsätzen ist die Antragstellerin hinsichtlich der angegriffenen Regelung nicht antragsbefugt.

Zwar unterliegt die Antragstellerin, die in der Region Hannover eine Saunalandschaft betreibt, grundsätzlich den angegriffenen Regelungen.

Hinsichtlich § 7f Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung und damit der grundsätzlichen Betriebsschließung von Thermen bei einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 50 ist für den Senat aber nicht ersichtlich, dass eine Rechtsgutsverletzung der Antragstellerin nach den konkret gegebenen Umständen bereits voraussehbar ist. Die 7-Tage-Inzidenz in der Region Hannover betrug zuletzt am 23. Mai 2021 mehr als 50 und ist seitdem deutlich gesunken. Auch wenn die Inzidenz seit Anfang Juli wieder ansteigt, beträgt sie aktuell 28,2 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Fallzahlen_Kum_Tab.html, Stand: 30.7.2021). Derzeit ist nicht konkret damit zu rechnen, dass die 7-Tage-Inzidenz für die Region Hannover in absehbarer Zeit erneut für einen mehrtägigen Zeitraum (vgl. § 1a Abs. 2 Nds. Corona-Verordnung) über einen Wert von 50 steigt. Auch wenn die aktuelle Verordnung eine Geltungsdauer bis zum 3. September 2021 hat (vgl. § 20 der Niedersächsischen Corona-Verordnung), ist zu erwarten, dass angesichts der aktuellen Diskussion über die Aussagekraft der Inzidenz als maßgeblichem Anknüpfungspunkt für Beschränkungen deutlich früher eine Neuregelung vom Antragsgegner erlassen werden könnte, so dass derzeit nicht zu erwarten ist, dass eine Überschreitung der 7-Tage-Inzidenz von 50 innerhalb der Geltung der aktuellen Niedersächsischen Corona-Verordnung droht. Hinzu kommt, dass gemäß § 1a Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung die Regelung des § 7f Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht unmittelbar mit dem Überschreiten des jeweiligen Inzidenzwertes greifen. Die 7-Tage-Inzidenz muss vielmehr an drei aufeinander folgenden Tagen (Dreitagesabschnitt) den entsprechenden Wert übersteigen, woraufhin der Landkreis oder die kreisfreie Stadt durch öffentlich bekannt zu gebende Allgemeinverfügung den Zeitpunkt festlegt, ab dem die jeweilige Schutzmaßnahme gilt. Die jeweilige Schutzmaßnahme gilt - sofern der Landkreis oder die kreisfreie Stadt nicht von der Ermächtigung des § 1a Abs. 2 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung Gebrauch macht - erst ab dem übernächsten Tag nach dem Ablauf des Dreitagesabschnitts. Folglich droht der Antragstellerin eine tatsächliche Rechtsgutsverletzung durch § 7f Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung erst, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind. Ob und wann dies der Fall sein wird, ist derzeit nicht absehbar und kann prognostisch nicht eingeschätzt werden. Vorsorglich einen Normenkontrolleilantrag für ein möglicherweise nicht eintretendes Szenario zu stellen, ist aber mit dem Sinn und Zweck eines solchen Verfahrens unvereinbar und damit unzulässig (vgl. in einem Parallelverfahren bereits Senatsbeschl. v. 4.6.2021 - 13 MN 288/21 -; juris Rn. 12). Sollten die Voraussetzungen des § 1a Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung erfüllt sein oder die Entwicklung der 7-Tage-Inzidenz zumindest in eine Richtung gehen, dass die Gültigkeit der verschärften Regelungen absehbar bevorsteht, bliebe es der Antragstellerin unbenommen, eine Außervollzugsetzung der dann geltenden Vorschriften zu beantragen. Der Senat hat bereits in der Vergangenheit zeitnah über derartige Anträge entschieden, so dass keine Notwendigkeit für einen vorsorglichen Rechtsschutz besteht, ohne dass absehbar wäre, ob die Antragstellerin jemals diesen Regelungen unterworfen sein wird.

2. Soweit sich die Antragstellerin gegen die grundsätzliche Schließung von Saunen gemäß § 7f Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung bei einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 35, aber nicht mehr als 50 wendet, ist der Antrag zulässig (a.) und begründet (b.).

a. Der Antrag ist zulässig, soweit er sich gegen die grundsätzliche Schließung von Saunen bei einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 35, aber nicht mehr als 50 wendet (§ 7f Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung).

aa. Er ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJG statthaft.

§ 7f Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 16 ff.). Diese Norm lautet:

§ 7f Schwimmbäder, Saunen, Thermen

(2) 1In Landkreisen und kreisfreien Städten, in denen unter Anwendung des § 1 a die 7-Tage-Inzidenz mehr als 35 aber nicht mehr als 50 beträgt, sind Saunen, Thermen, Schwimm- und Spaßbäder und ähnliche Einrichtungen für den Publikumsverkehr und Besuche geschlossen. 2Ausgenommen sind hiervon

1. Freibäder unter den Voraussetzungen des Satzes 3 und

2. Schwimmhallen für die Erteilung von Schwimmunterricht und Schwimmkursen, für Rettungsschwimmtraining sowie die Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen unter den Voraussetzungen der Sätze 4 bis 6.

3Die Betreiberin oder der Betreiber eines Freibads hat Maßnahmen aufgrund eines Hygienekonzepts nach § 4 zu treffen. 4Die Nutzung von Schwimmhallen ist zulässig für die Erteilung von Schwimmunterricht und Schwimmkursen, für Rettungsschwimmtraining sowie die Durchführung von Rehabilitationsmaßnahmen für Einzelpersonen und Gruppen von nicht mehr als 20 Personen, wobei geimpfte Personen und genesene Personen im Sinne des § 5 a Abs. 2 und 3 nicht eingerechnet werden. 5Die Veranstalterin oder der Veranstalter des Schwimmunterrichts, des Schwimmkurses oder des Rettungsschwimmtrainings oder die Person, die die Rehabilitationsmaßnahmen durchführt, hat Maßnahmen aufgrund eines Hygienekonzepts nach § 4 zu treffen. 6Für die Nutzung nach Satz 4 gilt für unterrichtende oder betreuende Personen sowie volljährige Teilnehmerinnen und Teilnehmer § 5 a.

bb. Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da sie geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Nach den oben dargestellten Grundsätzen ist die Schließung in absehbarer Zeit zu erwarten. Die 7-Tage-Inzidenz in der Region Hannover beträgt aktuell 28,2 (Stand: 30.7.2021). Vom 24. bis 26 Juli 2021 lag der Inzidenzwert in der Region Hannover bereits über der Grenze von 35, wobei nach § 1a Abs. 2 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung davon abgesehen wurde, eine Allgemeinverfügung zu erlassen, in welcher die Überschreitung des Grenzwerts festgestellt worden wäre (vgl. https://www.hannover.de/Leben-in-der-Region-Hannover/Gesundheit/Gesundheitsschutz/Coronavirus-in-der-Region-Hannover/Meldungen-zum-Coronavirus/Das-gilt-seit-28.-Juli-in-der-Region-Hannover, zuletzt abgerufen: 30.7.2021). Angesichts dieser Entwicklung erscheint es jedenfalls als möglich, dass die Antragstellerin aufgrund der angegriffenen Regelung in absehbarer Zeit einem grundsätzlichen Betriebsverbot unterliegt. Dabei ist unerheblich, dass die Region Hannover nach § 1a Abs. 2 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung auch im Hinblick auf § 7f der Niedersächsischen Corona-Verordnung durch den Erlass einer Allgemeinverfügung anordnen kann, dass die Schutzmaßnahmen eines niedrigeren Inzidenzwertes gelten. Ob und wenn ja mit welchen Inhalt die Region Hannover eine entsprechende Allgemeinverfügung erlassen würde, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhersehbar, weshalb die Möglichkeit der Verletzung in eigenen Rechten durch § 1a Abs. 2 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht beseitigt wird.

cc. Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet.

Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 3.6.2021 (Nds. MBl. S. 1020), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 23.2.2021 (Nds. MBl. S. 516)).

b. Der Normenkontrolleilantrag ist begründet, soweit er sich gegen die grundsätzliche Schließung für den Publikumsverkehr und Besuche nach § 7f Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung bei einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 35 und weniger als 50 wendet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. "Doppelhypothese" die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung des § 7f Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung Erfolg, soweit er sich auf die grundsätzliche Schließung von Saunen bezieht. Ein in der Hauptsache noch zu stellender Normenkontrollantrag der Antragstellerin wäre voraussichtlich begründet (aa.). Zudem überwiegen die gewichtigen Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnung bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe (bb.).

aa. Ein von der Antragstellerin in der Hauptsache noch zulässigerweise zu stellender Normenkontrollantrag hat voraussichtlich Erfolg. Nach der derzeit nur gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass § 7f Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, jedenfalls soweit er hier streitgegenständlich ist und sich auf die Schließung von Saunen bezieht, materiell rechtswidrig ist und wegen der damit einhergehenden Verletzung der Antragstellerin in ihrem Grundrecht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären sein wird.

Rechtsgrundlage für den Erlass der Verordnung ist § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit §§ 28 Abs. 1 Satz 1 und 2, 28a Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 16. Juli 2021 (BGBl. I S. 2947).

Der Tatbestand der genannten Rechtsgrundlage ist unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt mit eingehender Begründung und weiteren Nachweisen etwa die Senatsbeschl. v. 5.1.2021 - 13 MN 582/20 -, Umdruck S. 4 ff., und v. 30.11.2020 - 13 MN 519/20 -, juris Rn. 26 ff.) und unter Berücksichtigung des aktuellen Infektionsgeschehens (vgl. hierzu die Angaben im täglichen Situationsbericht des Robert Koch-Instituts unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html und des Niedersächsischen Landesgesundheitsamts unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/) auch weiterhin erfüllt, und die materielle Rechtmäßigkeit der Niedersächsischen Corona-Verordnung ist im Hinblick auf das „Ob“ eines staatlichen Handelns keinen durchgreifenden Bedenken ausgesetzt.

Auch sind (bezogen auf die Rechtsfolgenseite) die in § 7f Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Beschränkungen mit Blick auf den Adressatenkreis dieser Regelung und die grundsätzliche Art der gewählten Schutzmaßnahme nicht zu beanstanden (vgl. zu den Betriebsbeschränkungen in § 10 der Niedersächsischen Corona-Verordnung: Senatsbeschl. v. 19.3.2021 - 13 MN 114/21 -, juris Rn. 17 m.w.N.). § 28 Abs. 1 IfSG liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 213 - juris Rn. 26 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 f.). Der Begriff der "Schutzmaßnahmen" in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist folglich umfassend und eröffnet der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum geeigneter Maßnahmen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 2.4.2020 - 3 MB 8/20 -, juris Rn. 35).

"Schutzmaßnahme" im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG kann daher, wie § 28a Abs. 1 Nr. 6 IfSG konkretisiert, die Untersagung oder die Beschränkung des Betriebs von Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung zuzurechnen sind, sein.

Der weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall "notwendig" sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind (vgl. Senatsbeschl. v. 26.5.2020 - 13 MN 182/20 -, juris Rn. 38). Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).

Für die Anordnung, dass Saunen bei einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 35 und weniger als 50 für den Publikumsverkehr und Besuche grundsätzlich geschlossen sind, sind diese tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Sie verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und stellt damit keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar ((1)). Darüber hinaus verletzt die Regelung den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG ((2)).

(1) Die grundsätzliche Schließung von Saunen für den Publikumsverkehr und Besuche bei einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 35 und weniger als 50 verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

(a) Zweifelsohne verfolgt der Verordnungsgeber weiterhin die legitimen Ziele (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -, juris Rn. 43), im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit eines und einer jeden die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden. Zur Vorbeugung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage sollen die Kontakte in der Bevölkerung drastisch reduziert werden, um das Infektionsgeschehen insgesamt zu verlangsamen und die Zahl der Neuinfektionen in durch den öffentlichen Gesundheitsdienst nachverfolgbare Größenordnungen zu halten (vgl. hierzu auch die Angaben in der Begründung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und ihrer Änderungsverordnungen, Nds. GVBl. 2020, 411 ff., 457, 491 f. und 2021, 6 ff., 28 f., 58, 101 f., 123, 172 f., 193 ff., 267, 323 ff., 539).

Diese Zielrichtung wahrt die besonderen Anforderungen des § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG (vgl. Senatsbeschl. v. 23.12.2020 - 13 MN 506/20 -, juris Rn. 61).

Ob darüber hinaus für die Gesamtheit der in der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Schutzmaßnahmen die konkrete Erreichung einer 7-Tage-Inzidenz (Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) von 50 oder gar 35 legitim ist, erscheint zweifelhaft (vgl. Senatsbeschl. v. 20.1.2021 - 13 MN 10/21 -, juris Rn. 20 ff. (zur 50er Inzidenz) und v. 15.2.2021 - 13 MN 44/21 -, juris Rn. 25 ff. (zur 35er Inzidenz)), insbesondere angesichts der steigenden Impfquote und der damit voraussichtlich einhergehenden niedrigeren Belastung des Gesundheitssystems trotz höherer Infektionszahlen, bedarf in diesem Verfahren aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn die Regelung ist auch unabhängig davon rechtswidrig.

(b) Im Hinblick auf die verfolgten legitimen Ziele ist die Eignung der streitgegenständlichen Verordnungsregelung wohl noch gegeben, auch wenn diese Maßnahme von vorneherein nur für einen eng begrenzten und allenfalls geringen Teil des tatsächlichen Infektionsgeschehens im Bundesgebiet und im Land Niedersachen Auswirkungen hat. Denn es ist für den Senat weder ersichtlich noch durch den Antragsgegner vorgetragen, dass durch den Betrieb von Saunen eine besondere Infektionsgefahr entsteht, die größer wäre als bei vergleichbaren Begegnungen von Menschen auf engem Raum, die aber nicht ab einer 7-Tage-Inzidenz von 35 verboten sind. Hinzu kommt, dass es sich bei dem Bereich der Saunen, für die eine grundsätzliche Schließung bereits ab einer 7-Tage-Inzidenz von 35 vorgesehen ist, nicht um einen Bereich mit einem unverhältnismäßig großen Publikumsverkehr handelt. Zwar wird der Zweck nach Auffassung des Senats durch die streitgegenständliche Regelung gefördert, die Auswirkungen dürften angesichts der geschilderten Umstände aber gering bleiben.

(c) Angesichts der nur geringen Eignung der grundsätzlichen Schließung von Saunen für Publikumsverkehr und Besuche ist die Erforderlichkeit der Schließung jedenfalls zweifelhaft. Denn die Schließungsanordnung bezieht sich auf Sachverhalte, die jedenfalls nicht offensichtlich mit einer erhöhten Gefahr der weiteren Ausbreitung von CoViD-19 verbunden sind, und könnten von weitergehenden Einschränkungs- und Kontrollmaßnahmen flankiert werden, die ein milderes, ebenso geeignetes Mittel darstellen könnten.

Die Schließung von Saunen dürfte bei lebensnaher Betrachtung kaum einen relevanten Beitrag für die Pandemie-Bekämpfung haben. Es ist nicht ersichtlich, dass mit dem Aufenthalt in einer Sauna eine deutlich gesteigerte Gefahr der Infektion einhergeht. Der Antragsgegner hat im vorliegenden Verfahren keine nachvollziehbaren tatsächlichen Erkenntnisse dazu präsentiert, welche Zahl von infizierten Personen auf Besuche von Saunen oder ähnlichen Einrichtungen zurückzuführen sind. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass durch die An- und Abreise zur Sauna eine relevante Erhöhung der Infektionszahlen zu erwarten ist.

Diesem lediglich leicht erhöhten Risiko kann nach Auffassung des Senats durch mildere Mittel als die grundsätzliche Schließung nahezu ebenso effektiv begegnet werden. Als mildere Mittel kämen insbesondere Beschränkungen der Kapazität sowie die Geltung von § 5a der Niedersächsischen Corona-Verordnung in Betracht. Bei einer 7-Tage-Inzidenz zwischen 35 und 50 dürfte die Einführung einer Testpflicht, ggf. zeitgleich mit einer Beschränkung der Kapazität, dem Zweck ähnlich gut dienen, da hierdurch die Gefahr der Ansteckung in Saunen erheblich reduziert wird.

(d) Ungeachtet der danach bestehenden erheblichen Zweifel an der Erforderlichkeit der grundsätzlichen Schließung von Saunen bei einer 7-Tage-Inzidenz von 35 bis 50 ist diese zur Erreichung des legitimen Ziels der Verhinderung der weiteren Ausbreitung von CoViD-19 jedenfalls nicht angemessen.

Angemessen ist eine Freiheitseinschränkung nur dann, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Um dies feststellen zu können, ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte dient, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig. Hierbei müssen die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Andererseits wird der Gemeinschaftsschutz umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können. Diese Prüfung am Maßstab des Übermaßverbots kann dazu führen, dass der an sich in legitimer Weise angestrebte Schutz zurückstehen muss, wenn das eingesetzte Mittel zu einer unangemessenen Beeinträchtigung der Rechte des Betroffenen führen würde. Nur so kann die Prüfung der Angemessenheit staatlicher Eingriffe ihren Sinn erfüllen, geeignete und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen einer gegenläufigen Kontrolle mit Blick darauf zu unterwerfen, ob die eingesetzten Mittel unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkungen für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BVerfG, Urt. v. 26.2.2020 - 2 BvR 2347/15 -, BVerfGE 153, 182 – juris Rn. 265 m.w.N.).

Bei der Abwägung können im Rahmen der Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 VwGO nicht nur die Freiheitseinschränkungen berücksichtigt werden, die sich für den konkreten Antragsteller ergeben, es sind vielmehr auch die Wirkungen einer Vorschrift für die Allgemeinheit und für ebenfalls von der Regelung betroffene Dritte zu berücksichtigen.

Die angeordnete grundsätzliche Schließung von Saunen bei einer 7-Tage-Inzidenz zwischen 35 und 50 hat ersichtlich gravierende negative Auswirkungen für die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübung der betroffenen Betreiber von Saunen, die gezwungen werden, ihre Betriebe komplett zu schließen.

Diese gravierenden Einschränkungen der Berufsausübungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG stehen in keinem angemessenen Verhältnis zu den sehr überschaubaren Auswirkungen einer Schließung von Saunen auf das Infektionsgeschehen. Angesichts der möglichen Einführung einer Testpflicht nach § 5a der Niedersächsischen Corona-Verordnung bringt die Schließung von Saunen keinen erheblichen Nutzen im Hinblick auf die Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus, der die geschilderten Einschränkungen für die Betreiber von Saunen rechtfertigen kann. Dies gilt umso mehr, als der Antragsgegner in der Niedersächsischen Corona-Verordnung grundsätzlich ein gestuftes Konzept vorgesehen hat, nach dem mit steigender Inzidenz schärfere Maßnahmen getroffen werden. Ein solches Stufenkonzept ist für Saunen - wie auch für Schwimm- und Spaßbäder sowie Thermen - aber nicht vorgesehen, ohne dass hierfür eine nachvollziehbare Begründung ersichtlich wäre. Stattdessen sind diese Einrichtungen bei einer Inzidenz unter 35 geöffnet und müssen lediglich ein Hygienekonzept vorlegen. Bei einer Inzidenz über 35 wird hingegen eine grundsätzliche Schließung angeordnet. Da der Antragsgegner in unterschiedlichsten Bereichen (vgl. nur § 6a Abs. 5 Satz 5, 6b Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 4, § 6d Abs. 1 Satz 4, § 7 Abs. 1 Satz 4, § 7a Abs. 1 Satz 4 und Abs. 2 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung und zahlreiche weitere Regelungen) vorgesehen hat, dass mit steigender Inzidenz zunächst eine Testplicht nach § 5a der Niedersächsischen Corona-Verordnung eingeführt und lediglich als ultima ratio eine komplette Schließung normiert wird, bedürfte die Abweichung von diesem gestuften Vorgehen einer am Zweck des Infektionsschutzes ausgerichteten zusätzlichen Begründung. Es wäre eine besondere Gefährlichkeit des so untersagten Betriebs darzulegen. Dies ist im Hinblick auf den Betrieb von Saunen jedoch nicht ersichtlich. Der Antragsgegner hat nicht dargelegt, dass es im Bereich von Saunen zu einem erhöhten Infektionsgeschehen gekommen wäre oder dass es Anlass zu der Sorge gibt, dass bei dem Betrieb von Saunen eine deutlich erhöhte Infektionsgefahr bestünde. Folglich erscheint es jedenfalls unangemessen, bereits bei Überschreiten einer 7-Tage-Inzidenz von 35 die grundsätzliche Schließung von Saunen anzuordnen.

Die Abwägung der widerstreitenden Interessen im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes ergibt somit, dass die grundsätzliche Schließung von Saunen bei einer 7-Tage-Inzidenz zwischen 35 und 50 unangemessen und die Regelung daher insoweit voraussichtlich rechtswidrig ist.

(2) Die grundsätzliche Schließung von Saunen bei eine 7-Tage-Inzidenz zwischen 35 und 50 ist auch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar und verletzt die Betroffenen daher zugleich in dem damit korrespondierenden Gleichheitsgrundrecht.

(a) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 - juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 - juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 - juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 - juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 - juris Rn. 79).

Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020 - OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 26.3.2020 - 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 - 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62). Auch die Überprüfbarkeit der Einhaltung von Ge- und Verboten kann berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 9.6.2020 - 13 MN 211/20 -, juris Rn. 41).

(b) Selbst nach diesem Maßstab liegt in der angegriffenen Verordnungsregelung eine Ungleichbehandlung, die nicht gerechtfertigt werden kann.

Während Saunen bereits bei einer 7-Tage-Inzidenz von über 35 schließen müssen, dürfen z.B. Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen nach § 16 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung unter Einhaltung der dort näher normierten Regeln, zu denen auch eine Testpflicht i.S.d. § 5a der Niedersächsischen Corona-Verordnung gehört, bei einer Inzidenz von 35 bis 50 geöffnet haben. Sowohl für Saunen als auch für Fitnessstudios gilt hingegen, dass bei einer Inzidenz unter 35 lediglich Maßnahmen aufgrund eines Hygienekonzepts zu treffen sind.

Unterschiede zwischen diesen beiden Vergleichskonstellationen bestehen im Hinblick auf die dadurch ausgelösten Begegnungen von Menschen und unter Berücksichtigung des jeweiligen infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades und aller sonstigen relevanten Belange nicht oder jedenfalls nicht in dem Ausmaß oder Gewicht, dass sie die durch § 7f Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung bewirkte Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, zumal anerkanntermaßen durch die erhöhte Atemtätigkeit bei sportlicher Betätigung eine Erhöhung der Aerosol-Konzentration in der Luft folgen kann. Es ist weder für den Senat ersichtlich noch durch den Antragsgegner dargelegt worden, dass aus dem Besuch einer Sauna ein höheres Ansteckungsrisiko folgt als aus dem Besuch eines Fitnessstudios oder einer ähnlichen Einrichtung.

bb. Die konstatierten Freiheits- und Gleichheitsverstöße führen zu einer Verletzung der Antragstellerin in ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, 3 Abs. 1 GG und begründen zugleich einen gewichtigen Nachteil, der eine vorläufige Außervollzugsetzung des § 7f Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, soweit die Schließung von Saunen angeordnet wird, nach § 47 Abs. 6 VwGO gebietet.

Eine Unterminierung des Schutzkonzepts des Antragsgegners steht demgegenüber nicht zu befürchten. Denn die vorläufige Außervollzugsetzung durch den vorliegenden Senatsbeschluss hat lediglich zur Folge, dass bei einer 7-Tage-Inzidenz zwischen 35 und 50 Saunen weiterhin geöffnet haben dürften. Es bleibt dem Antragsgegner unbenommen, die Öffnung von Saunen in diesem Inzidenzbereich an rechtmäßige und wirksame Bedingungen zu knüpfen, so dass kein relevanter Einfluss auf das Infektionsgeschehen zu befürchten ist.

3. Die vorläufige Außervollzugsetzung wirkt nicht nur zugunsten der Antragstellerin in diesem Verfahren; sie ist allgemeinverbindlich (vgl. Senatsbeschl. v. 28.8.2020 - 13 MN 307/20 -, juris Rn. 36; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 611). Der Antragsgegner hat die hierauf bezogene Entscheidungsformel in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGOunverzüglich im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der ständigen Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).