Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.07.2020, Az.: 13 MN 261/20
Abstandsgebot; Abstandsregelung; allgemeiner Gleichheitssatz; allgemeiner Vorbehalt; Corona; Kutsche; Kutscherin; strenger; touristische Busreisen; touristische Kutschfahrten
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.07.2020
- Aktenzeichen
- 13 MN 261/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 71769
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 12 Abs 1 GG
- Art 3 Abs 1 GG
- § 47 Abs 6 VwGO
Tenor:
§ 12 Abs. 3 Satz 2 der Niedersächsischen Verordnung zur Neuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 - Niedersächsische Corona-Verordnung - vom 10. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 226) wird vorläufig außer Vollzug gesetzt.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der von der Antragstellerin nach Antragsänderung vom 13. Juli 2020 (§ 91 Abs. 1 VwGO) sinngemäß (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) gestellte Normenkontrolleilantrag nach § 47 Abs. 6 VwGO,
§ 12 Abs. 3 Satz 2 der (6.) Niedersächsischen Verordnung zur Neuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 - Niedersächsische Corona-Verordnung - vom 10. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 226) vorläufig außer Vollzug zu setzen,
hat Erfolg.
Denn er ist zulässig (1.) und begründet (2.). Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.
1. Der Antrag ist zulässig.
a) Er ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJGstatthaft. Die (6.) Niedersächsische Verordnung zur Neuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 - Niedersächsische Corona-Verordnung - vom 10. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 226) ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 16 ff.). Angegriffen ist nur § 12 Abs. 3 Satz 2 der (6.) Verordnung, der zu der Regelung über (touristische) Kutschfahrten gehört. Diese Regelung lautet:
§ 12 Touristische Schiffsfahrten und sonstige touristische Dienstleistungen, Seilbahnen …
(3) 1Die Veranstaltung von Kutschfahrten ist zulässig, wenn die Personen in der Kutsche eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen; § 2 ist entsprechend anzuwenden. 2Beim Besteigen und Verlassen der Kutsche sowie zwischen dem Sitzplatz einer Person und dem Sitzplatz jeder anderen Person ist das Abstandsgebot nach § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 einzuhalten. 3Absatz 2 [betrifft die Kontaktdatenerhebung und -dokumentation nach § 4] gilt entsprechend.
§ 1 Abstandsgebot und Zusammenkünfte …
(2) Physische Kontakte einer Person außerhalb der eigenen Wohnung sind nur erlaubt, wenn die in den Absätzen 3 und 4 genannten Bedingungen eingehalten werden.
(3) 1In der Öffentlichkeit sowie in den für die Öffentlichkeit zugänglichen und für einen Besuchs- oder Kundenverkehr geöffneten Einrichtungen jeglicher Art hat jede Person soweit möglich einen Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen einzuhalten (Abstandsgebot). 2Satz 1 gilt nicht gegenüber solchen Personen, die dem Hausstand der pflichtigen Person oder einem weiteren Hausstand oder einer Gruppe von nicht mehr als 10 Personen angehören. 3Die Sätze 1 und 2 gelten vorbehaltlich der Bestimmungen in den nachfolgenden Regelungen dieser Verordnung. …
b) Der Antrag ist auch zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 15.9.2017 (Nds. MBl. S. 1288), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 18.11.2019 (Nds. MBl. S. 1618)).
c) Die Antragstellerin ist in Ansehung ihrer Nebenerwerbstätigkeit, die auch die Durchführung touristischer Kutschfahrten umfasst, hinsichtlich des allein angegriffenen § 12 Abs. 3 Satz 2 der (6.) Verordnung entsprechend § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Sie kann geltend machen, durch diese Norm, die ihren touristischen Kutschfahrbetrieb wegen des einzuhaltenden Abstandes zwischen an Bord der Kutsche befindlichen Personen rechtlichen Beschränkungen unterwirft, die noch immer strenger ausfallen als die Abstandsregelung für touristische Busreisen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 der (6.) Verordnung), möglicherweise in ihren Rechten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 3 Abs. 1 GG verletzt zu sein.
aa) Anders als der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung vom 9. Juli 2020 (Bl. 24 f. der GA) ausgeführt hat, entfällt die Möglichkeit einer Verletzung der Antragstellerin in ihrem Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht etwa dadurch, dass § 12 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Satz 1 der (6.) Verordnung wegen der ebenfalls für anwendbar erklärten Ausnahmen aus § 1 Abs. 3 Satz 2 der (6.) Verordnung im Falle der Antragstellerin keine verbleibende Beschränkungswirkung mehr entfaltete, weil die Antragstellerin allenfalls Kutschen mit Sitzplätzen für bis zu 9 Fahrgäste und 1 Kutscherin einsetzte. Denn bereits diese Prämisse des Antragsgegners trifft nicht zu. Der Betriebsbeschreibung der Antragstellerin „…“ (Anlage AS 5 zur Antragsschrift v. 6.7.2020 im vorliegenden Verfahren, Bl. 13 der GA = Anlage AS 7 zur Antragsschrift v. 17.6.2020 im Verfahren 13 KN 235/20 // 13 MN 236/20, Bl. 30 ff. der dortigen GA) ist zu entnehmen, dass zu dem Kutschfahrbetrieb der Antragstellerin neben einem kleinen auch ein großer Planwagen mit Sitzplätzen für bis zu 11 Fahrgäste und 1 Kutscherin gehört, der normalerweise auch zu Kutschfahrzwecken eingesetzt wird. Dass die Antragstellerin mit Blick auf verschiedene, immer wieder gewechselt habende Anforderungen der infektionsschutzrechtlichen Verordnungen des Antragsgegners aus den Monaten April bis Juni 2020 im Hinblick auf den an Bord der Kutsche einzuhaltenden Abstand ihren Betriebsablauf geändert hat und in dem Hygiene- und Schutzkonzept vom 15. Juni 2020 (Anlage AS 14 zur Antragsschrift v. 17.6.2020 im Verfahren 13 KN 235/20 // 13 MN 236/20, vgl. Bl. 49 der dortigen GA) den großen Planwagen nur mit 9 Fahrgästen zzgl. 1 Kutscherin beplant hat und das aktualisierte Hygiene- und Schutzkonzept vom 12. Juli 2020 (Anlage AS 6 zum Schriftsatz v. 13.7.2020 im vorliegenden Verfahren, Bl. 30 der GA) für den großen Planwagen vorsieht, den Platz neben und hinter der Kutscherin nach Möglichkeit freizulassen, trägt nichts aus. Die darin vorgesehenen Modifikationen gehen ersichtlich allein auf die jeweiligen Vorgaben im Verordnungstext (etwa § 2m Abs. 3 Satz 2 der (5.) Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus v. 8.5.2020 (Nds. GVBl. S. 97) in der Fassung bis zum 5.7.2020 (a.F.), nach welchen lediglich kein Abstand zu Personen des eigenen oder eines weiteren Hausstandes zu halten war, diese Fassung wurde durch Senatsbeschl. v. 26.6.2020 - 13 MN 236/20 -, juris, vorläufig außer Vollzug gesetzt; oder des § 2m Abs. 3 Satz 2 der (5.) Verordnung in der ab dem 6.7.2020 geltenden Fassung (n.F.), der ähnlich wie die aktuelle Regelung einen Abstand zu Personen des eigenen oder eines weiteren Hausstandes oder einer Gruppe von nicht mehr als 10 Personen einzuhalten nicht verlangte) zurück und können nicht als von der Antragstellerin „selbstgewählt“ eingestuft werden. Bei lebensnaher Betrachtung ist vielmehr anzunehmen, dass die Antragstellerin ihre volle verfügbare Kutschenkapazität (11 Fahrgäste zzgl. 1 Kutscherin) ausschöpfen würde, wenn ihr dies rechtlich ermöglicht würde.
Vor diesem Hintergrund bewirkt § 12 Abs. 3 Satz 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der (6.) Verordnung eine Beschränkung insoweit, als er einer derartigen Ausschöpfung entgegensteht. Das gilt unabhängig davon, wie die in mehreren Änderungsschritten (vgl. die Historie des § 2 Abs. 2 Satz 2 der (5.) Verordnung v. 8.5.2020, insbesondere mit Blick auf die Änderungsverordnung v. 19.6.2020 (Nds. GVBl. S. 155)) entstandene Regelung über das Abstandsgebot zu verstehen ist, insbesondere ob und wo das zwischen den drei Tatbestandsvarianten der Ausnahmen des § 1 Abs. 3 Satz 2 der (6.) Verordnung (1. eigener Hausstand, 2. weiterer Hausstand, 3. Gruppe von nicht mehr als 10 Personen) jeweils konjunktional verwendete Wort „oder“ einschließend (= als „und/oder“, das heißt auch kumulativ) oder aber ausschließend (= als „entweder - oder“, das heißt rein alternativ) gemeint ist. Diese Auslegung muss der Senat anlässlich des vorliegenden Falls nicht abschließend vornehmen, weil die Abstandsregelung nach jeder in Betracht kommenden Deutungsweise (im Folgenden (1) bis (3)) dazu führt, dass die Antragstellerin die Kapazität ihrer großen Kutsche mit 11 Fahrgästen zzgl. 1 Kutscherin nicht ausschöpfen darf.
(1) Soweit die Verknüpfung durch „oder“ jeweils einschließend gemeint ist, führt dies dazu, dass eine an Bord der Kutsche grundsätzlich abstandspflichtige Person nach § 1 Abs. 3 Satz 2 der (6.) Verordnung alle drei darin vorgesehenen Ausnahmetatbestände gleichzeitig (kumulativ) in Anspruch nehmen darf, das heißt einen Abstand zu Mitgliedern ihres eigenen Hausstandes und eines weiteren Hausstandes und einer zusätzlichen Gruppe von bis zu 10 Personen (vgl. zum Gruppenbegriff Senatsbeschl. v. 26.6.2020 - 13 MN 236/20 -, juris Rn. 25) nicht einhalten muss (in diese Richtung deutete auch die Spezialregelung für Kutschfahrten in § 2m Abs. 3 Satz 2 der (5.) Verordnung in der ab dem 6.7.2020 geltenden Fassung (n.F.) der Änderungsverordnung v. 2.7.2020 (Nds. GVBl. S. 202), wonach beim Besteigen und Verlassen der Kutsche sowie zwischen den Sitzplätzen ein Abstand von mindestens 1,5 Metern (nur) zu jeder anderen Person einzuhalten war, die „weder zum eigenen noch zu einem weiteren Hausstand noch zu einer gemeinsamen Gruppe von nicht mehr als 10 Personen gehört[e]“).
Vorstellbar ist nun, dass sich die 11 Fahrgäste an Bord der großen Kutsche der Antragstellerin aus einer Reisegruppe von 10 Personen sowie 1 Individualreisenden zusammensetzen sollen, so dass sich unter Berücksichtigung der Kutscherin 12 Personen an Bord der Kutsche befänden. Das aber wäre auch bei der genannten weitestmöglichen Auslegung (1) der Ausnahmevorschrift rechtlich nicht zulässig. Zwar wäre dann aus Sicht der Kutscherin und des Individualreisenden ein Abstand an Bord nicht zu wahren, da diese Personen bei lebensnaher Betrachtung jeweils einem „weiteren“ Hausstand als dem eigenen entstammen, zu dessen einem Mitglied ein Abstand nicht gewahrt werden muss, und zusätzlich an Bord der Kutsche nur die Gruppe aus 10 Personen existiert, zu deren Mitgliedern die Kutscherin und der Individualreisende jeweils einen Abstand ebenfalls nicht zu wahren brauchen. Allerdings steht die kraft Verweisung in § 12 Abs. 3 Satz 2 der (6.) Verordnung anwendbare Abstandsregelung aus § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der (6.) Verordnung einer solchen Besetzung der Kutsche gleichwohl entgegen, weil die jeweiligen Mitglieder der aus bis zu 10 Personen bestehenden Gruppe sich an Bord nicht ohne jeglichen Abstand aufhalten dürfen, da sie nur untereinander und jeweils im Verhältnis entweder zum 11., individualreisenden Fahrgast oder zur Kutscherin (in deren Eigenschaft als Mitglied eines „weiteren“ Hausstandes) von der Abstandsregel befreit sind, nicht jedoch gegenüber der zweiten verbleibenden Person (Kutscherin oder Individualreisender), die nicht Mitglied der Gruppe ist und einem zweiten „weiteren“ Hausstand angehört. Anderes würde nur gelten, wenn die bei dieser Überlegung zweite verbleibende Person Mitglied des eigenen Hausstandes des betreffenden Gruppenmitglieds ist, was bei lebensnaher Betrachtung im touristischen Kontext aber kaum anzunehmen sein dürfte.
(2) Sollte, wofür angesichts der Entstehungsgeschichte der allgemeinen Abstandsregelung Einiges spricht, nur das erste „oder“ (dasjenige zwischen den beiden Ausnahme-Alternativen 1. „eigener Hausstand“ und 2. „weiterer Hausstand“) als einschließendes „oder“ gemeint sein, das zweite „oder“, mit dem erst später (seit dem 22.6.2020, vgl. die Vorläufernorm in § 2 Abs. 2 Satz 2 der (5.) Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus v. 8.5.2020 (Nds. GVBl. S. 97) in der Fassung der Änderungsverordnung v. 19.6.2020 (Nds. GVBl. S. 155)) die 3. Alternative „Gruppe von nicht mehr als 10 Personen“ angeschlossen worden ist, jedoch ein ausschließendes „oder“ („entweder - oder“ im Sinne einer echten Alternative) bewirkt haben, worauf auch die zahlenmäßige Begrenzung im Rahmen der Zusammenkunfts- und Ansammlungsbeschränkung aus § 1 Abs. 4 der (6.) Verordnung (ebenso wie die Vorläufernorm in § 2 Abs. 3 Satz 2 der (5.) Verordnung) hindeutet, so erhellt ohne Weiteres, dass die Abstandsregelung auch bei dieser Auslegung (2) eine volle Besetzung der Kutsche auch bei günstigster Gestaltung rechtlich ausschließt. Sowohl der 11. Fahrgast als auch die Kutscherin müssten dann zwar nicht gegenüber der Gruppe aus 10 Personen Abstand halten, wohl aber untereinander. Desgleichen wären die Mitglieder der Gruppe zwar nicht untereinander, aber jeweils zur Kutscherin und zum 11. Fahrgast zur Abstandswahrung verpflichtet.
(3) Vor diesem Hintergrund bedarf keiner näheren Ausführung, dass eine Ausschöpfung der Kutschenkapazität erst recht dann ausscheidet, wenn beide „oder“ in § 1 Abs. 3 Satz 2 der (6.) Verordnung als ausschließendes „oder“ („entweder - oder“) zu verstehen sind.
bb) Ferner besteht die Möglichkeit einer Verletzung der Antragstellerin in ihrem dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) korrespondierenden Gleichheitsgrundrecht, weil § 12 Abs. 3 Satz 2 der (6.) Verordnung eine von der Antragstellerin ausdrücklich bekämpfte gesonderte Abstandsregelung enthält, die sich im Vergleich zu derjenigen für touristische Busreisen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 der (6.) Verordnung) noch immer als strenger erweist. Letztgenannte Regelung steht in folgendem Kontext:
§ 13 Touristische Busreisen
(1) 1Die Durchführung von und die Teilnahme an touristischen Busreisen sind gestattet, wenn die Unternehmerin oder der Unternehmer sicherstellt, dass jeder Fahrgast beim Betreten und Verlassen des Fahrzeugs sowie während des Aufenthalts im Fahrzeug eine Mund-Nasen-Bedeckung trägt; § 2 ist entsprechend anzuwenden. 2Während des Aufenthalts im Fahrzeug hat jede Person, soweit die Zahl der Fahrgäste dies zulässt, das Abstandsgebot nach § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 einzuhalten. 3Die Unternehmerin oder der Unternehmer hat Maßnahmen aufgrund eines Hygienekonzepts nach § 3 zu treffen und sich dabei nach den „Gemeinsamen Empfehlungen des Omnibusgewerbes bei Wiederaufnahme des Busreiseverkehrs/Gelegenheitsverkehrs“ vom 6. Mai 2020 zu richten. 4Die Unternehmerin oder der Unternehmer hat sicherzustellen, dass während der Nutzung des Fahrzeugs für die touristische Busreise die Klimaautomatik des Fahrzeugs auf eine Dauerventilation eingestellt ist, um einen stetigen Luftaustausch für die Fahrgäste zu gewährleisten. 5Die Unternehmerin oder der Unternehmer ist zur Datenerhebung und Dokumentation nach § 4 verpflichtet.
(2) [Ausnahme für touristische Busreisen in oder durch Niedersachsen, die in einem anderen Bundesland begonnen haben].
2. Der Normenkontrolleilantrag erweist sich auch als begründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. „Doppelhypothese“ diejenigen Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist § 12 Abs. 3 Satz 2 der (6.) Niedersächsischen Verordnung zur Neuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 - Niedersächsische Corona-Verordnung - vom 10. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 226) vorläufig außer Vollzug zu setzen.
a) Der nach Antragsänderung vom 13. Juli 2020 in der Hauptsache allein gegen die besondere Abstandsregelung für touristische Kutschfahrten aus § 12 Abs. 3 Satz 2 der (6.) Verordnung gerichtete Normenkontrollantrag 13 KN 235/20 hat voraussichtlich Erfolg. Denn diese Regelung ist rechtswidrig. Nach § 12 Abs. 3 Satz 2 der (6.) Verordnung ist beim Besteigen und Verlassen der Kutsche sowie zwischen dem Sitzplatz einer Person und dem Sitzplatz einer anderen Person das Abstandsgebot nach § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der (6.) Verordnung einzuhalten. Aus diesem Verweis ergibt sich somit ein Abstand von mindestens 1,5 Metern gegenüber jeder anderen Person an Bord der Kutsche, die nicht dem eigenen Hausstand oder einem weiteren Hausstand oder einer Gruppe von nicht mehr als 10 Personen angehört (vgl. zu den möglichen Auslegungsvarianten oben I.1.c)aa)).
aa) Ob diese Regelung freiheitsgrundrechtlich den Anforderungen genügt, die Art. 12 Abs. 1 GG an Vorgaben für gewerbliche Kutschfahrbetriebe wie denjenigen der Antragstellerin stellt, kann dahinstehen.
bb) Denn sie verstößt jedenfalls gegen das allgemeine Gleichheitsgebot.
(1) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 - juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 - juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 - juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 - juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 - juris Rn. 79).
Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020
- OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer
Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.3.2020 - 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 - 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62).Auch die Überprüfbarkeit der Einhaltung von Ge- und Verboten kann berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 9.6.2020 - 13 MN 211/20 -, juris Rn. 41).
(2) Selbst nach diesem Maßstab ist - noch immer - eine Ungleichbehandlung touristischer Kutschfahrten mit touristischen Busreisen, die sich in der Zwecksetzung gleichen und sich lediglich in der Art des Verkehrsmittels unterscheiden, augenfällig, die nicht gerechtfertigt werden kann.
(a) Zu Recht moniert die Antragstellerin, § 13 Abs. 1 Satz 2 der (6.) Verordnung enthalte für touristische Busreisen weiterhin eine deutlich großzügigere Abstandsregelung als § 12 Abs. 3 Satz 2 der (6.) Verordnung für touristische Kutschfahrten.
Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 der (6.) Verordnung nämlich hat jede Person während des Aufenthalts im Fahrzeug (Bus), soweit die Zahl der Fahrgäste dies zulässt, das Abstandsgebot nach § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der (6.) Verordnung einzuhalten.
Zu Vorläuferregelungen (§ 2m Abs. 3 Satz 2 (Kutschfahrten) und § 2n Abs. 1 Satz 2 (Busreisen) der (5.) Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97) in der bis zum 5. Juli 2020 geltenden Fassung, die durch verschiedene Änderungsverordnungen geschaffen worden war, hat der Senat in seinem Beschluss vom 26. Juni 2020 - 13 MN 236/20 -, Nds. GVBl. S. 204, juris Rn. 41 ff., Folgendes ausgeführt:
„(aa) [Damit] steht die Abstandsregelung des § 2n Abs. 1 Satz 2 der Verordnung mit ihren drei Ausnahmen […] unter dem allgemeinen Vorbehalt, dass,die Zahl der Fahrgäste dies (das heißt: ihre Einhaltung) zulässt‘. Soweit der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 25. Juni 2020 (Bl. 128 f. der GA [des Verfahrens 13 KN 235/20 // 13 MN 236/20]) auf Nachfrage des Senats einschränkend erläutert hat, diese Formulierung solle nur die kurzzeitige Unterschreitung des Mindestabstandes beim notwendigen Toilettengang zur und von der Bordtoilette des Reisebusses in Abhängigkeit vom gegebenen Besetzungsgrad des Busses ermöglichen, ist das nicht überzeugend. Der Antragsgegner argumentiert insoweit mit Einschränkungen, die dem Verordnungstext in keiner Weise zu entnehmen sind. Wäre nur diese spezielle Ausnahmesituation gemeint gewesen, hätte der Verordnungsgeber sie ohne weiteres beschreiben können. Auch geht der Antragsgegner offenbar unzutreffend von einer konstanten vorgefundenen Zahl der Fahrgäste an Bord des Busses aus, deren Zustandekommen jedoch keinen weiteren Vorgaben oder Beschränkungen unterliegt. Vielmehr ist diese Zahl variabel und kann aufgrund der jetzigen Formulierung von den Veranstaltern der Busreisen frei bestimmt werden. Sie richtet sich insbesondere nach der Nachfrage für eine bestimmte touristische Busfahrt und trifft letztlich nur auf die Grenzen, die durch die Zahl im Bus verfügbarer Sitzplätze gezogen sind. Die derzeitige Fassung überlässt es damit den Busunternehmen, von der Zahl der an der touristischen Busreise nach ihrer Planung teilnehmenden Fahrgäste abhängig zu machen, ob und inwieweit die Plätze im Bus besetzt, ob und inwieweit eine ggf. sogar vollständige Auslastung der insgesamt verfügbaren Sitzplätze erfolgt und ob die Abstände nach der Abstandsregelung überhaupt eingehalten werden müssen. Einen derartigen allgemeinen Vorbehalt, der zur Aktivierung oder Deaktivierung von Abstandsregeln nach willentlicher Steuerung der Unternehmer führt, enthält die für touristische Kutschfahrten geltende Regelung des § 2m Abs. 3 Satz 2 der Verordnung demgegenüber nicht. [(bb) …]
(b) Eine Rechtfertigung der festgestellten Ungleichbehandlung von touristischen Kutschfahrten und touristischen Busreisen durch einen sachlichen Grund (Unterschied) ist nicht ersichtlich.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Fahrten im Übrigen sind vergleichbar, weil in beiden Fällen die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne des § 9 der Verordnung [jetzt § 2 der (6.) Verordnung] angeordnet ist (vgl. § 2m Abs. 3 Satz 1 und § 2n Abs. 1 Satz 1 der Verordnung [jetzt § 12 Abs. 3 Satz 1 und § 13 Abs. 1 Satz 1 der (6.) Verordnung]) sowie Kontaktdaten der Fahrgäste zu dokumentieren und aufzubewahren sind (vgl. § 2m Abs. 3 Satz 3, Abs. 2 und § 2n Abs. 1 Sätze 5 ff. der Verordnung [jetzt § 12 Abs. 3 Satz 3, Abs. 2 und § 13 Abs. 1 Satz 5, § 4 der (6.) Verordnung]). Im Tatsächlichen ist eine strengere Abstandsregelung für Kutschfahrten nicht recht einsichtig. Anders als in geschlossenen Reisebussen, in denen regelmäßig auch zeitlich längere Fahrten als in Kutschen absolviert werden, dürfte in Kutschen wegen ihrer regelmäßig offenen Bauweise ein Aufenthalt an frischer Luft während der Fahrt gewährleistet und damit ein vergleichsweise geringeres Infektionsrisiko gegeben sein.“
Dieser Beanstandung des Senats aus dem genannten Beschluss vom 26. Juni 2020 (a.a.O.) hat der Verordnungsgeber weder anlässlich seiner Änderungsverordnung vom 2. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 202, dort Art. 1 Nr. 5 lit. b)) zu § 2m Abs. 3 Satz 2 der (5.) Verordnung noch bei Erlass des § 12 Abs. 3 Satz 2 der (6.) Verordnung vom 10. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 226) Rechnung getragen. An ihr hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Antragsgegners auf Seiten 4 f. dessen Antragserwiderung vom 9. Juli 2020 im vorliegenden Normenkontrolleilverfahren 13 MN 261/20 (Bl. 26 f. der GA) auch für die hier zu überprüfende (6.) Verordnung fest. Zu betonen ist erneut der Befund, dass wenn der Verordnungsgeber von der Einhaltung der Abstandsregelung an Bord des Busses (nunmehr aus § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der (6.) Verordnung) nur in bestimmten Situationen (Toilettengang, nunmehr zusätzlich erwähnt: Umplatzierung aufgrund von Reisekrankheit, Bl. 27 der GA) hätte dispensieren wollen, er dies bereits in der Änderungsverordnung vom 2. Juli 2020 (a.a.O.) in Gestalt einer Änderung auch des § 2n Abs. 1 Satz 2 der (5.) Verordnung, spätestens aber in § 13 Abs. 1 Satz 2 der (6.) Verordnung bei deren Erlass am 10. Juli 2020 ohne Weiteres hätte formulieren können, was jedoch unterblieben ist.
Aus der Inkorporation der „Gemeinsamen Empfehlungen des (deutschen) Omnibusgewerbes bei Wiederaufnahme des Busreiseverkehrs/Gelegenheitsverkehrs“ vom 6. Mai 2020 (im Internet abrufbar unter https://www.bdo.org/uploads/assets/5eb2e7328f5d0bb3df000037/original/Exit-Konzept_der_Busbranche_-_Anforderungen_an_alle_Reisebusunternehmen.pdf?1588782898) durch § 13 Abs. 1 Satz 3 der (6.) Verordnung (zuvor § 2n Abs. 1 Satz 3 der (5.) Verordnung) folgt nichts Anderes. Die inkorporierten Bestimmungen bewirken hinsichtlich des unter allgemeinem Vorbehalt einzuhaltenden Abstandes keine weitere Einschränkung. Vielmehr lassen sie unter Punkt 3. „Schutz der Reisegäste“, 3. Spiegelstrich, deutlich erkennen, dass das Abstandsgebot danach „durch die Zuweisung fester Sitzplätze und die gleichmäßige Verteilung der Fahrgäste im Bus im Rahmen der Möglichkeiten und solange die Auslastung des Fahrzeuges dies zulässt“, gewahrt werden soll (Hervorhebung durch den Senat). Dieser Maßstab entspricht dem allgemeinen Vorbehalt aus § 13 Abs. 1 Satz 2 der (6.) Verordnung und stützt daher deutlich die vom Senat gefundene Auslegung dieser Vorschrift. Überdies sieht Punkt 3., 1. Spiegelstrich Satz 3 der „Gemeinsamen Empfehlungen“ ohnehin vor, dass, wenn es Reisegästen und Personal „nicht möglich ist“, einen Mindestabstand von grundsätzlich 1,5 Metern zu wahren, die Gäste einen Mundschutz zu tragen haben. Eine derartige „Maskenpflicht“ indes ist ohnehin nach § 13 Abs. 1 Satz 1 der (6.) Verordnung materiell-gesetzlich angeordnet.
b) Der abermals zu konstatierende Gleichheitsverstoß führt zu einer Verletzung der Antragstellerin als nebengewerbliche Kutscherin in ihrem damit korrespondierenden Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG und begründet mit Blick auf die Nichtausschöpfbarkeit ihrer Kutschenkapazität zugleich einen gewichtigen Nachteil, der eine vorläufige Außervollzugsetzung des § 12 Abs. 3 Satz 2 der (6.) Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO gebietet. Wegen der vergleichsweise geringen Zahl an touristischen Kutschfahrten in Niedersachsen führt diese Außervollzugsetzung nicht zu einer Unterminierung des Schutzkonzepts des Antragsgegners, mag es auch nunmehr aufgrund dessen (erneut) an einer anwendbaren Abstandsregelung für touristische Kutschfahrten fehlen. Es wäre Sache des Verordnungsgebers, die aus seiner Sicht dadurch entstehende „Lücke“ mit verfassungsrechtlich unbedenklichen Normen zu füllen.
c) Die einstweilige Außervollzugsetzung wirkt nicht nur zugunsten der Antragstellerin in diesem Verfahren; sie ist allgemeinverbindlich (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 611). Der Antragsgegner hat die hierauf bezogene Entscheidungsformel in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO unverzüglich im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).