Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.08.2020, Az.: 13 MN 297/20

Abstandsgebot; Abstandsregelung; Besucherpflicht; Corona-Virus; Dimension; Doppelhypothese; eigener Hausstand; Gastronomie; Gruppe; Kino; Kinobesucher; Kinobetreiber; Kinosaal; Kinovorführung; Maskenpflicht; Mund-Nasen-Bedeckung; Nichtstörer; Normenkontrolleilantrag; Tischabstandsgebot; Veranstalterpflicht; weiterer Hausstand; wichtiger Grundbaustein; Zweckveranlasser

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.08.2020
Aktenzeichen
13 MN 297/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 72045
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der Normenkontrolleilantrag der Antragstellerin bleibt ohne Erfolg.

Der auslegungsbedürftige (1.) Antrag ist zulässig (2.), aber unbegründet (3.) und daher abzulehnen. Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Nach verständiger Auslegung (§§ 88, 122 Abs. 1 VwGO) ist der von der Antragstellerin gestellte Antrag dahin zu deuten, dass damit begehrt wird,

§ 24 Abs. 2 Satz 1 und § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der (6.) Niedersächsischen Verordnung zur Neuordnung der Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 - Niedersächsische Corona-Verordnung - vom 10. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 226), berichtigt am 15. Juli 2020 (Nds. GVBl. S. 257), zuletzt geändert mit Wirkung vom 19. August 2020 durch die (2.) Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 11. August 2020 (Nds. GVBl. S. 267), vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit sich das daraus für Besucherinnen und Besucher ergebende Abstandsgebot, deren Einhaltung von der Veranstalterin oder dem Veranstalter sicherzustellen ist, auf eine Vorführung in einem Kino bezieht.

Zwar scheint sich der Antrag ausweislich der anwaltlich formulierten Antragsfassung aus der Antragsschrift vom 5. August 2020 (Bl. 1 ff. der GA) ausdrücklich nur gegen § 24 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung zu richten. Jedoch ergibt eine Exegese der materiellen Antragsbegründung, in der überdies an verschiedenen Stellen von „§ 24 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2“ der Niedersächsischen Corona-Verordnung die Rede ist, dass mit dem Antrag die Regelungen, nach welchen in Kinos Abstände besucherseitig einzuhalten und veranstalterseitig durchzusetzen sind, insgesamt einer Überprüfung im Normenkontrolleilverfahren unterzogen werden sollen.

2. Der so verstandene Antrag ist zulässig.

a) Er ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJGstatthaft. Die Vorschriften, deren vorläufige Außervollzugsetzung begehrt wird - §§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2, 24 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, soweit Kinovorführungen betroffen sind - entstammen einer im Range unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 16 ff.).

b) Die Antragstellerin, die u.a. in A-Stadt das Kino „C.“ betreibt, ist auch hinsichtlich beider Dimensionen des Abstandgebots antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO.

Nach dieser Vorschrift kann den Antrag eine natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne dieser Bestimmung sind die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei der Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005 - BVerwG 6 BN 1.05 -, juris Rn. 3 ff., insbes. 7; Urt. v. 26.2.1999 - BVerwG 4 CN 6.98 -, juris Rn. 9). Ausreichend, aber auch erforderlich ist es daher, dass die Antragstellerin hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in ihren subjektiven Rechten verletzt wird. Die Antragsbefugnis fehlt, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte der Antragstellerin verletzt sein können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.2001 - BVerwG 6 CN 4.00 -, juris Rn. 10; grundlegend: Urt. v. 24.9.1998 - BVerwG 4 CN 2.98 -, juris Rn. 8; Senatsbeschl. v. 22.5.2020 - 13 MN 158/20 -, juris Rn. 8; Senatsurt. v. 20.12.2017 - 13 KN 67/14 -, juris Rn. 65). Nach diesem Maßstab ist die Antragsbefugnis wegen einer möglichen Verletzung der Antragstellerin ihren Grundrechten aus Art. 12 Abs. 1, 3 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG gegeben.

aa) Bezüglich der Nachfrageseite regelt § 1 Abs. 3 Satz 1 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, dass Besucher von Einrichtungen gleich welcher Art, die für einen Besuchs- oder Kundenverkehr geöffnet sind - und also auch von Lichtspieltheatern (Kinos) -, Abstand von 1,5 Metern zu anderen Personen (insbesondere anderen Besuchern) in dem Umfang einzuhalten haben, der sich in der Gesamtschau des Grundsatzes (Satz 1) und der Ausnahme (Satz 2) der Abstandsregelung ergibt (Besucherpflicht). Nach Satz 2 des § 1 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ist ein Abstand im Sinne des Satzes 1 dieses Absatzes danach nicht einzuhalten zu Personen, die dem Hausstand des Pflichtigen oder einem weiteren Hausstand oder einer Gruppe von nicht mehr als 10 Personen angehören. In seinem Beschluss vom 17. Juli 2020 - 13 MN 161/20 - (juris Rn. 12) hat der Senat noch offengelassen, welchen Rechtsfolgeninhalt diese Regelung in der Gesamtschau zeitigt. Im vorliegenden Verfahren ist diese Frage dahin zu beantworten, dass das erste „oder“ einschließend (als „und/oder“) und das zweite „oder“ ausschließend (als „entweder - oder“) zu verstehen ist, das heißt, dass der Abstand nach Wahl des Pflichtigen entweder zu Personen des eigenen und/oder eines anderen Hausstandes oder aber zu einer von Angehörigen aus mehr als zwei Haushalten gebildeten Personengruppe von bis zu 10 Personen, zu der der Pflichtige selbst gezählt werden muss, nicht gewahrt werden muss. Nur diese Auslegung, die der Wortlaut zulässt, entspricht der Entstehungsgeschichte der Abstandsregelung (vgl. hierzu bereits Senatsbeschl. v. 17.7.2020, a.a.O., Rn. 15) und dem Sinn und Zweck der schrittweisen Lockerung des Abstandsgebots. Auch verschiedentliche Verlautbarungen des Antragsgegners in der Landespressekonferenz Niedersachsen und anderen Medien zum Bedeutungsgehalt der Abstandsregelung stützen diese Auslegung. Das erste „oder“ kann danach jedenfalls nicht ausschließend gemeint sein, weil die Lockerungsstufe, die der Antragsgegner ab dem 11. Mai 2020 mit der Erweiterung der ersten Variante („eigener Hausstand“) um einen „weiteren“ Hausstand (zweite Variante) betreten hat, ersichtlich ein abstandsloses Treffen aller Personen zweier Haushalte ermöglichen wollte. Gegen einen einschließenden Charakter auch des zweiten „oder“ spricht indessen, dass die dritte Variante der „Gruppe von nicht mehr als 10 Personen“ erst später - ab dem 22. Juni 2020 - angefügt wurde, um Treffen von Angehörigen aus mehr als zwei Haushalten rechtlich zulässig zu machen; dass der Verordnungsgeber in einer solchen Konstellation aber die Obergrenze von 10 Personen gewahrt wissen und nicht im Wege der Kumulation durch Hinzunahme von Angehörigen zweier zusätzlicher Haushalte (erste und zweite Variante) überschreiten lassen wollte, dürfte ebenso einleuchten.

Die Antragsbefugnis der auf der Angebotsseite stehenden Antragstellerin als Betreiberin des Kinos (Veranstalterin der Kinovorführungen) scheitert im Hinblick auf die so verstandene Besucherpflicht nicht daran, dass sie selbst nicht Besucherin der Kinovorführungen ist, an die sich diese Verordnungsbestimmung unmittelbar richtet.

(1) § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung bewirkt auf der Nachfrageseite eine erhebliche Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen der beruflichen Tätigkeit der Anbieter, die zum einen zu einer Möglichkeit der Verletzung in deren Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG führt.

Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet die Freiheit der beruflichen Betätigung. Der Schutz dieses Grundrechts ist einerseits umfassend angelegt, wie die Erwähnung von Berufswahl, Wahl von Ausbildungsstätte und Arbeitsplatz sowie Berufsausübung zeigt. Andererseits schützt es aber nur vor solchen Beeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Betätigung bezogen sind. Es genügt also nicht, dass eine Rechtsnorm oder ihre Anwendung unter bestimmten Umständen Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit entfaltet. Das ist bei vielen Normen der Fall. Ein Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit liegt vielmehr erst dann vor, wenn die Norm, auf die die Maßnahme gestützt ist, berufsregelnde Tendenz hat. Das heißt allerdings nicht, dass die Berufstätigkeit unmittelbar betroffen sein muss. Es kann vielmehr auch vorkommen, dass eine Norm die Berufstätigkeit selbst unberührt lässt, aber im Blick auf den Beruf die Rahmenbedingungen verändert, unter denen er ausgeübt werden kann. In diesem Fall ist der Berufsbezug ebenfalls gegeben. Das gilt auch für durch Verordnungen auferlegte Teilnahmebeschränkungen. Sie berühren Art. 12 Abs. 1 GG dann, wenn sie infolge ihrer Gestaltung in einem engen Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz haben (vgl. BVerfG, Urt. v. 8.4.1997 - 1 BvR 48/94 -, BVerfGE 95, 267, juris Rn. 135). So liegt es hier.

Die streitgegenständliche Abstandsregelung beim Besuch von Kinovorführungen verändert die Rahmenbedingungen, unter denen die Antragstellerin ihr Kino betreiben darf. Die sich daraus ergebenden Beschränkungen der Besucherzahl im Hinblick auf die jeweilige Vorführung stehen in engem Zusammenhang mit den Möglichkeiten, Vorführungen in Kinosälen, die mehr als die solchermaßen mittelbar beschränkte Teilnehmerzahl zulassen, am Markt anzubieten, und regeln damit objektiv, inwieweit diese Säle nicht genutzt werden können (ähnlich für Anbieter privat vermieteter, für Hochzeitsfeiern genutzter Räumlichkeiten: Senatsbeschl. v. 13.8.2020 - 13 MN 290/20 -, juris Rn. 17).

(2) Soweit nach dem Vortrag der Antragstellerin für Angebote in einzelnen Wirtschafts- und Lebensbereichen, die mit der Tätigkeit der Antragstellerin vergleichbar erscheinen, in der Niedersächsischen Corona-Verordnung weniger weit reichende Abstandsregelungen existieren, lässt dies überdies eine Verletzung der Antragstellerin in dem durch den allgemeinen Gleichheitssatz der Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG vermittelten allgemeinen Gleichheitsgrundrecht zumindest als möglich erscheinen.

bb) Desgleichen besteht die Möglichkeit, dass die auf der Angebotsseite in § 24 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung statuierte, unmittelbar an die Antragstellerin als Veranstalterin „insbesondere einer kulturellen Veranstaltung in geschlossenen Räumen einschließlich einer Vorführung in einem Kino“ - hier die Betreiberin eines Kinos - adressierte Pflicht sicherzustellen, dass die Besucherinnen und Besucher die ihnen obliegende Abstandspflicht aus § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung einhalten, (Veranstalterpflicht) sie in ihren eigenen Rechten verletzt, und zwar ebenfalls in ihrem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. zu dieser Qualifizierung des Eingriffs: Senatsbeschl. v. 16.4.2020 - 13 MN 77/20 -, juris Rn. 29) oder auch in ihrem Gleichheitsgrundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Eine darüberhinausgehende Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als einer nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition dürfte hingegen nicht vorliegen. Denn dieser Schutz erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern; die hier durch die verordnete Beschränkung betroffenen bloßen Umsatz- und Gewinnchancen werden hingegen auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfG, Urt. v. 6.12.2016 - 1 BvR 2821/11 -, BVerfGE 143, 246, 331 f. - juris Rn. 240; Beschl. v. 26.6.2002 - 1 BvR 558/91 -, BVerfGE 105, 252, 278 - juris Rn. 79 m.w.N.).

c) Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 15.9.2017 (Nds. MBl. S. 1288), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 18.11.2019 (Nds. MBl. S. 1618)).

3. Der Antrag ist jedoch unbegründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. „Doppelhypothese“ die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Unter Anwendung dieser Grundsätze bleibt der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung der §§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2, 24 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, soweit auf Vorführungen in Kinos bezogen, ohne Erfolg. In der Hauptsache bestehen keine hinreichenden Erfolgsaussichten (a)). Zudem überwiegen die für den weiteren Vollzug der angegriffenen Verordnungsbestimmungen sprechenden Gründe die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung (b)).

a) Ein von der Antragstellerin gegen die angegriffenen Verordnungsbestimmungen in der Hauptsache zu stellender Normenkontrollantrag hätte voraussichtlich keinen Erfolg. Nach der derzeit nur gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass die in § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Besucherpflicht (aa)) sowie die in § 24 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vorgesehene Veranstalterpflicht (bb)), soweit sie sich jeweils auf ein Abstandsgebot in Kinosälen beziehen, formell und materiell rechtmäßig sind.

aa) Die Besucherpflicht ist voraussichtlich rechtlich nicht zu beanstanden.

(1) Rechtsgrundlage für den Erlass der Verordnung ist § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG -) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), in der hier maßgeblichen zuletzt durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) mit Wirkung vom 28. März 2020 geänderten Fassung. Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtsgrundlagen, insbesondere mit Blick auf die Bestimmtheit der getroffenen Regelungen und deren Vereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes, drängen sich dem Senat nicht auf (vgl. hierzu im Einzelnen: OVG Bremen, Beschl. v. 9.4.2020 - 1 B 97/20 -, juris Rn. 24 ff.; Hessischer VGH, Beschl. v. 7.4.2020 - 8 B 892/20.N -, juris Rn. 34 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.4.2020 - 13 B 398/20.NE -, juris Rn. 36 ff.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 -, juris Rn. 39 ff.; Beschl. v. 30.3.2020 - 20 CS 20.611 -, juris 17 f.).

(2) Anstelle der nach § 32 Satz 1 IfSG ermächtigten Landesregierung war aufgrund der nach § 32 Satz 2 IfSG gestatteten und durch § 3 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften (Subdelegationsverordnung) vom 9. Dezember 2011 (Nds. GVBl. S. 487) noch in der Fassung der Verordnung vom 17. März 2017 (Nds. GVBl. S. 65) betätigten Subdelegation das Niedersächsische Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung zum Erlass der §§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2, 24 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung zuständig.

(3) Das in § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordnete Abstandsgebot für Besucher von Kinovorführungen dürfte auch die materiellen Voraussetzungen des § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG erfüllen.

Nach § 32 Satz 1 IfSG dürfen unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen werden.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind angesichts der herrschenden Corona-Pandemie erfüllt, wie der Senat zuletzt im Beschluss vom 29. Juni 2020 - 13 MN 244/20 -, juris Rn. 15 bis 21, eingehend festgestellt hat. Seitdem hat sich keine wesentliche Veränderung der Sachlage ergeben. Der Mittelwert der in den vergangenen 7 Tagen neu Erkrankten ist im Vergleich zu Ende Juni 2020 seit Anfang August 2020 sogar erhöht und aktuell annähernd verdoppelt (siehe https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/ (Stand 21.8.2020)). Von einer „flachen Infektionskurve“, wie die Antragstellerin vorgetragen hat, kann angesichts der danach derzeit täglich rund 150 zusätzlichen Neuinfektionen mit dem Corona-Virus in Niedersachsen keine Rede sein.

Das Abstandsgebot für Besucher und die daraus sich auf der Anbieterseite ergebende Begrenzung der Besucherzahl bei einer Vorführung in dem jeweiligen Kinosaal verstoßen weder gegen die Berufsfreiheit der Antragstellerin als gewerbliche Kinobetreiberin (Art. 12 Abs. 1 GG) noch gegen die allgemeine Handlungsfreiheit der Besucher (Art. 2 Abs. 1 GG) - (a) - oder den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) - (b) -.

(a) Soweit das Abstandsgebot in Form einer Besucherpflicht in die Freiheitsgrundrechte der gewerblichen Kinobetreiber (Art. 12 Abs. 1 GG) oder der eine bloße Freizeitaktivität vornehmenden Besucher (Art. 2 Abs. 1 GG) eingreift, ist der Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Er hält gegenwärtig die sich aus der Beschränkung in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 32 Satz 1 IfSG auf „notwendige Schutzmaßnahmen“ sowie aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit in inhaltlicher Hinsicht („soweit“) und zeitlicher Hinsicht („solange“) ergebenden strengen Grenzen (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 16.7.2020 - 20 NE 20.1500 -, juris Rn. 17 ff.) ein.

(aa) Der Verordnungsgeber verfolgt mit dem Abstandsgebot als Besucherpflicht das legitime Ziel, die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines exponentiellen Anstiegs von Ansteckungen und Krankheitsfällen zu vermeiden. Dieses Ziel ist entgegen der Ansicht der Antragstellerin unverändert legitim. Die von der Antragstellerin eingereichten Dokumente der Europäischen Union (Bl. 178 ff. der GA) weichen von dieser Zielrichtung nicht ab. Dass der Verordnungsgeber sich im Vergleich zu den Rechtsverhältnissen, die dem Senatsbeschluss vom 16. Juni 2020 - 13 MN 218/20 - (juris Rn. 18 ff., 39) zur Schließungsanordnung für Kinos in § 1 Abs. 3 Nr. 3 der (5.) Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97) der damals geltenden Fassung zugrunde lagen, nunmehr (seit dem 22.6.2020, vgl. Art. 1 Nr. 1 litt. b) und e) aa) der Änderungsverordnung zur (5). Verordnung v. 19.6.2020, Nds. GVBl. S. 155) dafür entschieden hat, nicht länger eine Schließungsanordnung vorzusehen, sondern im Rahmen seines „Stufenplans“ derzeit eine Öffnung unter Hygieneauflagen zuzulassen, ändert an der vom Senat im genannten Beschluss vorgenommenen Beurteilung der vom Ausstoß kontaminierter Aerosole herrührenden Gefährlichkeit von Veranstaltungen wie Kinovorführungen, wenn sie wie hier in geschlossenen Räumen, mit einer Vielzahl regelmäßig einander unbekannter Personen und längerer Verweildauer stattfinden, nichts. Auf die Gefahr einer Begründung von Infektionsketten durch Veranstaltungen und Feiern weist auch das RKI in seinen täglichen Situationsberichten hin (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html (Stand: 23.8.2020)). Nicht verständlich ist vor diesem Hintergrund die Argumentation der Antragstellerin, das mit dem Abstandsgebot verfolgte Ziel sei im Rahmen eines von ihr vermissten „Gesamtkonzepts“ bereits nicht erkennbar und damit nicht legitim.

(bb) Die für die Kinobesucher angeordnete Abstandspflicht ist geeignet, die nach alledem in Kinosälen bestehende Infektionsgefahr einzudämmen, da sie zu enge Ansammlungen zu vieler Personen, die während einer Kinovorführung zum Zwecke des Filmgenusses naturgemäß längere Zeit (jeweils mindestens zwei Stunden lang) in geschlossenen Räumen (Kinosälen) verweilen, verhindert und das mit derartigen Ansammlungen einhergehende Infektionsrisiko bereits im Hinblick auf Infektionen zwischen Kinobesuchern untereinander reduziert.

Abstandsgebote im Interesse der Schaffung und Erhaltung physisch-sozialer Distanz zwischen potentiell infektiösen Personen, zumal in derartigen raumzeitlich-situativen Kontexten, auch wenn wie hier keine gesangliche, sportliche oder sonst wie körperliche Aktivität hinzutritt, bilden einen wichtigen Grundbaustein bevölkerungsbezogener Maßnahmen im Kampf gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie (vgl. Senatsbeschl. v. 29.6.2020 - 13 MN 244/20 -, juris Rn. 28). Sie finden sich deshalb folgerichtig in nahezu allen Regelungen zu den verschiedenen Lebensbereichen, die durch die Niedersächsische Corona-Verordnung erfasst werden. Nur wenige spezielle Vorschriften enthalten Ausnahmen hiervon (z.B. § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 6 - körpernahe Dienstleistungen; §§ 12 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 2 - touristische Kutschfahrten und Busreisen; § 17 Abs. 1 Satz 3 - Kohortenprinzip in Schulen; § 26 Abs. 1 Satz 2 - Sportausübung, insbesondere Kontaktsportarten, in Gruppen).

(cc) Der Verordnungsgeber darf das Abstandsgebot sowie die Begrenzung der Besucherzahl, die sich daraus im Zusammenspiel von Regel und Ausnahme in der Abstandsregelung des § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in einem als endlicher Raum vorhandenen Kinosaal ergibt, gegenwärtig voraussichtlich für erforderlich halten. Insbesondere ist derzeit entgegen der Einschätzung der Antragstellerin kein milderes Mittel ersichtlich, das eine vergleichbare Wirksamkeit im Hinblick auf die Förderung des mit der Abstandsregelung verfolgten Gesundheitsschutzzwecks verspräche. Der zu Shisha-Bars u.ä. ergangene Senatsbeschluss vom 27. Juli 2020 - 13 MN 272/20 - (juris) trägt nichts aus. Dort war eine Schließungsanordnung im Verhältnis zu vorstellbaren milderen Hygieneauflagen der Art zu würdigen, wie sie inzwischen Eingang in § 10 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung gefunden haben.

(aaa) Soweit die Antragstellerin unter Verweis auf den Untersuchungsbericht des Hermann-Rietschel-Instituts der Technischen Universität Berlin (Bl. 221 ff. der GA) bereits im Hinblick auf die in Kinos „vorherrschende“ besondere Art der Lüftung („Quelllüftung“ von unten nach oben) mit „bis zu 100% Frischluftzufuhr“ für ausreichend hält, um auch potentiell gefährliche Aerosole, die aufgrund des Ausatmens infizierter Kinobesucher entstehen, leistungsfähig abzutransportieren, ist zunächst weder belegt noch erkennbar, dass diese Lüftungssysteme allgemeiner Standard in Kinosälen geworden wären oder dass sie ohne Weiteres flächendeckend dort eingesetzt werden könnten. Der Untersuchungsbericht bezieht sich lediglich auf ein einziges konkret untersuchtes Kino („Alhambra“) in Berlin-Wedding. Zudem räumt der Bericht auf Seite 2 (Bl. 222 der GA) ein, dass die Betrachtungen und Ergebnisse zur Ausbreitung von Aerosolen im Kino-saal nicht auf die Aerosolkonzentration im unmittelbaren Ausatemvolumenstrom von (gemeint: infizierten) Personen übertragen werden könnten, die deutlich höher sei. Genau um diesen Nahbereich geht es jedoch bei einer unterstellten Unterschreitung des Mindestabstandes durch eine unmittelbar angrenzende Platzierung von Personen, die nicht den Ausnahmen der Abstandsregelung aus § 1 Abs. 3 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung unterfallen. Schließlich konzediert der Bericht, dass eine Aussage über die Überlebensfähigkeit der Viren in der Raumluft nicht getroffen werden könne.

(bbb) Soweit die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 20. August 2020 die Stellungnahme zum Publikumsbetrieb von Konzert- und Opernhäusern von Wissenschaftlern des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie sowie des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Charité-Universitätsmedizin Berlin vom 17. August 2020 (Bl. 265 ff. der GA) eingereicht hat, die eine Vollbesetzung von Konzert- und Opernsälen unter bestimmten Voraussetzungen für infektiologisch vertretbar erachtet, und diese Stellungnahme für übertragbar auf Kinosäle hält, ist gegen dieses Papier grundsätzlich einzuwenden, dass es jede wissenschaftlich-methodische Begründung für den Ausschluss von Infektionsgefahren im Hinblick auf das Corona-Virus vermissen lässt. Es handelt sich dabei um eine Art „Hygienekonzept für Musikaufführungen“, das die Autoren, die offensichtlich mit der Szene der Musikschaffenden persönlich verbunden sind (wie Prof. Dr. med. Stefan N. Willich, der offenbar zugleich Dirigent ist), erstellt haben. Folgerichtig enthält es vor allem Vorgaben für die zwischen den Musikern zu wahrenden Abstände und sonstige Hygieneanforderungen, die das Orchester betreffen. Das Konzertpublikum wird nur am Rande erwähnt und im Hinblick auf Infektionsrisiken als besonders „aufgeklärt“ bewertet. Über die bloße Behauptung unter Punkt 10. auf S. 3 der Stellungnahme (Bl. 267 der GA) hinaus, dass volle Besetzungen der Konzertsäle möglich seien, wird keinerlei Begründung entwickelt. Wie Medienberichten (vgl. https://www.tagesspiegel.de/wissen/disziplinierter-als-bei-der-love-parade-darum-empfehlen-berliner-forscher-klassik-konzerte-vor-vollem-haus/26102712.html) zu entnehmen ist, hat der Vorstand der Charité sich im Übrigen vom Inhalt dieser Stellungnahme bereits distanziert. Schließlich ist zu beachten, dass der mit einer Vollbesetzung von Sälen einhergehende Verzicht auf die Wahrung eines Abstandsgebots nach der Stellungnahme nur unter der Maßgabe erfolgen können soll, dass für die Besucher der Veranstaltung „die Pflicht (gilt), einen einfachen medizinischen Mund-Nasen-Schutz zu tragen“; ohne Mund-Nasen-Schutz sei ein Abstand von 1 m zu fremden Personen einzuhalten, was eine volle Belegung aller Sitzplätze wieder ausschlösse. Eine derartige „Maskenpflicht“ gilt für abstandspflichtige Besucher von Kinovorführungen in Niedersachsen, sobald sie ihre Sitzplätze eingenommen haben, nach §§ 2 Abs. 4, 24 Abs. 2 Sätze 3 und 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung jedoch gerade nicht. Abgesehen davon, dass die Pflicht zum dauerhaften Tragen einer (zumal medizinischen, das heißt über den Standard der nach § 2 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vorgesehenen „Alltagsmasken“ hinausgehenden) Mund-Nasen-Bedeckung auch während der Vorführung eine stärkere Belastung der Besucher als die Einhaltung des Abstandsgebots darstellte und damit als milderes Mittel nicht in Betracht kommt, hat der Senat auch die vergleichbare Wirksamkeit einer derartigen Pflicht in seinem Beschluss vom 16. Juni 2020 - 13 MN 218/20 -, juris Rn. 40, bereits bezweifelt. Hierauf kann verwiesen werden.

(ccc) Auch die von der Antragstellerin favorisierten Maßnahmen zu einer reinen Kontaktdatenerhebung und -dokumentation (§ 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung), die sie zusammen mit ihrem Hygienekonzept (§ 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) zu Unrecht für ausreichend erachtet, erweisen sich nicht als gleichwirksame Mittel. Abgesehen davon, dass § 24 Abs. 2 Satz 4, 2. HS. der Niedersächsischen Corona-Verordnung ihr als Veranstalterin eine darauf gerichtete Pflicht ohnehin auferlegt, ist die damit allenfalls ermöglichte Rückverfolgbarkeit im Interesse der Unterbrechung außerhalb des Kinosaals beginnender Infektionsketten nach einer festgestellten Infektion von Besuchern - wie der Antragsgegner zu Recht betont - nicht in der Lage, bereits die Entstehung von Infektionen zwischen Besuchern während der Veranstaltung (im Kinosaal) zu verhindern. Das übersieht die Antragstellerin bei ihrer Argumentation unter Verweis auf § 8 Abs. 1 der Corona-Schutzverordnung Nordrhein-Westfalen vom 15. Juni 2020, der auf diese präventive Schutzdimension jedenfalls im Saal verzichtet. Anstelle eines Abstandes maßgeblich oder gar ausschließlich auf die Rückverfolgbarkeit der Infektionsketten abzustellen, wäre vertretbar, soweit es um Betätigungen geht, bei deren Vornahme - etwa bei körpernahen Dienstleistungen (vgl. § 8 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) - eine Unterschreitung des Abstandes unvermeidbar ist (vgl. zur Abgrenzung Senatsbeschl. v. 26.6.2020 - 13 MN 236/20 -, juris Rn. 16, v. 14.5.2020 - 13 MN 160/20 -, juris Rn. 17, jeweils zur Vorläufernorm in § 7 Abs. 1 der (5.) Verordnung). Hierzu zählt ein Besuch von Kinovorführungen oder sonstigen kulturellen (etwa Theater-, Konzert-)Veranstaltungen in geschlossenen Räumen jedoch nicht.

(ddd) Auch ein bloßer Appell an die Kinobesucher, den Abstand in einem § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung entsprechenden Umfang freiwillig und eigenverantwortlich zu wahren, erscheint nicht gleichermaßen erfolgversprechend. Wären den Besucherinnen und Besucher dahin gehende Rechtspflichten nicht auferlegt, sondern würde nur ein (milderer) Appell zur Abstandnahme an sie gerichtet, neigten sie voraussichtlich gerade bei einem - in Abhängigkeit von der Attraktivität des gezeigten Films durchaus möglichen - erheblichen Besucheraufkommen ungeachtet der Hinweise dazu, die durch die installierten Sitze und Sitzreihen gebildeten, mehr oder weniger knappen Saalkapazitäten voll auszuschöpfen und dabei jeweils einen Mindestabstand von 1,5 Metern zueinander deutlich zu unterschreiten, selbst wenn es sich bei ihren Sitznachbarn um ihnen unbekannte Personen handeln sollte. Dass sich diese mildere Maßnahme unter dem Aspekt der Minimierung des spezifischen Infektionsrisikos nicht als gleichermaßen wirksam wie ein bußgeldbewehrtes und durchsetzbares Abstandsgebot erwiese, liegt nach alledem auf der Hand.

(eee) Rechtlich nicht zu beanstanden ist schließlich die Festlegung der Grenze auf gerade die beiden in § 1 Abs. 3 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung genannten echten Alternativen (eigener und/oder anderer Hausstand oder Gruppe von bis zu 10 Personen). Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ist eine gewisse Grenzziehung angezeigt. Die Festsetzung gehört zum Einschätzungsspielraum des Verordnungsgebers. Die seit dem 13. Juli 2020 geltende Abstandsregelung des § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung erweist sich als behutsame Fortschreibung des zum 22. Juni 2020 erreichten Standes aus § 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der (5.) Verordnung in der Fassung der Änderungsverordnung vom 19. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 155). Zuvor hatte ab dem 11. Mai 2020 § 2 Abs. 2 Satz 2 der (5.) Verordnung vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97) in der Ursprungsfassung pflichtige Personen vom Abstandsgebot nach Satz 1 der Norm nur gegenüber Angehörigen des eigenen und eines weiteren Hausstandes dispensiert. Noch früher - bis zum 10. Mai 2020 - hingegen war nach § 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 der (4.) Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74) in der Fassung der mit Wirkung vom 6. Mai 2020 in Kraft getretenen Änderungsverordnung vom 5. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 90) ein Abstand nur zu solchen Personen nicht einzuhalten, mit denen die pflichtige Person in einer gemeinsamen Wohnung wohnte. Dass die konkrete Bemessung der Alternativen vorliegend die Grenzen dieses Spielraums verlassen hätte, ist unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung und bei typisierender Betrachtung der kulturellen Veranstaltungen wie eines Kinobesuchs auch sonst nicht ersichtlich. Insbesondere ist insoweit wegen der Einzelheiten der Grenzziehung der von der Antragstellerin bemühte Vergleich mit dem Landesinfektionsschutzrecht anderer Bundesländer nicht ergiebig, da hiernach allenfalls festgestellt werden könnte, dass dortige Begrenzungen als innerhalb des Einschätzungsspielraums befindlich angesehen werden dürften, nicht jedoch, wo dieser Spielraum endet.

(dd) Die Abstandsregelung für Kinobesuche in ihrer Dimension als Besucherpflicht ist voraussichtlich auch angemessen (verhältnismäßig im engeren Sinne).

(aaa) Sie beeinträchtigt die Besucher als die unmittelbaren Normadressaten auf der Nachfrageseite in gewisser Weise bei der ungestörten Durchführung ihres Kinobesuchs als eines lediglich von der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geschützten Freizeitvergnügens und zeitigt damit, wie bereits eingangs festgestellt, allenfalls einen Eingriff in dieses subsidiär heranziehbare Freiheitsgrundrecht der Besucher. Dieser Eingriff wiegt seiner Intensität nach jedoch schon deshalb nicht besonders schwer, weil die Besucher nicht - wie es die Antragstellerin aber wiederholt unzutreffend dargestellt hat (vgl. S. 4 der Antragsschrift v. 5.8.2020, Bl. 4 der GA) - lediglich mit Angehörigen des eigenen Hausstandes zusammen (unmittelbar neben-, vor- oder hintereinander) - unter Unterschreitung eines Abstands von 1,5 Metern - im Kinosaal Platz nehmen dürfen und sie nicht etwa gezwungen sind, zu allen anderen Begleitpersonen einen oder zwei Sitzplätze oder eine Sitzreihe vor und hinter der ihren frei zu lassen (was den gemeinsamen Kinogenuss wesentlich zu trüben geeignet sein könnte), sondern ihnen vielmehr durchaus die Möglichkeit eingeräumt ist, während der Vorstellung im Saal entweder direkt neben, vor oder hinter Zugehörigen ihres eigenen und eines weiteren Hausstandes zu sitzen oder aber sich zu einer Personengruppe von bis zu 10 Personen aus mehr als zwei Haushalten zugehörig zu fühlen, die untereinander jeweils einen Abstand ebenfalls nicht einzuhalten brauchen, das heißt auch unmittelbar neben-, vor- oder hintereinander Platz nehmen dürfen. Die Regelung des § 1 Abs. 3 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung zwingt die Kinobesucher nach alledem jedenfalls nicht dazu, einen Kinoabend in weiter Entfernung zu sie begleitenden Familienangehörigen, Freunden, Kollegen usw. zu verbringen, sondern belässt ihnen im Kinosaal gerade genügend Möglichkeiten einer Unterschreitung des Mindestabstandes im Näheverhältnis zu derartigen Begleitpersonen. Lediglich jenseits dieser Gestaltungsmöglichkeiten bleibt die aus dem Abstandsgebot resultierende Beschränkungswirkung aus § 1 Abs. 3 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung bestehen. Mit Blick auf die gravierenden, teils irreversiblen Folgen eines möglichen erneuten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen und Erkrankungen für die hochwertigen Rechtsgüter Leib und Leben (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) einer Vielzahl Betroffener sowie einer Überlastung des Gesundheitswesens ist dieser verbleibende, seiner Intensität nach sehr geringe Eingriff in das Grundrecht der Besucher aus Art. 2 Abs. 1 GG in der Abwägung daher voraussichtlich angemessen.

(bbb) Aber auch der damit einhergehende Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit der auf der Anbieterseite auftretenden gewerblichen Kinobetreiber (Art. 12 Abs. 1 GG) stellt sich nicht als unangemessene Belastung dar. Er wiegt entgegen der Ansicht der Antragstellerin ebenfalls nicht allzu schwer. Den Kinobetreibern wird nicht zugemutet hinzunehmen, dass die Besucher nur derart vereinzelt im Saal Platz nehmen, wie die Antragstellerin es prognostiziert. Es verbleiben ihnen vielmehr durchaus beträchtliche Gestaltungsmöglichkeiten, mittels einer geschickten, ggf. computerisierten (oder im Wege der manuellen „Platzanweisung“ durch zusätzliches Personal wie in früheren Zeiten ausgeführten) Saalbelegungsplanung auf die jeweils aktuell auftretenden Nachfrageindividuen oder -gruppen anhand der für diese geltenden Ausnahmen des § 1 Abs. 3 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung zu reagieren und sie so zu platzieren, dass diese Ausnahmen von den Besuchern in Anspruch genommen werden können und so eine (rechtlich) weitestmögliche Ausschöpfung der Saalkapazitäten stattfindet. Darauf, dass die aktuell großzügigere Rechtslage nach § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung insoweit von der Antragsbegründung vom 5. August 2020 (Bl. 4 der GA) wesentlich abweicht, ist bereits oben unter (aaa) hingewiesen worden. Die dort wiedergegebene Argumentation der Antragstellerin bezieht sich auf einen seit längerem überholten früheren Zustand des niedersächsischen Landesinfektionsschutzrechts (vgl. zur Historie auch (cc)(eee)).

Der in Umsetzung der zutreffend verstandenen Abstandsregelung für Kinobetreiber wie die Antragstellerin sich ergebende Mehraufwand vor allem in organisatorischer, technischer und personeller Hinsicht ist zumutbar. Die Antragstellerin selbst räumt ein, bereits über ein EDV-gestütztes Buchungssystem für den Ticket-Onlineverkauf zu verfügen, das abstandsrechtlich zu sperrende Sitze zu berücksichtigen vermag. Insoweit hegt der Senat keinen Zweifel daran, dass nunmehr auch die zutreffende Reichweite des Abstandsgebots in die Software des Buchungssystems als Parameter eingepflegt und fortan bei Ticketverkäufen berücksichtigt werden kann. Notfalls könnte durch den Einsatz zusätzlichen Personals als „Platzanweiser“ - insbesondere im Hinblick auf Spontanbesuchertickets - manuell für eine dieser Reichweite entsprechende Auslastung im Saal gesorgt werden, selbst wenn es dabei zu leichten zeitlichen Verzögerungen kommen sollte. Dies alles wären unter den gegenwärtigen besonderen Bedingungen der Corona-Pandemie sowohl von den Besuchern als auch von den Kinobetreibern hinzunehmende Erschwernisse. Dass das Hygienekonzept der Antragstellerin bereits jetzt den Einsatz zusätzlichen Personals vorsieht, welches die Einhaltung der in diesem Konzept aufgestellten Anforderungen durch Besucher kontrollieren soll, hat sie selbst vorgetragen (vgl. Antragsschrift, Bl. 11 f. der GA). Dass dieses Personal insoweit nicht auch als manuell korrigierender „Platzanweiser“ tätig werden könnte, ist nicht erkennbar.

Auch die die Antragstellerin und andere Kinobetreiber treffenden wirtschaftlichen Folgen eines durch das Abstandsgebot der Besucher eingeschränkten Kinobetriebes sind dem Ausmaß nach demzufolge nicht derart gravierend, wie sie die Antragstellerin in der Antragsschrift vom 5. August 2020 (Bl. 5 ff., 118 f. der GA) und ihrer Replik vom 20. August 2020 (Bl. 261 f. der GA) eingeschätzt hat. Denn auch diese Einschätzung fußt auf der fehlsamen Prämisse, dass nur Personen desselben Hausstandes einen Abstand zueinander nicht zu wahren bräuchten und dass deshalb nur maximal 20 bis 25 % der in dem jeweiligen Kinosaal verfügbaren Sitzplätze belegt werden dürften. Dies zeigt auch die von der Antragstellerin eingereichte Saalbelegungssimulation auf Bl. 117 der GA sehr anschaulich, die obendrein zugrunde legt, dass immer lediglich Einzelplätze und zwei nebeneinanderliegende Sitze belegt werden dürfen, was noch strenger als die von der Antragstellerin fehlerhaft angenommene Abstandsregelung („eigener Hausstand“) wäre, und in welcher zudem unzutreffend Sitzreihen im Logenbereich, die nach dem Vortrag der Antragstellerin schon einen Reihenabstand von 1,65 Metern (und damit von mehr als 1,5 Metern) zueinander wahren (vgl. S. 4 der Antragsschrift v. 5.8.2020, Bl. 4 der GA), teilweise übermäßig als abzusperren dargestellt sind.

Vor diesem Hintergrund ist die sehr weit gehende Behauptung der Antragstellerin, die ihr Kino in A-Stadt bislang ungeachtet der seit dem 22. Juni 2020 gegebenen Möglichkeit nicht wiedereröffnet hat, bereits das Abstandsgebot als Besucherpflicht führe dazu, dass ein wirtschaftlicher Kinobetrieb oder zumindest eine halbwegs kostendeckende Bespielung des Kinos (vgl. Bl. 19 der GA) nicht möglich sei, so dass ein faktisch existenzvernichtendes Betriebsverbot vorliege, nicht stichhaltig. Soweit sie sich - anders als offenbar andere Kinobetreiber auch in A-Stadt - nicht in der Lage sieht, auch unter Ausschöpfung der durch § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung gezogenen zumutbaren Grenzen des Abstandsgebots für Kinobesucher einen wirtschaftlichen Betrieb ihres Kinos aufrechtzuerhalten, wäre dies bedauerlich, aber hinzunehmen.

(b) Das Abstandsgebot in Kinosälen als Besucherpflicht verstößt voraussichtlich auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 - juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 - juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 - juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 - juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 - juris Rn. 79).

Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020 - OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.3.2020 - 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 - 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62).

(aa) Dass die frühere „Tischabstandsregel“ für den Betrieb einer Gastronomie (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 3 der (5.) Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97) von 2 Metern bereits mit Wirkung vom 22. Juni 2020 durch die Änderungsverordnung zur 5. Verordnung vom 19. Juni (Nds. GVBl. S. 155) gestrichen worden ist, seither nicht mehr besteht und auch keinen erneuten Eingang in § 10 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 10. Juli 2020 gefunden hat, während für Kinovorführungen ein Abstandsgebot gilt, begründet entgegen der Argumentation der Antragstellerin keinen Gleichheitsverstoß.

Denn bereits eine Ungleichbehandlung liegt insoweit nicht vor. Aus infektionsschutzrechtlicher Sicht maßgeblich ist nicht der Abstand zwischen Tischen oder Sitzen, sondern derjenige zwischen Menschen. Insoweit unterliegen Gäste von Gastronomiebetrieben und Besucher von Kinovorführungen derselben einheitlichen Abstandsregelung aus § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (vgl. auch § 10 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung). Bei der Streichung des „Tischabstandsgebots“ hat es sich lediglich um einen Wechsel der Rechtstechnik gehandelt. Die Anforderung eines Abstandes von 2 Metern zwischen Tischen (§ 6 Abs. 1 Satz 3, 1. Alt. der 5. Verordnung in der bis zum 21.6.2020 geltenden Fassung) stand im Zusammenhang mit einer zusätzlichen Vorgabe zum Abstand zwischen Personen, die nicht zum eigenen oder einem weiteren Hausstand gehörten, und regelte in der Gesamtschau letztlich, wie viele und welche Personen zusammen an einem Tisch Platz nehmen durften und dabei im typischen Fall einen Mindestabstand unterschritten. Diesem abweichenden Modell folgt die Regelung für Gastronomiebetriebe nicht mehr.

(bb) Auch für andere Veranstaltungen in geschlossenen Räumen als Kinovorführungen gilt das Abstandsgebot aus § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, so dass auch insoweit eine Ungleichbehandlung zu verneinen ist.

(cc) Soweit die Antragstellerin unter Verweis auf Medienberichte (vgl. Bayerischer Rundfunk-Klassik v. 23.6.2020, Bl. 217 ff. der GA) moniert hat, bei Flugreisen würden Airlines alle Sitzplätze der Flugzeuge besetzen, während in Kinosälen Abstand zu wahren sei, weist der Antragsgegner (vgl. Antragserwiderung v. 12.8.2020, Bl. 252 R der GA) voraussichtlich zu Recht darauf hin, dass es sich dabei zumindest nach der niedersächsischen Rechtslage, die für Linienflugzeuge als für den Kundenverkehr geöffnete öffentliche Verkehrsmittel in § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ebenfalls ein Abstandsgebot vorsehe, aller Voraussicht nach lediglich um ein Vollzugsdefizit und nicht um eine Ungleichbehandlung handele. Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, müssen aber nach Auffassung des Senats sachliche Unterschiede konstatiert werden. Dabei muss nicht einmal auf die in Flugzeugen wohl eingesetzten qualifizierteren HEPA-Lüftungssysteme und besonderen Klimaanlagen rekurriert werden, denn ein wesentlicher Unterschied besteht bereits darin, dass Fluggäste nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung während des Fluges und auf dem Flughafen eine Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne des § 2 Abs. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung zu tragen haben, während Kinobesucher, sobald sie sitzen, nach § 2 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung von der sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung grundsätzlich ergebenden Maskenpflicht befreit sind.

(dd) Schließlich trägt auch der Verweis der Antragstellerin auf Wettbewerbsnachteile gegenüber Kinobetreibern in angrenzenden Bundesländern (insbesondere Nordrhein-Westfalen), in denen großzügigere Regelungen für Kinobesuche gälten, gleichheitsrechtlich nichts aus. Der Gleichheitssatz bindet jeden Träger der öffentlichen Gewalt allein in seinem Zuständigkeitsbereich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 -, juris Rn. 151).

bb) Auch die flankierende eigenständige Veranstalterpflicht aus § 24 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung unterliegt nach alledem bei summarischer Prüfung keinen rechtlichen Bedenken.

Diese Vorschrift statuiert eine gesonderte Pflicht der Veranstalter insbesondere einer kulturellen Veranstaltung in geschlossenen Räumen einschließlich einer Vorführung in einem Kino sicherzustellen, dass die Besucher (dieser Veranstaltung) das bereits unter aa) gewürdigte Abstandsgebot aus § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in den Räumlichkeiten des Kinos, insbesondere in den Kinosälen, also eine diesen obliegende Pflicht zu Wahrung eines Abstandes zueinander außer zu Angehörigen desselben und/oder eines weiteren Hausstandes oder gegenüber einer Gruppe von bis zu 10 Personen, einhalten.

Mit dieser Sicherstellungspflicht geht erstens die Verpflichtung einher, als Veranstalter selbst Vorkehrungen organisatorischer, technischer, personeller und ggf. baulicher Art dahingehend zu treffen, dass die Kinovorführungen in einer Umgebung und mit einer Ablaufgestaltung stattfinden, die den Besuchern diese Einhaltung faktisch überhaupt ermöglicht, z.B. durch Sperrung von Sitzen oder Sitzreihen und ggf. Gängen bzw. durch Beschränkungen der Laufrichtung in bestimmten Gängen beim Hinein- und Hinausgehen bereits beim Ticketverkauf, spätestens aber vor der Platzierung im Saal (Sicherstellung eines „Einhaltenkönnens“), und zweitens die Verpflichtung zu einer veranstalterseitigen Überwachung (Kontrolle) des Verhaltens der Besucher im Hinblick auf die tatsächliche Einhaltung des ihnen vorgeschriebenen Abstandes (Sicherstellung einer Betätigung des „Einhaltenwollens“) im Verlauf der Veranstaltung, insbesondere durch einen gewissen Personaleinsatz.

(1) Diese Verpflichtungen der Veranstalter sind freiheitsrechtlich (Art. 12 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG) nicht zu beanstanden, insbesondere sind sie verhältnismäßig im weiteren Sinne.

(a) Der legitime Zweck der eigenständigen Veranstalterpflicht liegt letztlich in einer Normdurchsetzung durch Schaffung und Aufrechterhaltung der Rahmenbedingungen einer praktischen Wirksamkeit der Besucherpflicht aus § 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, welche unabhängig hiervon besteht und nach dem unter I.3.a)aa) Ausgeführten keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken unterliegt. Zur Förderung dieses Zwecks ist die Statuierung einer derartigen zusätzlichen Pflicht auch geeignet.

(b) Auch die Einwände der Antragstellerin gegen die Erforderlichkeit der Veranstalterpflicht greifen nicht durch. Mildere, auch Dritte oder die Allgemeinheit nicht stärker belastende, gleichermaßen wirksame Mittel, die insoweit den Kinobetreiber als Veranstalter nicht heranziehen, sind nicht erkennbar.

(aa) Im Hinblick auf die Ermöglichung der Einhaltung des Abstandsgebots durch die Besucher liegt dies auf der Hand. Nur der Veranstalter, der sein Kino für den Besucherverkehr öffnet, kann und darf als Hausrechtsinhaber derartige Vorkehrungen treffen. Diese sind auch in sachlicher Hinsicht notwendig. Lebensfremd wäre es nach dem bereits oben unter I.3.a)aa)(3)(a)(cc)(ddd) Dargestellten anzunehmen, dass Besucher von sich und in der Kommunikation mit den anderen Besuchern vollständig den nötigen Abstand wahren; näher liegt, dass sie ohne Sitzsperrungen, Absperrungen etc. zumindest bei entsprechendem Besucheraufkommen die verfügbare Saalkapazität derart auszuschöpfen drohten, dass keinerlei Abstandswahrung im tatsächlichen Sinne erfolgt.

(bb) Im Hinblick auf die tatsächliche Herstellung und Aufrechterhaltung eines abstandsgebotsgerechten Zustandes durch Kontrollen scheidet es schon aus Kapazitätsgründen aus, in jedem Kinosaal vor Ort statt des Veranstalters jeweils einen Mitarbeiter des zuständigen Gesundheitsamtes die Einhaltung der Besucherpflicht überwachen zu lassen, ganz abgesehen davon, dass eine solche Maßnahme die Allgemeinheit stärker belastete.

(c) Auch an der Angemessenheit der Veranstalterpflicht bestehen entgegen der Ansicht der Antragstellerin keine Zweifel.

(aa) Das gilt zum einen hinsichtlich der Pflichtenstellung als solcher. Zu Recht hat der Antragsgegner darauf verwiesen, dass §§ 32 Satz 1, 28 Abs. 1 IfSG es ermöglichen, nicht nur gegen potentiell oder tatsächlich mit dem Corona-Virus Infizierte vorzugehen, sondern auch Unbeteiligten („Nichtstörern“) im Interesse einer Verhinderung der Verbreitung des Corona-Virus Pflichten aufzuerlegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.5.2020 - 1 BvR 1021/20 -, juris Rn. 9; Senatsbeschl. v. 16.6.2020 - 13 MN 218/20 -, juris Rn. 26). Die Kinobetreiber sind bei Lichte besehen aber nicht einmal als klassische Nichtstörer im Sinne des § 8 Abs. 1 NPOG anzusehen. Sie sind Anbieter der Dienstleistung „Kinovorführung“ und Hausrechtsinhaber. Nur sie haben letztlich die Befugnis zu entscheiden, inwieweit sie ihre Kinos für den Kunden- und Besuchsverkehr öffnen. Aufgrund der grundsätzlich - und so auch von der Antragstellerin beabsichtigten - vollständigen und ungehinderten Öffnung ihrer Einrichtungen (Kinos) für einen derartigen Verkehr wären sie nach allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen als sog. „subjektive Zweckveranlasser“ einer grundsätzlich drohenden übermäßigen Ansammlung zahlreicher (potentiell infektiöser) Kinobesucher in ihren geschlossenen Räumlichkeiten, insbesondere in den Kinosälen, anzusehen. Denn bereits der Betrieb des Kinos bezweckt eine derartige Ansammlung, die bei ungehinderter vollständiger Saalbelegung dazu führte, dass keiner der Besucher einen Abstand zu anderen Anwesenden hielte, gerade willentlich. Eine potentielle Infektiosität einzelner Besucher der Kinovorführung ist naturgemäß vom Veranstalter nicht zugleich gewollt; die Anwesenheit infektiöser Besucher im Kinosaal kann aber - wie die der Antragsgegner zu Recht hervorhebt - bei dieser Gestaltung des „settings“ auch nicht verlässlich (durch eine „automatische Ferndiagnose“ am Eingang zum Kino oder zum Kinosaal) ausgeschlossen werden, insbesondere bei prä- oder asymptomatischen Verläufen einer Corona-Virus-Infektion. Vorrangig oder allein gegen Infizierte vorzugehen, wie es der Antragstellerin vorschwebt, erweist sich in dieser Situation nicht als ein gangbarer Weg. Insoweit träfe die Kinobetreiber nach allgemeinen polizeirechtlichen Grundsätzen (vgl. § 6 Abs. 1 NPOG) eine zumindest mittelbare Verhaltensverantwortlichkeit. Diese ist durch § 24 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung in nicht zu beanstandender Weise zu einer gesonderten Pflichtenstellung als Veranstalter erstarkt, die nunmehr einen Anknüpfungspunkt für eine unmittelbare Verhaltensverantwortlichkeit der Veranstalter selbst bildet.

(bb) Zumutbar ist auch der mit der Erfüllung der Veranstalterpflicht einhergehende erhöhte organisatorische, technische und personelle Aufwand. Hierzu kann auf die obigen Ausführungen unter I.3.a)aa)(3)(a)(dd)(bbb) verwiesen werden.

(2) Ein Gleichheitsverstoß nach Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 3 GG ist auch hinsichtlich der Veranstalterpflicht zu verneinen. Sicherstellungpflichten auf der Anbieterseite prägen durchgehend die in der Niedersächsischen Corona-Verordnung getroffenen Regelungen. Das gilt insbesondere auch für den von der Antragstellerin besonders thematisierten Bereich der Gastronomie (vgl. § 10 Abs. 2 der Verordnung).

b) Schließlich überwiegen auch die für den weiteren Vollzug der streitgegenständlichen Verordnungsbestimmungen sprechenden Gründe die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung.

Das Interesse der Antragstellerin an der vorläufigen Außervollzugsetzung der angegriffenen Regelungen aus §§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2, 24 Abs. 2 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, soweit Kinovorführungen betroffen sind, ist im Hinblick auf die bei zutreffender Berücksichtigung der eingeräumten Möglichkeiten gegebenen wirtschaftlichen Nutzbarkeit des Kinobetriebes unter Ausschöpfung der durch § 1 Abs. 3 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung belassenen Spielräume nicht von überdurchschnittlichem Gewicht (vgl. oben I.3.a)aa)(3)(a)(dd)(bbb)).

Das derart gewichtete Interesse der Antragstellerin oder anderer Kinobetreiber setzt sich nicht gegen das öffentliche Interesse an einem ununterbrochenen weiteren Vollzug des Abstandsgebots für Kinovorführungen aus §§ 1 Abs. 3 Sätze 1 und 2, 24 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung für die Dauer eines etwaigen Normenkontrollverfahrens in der Hauptsache durch. Denn ohne diesen bliebe die Möglichkeit, eine weitere geeignete und erforderliche Schutzmaßnahme zu ergreifen und so die Verbreitung der Infektionskrankheit zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350 - juris Rn. 119 m.w.N.), effektiver zu verhindern, (irreversibel) ungenutzt und würde sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der erneuten Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen auch nach derzeitigen Erkenntnissen weiter erhöhen (vgl. zu dieser Gewichtung: BVerfG, Beschl. v. 7.4.2020 - 1 BvR 755/20 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 28.4.2020 - 1 BvR 899/20 -, juris Rn. 12 f.).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).