Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.02.2022, Az.: 14 MN 143/22
Corona-Pandemie; COVID-19; Kontaktbeschränkung; SARS CoV-2
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 10.02.2022
- Aktenzeichen
- 14 MN 143/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59497
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 28 IfSG
- § 28a IfSG
- § 7a Abs 4 CoronaVV ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Die in § 7a Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (Stand: 1.2.2022) geregelte Beschränkung der Teilnehmerzahl für private Feiern auf zehn Personen stellt eine notwendige Schutzmaßnahme dar, die unter den derzeitigen Pandemiebedingungen noch verhältnismäßig ist.
2. Eine Differenzierung zwischen Feiern in geschlossenen Räumen und Feiern unter freiem Himmel ist aufgrund der besonderen Gegebenheiten bei privaten Feiern nicht erforderlich.
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antrag,
§ 7a Abs. 4 Satz 1 der Niedersächsischen Verordnung über infektionspräventive Schutzmaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus SARS-CoV-2 und dessen Varianten (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 23. November 2021 (Nds. GVBl. S. 770), zuletzt geändert durch Änderungsverordnung vom 1. Februar 2022 (online eilverkündet unter www.niedersachsen.de/verkuendung), im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO vorläufig außer Vollzug zu setzen,
hat keinen Erfolg.
Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.
1. Der Antrag ist zulässig.
Insbesondere ist die Antragstellerin antragsbefugt. Als Betreiberin eines Restaurantbetriebs kann sie geltend machen, durch die in § 7a Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung erfolgte Festsetzung der Höchstteilnehmerzahl für private Feiern und Zusammenkünfte mittelbar in ihrem Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG und in ihrem dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG korrespondierenden Grundrecht verletzt zu sein. Sie trägt vor, dass auch in ihrem Restaurant regelmäßig private Feiern und Zusammenkünfte stattfänden, an denen derzeit aufgrund des § 7a Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung maximal zehn Personen teilnehmen dürften.
Darüber hinaus kann die Antragstellerin auch geltend machen, durch die Regelung als Privatperson in ihrer grundrechtlich geschützten allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) betroffen zu sein.
Der Normenkontrolleilantrag erfüllt auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen.
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. „Doppelhypothese“ die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).
Diese Voraussetzungen einer vorläufigen Außervollzugsetzung sind nicht erfüllt. Der in der Hauptsache noch zu stellende Normenkontrollantrag der Antragstellerin bliebe voraussichtlich mangels Begründetheit ohne Erfolg.Nach der derzeit nur gebotenen summarischen Prüfung spricht Überwiegendes dafür, dass sich die angegriffene Bestimmung als (noch) rechtmäßig erweist (a)). Im Übrigen überwiegen die Belange der Antragstellerin, betroffener Dritter und der Allgemeinheit die für den weiteren Vollzug der Verordnungsregelungen bis zu einer Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren sprechenden Gründe nicht (b)).
a) Die durch § 7a Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (in Gestalt der Änderungsverordnung vom 1. Februar 2022) für den Zeitraum bis einschließlich zum 23. Februar 2022 geregelte Begrenzung der Teilnehmerzahl für private Feiern und Zusammenkünfte auf maximal zehn (geimpfte oder genesene) Personen wird sich in einem Hauptsachverfahren voraussichtlich als (noch) rechtmäßig erweisen.
Dabei geht der Senat nach eigener unabhängiger Prüfung unter Zugrundelegung der bisherigen Rechtsprechung des 13. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts davon aus, dass die streitgegenständliche Infektionsschutzmaßnahme auf einer tauglichen Rechtsgrundlage beruht (vgl. zuletzt NdsOVG, Urt. v. 25.11.2021 - 13 KN 62/20 -, juris Rn. 66 ff.), durch Rechtsverordnung angeordnet werden durfte (vgl. zu Inhalt und Grenzen der Verordnungsermächtigung des § 32 IfSG: NdsOVG, Beschl. v. 24.3.2021 - 13 MN 145/21 -, juris Rn. 33), formell rechtmäßig (vgl. hierzu im Einzelnen: NdsOVG, Beschl. v. 11.3.2021 - 13 MN 70/21 -, juris Rn. 18 ff.; Beschl. v. 11.11.2020 - 13 MN 485/20 -, juris Rn. 19 ff. m.w.N.) und in materieller Hinsicht mit Blick auf den Adressatenkreis nicht zu beanstanden ist. Die streitgegenständliche Begrenzung der Teilnehmerzahl für private Feiern und Zusammenkünfte dürfte auch ihrer Art nach auf § 28 Abs. 1, § 28 a Abs. 8 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 3 IfSG, Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 IfSG gestützt werden können.
aa) Soweit die Teilnehmerbegrenzung für private Feiern und Zusammenkünfte in die Freiheitsgrundrechte gewerblicher Veranstalter (Art. 12 Abs. 1 GG) oder auch der Teilnehmerinnen und Teilnehmer (Art. 2 Abs. 1 GG) eingreift, ist der Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Teilnehmerbegrenzung hält gegenwärtig noch die sich aus der Beschränkung in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 32 Satz 1 IfSG auf „notwendige Schutzmaßnahme“ sowie aus dem Gebot der Verhältnismäßigkeit ergebenden strengen Grenzen ein.
(1) Zweifelsohne verfolgt der Verordnungsgeber auch mit der mittlerweile 11. Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 23. November 2021 weiterhin die legitimen Ziele (vgl. zu früheren Niedersächsischen Corona-Verordnungen: NdsOVG, Beschl. v. 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -, juris Rn. 43), im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit eines und einer jeden die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen sowie auch die Überlastung anderer kritischer Infrastrukturen zu vermeiden (vgl. zuletzt NdsOVG, Beschl. v. 25.1.2022 - 14 MN 121/22 -, juris Rn. 27).
(2) Angesichts der hohen Infektiosität und der Übertragungswege des SARS-CoV-2-Virus steht für den Senat außer Zweifel, dass Beschränkungen im Zusammenhang mit Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen grundsätzlich geeignet sind, die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern (vgl. zuletzt NdsOVG, Beschl. v. 25.1.2022 - 14 MN 121/22 -, juris Rn. 30 m.w.N.; vgl. dahingehend auch Robert Koch-Institut (RKI), Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 14.1.2022, und Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19, Nr. 2 Übertragungswege, veröffentlicht unter www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=75E02A61EA32A48D3D2AE1AAA4E9D673.internet112?nn=13490888, Stand: 26.11.2021).
Dies gilt unzweifelhaft auch für die derzeit vorherrschende Variante des SARS-CoV-2-Virus mit der Bezeichnung Omikron (Pangolin Nomenklatur B.1.1.529), die sich nach derzeitigem Kenntnisstand deutlich schneller und effektiver ausbreitet als die bisherigen Virusvarianten (vgl. RKI, Übersicht zu besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvarianten (VOC), veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Virusvariante.html;jsessionid=F66D2E778229BFC72A159B76BC540B62.internet052?nn=2444038, Stand: 20.1.2022).
Die in § 7a Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung geregelte Begrenzung der Teilnehmerzahl bei privaten Feiern und Zusammenkünften auf maximal zehn (geimpfte oder genesene) Personen bewirkt eine Reduzierung physischer Kontakte und des mit diesen Kontakten einhergehenden Infektionsrisikos.
(3) Bei summarischer Prüfung bestehen auch keine durchgreifenden Zweifel daran, dass die Begrenzung der Teilnehmerzahl für private Feiern oder Zusammenkünfte auf maximal zehn (geimpfte oder genesene) Personen nach § 7a Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung zur Zielerreichung derzeit auch erforderlich ist.
Mildere, sachlich gleichwertige alternative Maßnahmen zur Zweckerreichung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 202 ff.) sind jedenfalls nicht offensichtlich.
Die zahlenmäßige Beschränkung der Teilnehmerzahl an privaten Feiern und Zusammenkünften reduziert von vornherein die Anzahl möglicher Kontakte. Dahinter bleibt die Effektivität von Abstands- und Hygienevorschriften grundsätzlich ohnedies zurück. Hinzu kommt, dass bei privaten Feiern und Zusammenkünfte regelmäßig eine innere Verbundenheit zwischen den Teilnehmerinnen und Teilnehmern besteht. Private Feiern und Zusammenkünfte sind daher typischerweise in besonderem Maße auf zwischenmenschliche Interaktion und Kommunikation aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer angelegt. Sie zeichnen sich durch eine Stimmung der Geselligkeit, Ausgelassenheit und Herzlichkeit aus. Beim Feiern kommt es somit typischerweise zu engeren, aus Gründen des Infektionsschutzes riskanteren Kontakten zwischen zahlreicheren Personen als bei anderen Anlässen (vgl. bereits NdsOVG, Beschl. v. 14.8.2020 -13 MN 283/20 -, juris Rn. 53 m.w.N.). In einem solchen Umfeld können Abstands- und Hygienevorschriften daher nur wenig bewirken.
(4) Die Beschränkung der Teilnehmerzahl von privaten Feiern und Zusammenkünften auf lediglich zehn (geimpfte oder genesene) Personen in geschlossenen Räumen sowie unter freiem Himmel durch § 7a Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ist derzeit auch noch angemessen.
Zwar stellt die Beschränkung der Teilnehmerzahl einen erheblichen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG der gewerblichen Veranstalter und in die allgemeine Handlungsfreiheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dar, auch wenn gerade für die Antragstellerin als Restaurantbetreiberin noch andere Möglichkeiten zur Nutzung ihres Restaurants verbleiben.
Im Hinblick auf das aktuelle Infektionsgeschehen und die nach wie vor drohende Überlastung des Gesundheitssystems und anderer kritischer Infrastrukturen sowie unter Berücksichtigung des spezifisch hohen Infektionsrisikos, das gerade bei privaten Feiern und Zusammenkünften besteht, ist der Eingriff allerdings noch angemessen. Im Einzelnen:
(a) Die Beschränkung der Teilnehmerzahl von privaten Feiern und Zusammenkünften in § 7a Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung auf lediglich zehn (geimpfte oder genesene) Personen ist im Rahmen der sogenannten Weihnachts- und Neujahrsruhe (später in „Winterruhe“ umbenannt) zum 27. Dezember 2021 eingeführt worden. Diese noch einmal gegenüber den Regelungen für die Warnstufe 3 (vgl. § 7a Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) verschärften Maßnahmen dienten unter dem Eindruck der sich entwickelnden „Omikron-Welle“ zunächst insbesondere der Beschränkung von Silvesterfeiern (vgl. die Begründung zur Änderungsverordnung vom 23. Dezember 2021, online eilverkündet unter www.niedersachsen.de/verkuendung: „Private Zusammenkünfte - insbesondere Silvesterfeiern - sind mit Höchstteilnehmerzahl von zehn Personen zulässig.“). Mit den in der Folgezeit wegen der stark steigenden Infektionszahlen durch die Omikron-Variante erfolgten Verlängerungen der „Winterruhe“ ist auch die Regelung in § 7a Abs. 4 der Niedersächischen Corona-Verordnung stets verlängert worden.
(b) Der Verordnungsgeber hat zur Begründung für die zuletzt mit Änderungsverordnung vom 1. Februar 2022 erfolgte Verlängerung der Winterruhe (und damit auch die Geltung des § 7a Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung) bis zum 23. Februar 2022 unter Bezugnahme auf die Einschätzung des Robert Koch-Instituts (RKI) und des Expertenrats der Bundesregierung maßgeblich darauf abgestellt, dass sich das Land Niedersachsen wie auch die gesamte Bundesrepublik Deutschland inmitten der fünften Infektionswelle befinde. Am 27. Januar 2022 habe das RKI bestätigt, dass der Anteil der gemäß IfSG gemeldeten Infektionen, welche durch die Omikron-Variante verursacht würden, in der dritten Kalenderwoche 2022 bei 96,1 Prozent der übermittelten COVID-19-Fälle gelegen habe. Es sei ein weiterer Anstieg der Infektionszahlen zu erwarten, und es könnten in der Spitze 7-Tages-Inzidenzen von mehreren Tausend regional erreicht werden. Das Ausmaß der Krankenhausbelastung werde entscheidend von den Inzidenzen in der Gruppe der ungeimpften Erwachsenen und der über 50-Jährigen abhängen. Das RKI prognostiziere für Mitte bis Ende Februar den Höhepunkt der Omikron-Welle. Die stark steigenden Infektionszahlen würden sich zunehmend auf die Kliniken und damit auf die Indikatoren „Hospitalisierung und Intensivbetten" auswirken. Es sei mit einem Anstieg der Anzahl der Corona-Patienten zu rechnen, auch unter der Berücksichtigung, dass eine niedrigere Hospitalisierungsrate bei der Omikron-Variante als bei der Delta-Variante erwartet werde. Vor diesem Hintergrund sei eine Fortgeltung der durch die Niedersächsische Corona-Verordnung definierten kontaktreduzierenden Maßnahmen weiterhin notwendig und erforderlich. Bekräftigt werde ein Festhalten an den Grundsätzen und dem Maßnahmenkatalog der bestehenden Verordnung auch durch Punkt 1 des Beschlusses der Videoschaltkonferenz des Bundeskanzlers mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder am 27. Januar 2022. Hier sei beschlossen worden, dass die bisherigen Maßnahmen und bisher geltenden Regeln grundsätzlich fortgelten und weiterhin Bestand haben sollten.
Zur Regelung des für die Winterruhe zentralen § 3 Abs. 5 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung hat der Verordnungsgeber außerdem u.a. ausgeführt: „Die Hospitalisierungsinzidenz, als Leitindikator gemäß § 28 a Abs. 3 IfSG, steigt ebenfalls mit kontinuierlicher Tendenz schnell und besorgniserregend an: Lag der Hospitalisierungswert zum Zeitpunkt der Änderungsverordnung vom 14. Januar 2022 noch bei 4,7, so stellt er sich zehn Tage später (Stand: 24.01.2022) bereits mit einem Wert von 6,6 dar. Mit Datum vom 27. Januar 2022 beträgt der Hospitalisierungswert 7,4, mit Datum vom 31. Januar 2022 bereits 8,4. Hieran zeigt sich die enorme Infektiosität der Omikronvariante und auch, dass diese weiterhin zu schweren Verläufen führt. Es ist davon auszugehen, dass die Steigerungsrate dieses Leitindikators, aber auch der anderen Indikatoren (Inzidenz und Intensivbetten) weiterhin exponentiell in die Höhe schnellen werden. Es ist auch davon auszugehen, dass sich die Steigerung des Hospitalisierungswertes infolge der weiter stark zunehmenden Infektionszahlen weiter fortsetzt und in wenigen Tagen den Grenzwert der Warnstufe 3 überschreiten wird. Die starke Steigerung des Hospitalisierungswertes in den letzten Tagen hat gezeigt, dass auf eine starke Steigerung der Anzahl der Neuinfizierten auch weiterhin eine Steigerung der Hospitalisierung folgt. Noch deutlicher zeigt sich diese Tendenz bei den Belegungen der Intensivstationen: Seitdem die Omikronvariante immer mehr die Deltavariante verdrängte, sanken zunächst die Zahlen bei der Belegung der Intensivbetten. Lag der Wert am 14. Januar 2022 noch bei 6,3 Prozent, fiel er zunächst deutlich und lag erstmals am 24. Januar 2022 wieder leicht höher als am Vortag: 4,7 Prozent der Intensivbetten waren mit COVID-19-Patienten belegt, dieser Wert wurde zuvor letztmals am 30. Oktober 2021 bestimmt. Damals lag die 7-Tages-Inzidenz aber bei gerade mal 75,4. Mit Stand 27. Januar 2022, also nur drei Tage später, liegt der Wert bereits bei 5,4 Prozent. Die Aufnahme auf eine Intensivstation aufgrund einer COVID-19-Infektion erfolgt in der Regel erst mehrere Wochen nach der Infektion. Die niedrigen Belegungszahlen Anfang Januar spiegeln also die Folgen des Infektionsgeschehens Anfang Dezember wieder. Die Folgen des heutigen Infektionsgeschehen werden erst in mehreren Wochen auf den Intensivstationen sichtbar sein. Bereits jetzt ist daher nicht mehr zu verhindern, dass der zurückliegende explosionsartige Anstieg der Infektionszahlen der letzten Tage und Wochen mit einem Versatz von zwei bis drei Wochen sich in eine weiter steigende Belegung der Krankenhaus- und Intensivbetten niederschlagen wird. Auch der Expert:innenrat der Bundesregierung zu COVID-19 rät in seiner dritten Stellungnahme vom 22. Januar 2022, sich von der derzeit niedrigen Hospitalisierungsrate nicht täuschen zu lassen. Nach Einschätzung der Expert:innen müsste die Hospitalisierungsrate bei Omikron um etwa Faktor 10 niedriger liegen als im vergangenen Winter, um die erwartet hohe Fallzahl zu kompensieren.“
(c) Diese Einschätzung des Verordnungsgebers findet Bestätigung in den von ihm zitierten Quellen. Hervorzuheben sind insbesondere die Ausführungen des Expertenrats der Bundesregierung in seiner Stellungnahme vom 22. Januar 2022: „Das Ausmaß der Krankenhausbelastung wird entscheidend von den Inzidenzen in der Gruppe der ungeimpften Erwachsenen und der über 50-Jährigen abhängen. Hier sind die Inzidenzen derzeit noch vergleichsweise niedrig, jedoch wurden in der Vergangenheit die Infektionen aus anderen Teilen der Bevölkerung in die Gruppe der Älteren eingetragen. Zudem besteht auch bei den über 50-Jährigen weiterhin eine zu große Impflücke. Die genauen Hospitalisierungsraten oder die Intensivpflichtigkeit bei Infektionen mit der Omikron-Variante sind in diesen Gruppen noch nicht bekannt. Die Hospitalisierungsrate wird niedriger als bei der Delta-Variante erwartet, müsste aber eine ganze Größenordnung (etwa Faktor 10) niedriger liegen als im vergangenen Winter, um die erwartete hohe Fallzahl zu kompensieren und das Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Von einer derart starken Reduktion der Hospitalisierungsrate ist auf der Basis der aktuell verfügbaren Daten trotz Impfungen nicht auszugehen. Entsprechend sind bei weiter steigenden Inzidenzen sehr viele Krankenhausaufnahmen zu erwarten.“
Vor diesem Hintergrund hat - bei kontinuierlich steigenden Infektionszahlen - auch bei Erlass der angegriffenen Regelung weiterhin ein sachlich begründetes Interesse daran bestanden, die Zahl der noch zu erwartenden Omikron-Infektionen auf einem möglichst niedrigen Niveau zu halten, um einer Überlastung der Gesundheitsversorgungsstrukturen und anderer kritischer Versorgungsstrukturen entgegenzuwirken. Wie aus der oben zitierten Begründung der Änderungsverordnung ersichtlich, hat der Verordnungsgeber die Auswirkungen der Omikron-Welle auf die Krankenhausaufnahmen („Hospitalisierungsinzidenz“) und auf die Belegung der Intensivbetten in seine Entscheidung für eine Verlängerung der Winterruhe maßgeblich und für den Senat nachvollziehbar einbezogen.
(d) Auch seit dem Erlass der angegriffenen Regelung nimmt die Zahl der Infektionen mit der Omikron-Variante weiter deutlich zu. Die 7-Tage-Inzidenz für Niedersachsen betrug bei Erlass der angegriffenen Regelung 949,9 und am 10. Februar 2022 bereits 1.208,2. Die Landes-Inzidenz Hospitalisierung hat am 4. Februar erstmals die Marke von 9,0 überschritten und lag bei 9,3, was der Warnstufe 3 entspricht (vgl. zum Ganzen: https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/niedersachsen-und-corona-aktuelle-leitindikatoren-203487.html). Am 10. Februar lag sie bereits bei 11,6. Das RKI schätzt die Gefährdung durch COVID-19 für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland daher auch weiterhin insgesamt als sehr hoch ein; die 7-Tage-Inzidenz der hospitalisierten Fälle bundesweit lag am 3. Februar 2022 bei 5,45 Fällen pro 100.000 EW (vgl. Wöchentlicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 3. Februar 2022 unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2022-02-03.pdf?__blob=publicationFile) und am 10. Februar 2022 bei 6,23 (vgl. Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 10. Februar 2022 unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Feb_2022/2022-02-04-de.pdf?__blob=publicationFile).
(e) Das Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt momentan noch keine andere Beurteilung. Insbesondere ist die Beschränkung auf lediglich zehn Personen auch für private Feiern und Zusammenkünfte unter freiem Himmel derzeit noch nicht zu beanstanden. Die Festsetzung der zulässigen Höchstanzahl von Teilnehmern gehört zum Einschätzungsspielraum des Verordnungsgebers (vgl. bereits NdsOVG, Beschl. v. 14.8.2020 - 13 MN 283/20 -, juris Rn. 56 m.w.N.). Die konkrete Begrenzung auf 10 Personen hat vorliegend angesichts des derzeitigen Infektionsgeschehens und der nach Einschätzung des RKI und des Expertenrats der Bundesregierung auch weiterhin bestehenden Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems und anderer kritischer Infrastrukturen die Grenzen dieses Spielraums noch nicht verlassen. Dabei ist insbesondere auch das bereits beschriebene hohe Infektionsrisiko von privaten Feiern oder Zusammenkünften zu berücksichtigen. Wegen dieses besonders hohen Risikos haben gerade private (Familien-)Feiern die Infektionszahlen in der Vergangenheit bereits immer wieder in die Höhe getrieben (vgl. nur: https://www.rnd.de/gesundheit/rki-private-feiern-und-treffen-lassen-corona-infektionszahlen-in-die-hohe-schnellen-RL47KUHPPYKICTVRSTAPKJ6M2Y.html).
Soweit die Antragstellerin darauf abstellt, dass unter freiem Himmel eine Ansteckungsgefahr deutlich verringert sei, da sich die Aerosole schnell verflüchtigen, ist darauf hinzuweisen, dass auch im Freien, immer dort, wo Menschen eng zusammenkommen, trotz der geringeren Aerosolproblematik Infektionsgefahren durch Tröpfchen- und/oder Aerosolübertragungen bestehen. Das höchste Infektionsrisiko besteht demnach bei direktem Kontakt ohne weiteren Schutz. Befindet sich eine Person ungeschützt in der Atemwolke einer infizierten Person in einem Abstand von 1,5 Metern, besteht bereits nach fünf Minuten eine Ansteckungswahrscheinlichkeit von 100 %. Es ist grundsätzlich unerheblich, ob diese Situation in geschlossenen Räumen oder im Freien stattfindet, wobei Luftbewegungen, die die Luft von der infizierten Person wegblasen, die Übertragungswahrscheinlichkeit senken (BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 193 unter Bezugnahme auf die im dortigen Verfahren eingeholten Stellungnahmen sachkundiger Dritter).
Bei privaten Feiern und Zusammenkünften besteht das Ansteckungsrisiko durch direkten Kontakt auch unter freiem Himmel aufgrund der beschriebenen besonderen Bedingungen in besonderen Maße. Hinzu kommt, dass Abstands- und Hygieneregelungen bei privaten Feiern anders als bei gewerblichen Veranstaltungen nur sehr eingeschränkt überwacht werden können. Es entspricht zudem der allgemeinen Lebenserfahrung, dass sich private Feiern und Zusammenkünfte, die zwar unter freiem Himmel geplant wurden, bei schlechtem Wetter dennoch in Innenräume verlagern, ohne dass aber Gäste wieder nach Hause geschickt werden. Auch dieser Gesichtspunkt spricht gerade bei privaten Feiern und Zusammenkünften gegen eine unterschiedliche Regelung der Teilnehmerzahlen für drinnen und für draußen.
bb) Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ist auch der von der Antragstellerin gerügte Gleichheitsverstoß durch die fehlende Differenzierung zwischen privaten Feiern und Zusammenkünften in Innenräumen einerseits und im Feien andererseits nicht gegeben. Eine Gleichbehandlung ist hier vielmehr ausnahmsweise aufgrund der besonderen Umstände privater Feiern zulässig, da eine Reduzierung der Ansteckungsgefahr unter freiem Himmel gerade nicht im signifikanten Ausmaß anzunehmen ist (vgl. die Ausführungen unter aa) (4) (e)).
Aufgrund der ebenfalls zuvor geschilderten Besonderheiten privater Feiern (vgl. unter aa) (3)) liegt auch keine Vergleichbarkeit mit Gästen, die das Restaurant nicht im Rahmen einer privaten Feier besuchen, vor.
b) Ohne eine vorläufige Außervollzugsetzung drohen der Antragstellerin schließlich auch keine derart gewichtigen Nachteile, dass diese die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe überwiegen könnten. Dabei erlangen die erörterten Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gestellten oder zu stellenden Normenkontrollantrags eine umso größere Bedeutung für die Entscheidung im Normenkontrolleilverfahren, je kürzer die Geltungsdauer der in der Hauptsache angegriffenen Normen befristet und je geringer damit die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Entscheidung über den Normenkontrollantrag in der Hauptsache noch vor dem Außerkrafttreten der Normen ergehen kann. Das muss insbesondere dann gelten, wenn die angegriffene Norm erhebliche Grundrechtseingriffe bewirkt, sodass sich das Normenkontrolleilverfahren (ausnahmsweise) als zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten erweist (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 -, juris Rn. 31).
Schon danach wiegt das Interesse der Antragstellerin an einer einstweiligen Außervollzugsetzung der Verordnung für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens nicht schwer. Dieses Gewicht signifikant erhöhende wesentliche oder schwerwiegende Nachteile durch den weiteren Normvollzug ergeben sich aus dem Vorbringen der Antragstellerin nicht. Vielmehr hat sie die Möglichkeit, ihr Restaurant weiter zu betreiben, lediglich größere private Feiern können in den Räumlichkeiten derzeit nicht stattfinden. Demgegenüber sind die Kontaktbeschränkungen auch für Geimpfte und Genesene wesentliche Elemente eines vom Verordnungsgeber verfolgten Gesamtkonzepts, dessen Wirksamkeit bei einer Außervollzugsetzung des § 7a Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angesichts der derzeitigen Dynamik des Infektionsgeschehens voraussichtlich erheblich beeinträchtigt würden.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG. Der Senat teilt die Auffassung des 13. Senats des beschließenden Gerichts, nach dessen ständiger Rechtsprechung in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich der doppelte Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen ist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.
III. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).