Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.05.2018, Az.: 13 OA 161/18

Auffangstreitwert; Streitwertbeschwerde; Wohnsitzauflage

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.05.2018
Aktenzeichen
13 OA 161/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74175
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 26.02.2018 - AZ: 2 A 665/18

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Richtet sich eine Anfechtungsklage gegen die zu einer Aufenthaltserlaubnis verfügte Wohnsitzauflage, ist regelmäßig der Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000 EUR festzusetzen.

Tenor:

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - Berichterstatter der 2. Kammer - vom 26. Februar 2018 in der Fassung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Stade - Berichterstatter der 2. Kammer - vom 7. Mai 2018 wird verworfen.

Der Streitwert des erstinstanzlichen Klageverfahrens vor dem Verwaltungsgericht Stade - 2 A 665/18 - wird unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Stade - Berichterstatter der 2. Kammer - vom 26. Februar 2018 in der Fassung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Stade - Berichterstatter der 2. Kammer - vom 7. Mai 2018 von Amts wegen auf 5.000 EUR festgesetzt.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

1. Die Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung im Beschluss des Verwaltungsgerichts Stade - Berichterstatter der 2. Kammer - vom 26. Februar 2018 in der Fassung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Stade - Berichterstatter der 2. Kammer - vom 7. Mai 2018, über die nach § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG in Verbindung mit § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 GKG der Berichterstatter des Senats als Einzelrichter entscheidet (vgl. zur Zuständigkeit des Einzelrichters im Beschwerdeverfahren bei Erlass der angefochtenen Entscheidung durch einen Berichterstatter: Senatsbeschl. v. 14.10.2011  - 13 OA 196/11 -, juris Rn. 3; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 2.6.2006  - 9 S 1148/06 -, NVwZ-RR 2006, 648 f.), ist als unzulässig zu verwerfen.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die Beschwerde zwar gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG zulässigerweise im eigenen Namen erhoben. Die - vom Verwaltungsgericht nicht nach § 68 Abs. 1 Satz 2 GKG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene - Beschwerde erreicht aber den Beschwerdewert des § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht. Nach dieser Bestimmung findet gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist, die Beschwerde nur statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 EUR übersteigt. Dieser Wert ergibt sich nicht aus dem Unterschied zwischen dem festgesetzten und dem mit der Beschwerde erstrebten Streitwert, sondern aus dem wirtschaftlichen Interesse, das für den jeweiligen Beschwerdeführer mit der verlangten Änderung des Streitwerts verbunden ist. Dieses Interesse ist konkret und einzelfallbezogen zu ermitteln. Hier ergibt sich dieses Interesse aus dem Zuwachs an erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren, die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei einer Heraufsetzung des Streitwerts zufließen würden. Danach errechnet sich der Beschwerdewert aus der Differenz der Rechtsanwaltsgebühren, die sich bei Zugrundelegung des vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwerts einerseits und der mit der Beschwerde angestrebten Festsetzung andererseits ergibt. Dabei kommt es hinsichtlich des vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwerts nicht auf den von diesem ursprünglich festgesetzten Streitwert an, sondern auf den Streitwert, welchen das Verwaltungsgericht - die Instanz abschließend und allein verbindlich - im Wege der Teilabhilfe festgesetzt hat (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 2.8.2011 - 1 E 684/11 -, juris Rn. 4 f.; Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, GKG, 3. Aufl., § 68 Rn. 9 jeweils m.w.N.).

Der danach maßgebliche Unterschiedsbetrag erreicht hier den Beschwerdewert nicht. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin kann für die Vertretung im erstinstanzlichen Klageverfahren an streitwertabhängigen Gebühren eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG verlangen. Dass darüber hinaus die Voraussetzungen für das Entstehen einer Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG (vgl. hierzu Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 15.11.2017 - 12 OA 125/17 -, juris Rn. 4 f. m.w.N.), einer Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV RVG (vgl. hierzu Bayerischer VGH, Beschl. v. 5.4.2017 - 19 C 15.1844 -, juris Rn. 16 f.) oder einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG (vgl. hierzu Bayerischer VGH, Beschl. v. 5.4.2017, a.a.O., Rn. 22) erfüllt sind, ergibt sich bisher weder aus dem Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin noch ist dies offensichtlich. Der Unterschiedsbetrag, der sich bei Zugrundelegung des vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwerts in Höhe von 2.500 EUR einerseits (1,3 Verfahrensgebühr in Höhe von 261,30 EUR zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 49,65 EUR = 310,95 EUR) und der mit der Beschwerde angestrebten Festsetzung in Höhe von 5.000 EUR andererseits errechnet (1,3 Verfahrensgebühr in Höhe von 393,90 EUR zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von 74,84 EUR = 468,74 EUR), beträgt danach nur 157,79 EUR.

2. Die Unzulässigkeit der Streitwertbeschwerde hindert den Senat indes nicht daran, den Streitwert nach § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG von Amts wegen zu ändern. Nach dieser Vorschrift kann die Streitwertfestsetzung von dem Rechtsmittelgericht von Amts wegen geändert werden, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt. Bei der hier erhobenen Streitwertbeschwerde "schwebt" das Verfahren im Sinne dieser Bestimmung "wegen der Entscheidung über den Streitwert" in der Rechtmittelinstanz. Dem steht nicht entgegen, dass die Streitwertbeschwerde mangels Erreichens des Beschwerdewertes unzulässig ist und auf allein sie hin keine Entscheidung über den Streitwert ergeht. Denn dem Wortlaut des § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG lässt sich eine Einschränkung dahingehend, dass das Rechtsmittelgericht die Wertfestsetzung der unteren Instanz nur aufgrund eines zulässigen Rechtsmittels ändern könnte, nicht entnehmen. Vielmehr fordert die Formulierung "schwebt" lediglich, dass die Sache in der Rechtsmittelinstanz anhängig sein muss (vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 4.4.2014 - 2 So 18/14 -, juris Rn. 4 f.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 1.7.2010 - 8 OA 117/10 -, juris Rn. 5 jeweils m.w.N.).

Die damit mögliche Änderung des Streitwertes von Amts wegen ist im vorliegenden Fall geboten. Denn die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts erweist sich als fehlerhaft.

Nach § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit der Streitwert nach Ermessen anhand der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden, aber objektiv zu beurteilenden Bedeutung der Sache zu bestimmen (vgl. OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 22.6.2009 - 3 K 8/09 -, juris Rn. 7; Binz/Dörndorfer/Petzold/Zimmermann, a.a.O., § 52 Rn. 2 ff.). Maßgeblich sind insoweit die Verhältnisse im Zeitpunkt der den Rechtszug einleitenden Antragstellung (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 8.3.2006 - 8 LA 2/06 -, juris Rn. 16).

In Anwendung dieser Grundsätze sind die angefochtene Streitwertfestsetzung zu ändern und der Streitwert des erstinstanzlichen Klageverfahrens auf 5.000 EUR festzusetzen.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 9. Februar 2018 erhobenen Klage, die vom Beklagten mit Bescheid vom 7. November 2017 verfügte Wohnsitzauflage zu ihrer Aufenthaltserlaubnis aufzuheben. Die Bedeutung eines solchen Begehrens ist regelmäßig mit dem Auffangstreitwert des § 52 Abs. 2 GKG in Höhe von 5.000 EUR zu bewerten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.6.2016 - BVerwG 1 C 5.16 -, juris Rn. 3; v. 1.4.2015 - BVerwG 1 C 7.15 -, juris Rn. 7; Senatsbeschl. v. 28.9.2016 - 13 OA 186/16 -, V.n.b, Umdruck S. 2; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 17.5.2016 - 8 LA 40/16 -, v. 28.3.2014 - 2 LC 13/14 -, v. 23.11.2012 - 8 LA 149/12 -, v. 16.7.2009 - 2 OA 248/09 -, juris Rn. 3; Sächsisches OVG, Beschl. v. 6.6.2008 - 3 E 3/08 -, juris Rn. 2; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 10.12.2007 - 17 E 883/07 -, juris Rn. 3 f.; a.A. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 2.2.2010 - 11 OA 586/09 -, juris Rn. 3 m.w.N.). Dem widerspricht es nicht, dass die (wirtschaftliche) Bedeutung des Streits um eine Wohnsitzauflage hinter der eines Streits um einen Aufenthaltstitel, für den regelmäßig der Auffangstreitwert festzusetzen ist (vgl. nur Nr. 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NordÖR 2014, 11), zurückbleiben kann. Denn maßgeblich ist, dass es in beiden Fällen an genügenden Anhaltspunkten im Sinne von § 52 Abs. 2 GKG fehlt, welche generell oder im konkreten Streitfall dafürsprechen könnten, dass der isolierte Angriff einer Wohnsitzauflage nach der gemäß § 52 Abs. 1 GKG maßgeblichen Bedeutung der Sache für den Kläger wertmäßig mit nur 2.500 EUR oder einem anderen Betrag zu bestimmen wäre. Eine abweichende Betrachtung hält der Senat lediglich in Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes für geboten (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 22.1.2018 - 13 ME 442/17 -, juris Rn. 21, v. 9.8.2017 - 13 ME 167/17 -, juris Rn. 21; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 10.9.2014 - 8 ME 87/14 -, juris Rn. 9).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).