Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.06.2020, Az.: 13 MN 229/20
Corona-Virus; Infektionsgefahr; Shisha-Bar
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 23.06.2020
- Aktenzeichen
- 13 MN 229/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 71772
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 28 Abs 1 S 2 IfSG
- § 32 IfSG
- § 47 Abs 6 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Schließung von Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, wegen Infektionsgefahr mit dem Corona-Virus.
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Der sinngemäß gestellte Antrag,
§ 1 Abs. 3 Nr. 1 der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 155), vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit damit "Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden", für den Publikumsverkehr und Besuche geschlossen sind,
bleibt ohne Erfolg.
Der Antrag ist zulässig (I.), aber unbegründet (II.).
Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.
I. Der Normenkontrolleilantrag ist zulässig.
Er ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJG statthaft. Die Niedersächsische Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 155), ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019
- 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 16 ff.).
Der Normenkontrolleilantrag richtet sich unter Berücksichtigung des tatsächlichen Begehrens der Antragstellerin und des von ihr gestellten Antrags (vgl. zur grundsätzlichen Bindung an das Antragsbegehren auch im Normenkontrollverfahren: BVerwG, Urt. v. 21.1.2004 - BVerwG 8 CN 1.02 -, juris Rn. 34; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 17.10.2013 - 12 KN 277/11 -, juris Rn. 32 m.w.N.) gegen die in § 1 Abs. 3 Nr. 1 der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97) in der aktuellen, mithin hier zuletzt durch Art. 1 der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 155) mit Wirkung vom 22. Juni 2020 geänderten Fassung angeordnete Schließung von "Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden," für den Publikumsverkehr und Besuche. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die einstweilige Außervollzugsetzung dieser aktuellen Regelung ist aufgrund der mit ihr verbundenen Änderungen offensichtlich nicht entfallen. Zwar sah § 1 Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung in der bis zum 21. Juni 2020 geltenden Fassung der Änderungsverordnung vom 5. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 147) noch eine umfassende(re) Schließung für "Shisha-Bars und ähnliche Einrichtungen" vor. Die nun geltende Fassung der Verordnung beschränkt die Schließung auf "Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden", so dass die Schließung nicht mehr von der Art des Betriebes, sondern von seinem Angebot abhängt und nach dem Vorbringen des Antragsgegners auch nur dieses konkrete Angebot von der Schließung betroffen ist. Die zugrundeliegende Intention des Normgebers, sich aus dem Gebrauch von Shisha-Pfeifen ergebende Infektionsgefahren zu bekämpfen, ist dabei aber erkennbar unverändert geblieben.
Die Antragstellerin ist antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, da sie geltend machen kann, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Die in § 1 Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung verfügte Schließung von Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, lässt es möglich erscheinen, dass die Antragstellerin in dem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit aus Art. 19 Abs. 3 GG in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG (vgl. zu dieser Qualifizierung des Eingriffs: Senatsbeschl. v. 16.4.2020 - 13 MN 77/20 -, juris Rn. 29) und auch in dem durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vermittelten allgemeinen Gleichheitsgrundrecht verletzt ist. Eine darüberhinausgehende Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb als einer nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition dürfte hingegen nicht vorliegen. Denn dieser Schutz erfasst nur den konkreten Bestand an Rechten und Gütern; die hier durch die verordnete Beschränkung betroffenen bloßen Umsatz- und Gewinnchancen werden hingegen auch unter dem Gesichtspunkt des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs nicht von der Eigentumsgarantie erfasst (vgl. BVerfG, Urt. v. 6.12.2016 - 1 BvR 2821/11 -, BVerfGE 143, 246, 331 f. - juris Rn. 240; Beschl. v. 26.6.2002 - 1 BvR 558/91 -, BVerfGE 105, 252, 278 - juris Rn. 79 m.w.N.).
Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 15.9.2017 (Nds. MBl. S. 1288), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 18.11.2019 (Nds. MBl. S. 1618)).
II. Der Antrag ist aber unbegründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).
Unter Anwendung dieser Grundsätze bleibt der Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 a.E. der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97), zuletzt geändert durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 22. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 155), ohne Erfolg.
Der Senat vermag den Erfolg des in der Hauptsache gestellten Normenkontrollantrags derzeit nicht verlässlich abzuschätzen (1.). Zwar bestehen keine Zweifel daran, dass aufgrund der Ausbreitung des Corona-Virus ein staatliches Handeln geboten ist (a.), Zweifel bestehen jedoch hinsichtlich Art und Umfang der vom Antragsgegner gewählten Maßnahme (b.). Aktuell kann nicht festgestellt werden, ob einem zulässigen Regelungsadressat, dem Betreiber von Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden ((1)), das Angebot vollständig zu untersagen ist oder nicht mildere, gleich geeignetere Beschränkungen aufzuerlegen wären ((2)). Dass zudem ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3 GG vorliegt, kann ebenso nicht ausgeschlossen werden ((3)). Die danach gebotene Folgenabwägung führt nicht dazu, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe überwiegen (2.).
1. Die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gestellten Normenkontrollantrags sind offen. Der Senat vermag derzeit nicht verlässlich abzuschätzen, ob die in § 1 Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung bestimmte Schließung von Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, für unwirksam zu erklären ist.
Rechtsgrundlage für den Erlass der Verordnung ist § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG -) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), in der hier maßgeblichen zuletzt durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) mit Wirkung vom 28. März 2020 geänderten Fassung.
a. Zweifel an der materiellen Rechtmäßigkeit der Verordnungsregelung ergeben sich nicht mit Blick auf das "Ob" eines staatlichen Handelns nach § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG.
Der Senat sieht aufgrund der Ausbreitung von COVID-19, der offiziellen Bezeichnung der durch den neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (anfangs 2019-nCoV) als Krankheitserreger ausgelösten Erkrankung, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 IfSG als erfüllt an (vgl. zuletzt Senatsbeschl. v. 15.6.2020 - 13 MN 218/20 -, juris Rn. 18 ff.; v. 11.6.2020 - 13 MN 192/20 -, juris Rn. 40 ff.). Auch weiterhin besteht eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation, bei der die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als hoch, für Risikogruppen als sehr hoch einzuschätzen ist (vgl. RKI, COVID-19-Lagebericht v. 21.6.2020, S. 12, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html, Stand: 22.6.2020). Danach sind die zuständigen Behörden zum Handeln verpflichtet (gebundene Entscheidung, vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 212 - juris Rn. 23).
b. Ob Art und Umfang der vom Antragsgegner konkret gewählten Schutzmaßnahme ermessensfehlerhaft sind, vermag der Senat derzeit aber nicht abschließend festzustellen.
(1) Die Schließung dürfte im Hinblick auf den durch die Regelung betroffenen Adressatenkreis nicht zu beanstanden sein.
Wird ein Kranker, Krankheitsverdächtiger, Ansteckungsverdächtiger oder Ausscheider festgestellt, begrenzt § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG den Handlungsrahmen der Behörde nicht dahin, dass allein Schutzmaßnahmen gegenüber der festgestellten Person in Betracht kommen. Die Vorschrift ermöglicht Regelungen gegenüber einzelnen wie mehreren Personen. Vorrangige Adressaten sind zwar die in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG benannten Personengruppen. Bei ihnen steht fest oder besteht der Verdacht, dass sie Träger von Krankheitserregern sind, die bei Menschen eine Infektion oder eine übertragbare Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 1 bis Nr. 3 IfSG verursachen können. Wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr, eine übertragbare Krankheit weiterzuverbreiten, sind sie schon nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehr- und Polizeirechts als "Störer" anzusehen. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG können aber auch (sonstige) Dritte ("Nichtstörer") Adressat von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012, a.a.O., S. 212 f. - juris Rn. 25 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 3.4.2020 - OVG 11 S 14/20 -, juris Rn. 8 f.).
Aufgrund dieser Bewertung besteht für die hier zu beurteilenden Betreiber von Shisha-Bars, in denen sich eine Vielzahl von Besuchern unmittelbar persönlich auf begrenztem Raum für einen längeren Zeitraum begegnen kann, häufig eine Shisha-Pfeife geteilt wird und Wasserpfeifendampf aus- und eingeatmet wird, ein hinreichend konkreter Bezug zu einer Infektionsgefahr.
(2) Der Senat vermag im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes aber nicht verlässlich festzustellen, dass die in § 1 Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung bestimmte Schließung von Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, (noch) eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG ist.
§ 28 Abs. 1 IfSG liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012, a.a.O., S. 213 - juris Rn. 26 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 f.). Der Begriff der "Schutzmaßnahmen" ist folglich umfassend und eröffnet der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum geeigneter Maßnahmen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 2.4.2020 - 3 MB 8/20 -, juris Rn. 35). "Schutzmaßnahmen" im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG können daher auch Untersagungen oder Beschränkungen von unternehmerischen Tätigkeiten in den Bereichen Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen sein, beispielsweise die Schließung von Kinos (vgl. Senatsbeschl. v. 17.6.2020 - 13 MN 218/20 -, juris Rn. 29 mit weiteren Beispielen).
Dem steht nicht entgegen, dass § 31 IfSG eine Regelung für die Untersagung beruflicher Tätigkeiten gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen, Ausscheidern und sonstigen Personen trifft. Denn diese Regelung ist gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG("insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten") nicht abschließend.
Durch eine Rechtsverordnung nach § 32 IfSG kann auch in Grundrechte eingegriffen werden, die nicht in § 32 Satz 3 IfSG aufgezählt sind. Denn das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG, welches § 32 Satz 3 IfSG zu erfüllen sucht, besteht nur, soweit im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG "ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann". Von derartigen Grundrechtseinschränkungen sind andersartige grundrechtsrelevante Regelungen zu unterscheiden, die der Gesetzgeber in Ausführung der ihm obliegenden, im Grundrecht vorgesehenen Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenziehungen vornimmt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.5.1970 - 1 BvR 657/68 -, BVerfGE 28, 282, 289 - juris Rn. 26 ff. (zu Art. 5 Abs. 2 GG); Beschl. v. 12.1.1967 - 1 BvR 168/64 -, BVerfGE 21, 92, 93 - juris Rn. 4 (zu Art. 14 GG); Urt. v. 29.7.1959 - 1 BvR 394/58 -, BVerfGE 10, 89, 99 - juris Rn. 41 (zu Art. 2 Abs. 1 GG). Hierzu zählen auch die Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG, der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und des Eigentumsschutzes nach Art. 14 Abs. 1 GG.
Der danach weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall "notwendig" sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind. Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).
Das beschriebene Infektionsgeschehen hat sich auch aufgrund der von den Infektionsschutzbehörden ergriffenen Maßnahmen in der Folgezeit verlangsamt. Die Zahl der Neuinfektionen, aber auch die Zahl der tatsächlich (noch) Infizierten ist seitdem zurückgegangen. Auch wenn die Gefahr der Verbreitung der Infektion und die daran anknüpfende Gefahr der mangelnden hinreichenden Behandelbarkeit schwer verlaufender Erkrankungen wegen fehlender spezifischer Behandlungsmöglichkeiten und nicht unbegrenzt verfügbarer Krankenhausbehandlungsplätze fortbesteht, hat sich diese Gefahr deutlich vermindert. Diese Gefahreneinschätzung lag offenbar auch dem Plan der Niedersächsischen Landesregierung "Nach dem Lockdown - Neuer Alltag in Niedersachsen, Stufenplan" vom 4. Mai 2020, zuletzt aktualisiert am 5.6.2020 (veröffentlicht unter www.niedersachsen.de/Coronavirus/neuer-alltag-mit-dem-coronavirus-188010.html, Stand: 22.6.2020), und der darauf basierenden Niedersächsischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 8. Mai 2020, zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Juni 2020, zugrunde. Danach wurde zwar an dem Ansammlungsverbot und dem Abstandsgebot, die auch nach der Rechtsprechung des Senats wichtige Grundbausteine bevölkerungsbezogener antiepidemischer Maßnahmen sind, prinzipiell festgehalten. Die zur Umsetzung dieser Maßnahmen konkret erlassenen weitreichenden und teilweise vollständigen Verbote beruflicher, sozialer und privater Aktivitäten wurden aber einer Revision unterzogen und nach einer Bewertung unter infektiologischen, volkswirtschaftlichen und auch gesellschaftlichen Aspekten aufgehoben oder "gelockert". Das angesichts lokaler Ausbrüche aber unverändert verfolgte legitime Ziel der Pandemiebekämpfung sollte insoweit nicht mehr nur mit den bisher geltenden Verboten erreicht werden.
Wie ein Vergleich der Regelungen
- der (1.) Niedersächsischen Verordnung zur Beschränkung sozialer Kontakte anlässlich der Corona-Pandemie vom 27. März 2020 (Nds. GVBl. S. 48),
- der (2.) Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 2. April 2020 (Nds. GVBl. S. 55),
- der (3.) Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 7. April 2020 (Nds. GVBl. S. 63), geändert durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über die Beschränkung sozialer Kontakte zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 9. April 2020 (Nds. GVBl. S. 70),
- der (4.) Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 17. April 2020 (Nds. GVBl. S. 74,), geändert durch Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfektionen mit dem Corona-Virus vom 24. April 2020 (Nds. GVBl. S. 84) und vom 5. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 90), und
- der (5.) Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97), geändert durch die Verordnungen zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 130), vom 22. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 134), vom 5. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 147) und vom 19. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 155),
zeigt, wurden die zunächst bestehenden Verbote schrittweise aufgehoben und in zunehmendem Maße durch bloße Auflagen und Beschränkungen ersetzt. Dennoch bestehen einige Verbote weiter fort und bleiben Schließungen bestehen.
Dazu gehört auch die von der Antragstellerin angefochtene Schließung von Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, in § 1 Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung. In der ursprünglichen Fassung der Niedersächsischen Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie vom 8. Mai 2020 (Nds. GVBl. S. 97) waren unter § 1 Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung sämtliche Bars geschlossen. Mit der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 5. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 147) wurde diese Schließung auf Shisha-Bars reduziert, bevor mit der Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Verordnung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus vom 19. Juni 2020 (Nds. GVBl. S. 155) die Schließung von Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, angeordnet wurde.
Gemäß dem Vortrag des Antragsgegners beruht dieses Verbot im Wesentlichen auf einem stark erhöhten Infektionsrisiko beim Konsum von Shisha-Pfeifen wegen eines erhöhten Atemausstoßes (a) und wegen des Teilens einer Pfeife bzw. eines Mundstücks (b).
(a) Ob die Infektionsgefahr durch den Ausstoß von Atemluft beim Konsum einer Shisha-Pfeife gegenüber dem gewöhnlichen Ausatmen in relevanter Weise erhöht ist, vermag der Senat derzeit nicht verlässlich zu beurteilen.
Hauptübertragungsweg für SARS-CoV-2 ist die respiratorische Aufnahme virushaltiger Flüssigkeitspartikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen entstehen. Je nach Partikelgröße unterscheidet man Tröpfchen (größer als 5 µm) von kleineren Partikeln (Tröpfchenkerne oder infektiöse Aerosole, kleiner als 5 µm). Der Übergang ist fließend, durch Austrocknung in der Luft können aus Partikeln, die in Tröpfchengröße ausgeschieden werden, Tröpfchenkerne entstehen. Beim Atmen und Sprechen, aber noch weitaus stärker beim Schreien und Singen werden vorwiegend kleine Partikel (Aerosol) ausgeschieden, beim Husten und Niesen entstehen zusätzlich deutlich mehr Tröpfchen. Neben der steigenden Lautstärke können auch individuelle Unterschiede zur verstärkten Freisetzung beitragen. Grundsätzlich ist die Wahrscheinlichkeit einer Exposition gegenüber Tröpfchen und Aerosolen im Umkreis von 1 bis 2 m um eine infizierte Person herum erhöht. Während insbesondere größere respiratorische Tröpfchen schnell zu Boden sinken, können Aerosole - auch über längere Zeit - in der Luft schweben und sich in geschlossenen Räumen verteilen. Ob und wie schnell die Tröpfchen und Aerosole absinken oder in der Luft schweben bleiben, ist neben der Größe der Partikel von einer Vielzahl weiterer Faktoren, u.a. der Temperatur und der Luftfeuchtigkeit, abhängig (vgl. RKI, Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html,Stand: 22.6.2020).
Teilweise wird das erhöhte Infektionsrisiko in einer Shisha-Bar durchaus mit einer erhöhten Aerosol-Aufnahme bei der Inhalation und einer im Vergleich zum Zigarettenrauchen deutlich größeren Rauchmenge begründet (vgl. VG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2020 - 15 E 2321/20 -, veröffentlicht unter: justiz.hamburg.de, S. 13 mit Verweis auf Schuurmans/Barben, Informationsblatt für Ärztinnen und Ärzte, Factsheet 3: Wasserpfeife/Shisha, veröffentlicht unter: primary-hospital-care.ch/article/doi/phc-d.2018.01646, Stand: 22.6.2020, und Deutsches Krebsforschungszentrum, Fakten zum Rauchen, Wasserpfeifen, veröffentlicht unter: www.dkfz.de/de/tabakkontrolle/download/Publikationen/FzR/FzR_2018_Wasserpfeifen.pdf, Stand: 22.6.2020). Mitunter wird auch angenommen, dass Shisha-Rauch gegenüber Zigarettenrauch erheblich feuchter sein soll und deshalb eine erhebliche Steigerung des Infektionsrisikos vorliegt (so OVG Bremen, Beschl. v. 15.6.2020 - 1 B 176/20 -, bislang nur als Pressemitteilung vorliegend) und allgemein ein erhöhter Ausstoß von Atemluft vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 2.6.2020 - 1 S 1528/20 -, juris Rn. 38). Wissenschaftliche Erkenntnisse deuten hingegen eher in die Richtung, dass mit steigender Luftfeuchtigkeit eine Virenkonzentration abnimmt, da größere Tropfen eher absinken und Viren schneller inaktiv werden (vgl. Wan Yang, Linsey C. Marr, Einfluss von Luftfeuchtigkeit auf die Verbreitung von Influenza-A-Viren, Juni 2011, veröffentlicht unter: www.condair.de/medizinische-studien/influenza-a-viren-in-innenraeumen, Stand: 22.6.2020).
Aufgrund dieser komplexen Wirkungszusammenhänge sieht sich der Senat im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nicht in der Lage, die tatsächliche Infektionsgefahr beim Konsum von Shisha-Pfeifen verlässlich zu beurteilen. Der Antragsgegner selbst hat hierzu keinerlei wissenschaftliche Erkenntnisse vorlegen können.
(b) Ebenso ist offen, ob der Gefahr, dass sich das Corona-Virus aufgrund der gemeinschaftlichen Nutzung einer Shisha-Pfeife mit einem Mundstück verbreiten kann, nur durch ein vollständiges Verbot des Konsums von Wasserpfeifen begegnet werden kann.
Der Senat stellt nicht in Abrede, dass sich Nutzer von Wasserpfeifen mit dem Coronavirus infizieren können, wenn sie das Mundstück mit Infizierten teilen (vgl. Bundesinstitut für Risikobewertung, FAQ, veröffentlicht unter: www.bfr.bund.de/de/kann_das_neuartige_coronavirus_ueber_lebensmittel_und_gegenstaende_uebertragen_werden_-244062.html, Stand: 22.6.2020).
Der Senat vermag aber derzeit nicht einzuschätzen, ob nicht anstelle des Verbots durch mildere Beschränkungen, etwa die Untersagung der gemeinsamen Nutzung von Wasserpfeifen durch mehrere Personen (vgl. dahingehend Nr. I. 12. der Anlage zur nordrhein-westfälischen Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 v. 10.6.2020, GV NRW S. 382a) oder die Untersagung der gemeinsamen Nutzung eines Mundstücks oder Schlauchs durch mehrere Personen (vgl. dahingehend § 4 Abs. 10 der baden-württembergischen Verordnung des Sozialministeriums und des Wirtschaftsministeriums zur Eindämmung von Übertragungen des Corona-Virus (SARS-CoV-2) in Gaststätten v. 16.5.2020, GBl. BW S. 301), die Verbreitung des Virus in gleich geeigneter Weise verhindert werden kann. Einerseits mag das Teilen einer Shisha-Pfeife weitaus üblicher als das Teilen von Getränken in einer Gaststätte sein, so dass durchaus eine erhöhte Gefahr bestehen könnte, dass Gäste in herkömmlichen Verhaltensweisen verharren und sich über eine Neuregelung hinwegsetzen würden. Anderseits hat sich während der Corona-Epidemie gezeigt, dass weite Bevölkerungsschichten in der Lage und auch bereit sind, ihre Gewohnheiten zu ändern und beispielsweise Mund-Nase-Bedeckungen im Einzelhandel zu tragen oder Abstände einzuhalten.
(3) Ob auch eine von der Antragstellerin darüber hinaus geltend gemachte Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes vorliegt, ist wegen den danach unklaren Auswirkungen des Konsums von Shisha-Pfeifen auf die Übertragung von Corona-Viren über die Atemluft offen.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 - juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 - juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 - juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 - juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 - juris Rn. 79).
Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020
- OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. OVG Hamburg, Beschl. v. 26.3.2020 - 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 - 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62). Auch die Überprüfbarkeit der Einhaltung von Ge- und Verboten kann berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 9.6.2020 - 13 MN 211/20 -, juris Rn. 41).
Hieran gemessen kann die Ungleichbehandlung von Shisha-Bars gegenüber den von der Antragstellerin aufgeführten Rauchergaststätten nicht abschließend beurteilt werden (vgl. zur Gleichbehandlung einer Shisha-Bar: OVG Bremen, Beschl. v. 19.6.2020 - 1 B 176/20 - n.v.; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.5.2020 - 1 S 1528/20 -, juris Rn. 38; VG Hamburg, Beschl. v. 17.6.2020 - 15 E 2321/20 -, veröffentlicht unter justiz.hamburg.de, S. 15; VG Aachen, Beschl. v. 5.6.2020 - 7 L 367/20 -, V.n.b.). Auch eine Gegenüberstellung mit Fitnessstudios, in welchen ebenso ein erhöhter Ausstoß feuchter Atemluft erfolgt, muss offenbleiben. Es fehlen derzeit wissenschaftliche Erkenntnisse zur Auswirkung der Nutzung von Shisha-Pfeifen auf die Übertragung von Corona-Viren über die Atemluft.
b. Die wegen der danach offenen Erfolgsaussichten gebotene Folgenabwägung führt aber dazu, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe nicht überwiegen.
Würde der Senat die in § 1 Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung angeordnete Schließung von Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, vollständig (vgl. zur Unzulässigkeit von Normergänzungen im Normenkontrollverfahren: Senatsbeschl. v. 14.5.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 5 m.w.N.) außer Vollzug setzen, bliebe der Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg, könnte die Antragstellerin zwar vorübergehend die mit der Schutzmaßnahme verbundenen Einschränkungen ihres Betriebs vermeiden. Ein Baustein der Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners würde aber in seiner Wirkung deutlich reduziert (vgl. zur Berücksichtigung dieses Aspekts in der Folgenabwägung: BVerfG, Beschl. v. 1.5.2020 - 1 BvQ 42/20 -, juris Rn. 10). Die Möglichkeit, eine eventuell geeignete und erforderliche Schutzmaßnahme zu ergreifen (etwa die Beschränkung auf eine Wasserpfeife pro Person und Abstandsregelungen) und so die Verbreitung der Infektionskrankheit zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350 - juris Rn. 119 m.w.N.), effektiver zu verhindern, bliebe hingegen zumindest zeitweise bis zu einer Reaktion des Verordnungsgebers (irreversibel) ungenutzt.
Würde hingegen die in § 1 Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung angeordnete Schließung nicht einstweilig außer Vollzug gesetzt, hätte der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache Erfolg, wäre die Antragstellerin vorübergehend zu Unrecht zur Befolgung der - für den Fall der Nichtbefolgung bußgeldbewehrten - Schutzmaßnahme verpflichtet und dürfte keine Shisha-Pfeifen zum Konsum anbieten. Der damit jedenfalls verbundene Eingriff in ihr Grundrecht aus Art. 19 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 GG würde für die Dauer der Verpflichtung, längstens für die Dauer eines Hauptsacheverfahrens, verfestigt. Dieser Eingriff ist nach Einschätzung des Senats indes nur von geringem Gewicht und im Verhältnis zu dem mit der Maßnahme verfolgten legitimen Ziel eines effektiven Infektionsschutzes von der Antragstellerin vorübergehend hinzunehmen. Die Belastung erschöpft sich darin, hierauf weist der Antragsgegner durchaus zutreffend hin, dass die Antragstellerin gehindert wird, Shisha-Pfeifen zum Konsum anzubieten. Im Übrigen ist es der Antragstellerin indes nicht untersagt, Speisen und Getränke und Begleitunterhaltung anzubieten. Dies tut sie auch bereits. Zwar mag das Angebot des Konsums von Shisha-Pfeifen ein prägender Aspekt ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit und ein Kern ihrer Marke sein. Die Antragstellerin hat indes nicht glaubhaft gemacht, dass ihr durch die streitgegenständliche Verordnungsregelung schwerwiegende Nachteile, etwa eine Gefährdung ihrer wirtschaftlichen Existenz, drohen.
In diese Folgenabwägung wird insbesondere auch eingestellt, dass die Verordnung gemäß ihres § 13 Satz 1 am 5. Juli 2020 außer Kraft tritt. Damit ist sichergestellt, dass die Verordnung unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen der Corona-Pandemie fortgeschrieben werden muss. Hierbei hat der Antragsgegner - wie auch bei jeder weiteren Fortschreibung der Verordnung - hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren relevanten Schließung zu untersuchen, ob es angesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet werden kann, die Schließung unter - gegebenenfalls strengen - Auflagen weiter zu lockern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 28/20 -, juris Rn. 16). Der Antragsgegner kann sich dabei nicht darauf zurückziehen, dass sein „Stufenplan“ mit der aktuellen Änderung der Verordnung abgeschlossen ist und der jetzige Stand eine „neue Normalität“ darstellt (vgl. Presseinformation vom 19.6.2020, veröffentlicht unter: www.ms.niedersachsen.de/startseite/aktuelles/presseinformationen/neue-normalitat-aber-bekampfung-von-corona-bleibt-gesamtgesellschaftliche-aufgabe-land-niedersachsen-aktualisiert-corona-verordnung-189540.html, Stand: 19.6.2020).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).