Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 25.11.2020, Az.: 13 MN 487/20
Folgenabwägung; gebietsbezogen; Infektionsgeschehen; Mund-Nasen-Bedeckung; Normenkontrolleilantrag; Rechtsgrundlage; Schließung; Schutzmaßnahmen, notwendige; tätigkeitsbezogen; Veranstaltungs- und Betriebsverbot; Vertretungserfordernis
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 25.11.2020
- Aktenzeichen
- 13 MN 487/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 71872
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der vom Antragsteller im Schriftsatz vom 5. November 2020 (Blatt 2 der Gerichtsakte) persönlich gestellte Antrag,
die §§ 1 Satz 2, 2 Abs. 2 Satz 2, 3, 7 Abs. 1, 9, 10 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 5, 7 und 8 sowie 18 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 368) vorläufig außer Vollzug zu setzen,
bleibt ohne Erfolg. Der Antrag ist bereits unzulässig (1.), aber auch unbegründet (2.).
Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.
1. Der Antrag ist bereits unzulässig.
a. Der Normenkontrolleilantrag ist nach § 47 Abs. 6 in Verbindung mit Abs. 1 Nr. 2 VwGOund § 75 NJGstatthaft. Die Niedersächsische Corona-Verordnung ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO in Verbindung mit § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, NdsRpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 16 ff.).
b. Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen, v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 15.9.2017 (Nds. MBl. S. 1288), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert am 18.11.2019 (Nds. MBl. S. 1618)).
c. Dem Antragsteller fehlt für die von ihm angegriffenen Verordnungsregelungen betreffend
- die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in §§ 1 Satz 2 („Kann eine Person den Abstand nicht einhalten, so hat sie eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.“), 2 Abs. 2 Satz 2 („Kann eine Person das Abstandsgebot in der Öffentlichkeit unter freiem Himmel nach Satz 1 nicht nur vorübergehend nicht einhalten, so hat sie eine Mund-Nasen-Bedeckung nach § 3 zu tragen; im Übrigen bleibt § 3 unberührt.“), 3 („(1) 1Jede Person hat, unbeschadet der Regelungen dieser Verordnung über Beschränkungen und Verbote von Veranstaltungen, Dienstleistungen und des Betriebs von Einrichtungen, in geschlossenen Räumen, die öffentlich oder im Rahmen eines Besuchs- oder Kundenverkehrs zugänglich sind, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. 2Dies gilt auch für Personen, die 1. Tätigkeiten und Dienstleistungen ausüben, die eine Unterschreitung des Abstandsgebots nach § 2 Abs. 2 naturgemäß erfordern, insbesondere im Rahmen der Gesundheitsversorgung, der Pflege von Personen, des Handels, der Gastronomie und der körpernahen Dienstleistungen, 2. Verkehrsmittel des Personenverkehrs oder die dazugehörigen Einrichtungen wie zum Beispiel Haltestellen, Bahnhöfe, Flughäfen und Fähranleger nutzen, wobei Fahrzeugführerinnen und Fahrzeugführer ausgenommen sind, 3. an einer Veranstaltung in geschlossenen Räumen teilnehmen und 4. am Unterricht oder einer Prüfung in einem Fahrzeug im Rahmen einer Fahrausbildung oder Fahrlehrerausbildung teilnehmen. (2) 1Eine Mund-Nasen-Bedeckung soll unbeschadet des § 2 Abs. 2 Satz 2 auch jede Person an Örtlichkeiten in der Öffentlichkeit unter freiem Himmel, an denen sich Menschen entweder auf engem Raum oder nicht nur vorübergehend aufhalten, tragen, wenn in Bezug auf das Gebiet des Landkreises oder der kreisfreien Stadt, in dem oder in der die jeweils betreffende Örtlichkeit liegt, die Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung 35 oder mehr Fälle je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen beträgt. 2Das für Gesundheit zuständige Ministerium gibt auf der Internetseite https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/Inzidenz-Ampel/ bekannt, in welchen Landkreisen und kreisfreien Städte die nach Satz 1 geregelte Zahl der Neuinfizierten erreicht ist. 3Ab dem Zeitpunkt der Bekanntgabe nach Satz 2 ist Satz 1 anzuwenden. 4Beträgt die Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung 50 oder mehr Fälle je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen, so muss abweichend von Satz 1 jede Person an den Örtlichkeiten im Sinne des Satzes 1 eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen; im Übrigen sind die Sätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden. 5Die Landkreise und kreisfreien Städte legen in den Fällen der Sätze 1 und 4 durch öffentlich bekannt zu gebende Allgemeinverfügung die betreffenden Örtlichkeiten im Sinne der Sätze 1 und 4 fest. (3) 1Eine Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der Absätze 1 und 2 ist jede geeignete textile oder textilähnliche Barriere, die aufgrund ihrer Beschaffenheit eine Ausbreitung von übertragungsfähigen Tröpfchenpartikeln durch Husten, Niesen und Aussprache verringert, unabhängig von einer Kennzeichnung oder zertifizierten Schutzkategorie. 2Die Mund-Nasen-Bedeckung ist nur geeignet, wenn sie eng anliegt. (4) Absatz 1 gilt nicht 1. in Bezug auf ausschließlich der privaten Nutzung dienende Räumlichkeiten der pflichtigen Person sowie privat oder beruflich genutzte Kraftfahrzeuge, soweit dies nicht in Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 anders geregelt ist, 2. im Zusammenhang mit der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit, soweit dies nicht in Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 anders geregelt ist, 3. im Zusammenhang mit der Wahrnehmung eines politischen Mandats, 4. bei Veranstaltungen und Sitzungen des Niedersächsischen Landtags, seiner Gremien und Fraktionen und von kommunalen Vertretungen, deren Gremien und Fraktionen, 5. im Rahmen von Einrichtungen und Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe bei der Sozialen Gruppenarbeit nach § 29 SGB VIII sowie bei der Erziehung in einer Tagesgruppe nach § 32 SGB VIII, 6. im Rahmen von Angeboten der Jugendarbeit nach § 11 SGB VIII, der Jugendsozialarbeit nach § 13 SGB VIII und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes nach § 14 SGB VIII, wobei § 13 Abs. 1 und 2 entsprechend gilt, 7. bei sportlicher Betätigung, 8. im Rahmen des Betriebs einer Musikschule, wenn die musikalische Aktivität, zum Beispiel das Spielen eines Blasinstruments oder die Gesangsausbildung, das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ausschließt, allerdings nur im Rahmen der Einzelausbildung. (5) Abweichend von Absatz 1 darf während einer Veranstaltung, an der die Besucherinnen und Besucher sitzend teilnehmen, die pflichtige Person die Mund-Nasen-Bedeckung abnehmen, soweit und solange sie einen Sitzplatz eingenommen hat und das Abstandsgebot nach § 2 Abs. 2 und 3 Nr. 1 eingehalten wird. (6) Personen, für die aufgrund einer körperlichen, geistigen oder psychischen Beeinträchtigung oder einer Vorerkrankung, zum Beispiel einer schweren Herz- oder Lungenerkrankung, das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht zumutbar ist und die dies durch ein ärztliches Attest oder eine vergleichbare amtliche Bescheinigung glaubhaft machen können, und Kinder bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres sind von den Verpflichtungen nach den Absätzen 1, 2 und 5 ausgenommen. (7) 1Die Betreiberinnen, Betreiber und verantwortlichen Personen haben in Bezug auf die von ihnen zu verantwortenden Bereiche im Sinne des Absatzes 1 auf die Pflicht, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, hinzuweisen und auf die Einhaltung dieser Pflichten hinzuwirken. 2Die Betreiberinnen und Betreiber von Verkehrsmitteln des Personenverkehrs sind insbesondere verpflichtet, auf die Pflicht, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, durch Aushang sowie zusätzlich mit Durchsagen hinzuweisen und für deren Einhaltung zu werben; sie sollen innerbetrieblich sicherstellen, dass Personen ohne Mund-Nasen-Bedeckung im Rahmen der Kontrolltätigkeiten beim Verdacht eines Verstoßes gegen Absatz 1 im Einzelfall persönlich angesprochen, angemessen zur Einhaltung ermahnt und bei Bedarf erforderliche Gegenmaßnahmen ergriffen werden.“) und 7 Abs. 1 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung („Soweit und solange eine Besucherin oder ein Besucher nicht nach Satz 1 sitzt, hat sie oder er eine Mund-Nasen-Bedeckung nach § 3 Abs. 1, 3 und 6 zu tragen.“),
- die Religionsausübung und öffentliche Versammlungen in § 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung(„(1) Abweichend von den §§ 5 bis 8 sind Zusammenkünfte in Kirchen, Friedhofskapellen oder entsprechend genutzten Einrichtungen, Moscheen, Synagogen sowie Cem- und Gemeindehäusern und die Zusammenkünfte anderer Glaubens- und Weltanschauungsgemeinschaften, einschließlich der Zusammenkünfte in Gemeindezentren und gemeindlichen Einrichtungen zur Durchführung von Veranstaltungen kirchlicher Bildungsträger und von sozialen und karitativen Veranstaltungen der Gemeinden, sowie zur Unterweisung und Vorbereitung von Personen auf religiöse Feste und Ereignisse, wie zum Beispiel Erstkommunion, Firmung, Konfirmation, humanistische Jugendfeier, Bat Mizwa und Bar Mizwa, sowie Trauungen, Trauerandachten und die Teilnahme am letzten Gang zur Grab- oder Beisetzungsstelle mit dem dortigen Aufenthalt unabhängig von der Zahl der teilnehmenden Personen zulässig, wenn sichergestellt ist, dass Maßnahmen aufgrund eines Hygienekonzepts nach § 4 Abs. 1 und 2 getroffen werden. (2) Abweichend von § 7 Abs. 1 dürfen öffentlich-rechtliche Körperschaften sowie Parteien, Vereine, Initiativen und andere ehrenamtliche Zusammenschlüsse die durch Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Sitzungen und Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen durchführen, wenn das Abstandsgebot nach § 2 Abs. 2 und 3 Nr. 1 eingehalten wird. (3) 1Die Veranstalterin oder der Veranstalter einer Versammlung unter freiem Himmel nach Artikel 8 des Grundgesetzes hat durch geeignete Maßnahmen den Schutz vor Infektionen mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 sicherzustellen. 2Die zuständige Versammlungsbehörde kann zum Schutz vor Infektionen mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 die Versammlung auf der Grundlage des Niedersächsischen Versammlungsgesetzes beschränken.“) und
- die Veranstaltungs- und Betriebsverbote sowie -beschränkungen in § 7 Abs. 1 Satz 1 bis 3 („1Veranstaltungen im öffentlich zugänglichen Raum einschließlich privat angemieteter oder zur Verfügung gestellter öffentlich zugänglicher Räume, an denen die Besucherinnen und Besucher sitzend teilnehmen, sind mit jeweils nicht mehr als 50 Besucherinnen und Besuchern zulässig, wenn sichergestellt ist, dass die Besucherinnen und Besucher das Abstandsgebot nach § 2 Abs. 2 und 3 Nr. 1 einhalten und ihre Sitzplätze einnehmen; § 9 bleibt unberührt. 2Unzulässig sind Veranstaltungen, die der Unterhaltung dienen. 3Bei Sportveranstaltungen des Spitzen- und Profisports sind Zuschauerinnen und Zuschauer nicht zulässig.“) sowie in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 5, 7 und 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung(„Für den Publikumsverkehr und Besuche sind geschlossen 2. Gastronomiebetriebe im Sinne des § 1 Abs. 3 des Niedersächsischen Gaststättengesetzes, insbesondere Restaurants, die Freiluftgastronomie, Bars einschließlich Einrichtungen, in denen Shisha-Pfeifen zum Konsum angeboten werden, Imbisse und Cafés, allein oder in Verbindung mit anderen Einrichtungen, jeweils ausgenommen der Außer-Haus-Verkauf und die Abholung von Speisen zum Verzehr außerhalb der jeweiligen Einrichtung und mit Ausnahme von Gastronomiebetrieben in Heimen nach § 2 Abs. 2 des Niedersächsischen Gesetzes über unterstützende Wohnformen (NuWG) zur Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner, von Gastronomiebetrieben in Beherbergungsstätten und Hotels zur Versorgung der zulässig beherbergten Gäste, 3. Messen, Kongresse, gewerbliche Ausstellungen, Spezialmärkte, Weihnachtsmärkte, Jahrmärkte und ähnliche Veranstaltungen, ausgenommen Wochenmärkte, 4. Theater, Opernhäuser, Konzerthäuser, Kulturzentren, Museen, Ausstellungen, Galerien, Bibliotheken, Büchereien und ähnliche Einrichtungen, unabhängig von der jeweiligen Trägerschaft und den Eigentumsverhältnissen, ausgenommen wissenschaftliche Bibliotheken wie die Hochschul- und Landesbibliotheken, 5. Kinos, Freizeitparks, Zoos, Tierparks, Angebote von Freizeitaktivitäten sowohl innerhalb als auch außerhalb von Gebäuden wie Indoor-Spielplätze, Kletterhallen und Kletterparks und ähnliche Einrichtungen sowie Seilbahnen, … 7. Angebote des Freizeit- und Amateursportbetriebs auf und in öffentlichen und privaten Sportanlagen, wobei die sportliche Betätigung im Rahmen des Individualsports allein, mit einer weiteren Person oder den Personen des eigenen Hausstands auf und in diesen Sportanlagen zulässig bleibt, 8. Saunen, Thermen, Schwimm- und Spaßbäder, Solarien, Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen, …“) und
- die Gestattung weitergehender Anordnungen durch die örtlichen Infektionsschutzbehörden in § 18 der Niedersächsischen Corona-Verordnung(„1Die örtlich zuständigen Behörden können weitergehende Anordnungen treffen, soweit es im Interesse des Gesundheitsschutzes erforderlich ist. 2Sie können insbesondere für bestimmte öffentliche Plätze, Parkanlagen und ähnliche Orte in ihrem Zuständigkeitsbereich generelle Betretungsverbote erlassen oder zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung verpflichten. 3Bei Anordnungen, die Kindertageseinrichtungen oder Schulen betreffen, sind vorrangig Maßnahmen in Betracht zu ziehen, die ein Aufrechterhalten des jeweiligen Betriebs ermöglichen.“)
aber teilweise schon die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis.
Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Antrag eine natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne dieser Bestimmung sind die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei der Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005 - BVerwG 6 BN 1.05 -, juris Rn. 3 ff., insbes. 7; Urt. v. 26.2.1999 - BVerwG 4 CN 6.98 -, juris Rn. 9). Ausreichend, aber auch erforderlich ist es daher, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass sie durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in ihren subjektiven Rechten verletzt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1998- BVerwG 4 CN 2.98 -, juris Rn. 8; Senatsbeschl. v. 29.7.2020 - 13 MN 280/20 -, juris Rn. 9).
Dies zugrunde gelegt, ist der Antragsteller nur antragsbefugt, soweit sich sein Antrag gegen Verordnungsregelungen richtet, die an ihn adressiert sind und die eine ihn belastende Wirkung entfalten können. Diese Voraussetzungen erachtet der Senat - mangels kaum konkreten Tatsachenvortrags des Antragstellers nach amtswegiger Prüfung - nur für gegeben, soweit sich der Antrag des Antragstellers gegen die Verordnungsregelungen betreffend
- die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in §§ 1 Satz 2, 2 Abs. 2 Satz 2, 3 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung und
- die Veranstaltungs- und Betriebsverbote sowie -beschränkungen in § 7 Abs. 1 Satz 1 bis 3 und in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 5, 7 und 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung
richtet. Diese Regelungen sind auch an den Antragsteller adressiert, erlegen ihm für sich selbst oder als potentiellem Kunden oder Besucher beschränkter oder für den Publikumsverkehr und Besuche geschlossener Betriebe, Einrichtungen und Veranstaltungen Verhaltenspflichten auf und lassen es möglich erscheinen, dass er in den Grundrechten der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und der körperlichen Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG sowie dem durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vermittelten allgemeinen Gleichheitsgrundrecht verletzt ist.
Im Übrigen fehlt dem Antragsteller die Antragsbefugnis, und sein Antrag ist bereits deshalb unzulässig.
Dies betrifft zum einen die Regelungen in § 3 Abs. 3 bis 7 und § 18 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, die nicht an den Antragsteller adressiert sind oder ersichtlich keine ihn belastende Wirkung entfalten können. § 18 der Niedersächsischen Corona-Verordnung schafft entgegen der Auffassung des Antragstellers (Schriftsatz v. 19.11.2020, S. 6) keine Ermächtigungsgrundlage für über die Niedersächsische Corona-Verordnung hinausgehende Infektionsschutzmaßnahmen. Die Regelung stellt vielmehr nur die Reichweite der Niedersächsischen Corona-Verordnung und deren (teilweise Sperr-)Wirkung gegenüber Maßnahmen der örtlich zuständigen Infektionsschutzbehörden klar.
Dem Antragsteller fehlt zum anderen eine Antragsbefugnis betreffend die angegriffenen Regelungen des § 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Aus seinem Vorbringen (Schriftsätze des Antragstellers v. 5.11.2020, B2, v. 19.11.2020, S. 5) ergeben sich keinerlei nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass er von diesen Regelungen, die in Absatz 1 und 2 zudem nur eine gegenüber den übrigen Verboten oder Beschränkungen der Niedersächsischen Corona-Verordnung begünstigende Wirkung entfalten, tatsächlich betroffen sein könnte. Er moniert lediglich eine sachlich nicht gerechtfertigte Besserstellung der in § 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung genannten Veranstaltungen und Verhaltensweisen. Diese begründet indes nicht die erforderliche Antragsbefugnis für eine Anfechtung des § 9 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, sondern nur der übrigen, den Antragsteller selbst betreffenden Verordnungsregelungen.
d. Der Antrag ist schließlich in Gänze auch deshalb unzulässig, weil er nicht dem Vertretungserfordernis des § 67 Abs. 4 Satz 1 und 2 VwGO genügt.
Für den Antragsteller hat sich zwar nachträglich ein Prozessbevollmächtigter legitimiert, der gemäß § 67 Abs. 4 Satz 3 in Verbindung mit Absatz 2 Satz 1 VwGO zur Vertretung vor dem Oberverwaltungsgericht zugelassen ist. Es stellt aber eine unzulässige Umgehung des § 67 Abs. 4 VwGO dar, wenn seitens des bevollmächtigten Prozessbevollmächtigten pauschal auf Schreiben Bezug genommen wird, die die von ihm vertretenen Beteiligten oder ein Dritter verfasst haben. Dies ergibt sich insbesondere aus dem Zweck des Vertretungszwangs nach § 67 Abs. 4 VwGO. Danach muss erkennbar sein, dass der Prozessbevollmächtigte sich die von ihm vorgetragenen oder vorgelegten Ausführungen seiner Mandanten zu eigen gemacht hat. Sein schriftsätzliches Vorbringen muss erkennen lassen, dass er selbst eine eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des vorgebrachten Streitstoffs vorgenommen hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.11.2019 - BVerwG 5 B 18.19 -, juris Rn. 6; Beschl. v. 11.12.2012 - BVerwG 8 B 58.12 -, juris Rn. 16 jeweils m.w.N.).
Die danach erforderliche eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des vom Antragsteller persönlich vorgebrachten Streitstoffs durch dessen Prozessbevollmächtigten lässt sich hier nicht erkennen. Der Prozessbevollmächtigte hat in seinem Schriftsatz vom 18. November 2020, dort S. 2, ausdrücklich nur einen Normenkontrollantrag nach § 47 Abs. 1 VwGO gestellt, nicht aber den vom Antragsteller im Schriftsatz vom 5. November 2020, dort S. 1, persönlich gestellten Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung nach § 47 Abs. 6 VwGO. Auf diesen vom Antragsteller persönlich gestellten Antrag hat er in seinem weiteren Schriftsatz vom 19. November 2020, dort S. 7, zwar hingewiesen, eine kurze Begründung hierfür gegeben und sich im Übrigen das persönliche Vorbringen des Antragstellers zu Eigen gemacht (Schriftsatz v. 19.11.2020, dort S. 1). Dies lässt die erforderliche eigene Durchdringung des Streitstoffs durch den Prozessbevollmächtigten aber nicht erkennen. Der Senat hat auch davon abgesehen, den Antragsteller auf die hiernach mangelnde Beachtung des Vertretungserfordernisses hinzuweisen. Denn auch die von dem Prozessbevollmächtigten des Antragstellers für den Fall eines solches Hinweises avisierte Vorgehensweise (Schriftsatz v. 19.11.2020, S. 1: „Für den Fall, dass das Gericht die Bezugnahme auf den Vortrag des Antragstellers persönlich für nicht ordnungsgemäß hält, werden wir den gesamten Vortrag des Antragstellers in einen weiteren Schriftsatz einkopieren, unterschreiben und zu den Gerichtsakten reichen.“) hätte die erforderliche eigene Prüfung, Sichtung und rechtliche Durchdringung des vom Antragsteller persönlich vorgebrachten Streitstoffs durch dessen Prozessbevollmächtigten vermissen lassen.
2. Geht man hingegen von einer Beachtung des Vertretungserfordernisses aus und hält den Antrag, soweit eine Antragsbefugnis gegeben ist (siehe oben 1.c.), für jedenfalls teilweise zulässig, ist dieser Antrag unbegründet.
Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. „Doppelhypothese“ die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).
Unter Anwendung dieser Grundsätze bleibt der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung der Verordnungsregelungen betreffend
- die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in §§ 1 Satz 2, 2 Abs. 2 Satz 2, 3 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung und
- die Veranstaltungs- und Betriebsverbote sowie -beschränkungen in § 7 Abs. 1 Satz 1 bis 3 und in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 5, 7 und 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung
ohne Erfolg.
Der Senat vermag den Erfolg des in der Hauptsache gestellten Normenkontrollantrags derzeit nicht in Gänze verlässlich abzuschätzen (a.). Die danach gebotene Folgenabwägung führt nicht dazu, dass die von dem Antragsteller geltend gemachten Gründe für die einstweilige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe überwiegen (b.).
a. Derzeit sind die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache gestellten Normenkontrollantrags jedenfalls hinsichtlich einzelner Verordnungsregelungen offen. Der Senat geht zwar davon aus, dass alle streitgegenständlichen Verordnungsregelungen auf einer tragfähigen Rechtsgrundlage beruhen (1) und formell rechtmäßig sind (2). Gleiches gilt hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit im Hinblick auf das "Ob" eines staatlichen Handelns (3) und die Notwendigkeit der infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen als solchen (4). Derzeit ist aber nicht verlässlich abzuschätzen, ob alle streitgegenständlichen Verordnungsregelungen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren sind (5).
(1) Die Niedersächsische Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 ist allein auf die Rechtsgrundlagen des § 32 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG -) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), in der zuletzt durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise (Corona-Steuerhilfegesetz) vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1385) geänderten Fassung, gestützt.
Eine Verfassungswidrigkeit dieser Rechtsgrundlagen, insbesondere mit Blick auf die Bestimmtheit der getroffenen Regelungen und deren Vereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes, ist für den Senat - ebenso wie offenbar für das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Spruchpraxis betreffend die Corona-Pandemie (vgl. bspw. BVerfG, Beschl. v. 15.7.2020 - 1 BvR 1630/20 -; v. 9.6.2020 - 1 BvR 1230/20 -; v. 28.4.2020 - 1 BvR 899/20 -, alle veröffentlicht in juris) - jedenfalls nicht offensichtlich (vgl. hierzu im Einzelnen: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 4.11.2020 - OVG 11 S 94/20 -, juris Rn. 28 ff.; Bayerischer VerfGH, Entsch. v. 21.10.2020 - Vf. 26-VII-20 -, juris Rn. 17 ff.; OVG Bremen, Beschl. v. 9.4.2020 - 1 B 97/20 -, juris Rn. 24 ff.; Hessischer VGH, Beschl. v. 7.4.2020 - 8 B 892/20.N -, juris Rn. 34 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 26.10.2020 - 13 B 1581/20.NE -, juris Rn. 32 ff.; Beschl. v. 6.4. 2020 - 13 B 398/20.NE -, juris Rn. 36 ff.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 30.3.2020 - 20 NE 20.632 -, juris Rn. 39 ff.; Beschl. v. 30.3.2020 - 20 CS 20.611 -, juris 17 f.; offengelassen: VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 9.4.2020 - 1 S 925/20 -, juris Rn. 37 ff.).
Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt im Hinblick auf Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot, dass der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat und nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive überlassen darf. Dabei betrifft die Normierungspflicht nicht nur die Frage, ob ein bestimmter Gegenstand überhaupt gesetzlich geregelt sein muss, sondern auch, wie weit diese Regelungen im Einzelnen zu gehen haben (sog. „Wesentlichkeitsdoktrin“, BVerfG, Urt. v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15 u.a. -, juris Rn. 199). Inwieweit es einer Regelung durch den parlamentarischen Gesetzgeber bedarf, hängt vom jeweiligen Sachbereich und der Eigenart des betroffenen Regelungsgegenstands ab (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.9.2003 - 2 BvR 1436/02 -, juris Rn. 67 f. m.w.N.). Auch Gesetze, die zu Rechtsverordnungen und Satzungen ermächtigen, können den Voraussetzungen des Gesetzesvorbehalts genügen, die wesentlichen Entscheidungen müssen aber durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst erfolgen. Das Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit der Ermächtigungsgrundlage bei Delegation einer Entscheidung auf den Verordnungsgeber aus Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen, stellt insoweit eine notwendige Ergänzung und Konkretisierung des Gesetzesvorbehalts und des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dar. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG führt als eine Ausprägung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts den staatlichen Eingriff durch die Exekutive nachvollziehbar auf eine parlamentarische Willensäußerung zurück. Eine Ermächtigung darf daher nicht so unbestimmt sein, dass nicht mehr vorausgesehen werden kann, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können (vgl. BVerfG, Urt. v. 19.9.2018 - 2 BvF 1/15 u.a. -, juris Rn. 198 ff. m.w.N.). Die Ermächtigungsnorm muss in ihrem Wortlaut nicht so genau wie irgend möglich gefasst sein; sie hat von Verfassungs wegen nur hinreichend bestimmt zu sein. Dazu genügt es, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Norm. Welche Anforderungen an das Maß der erforderlichen Bestimmtheit im Einzelnen zu stellen sind, lässt sich daher nicht allgemein festlegen. Zum einen kommt es auf die Intensität der Auswirkungen der Regelung für die Betroffenen an. Je schwerwiegender die grundrechtsrelevanten Auswirkungen für die von einer Rechtsverordnung potentiell Betroffenen sind, desto strengere Anforderungen gelten für das Maß der Bestimmtheit sowie für Inhalt und Zweck der erteilten Ermächtigung. Zum anderen hängen die Anforderungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß der gesetzlichen Determinierung von der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ab, insbesondere davon, in welchem Umfang der zu regelnde Sachbereich einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist. Dies kann es auch rechtfertigen, die nähere Ausgestaltung des zu regelnden Sachbereichs dem Verordnungsgeber zu überlassen, der die Regelungen rascher und einfacher auf dem neuesten Stand zu halten vermag als der Gesetzgeber (vgl. BVerfG, Beschl. v. 21.9.2016 - 2 BvL 1/15 -, juris Rn. 54 ff. m.w.N.).
Nach der im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen und auch nur gebotenen summarischen Prüfung ist für den Senat nicht offensichtlich, dass einerseits § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG und andererseits § 32 Satz 1 und 2 IfSG diesen Anforderungen nicht genügen könnten.
Mit § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG hat der Bundesgesetzgeber bewusst eine offene Generalklausel geschaffen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 213 - juris Rn. 26 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 f.), ohne aber den zuständigen Infektionsschutzbehörden eine unzulässige Globalermächtigung zu erteilen. Der Bundesgesetzgeber hat für den fraglos eingriffsintensiven Bereich infektionsschutzrechtlichen staatlichen Handelns selbst bestimmt, dass die zuständigen Behörden nur dann, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, „die notwendigen Schutzmaßnahmen“ treffen dürfen, und zwar insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, dies aber auch nur „soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist“.
Der Begriff der „Schutzmaßnahmen“ ist dabei umfassend angelegt, um den Infektionsschutzbehörden insbesondere bei einem dynamischen, zügiges Eingreifen erfordernden Infektionsgeschehen ein möglichst breites Spektrum geeigneter Maßnahmen an die Hand zu geben (vgl. Senatsbeschl. v. 29.5.2020 - 13 MN 185/20 -, juris Rn. 27; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 2.4.2020 - 3 MB 8/20 -, juris Rn. 35). Zugleich ist der Begriff der „Schutzmaßnahmen“ nach Inhalt und Zweck der Rechtsgrundlage mit Hilfe allgemeiner Auslegungsregeln hinreichend zu begrenzen. Danach umfasst er auch
- Verbote oder Beschränkungen von Zusammenkünften und Ansammlungen weniger einzelner Personen (vgl. Senatsbeschl. v. 11.6.2020 - 13 MN 192/20 -, juris Rn. 49),
- Vorgaben, bestimmte Orte nur unter bestimmten Bedingungen, etwa nur mit einer Mund-Nasen-Bedeckung, zu betreten (vgl. Senatsbeschl. v. 5.5.2020 - 13 MN 119/20 -, juris Rn. 40) und
- Untersagungen oder Beschränkungen von unternehmerischen Tätigkeiten in den Bereichen Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (vgl. mit zahlreichen Beispielen und weiteren Nachweisen: Senatsbeschl. v. 29.5.2020 - 13 MN 185/20 -, juris Rn. 27).
Darüber hinaus sind dem behördlichen Einschreiten durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Grenzen gesetzt (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 9.4.2020 - 1 B 97/20 -, juris Rn. 30). Dass diese durch Auslegung bestimmten Grenzen nicht vom Willen des Bundesgesetzgebers gedeckt wären, vermag der Senat nicht zu erkennen. Vielmehr hat der Bundesgesetzgeber mit dem Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. I S. 587) den Satz 1 des § 28 Abs. 1 IfSG um den zweiten Halbsatz “sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten“ ergänzt und gleichzeitig den bis dahin geltenden Satz 2 Halbsatz 2 gestrichen. Unabhängig von der Frage, ob es sich bei dieser Änderung um eine bloße Anpassung aus Gründen der Normenklarheit handelt, besteht für den Senat kein vernünftiger Zweifel, dass damit der Gesetzgeber selbst hinreichend bestimmt zum Ausdruck gebracht hat, dass über punktuell wirkende Maßnahmen hinaus allgemeine oder gleichsam flächendeckende Verbote erlassen werden können. Dafür spricht nicht nur der Wortlaut von § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 IfSG. Auch der Umstand, dass es sich bei der Gesetzesänderung um eine Reaktion auf das aktuelle Bedürfnis zum Erlass von landesweit geltenden Schutzmaßnahmen handelt, trägt dieses Auslegungsergebnis, zumal der Gesetzgeber in Kenntnis der bereits erlassenen Länderverordnungen bei gleichzeitig bestehender Kritik an der ursprünglichen Gesetzesfassung gehandelt hat (so ausdrücklich OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 6.4.2020 - 13 B 398/20.NE -, juris Rn. 52 m.w.N.). Eine weitergehende Konkretisierung der Eingriffsgrundlagen erscheint angesichts der Besonderheiten des Infektionsschutzrechts, die bei Eintritt eines Pandemiegeschehens kurzfristige Reaktionen des Verordnungsgebers auf sich ändernde Gefährdungslagen erforderlich machen können, verfassungsrechtlich nicht geboten.
Genügt danach § 28 Abs. 1 IfSG den an eine gesetzliche Rechtsgrundlage für staatliche Eingriffe zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an Inhalt, Zweck und Ausmaß, gilt dies auch für die Verordnungsermächtigung in § 32 Satz 1 und 2 IfSG. Denn diese Verordnungsermächtigung knüpft hinsichtlich der materiellen Voraussetzungen auch an § 28 Abs. 1 IfSG an und ermächtigt die Landesregierungen bzw. von ihr befugte Stellen nur dazu, „unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen“. Der Gesetzgeber gibt also nicht verordnungstypisch einen Regelungsbereich in bestimmten Grenzen aus der Hand, um diesen der Exekutive zur eigenverantwortlichen abstrakten Ausfüllung zu übertragen. Die Verordnungsermächtigung nach § 32 Satz 1 und 2 IfSG stellt lediglich ein anderes technisches Instrument zur Verfügung, um konkret notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG zu erlassen und insbesondere bei flächendeckenden Infektionsgeschehen nicht auf Einzel- oder Allgemeinverfügungen angewiesen zu sein, denen aber durchaus eine vergleichbare flächenhafte Wirkung zukommen kann.
(2) Anhaltspunkte für eine formelle Rechtswidrigkeit der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 bestehen derzeit nicht.
Anstelle der nach § 32 Satz 1 IfSG ermächtigten Landesregierung war aufgrund der nach § 32 Satz 2 IfSG gestatteten und durch § 3 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften (Subdelegationsverordnung) vom 9. Dezember 2011 (Nds. GVBl. S. 487), zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. August 2020 (Nds. GVBl. S. 266), betätigten Subdelegation das Niedersächsische Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung zum Erlass der Verordnung zuständig.
Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 2 NV ist die Verordnung von der das Ministerium vertretenden Ministerin ausgefertigt und im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 368) verkündet worden.
§ 20 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung bestimmt, wie von Art. 45 Abs. 3 Satz 1 NV gefordert, den Tag des Inkrafttretens.
Auch dem Zitiergebot des Art. 43 Abs. 2 Satz 1 NV (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: BVerfG, Urt. v. 6.7.1999 - 2 BvF 3/90 -, BVerfGE 101, 1 - juris Rn. 152 ff. (zu Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG); Steinbach, in: Epping/Butzer u.a., Hannoverscher Kommentar zur Niedersächsischen Verfassung, 2012, Art. 43 Rn. 20 m.w.N.) dürfte die Verordnung genügen.
Etwaige Verstöße des Antragsgegners gegen die Unterrichtungspflicht nach Art. 25 NV beeinflussen die Rechtmäßigkeit der Verordnung nicht (vgl. Niedersächsischer StGH, Beschl. v. 9.9.2020 - StGH 1/20 -, juris Rn. 9).
(3) Die streitgegenständlichen Verordnungsregelungen sind auch mit Blick auf das „Ob“ eines staatlichen Handelns nicht zu beanstanden. Die Voraussetzungen des § 32 Satz 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sind insoweit gegeben.
Nach § 32 Satz 1 IfSG dürfen unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnung entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten erlassen werden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sind erfüllt.
Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten.
Es wurden zahlreiche Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider (vgl. die Begriffsbestimmungen in § 2 Nrn. 3 ff. IfSG) im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG festgestellt. Die weltweite Ausbreitung von COVID-19, die offizielle Bezeichnung der durch den neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 (Severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2) als Krankheitserreger ausgelösten Erkrankung, wurde am 11. März 2020 von der WHO zu einer Pandemie erklärt. Weltweit sind derzeit mehr 58.700.000 Menschen mit dem Krankheitserreger infiziert und mehr als 1.388.000 Menschen im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben (vgl. WHO, Coronavirus disease (COVID-19) Pandemic, veröffentlicht unter: www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019, Stand: 23.11.2020). Derzeit sind im Bundesgebiet mehr als 942.000 Menschen infiziert und mehr als 14.300 Menschen im Zusammenhang mit der Erkrankung verstorben und in Niedersachsen mehr als 64.500 Menschen infiziert und mehr als 1.000 Menschen infolge der Erkrankung verstorben (vgl. Robert Koch-Institut (RKI), COVID-19: Fallzahlen in Deutschland und weltweit, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Fallzahlen.html, Stand: 24.11.2020). Es handelt sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Weltweit nimmt die Anzahl der Fälle rasant zu. Nach einer vorübergehenden Stabilisierung der Fallzahlen auf einem erhöhten Niveau ist aktuell ein starker Anstieg der Übertragungen auch in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Es kommt bundesweit zu Ausbruchsgeschehen. Der Anstieg wird durch Ausbrüche, insbesondere im Zusammenhang mit privaten Treffen und Feiern sowie bei Gruppenveranstaltungen, verursacht. Bei einem zunehmenden Anteil der Fälle ist die Infektionsquelle unbekannt. Es werden wieder vermehrt COVID-19-bedingte Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen gemeldet und die Zahl der Patienten, die auf einer Intensivstation behandelt werden müssen, ist in den letzten Wochen stark angestiegen (vgl. RKI, Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 11.11.2020). Diese Gefährdungseinschätzung des RKI als nationaler Behörde nach § 4 Abs. 1 IfSG wird nach dem Dafürhalten des Senats durch vereinzelt geäußerte Zweifel (vgl. Schriftsatz des Antragstellers v. 5.11.2020, dort A2) an der Zuverlässigkeit der zum Nachweis von SARS-CoV-2 verwendeten sog. PCR-Tests nicht erschüttert (vgl. hierzu Bayerischer VGH, Beschl. v. 8.9.2020 - 20 NE 20.2001 -, juris Rn. 28).
COVID-19 ist eine übertragbare Krankheit im Sinne des § 2 Nr. 3 IfSG. Die Erkrankung manifestiert sich als Infektion der Atemwege, aber auch anderer Organsysteme mit den Symptomen Husten, Fieber, Schnupfen sowie Geruchs- und Geschmacksverlust. Der Krankheitsverlauf variiert in Symptomatik und Schwere. Es wird angenommen, dass etwa 81% der diagnostizierten Personen einen milden, etwa 14% einen schwereren und etwa 5% einen kritischen Krankheitsverlauf zeigen. Obwohl schwere Verläufe auch bei Personen ohne Vorerkrankung auftreten und auch bei jüngeren Patienten beobachtet wurden, haben ältere Personen (mit stetig steigendem Risiko für einen schweren Verlauf ab etwa 50 bis 60 Jahren), Männer, Raucher (bei schwacher Evidenz), stark adipöse Menschen, Personen mit bestimmten Vorerkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (z.B. koronare Herzerkrankung und Bluthochdruck) und der Lunge (z.B. COPD) sowie Patienten mit chronischen Nieren- und Lebererkrankungen, mit Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), mit einer Krebserkrankung oder mit geschwächtem Immunsystem (z.B. aufgrund einer Erkrankung, die mit einer Immunschwäche einhergeht oder durch Einnahme von Medikamenten, die die Immunabwehr schwächen, wie z.B. Cortison) ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe. Die Erkrankung ist sehr infektiös, und zwar nach Schätzungen beginnend etwa ein bis zwei Tage vor Symptombeginn und endend - bei mild-moderaten Erkrankungen - jedenfalls zehn Tage nach Symptombeginn. Die Übertragung erfolgt hauptsächlich durch die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel (größere Tröpfchen und kleinere Aerosole), die beim Atmen, Husten, Sprechen und Niesen entstehen. Auch eine Übertragung durch kontaminierte Oberflächen kann nicht ausgeschlossen werden. Es ist zwar offen, wie viele Menschen sich insgesamt in Deutschland mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren werden. Schätzungen gehen aber von bis zu 70% der Bevölkerung aus, es ist lediglich unklar, über welchen Zeitraum dies geschehen wird. Grundlage dieser Schätzungen ist die so genannte Basisreproduktionszahl von COVID-19. Sie beträgt ohne die Ergreifung von Maßnahmen 3,3 bis 3,8. Dieser Wert kann so interpretiert werden, dass bei einer Basisreproduktionszahl von etwa 3 ungefähr zwei Drittel aller Übertragungen verhindert werden müssen, um die Epidemie unter Kontrolle zu bringen. Die Inkubationszeit beträgt im Mittel fünf bis sechs Tage bei einer Spannweite von einem bis zu 14 Tagen. Der Anteil der Infizierten, der auch tatsächlich erkrankt (Manifestationsindex), beträgt bis zu 85%. Laut der Daten aus dem deutschen Meldesystem werden etwa 14% der in Deutschland dem RKI übermittelten Fälle hospitalisiert. Unter hospitalisierten COVID-19-Patienten mit einer schweren akuten Atemwegserkrankung mussten 37% intensivmedizinisch behandelt und 17% beatmet werden. Die mediane Hospitalisierungsdauer von COVID-19-Patienten mit einer akuten respiratorischen Erkrankung beträgt 10 Tage und von COVID-19-Patienten mit einer Intensivbehandlung 16 Tage. Zur Aufnahme auf die Intensivstation führt im Regelfall Dyspnoe mit erhöhter Atemfrequenz (> 30/min), dabei steht eine Hypoxämie im Vordergrund. Mögliche Verlaufsformen sind die Entwicklung eines akuten Lungenversagens (Acute Respiratory Distress Syndrome - ARDS) sowie, bisher eher seltener, eine bakterielle Koinfektion mit septischem Schock. Weitere beschriebene Komplikationen sind zudem Rhythmusstörungen, eine myokardiale Schädigung sowie das Auftreten eines akuten Nierenversagens (vgl. zum Krankheitsbild im Einzelnen mit weiteren Nachweisen: Kluge/Janssens/Welte/Weber-Carstens/Marx/Karagiannidis, Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit COVID-19, in: Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin v. 12.3.2020, veröffentlicht unter: https://link.springer.com/content/pdf/10.1007/s00063-020-00674-3.pdf, Stand: 30.3.2020). Eine Impfung ist in Deutschland bislang nicht verfügbar. Verschiedene spezifische Therapieansätze (direkt antiviral wirksam, immunmodulatorisch wirksam) wurden und werden im Verlauf der Pandemie in Studien untersucht. Zwei Arzneimittel erwiesen sich jeweils in einer bestimmten Gruppe von Patienten mit COVID-19 als wirksam. Als direkt antiviral wirksames Arzneimittel erhielt Remdesivir am 3. Juli 2020 eine bedingte Zulassung zur Anwendung bei schwer erkrankten Patienten durch die Europäische Kommission. Als immunmodulatorisch wirksames Arzneimittel erhielt Dexamethason eine positive Bewertung durch die Europäische Kommission für die Anwendung bei bestimmten Patientengruppen mit einer Infektion durch SARS-CoV-2. Aufgrund der Neuartigkeit des Krankheitsbildes lassen sich keine zuverlässigen Aussagen zu Langzeitauswirkungen und (irreversiblen) Folgeschäden durch die Erkrankung bzw. ihre Behandlung (z.B. in Folge einer Langzeitbeatmung) treffen. Allerdings deuten Studiendaten darauf hin, dass an COVID-19 Erkrankte auch Wochen bzw. Monate nach der akuten Erkrankung noch Symptome aufweisen können.
Während der Fall-Verstorbenen-Anteil bei Erkrankten bis etwa 50 Jahren unter 0,1% liegt, steigt er ab 50 zunehmend an und liegt bei Personen über 80 Jahren häufig über 10% (vgl. zu Vorstehendem im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen: RKI, SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19), veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html?nn=13490888, Stand: 13.11.2020; Antworten auf häufig gestellte Fragen zum Coronavirus SARS-CoV-2, veröffentlicht unter: www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/gesamt.html, Stand: 13.11.2020).
Auch wenn nach diesen Erkenntnissen nur ein kleiner Teil der Erkrankungen schwer verläuft, kann das individuelle Risiko anhand der epidemiologischen und statistischen Daten nicht abgeleitet werden. So kann es auch ohne bekannte Vorerkrankungen und bei jungen Menschen zu schweren bis hin zu lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen kommen. Langzeitfolgen, auch nach leichten Verläufen, sind derzeit noch nicht abschätzbar. Die Belastung des Gesundheitssystems hängt maßgeblich von der regionalen Verbreitung der Infektion, den hauptsächlich betroffenen Bevölkerungsgruppen, den vorhandenen Kapazitäten und den eingeleiteten Gegenmaßnahmen (z.B. Isolierung, Quarantäne, physische Distanzierung) ab. Sie ist aktuell in weiten Teilen Deutschlands bereits angespannt und kann sehr schnell weiter zunehmen, so dass das öffentliche Gesundheitswesen, aber auch die Einrichtungen für die ambulante und stationäre medizinische Versorgung örtlich stark belastet werden. Deshalb bleiben intensive gesamtgesellschaftliche Gegenmaßnahmen nötig, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für Deutschland zu minimieren. Die drei Säulen der Strategie bestehen in der Eindämmung (Containment, dazu gehört auch die Kontaktenachverfolgung), Protection (Schutz vulnerabler Gruppen) und Mitigation (Milderung der Folgen). Bei der Bewältigung der Pandemie müssen die verschiedenen Maßnahmen der Strategie zusammenwirken und sich gegenseitig verstärken, um die Folgen der COVID-19-Pandemie für Deutschland zu minimieren. Die massiven Anstrengungen auf allen Ebenen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes stellen die Grundlage dar, die Infektionen in Deutschland so früh wie möglich zu erkennen und Ausbrüche und Infektionsketten einzudämmen. Um Infektionen im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich so weit wie möglich zu vermeiden, ist eine Intensivierung der gesamtgesellschaftlichen Anstrengungen nötig. Hier können junge Erwachsene und Jugendliche und Personen mit vielen sozialen Kontakten durch Einhaltung der empfohlenen Maßnahmen in ganz besonderer Weise dazu beitragen, Übertragungen zu verhindern. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Zahl der Erkrankten so gering wie möglich zu halten und Ausbrüche zu verhindern. Hierdurch soll die Zeit für die Entwicklung von antiviralen Medikamenten und von Impfstoffen gewonnen werden. Auch sollen Belastungsspitzen im Gesundheitswesen vermieden werden (vgl. hierzu im Einzelnen: RKI, Risikobewertung zu COVID-19, veröffentlicht unter: www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Risikobewertung.html, Stand: 11.11.2020).
Die danach vorliegenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG verpflichten die zuständigen Behörden zum Handeln (gebundene Entscheidung, vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 212 - juris Rn. 23).
Zugleich steht damit fest, dass die Maßnahmen nicht auf die Rechtsgrundlage des § 16 Abs. 1 IfSG gestützt werden können. Denn die Rechtsgrundlagen einerseits des § 16 Abs. 1 IfSG im Vierten Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes „Verhütung übertragbarer Krankheiten“ und andererseits des § 28 Abs. 1 IfSG im Fünften Abschnitt des Infektionsschutzgesetzes „Bekämpfung übertragbarer Krankheiten“ stehen in einem Exklusivitätsverhältnis zueinander; der Anwendungsbereich des § 16 Abs. 1 IfSG ist nur eröffnet, solange eine übertragbare Krankheit noch nicht aufgetreten ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.1971 - BVerwG I C 60.67 -, BVerwGE 39, 190, 192 f. - juris Rn. 28 (zu §§ 10 Abs. 1, 34 Abs. 1 BSeuchG a.F.); Senatsurt. v. 3.2.2011 - 13 LC 198/08 -, juris Rn. 40).
(4) Nach summarischer Prüfung erweisen sich die streitgegenständlichen Verordnungsregelungen betreffend
- die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in §§ 1 Satz 2, 2 Abs. 2 Satz 2, 3 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung und
- die Veranstaltungs- und Betriebsverbote sowie -beschränkungen in § 7 Abs. 1 Satz 1 bis 3 und in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 5, 7 und 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung
auch als notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG.
(a) Dies gilt zunächst für den durch die Verordnungsregelungen betroffenen Adressatenkreis.
Wird ein Kranker, Krankheitsverdächtiger, Ansteckungsverdächtiger oder Ausscheider festgestellt, begrenzt § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG den Handlungsrahmen der Behörde nicht dahin, dass allein Schutzmaßnahmen gegenüber der festgestellten Person in Betracht kommen. Die Vorschrift ermöglicht Regelungen gegenüber einzelnen wie mehreren Personen. Vorrangige Adressaten sind zwar die in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG benannten Personengruppen. Bei ihnen steht fest oder besteht der Verdacht, dass sie Träger von Krankheitserregern sind, die bei Menschen eine Infektion oder eine übertragbare Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 1 bis Nr. 3 IfSG verursachen können. Wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr, eine übertragbare Krankheit weiterzuverbreiten, sind sie schon nach den allgemeinen Grundsätzen des Gefahrenabwehr- und Polizeirechts als „Störer“ anzusehen. Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG können aber auch (sonstige) Dritte („Nichtstörer“) Adressat von Maßnahmen sein, beispielsweise um sie vor Ansteckung zu schützen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 212 f. - juris Rn. 25 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 3.4.2020 - OVG 11 S 14/20 -, juris Rn. 8 f.).
Aus infektionsschutzrechtlicher Sicht maßgeblich ist insoweit allein der Bezug der durch die konkrete Maßnahme in Anspruch genommenen Person zur Infektionsgefahr. Dabei gilt für die Gefahrenwahrscheinlichkeit kein strikter, alle möglichen Fälle gleichermaßen erfassender Maßstab. Vielmehr ist der im allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht geltende Grundsatz heranzuziehen, dass an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Dafür sprechen das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen (§§ 1 Abs. 1, 28 Abs. 1 IfSG), sowie der Umstand, dass die betroffenen Krankheiten nach ihrem Ansteckungsrisiko und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen unterschiedlich gefährlich sind. Im Falle eines hochansteckenden Krankheitserregers, der bei einer Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen würde, drängt sich angesichts der schwerwiegenden Folgen auf, dass die vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts genügt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 216 - juris Rn. 32).
Nach der dargestellten Risikobewertung des gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG hierzu berufenen Robert Koch-Instituts besteht für die Adressaten der hier zu beurteilenden Pflichten nach §§ 1 Satz 2, 2 Abs. 2 Satz 2, 3 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1 und 10 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 5, 7 und 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nach dem Dafürhalten des Senats entweder aufgrund der Eröffnung einer Gefahrenlage oder der Nähe zu einer solchen ein hinreichend konkreter Bezug zu einer Infektionsgefahr.
(b) Die streitgegenständlichen Verordnungsregelungen sind voraussichtlich auch nach Art und Umfang als notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG anzusehen.
„Schutzmaßnahmen“ im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG können ihrer Art nach, wie dargestellt (siehe oben S. 14), auch
- Verbote oder Beschränkungen von Zusammenkünften und Ansammlungen weniger einzelner Personen (vgl. Senatsbeschl. v. 11.6.2020 - 13 MN 192/20 -, juris Rn. 49),
- Vorgaben, bestimmte Orte nur unter bestimmten Bedingungen, etwa nur mit einer Mund-Nasen-Bedeckung, zu betreten (vgl. Senatsbeschl. v. 5.5.2020 - 13 MN 119/20 -, juris Rn. 40) und
- Untersagungen oder Beschränkungen von unternehmerischen Tätigkeiten in den Bereichen Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen (vgl. mit zahlreichen Beispielen und weiteren Nachweisen: Senatsbeschl. v. 29.5.2020 - 13 MN 185/20 -, juris Rn. 27)
sein, wie sie in den hier streitgegenständlichen Verordnungsregelungen bestimmt worden sind.
Dem steht mit Blick auf die Veranstaltungs- und Betriebsverbote sowie -beschränkungen in § 7 Abs. 1 Satz 1 bis 3 und in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 5, 7 und 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht entgegen, dass § 31 IfSG eine Regelung für die Untersagung beruflicher Tätigkeiten gegenüber Kranken, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen, Ausscheidern und sonstigen Personen trifft. Denn diese Regelung ist gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG(„insbesondere die in den §§ 29 bis 31 genannten“) nicht abschließend. Auch die mangelnde Erwähnung der Grundrechte nach Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG in § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG steht der dargestellten Auslegung nicht entgegen. Denn das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG, welches § 28 Abs. 1 Satz 4 IfSG zu erfüllen sucht, besteht nur, soweit im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG„ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann“. Von derartigen Grundrechtseinschränkungen sind andersartige grundrechtsrelevante Regelungen zu unterscheiden, die der Gesetzgeber in Ausführung der ihm obliegenden, im Grundrecht vorgesehenen Regelungsaufträge, Inhaltsbestimmungen oder Schrankenziehungen vornimmt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.5.1970 - 1 BvR 657/68 -, BVerfGE 28, 282, 289 - juris Rn. 26 ff. (zu Art. 5 Abs. 2 GG); Beschl. v. 12.1.1967 - 1 BvR 168/64 -, BVerfGE 21, 92, 93 - juris Rn. 4 (zu Art. 14 GG); Urt. v. 29.7.1959 - 1 BvR 394/58 -, BVerfGE 10, 89, 99 - juris Rn. 41 (zu Art. 2 Abs. 1 GG)). Hierzu zählen auch die Grundrechte der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG, der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und des Eigentumsschutzes nach Art. 14 Abs. 1 GG.
Der weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG aber dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall „notwendig“ sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind (vgl. Senatsbeschl. v. 26.5.2020 - 13 MN 182/20 -, juris Rn. 38). Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).
(aa) Hier steht für den Senat außer Frage, dass der Verordnungsgeber mit den streitgegenständlichen Verordnungsregelungen das legitime Ziel verfolgt, die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs von Ansteckungen und Krankheitsfällen zu vermeiden. Zur Vorbeugung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage sollen die Kontakte in der Bevölkerung drastisch reduziert werden, um das Infektionsgeschehen insgesamt zu verlangsamen und die Zahl der Neuinfektionen wieder in durch den öffentlichen Gesundheitsdienst nachverfolgbare Größenordnungen zu senken.
(bb) Zur Erreichung dieser legitimen Ziele sind die in den streitgegenständlichen Verordnungsregelungen angeordneten Maßnahmen auch geeignet.
(α) Angesichts der hohen Infektiosität und der dargestellten Übertragungswege steht für den Senat auch außer Zweifel, dass Beschränkungen von Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen, wie sie etwa § 7 Abs. 1 Satz 1 und 3 der Verordnung vorgibt, geeignet sind, die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern (vgl. Senatsbeschl. v. 11.6.2020 - 13 MN 192/20 -, juris Rn. 52).
(β) Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, wie sie die §§ 1 Satz 2, 2 Abs. 2 Satz 2, 3 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1 Satz 4 der Verordnung bestimmen, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der wissenschaftlichen Erkenntnis zur Bekämpfung von Infektionen mit SARS-COV-2 grundsätzlich geeignet (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 28.10.2020 - 13 MN 390/20 -, juris Rn. 30; v. 14.8.2020 - 13 MN 300/20 -, juris Rn. 13 ff. m.w.N.). Demgegenüber verkennt der Antragsteller den Prozess der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung, wenn er einzelne Publikationen zitiert, die sich kritisch mit der Wirksamkeit von Mund-Nasen-Bedeckungen auseinandersetzen (Schriftsatz des Antragstellers v. 5.11.2020, A1 und B4, v. 19.11.2020, S. 3 f.). Wissenschaftliche Erkenntnisse werden nicht dadurch gewonnen, dass von allen Seiten gleichförmige Paradigmen wiederholt werden, sondern dadurch, dass sich aus verschiedenen Beiträgen und Sichtweisen eine Synthese bildet. Auch die vom Antragsteller geltend gemachten Unsicherheiten und Herausforderungen bei der täglichen Benutzung und Reinigung von Mund-Nasen-Bedeckungen stellen die Eignung dieser nicht durchgreifend infrage.
(γ) Auch die Veranstaltungs- und Betriebsverbote sowie -beschränkungen in § 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 und in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 5, 7 und 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung verfügen über die gebotene Eignung, weil sie die Möglichkeiten des unmittelbaren Kontakts von Personen in den genannten Betrieben, Einrichtungen und Veranstaltungen verhindern oder jedenfalls deutlich reduzieren. Zudem werden die Kontaktmöglichkeiten auf dem Weg von und zu den Betrieben, Einrichtungen und Veranstaltungen und die erhöhte Attraktivität des öffentlichen Raums gemindert (vgl. Senatsbeschl. v. 10.11.2020 - 13 MN 412/20 -, juris Rn. 44).
(cc) Die in den streitgegenständlichen Verordnungsregelungen getroffenen Schutzmaßnahmen durfte der Verordnungsgeber unter Berücksichtigung des ihm zukommenden Einschätzungsspielraums auch für erforderlich halten.
(α) Mildere Mittel im Hinblick auf das tätigkeitsbezogene Infektionsgeschehen drängen sich dem Senat nicht auf.
Dies gilt zum einen für die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in §§ 1 Satz 2, 2 Abs. 2 Satz 2, 3 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung für die nicht ansatzweise ersichtlich ist, welche im Hinblick auf die Verhinderung der Infektionsverbreitung gleich wirksamen, aber weniger belastenden Maßnahmen in Betracht kommen sollen.
Dies gilt zum anderen auch für die Veranstaltungs- und Betriebsverbote sowie -beschränkungen in § 7 Abs. 1 Satz 1 bis 3 und in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 5, 7 und 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung und die damit einhergehenden Beschränkungen von Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen. Für den Senat steht nach seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen, mit einer Vielzahl regelmäßig einander unbekannter Personen und längerer Verweildauer ein signifikant erhöhtes Infektionsrisiko mit sich bringen (vgl. nur Senatsbeschl. v. 24.8.2020 - 13 MN 297/20 -, juris Rn. 30 ff. (Kinos); v. 14.8.2020 - 13 MN 283/20 -, juris Rn. 52 ff. (Feiern mit mehr als 50 Personen); v. 29.6.2020 - 13 MN 244/20 -, juris Rn. 35 (Clubs, Diskotheken und ähnliche Einrichtungen), v. 14.5.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 31 (Fitnessstudios) und v. 29.10.2020 - 13 MN 393/20 -, juris Rn. 61 (Gastronomie)). Gleiches gilt bei Tätigkeiten, die einen Körperkontakt zwischen wechselnden Personen bedingen (vgl. Senatsbeschl. v.20.11.2020 - 13 MN 516/20 -, juris Rn. 11 (Sportanlagen für den Freizeit- und Amateursport); v. 10.11.2020 - 13 MN 412/20 -, juris Rn. 47 ff. (Untersagung körpernaher Dienstleistungen)).
Belastbare widerstreitende Erkenntnisse sind dem Bericht des RKI zum „Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland“ nicht zu entnehmen. Das RKI konnte in einer „Quellensuche“ (Datenstand: 11. August 2020) von insgesamt 202.225 übermittelten Fällen nur 55.141 Fälle bestimmten Ausbruchsgeschehen zuordnen und feststellen, in welchen von 30 unterschiedlichen, verschiedenste Lebensbereiche erfassenden Infektionsumfeldern sich diese ereignet haben (vgl. RKI, Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland, in: Epidemiologisches Bulletin v. 17.9.2020, S. 3 ff., veröffentlicht unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/38_20.pdf?__blob=publicationFile). Hieraus kann nicht geschlossen werden, dass in den in § 7 Abs. 1 Satz 1 bis 3 und in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 5, 7 und 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung geregelten Fallkonstellationen kein signifikantes Infektionsrisiko besteht. Hiergegen sprechen schon die begrenzte Art betrachteter Infektionsumfelder und die sehr hohe Zahl von Fällen, in denen ein Infektionsumfeld gar nicht festgestellt werden konnte. Dahinstehen lassen kann der Senat, ob der Verordnungsgeber alles ihm Mögliche und Zumutbare unternommen hat, um bessere Erkenntnisse über die Verbreitungswege und Infektionsumfelder zu erlangen. Denn selbst verneinendenfalls führte dies nach dem Dafürhalten des Senats nicht dazu, dass infektionsschutzrechtliche Schutzmaßnahmen auf der seit Pandemiebeginn nahezu unverändert dürftigen Erkenntnislage gar nicht mehr getroffen werden dürften und die Infektionsschutzbehörden gehalten wären, dem Geschehen seinen Lauf zu lassen.
In Bezug auf das tätigkeitsbezogene Infektionsgeschehen mildere Mittel ergeben sich auch nicht aus bloßen Beschränkungen der durch § 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 und § 10 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 5, 7 und 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vollständig geschlossenen oder untersagten Betriebe, Einrichtungen oder Veranstaltungen, etwa auf der Grundlage von Hygienekonzepten und deren notfalls zwangsweiser behördlicher Durchsetzung. Der Senat verkennt nicht, dass die Betreiberinnen und Betreiber und Veranstalterinnen und Veranstalter in den vergangenen Monaten erhebliche Arbeitskraft und finanzielle Mittel in die Umsetzung dieser Konzepte investiert haben. Ein regelmäßiges Vollzugsdefizit, dem - in gewissen Grenzen - durch verstärkte behördliche Kontrollen entgegengewirkt werden könnte (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 28.8.2020 - 13 MN 307/20 -, juris Rn. 32), ist nicht zu erkennen. Eine gewisse Wirksamkeit der Konzepte ist nicht zu leugnen, auch wenn diese mangels belastbarer tatsächlicher Erkenntnisse zum konkreten Infektionsumfeld nicht konkretisiert werden kann. Es ist angesichts der derzeitigen Infektionsdynamik aber nicht festzustellen, dass diese Konzepte infektionsschutzrechtlich eine vergleichbare Effektivität aufweisen, wie die vollständige Schließung oder Untersagung der genannten Betriebe, Einrichtungen oder Veranstaltungen.
(β) Mildere Mittel sind auch im Hinblick auf das gebietsbezogene Infektionsgeschehen nicht ersichtlich.
Der Verordnungsgeber hat die Erforderlichkeit der in den streitgegenständlichen Verordnungsregelungen getroffenen Schutzmaßnahmen - anders als bei den zuvor angeordneten Beherbergungsverboten (vgl. Senatsbeschl. v. 15.10.2020 - 13 MN 371/20 -, juris Rn. 59) und Sperrzeiten im Gastronomiebereich (vgl. Senatsbeschl. v. 29.10.2020 - 13 MN 393/20 -, juris Rn. 57) - ersichtlich nicht nur anhand der 7-Tage-Inzidenz, also der Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen, beurteilt, sondern, wie in dem von der Niedersächsischen Landesregierung erstellten „Handlungskonzept zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens in der COVID 19 Pandemie“ (veröffentlicht unter: www.stk.niedersachsen.de/startseite/presseinformationen/vorsorgliches-handlungskonzept-zur-bekampfung-eines-gegebenenfalls-weiter-ansteigenden-infektionsgeschehens-in-der-covid-19-pandemie-193263.html, Stand: 5.10.2020) vorgesehen, auch alle anderen für das Infektionsgeschehen relevanten Umstände in seine Bewertung einbezogen (vgl. zu dieser Verpflichtung zuletzt: Senatsbeschl. v. 29.10.2020 - 13 MN 393/20 -, juris Rn. 57). Nichts Anderes gilt für die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung an bestimmten Örtlichkeiten in der Öffentlichkeit unter freiem Himmel nach § 3 Abs. 2 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Diese (abweichend von der in § 3 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung getroffenen bloßen Soll-Regelung angeordnete) Verpflichtung wird zwar ausgelöst, wenn die Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung 50 oder mehr Fälle je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen beträgt. Sie setzt aber weiter tatbestandlich voraus, dass sich an den Örtlichkeiten Menschen entweder auf engem Raum oder nicht nur vorübergehend aufhalten, und sie erfordert eine individuelle Festlegung dieser Örtlichkeiten durch Allgemeinverfügung der Landkreise oder kreisfreien Städte (vgl. § 3 Abs. 2 Sätze 1 und 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung; vgl. Senatsbeschl. v. 18.11.2020 - 13 MN 448/20 -, juris Rn. 96).
Die danach gegebene Bewertung rechtfertigt es, landesweit einheitliche infektionsschützende Maßnahmen zu ergreifen. Landesweit beträgt die 7-Tage-Inzidenz mehr als 100. Der weit überwiegende Teil der Landkreise und kreisfreien Städte weist eine 7-Tage-Inzidenz von mehr als 50 auf, welche die Grenze markiert, bis zu der die öffentliche Gesundheitsverwaltung in Deutschland zu einer Rückverfolgung der Infektionsketten maximal in der Lage ist und so das wichtige und legitime Ziel der Verhinderung der weiteren Ausbreitung durch Fallfindung mit Absonderung von Erkrankten und engen Kontaktpersonen mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko noch erreicht werden kann (vgl. Senatsbeschl. v 5.6.2020 - 13 MN 195/20 -, juris Rn. 33). Wird diese Grenze in einem bestimmten Gebiet überschritten, bestehen auch nach dem Dafürhalten des Senats durchaus tatsächliche Anhaltspunkte für ein dynamisches Infektionsgeschehen und eine erhöhte Infektionswahrscheinlichkeit. Hinzu kommt ein landesweit diffuses Infektionsgeschehen. Auch wenn es deutliche regionale Unterschiede in der Verteilung gibt, steigen die Zahlen von Neuinfektionen flächendeckend an und sind die Ausbruchsgeschehen weit überwiegend keinen bestimmten Ereignissen oder Örtlichkeiten mehr zuzuordnen. Die örtlichen Gesundheitsämter sind trotz personeller Verstärkung häufig nicht mehr in der Lage, Infektionsketten nachzuverfolgen. Die Verdoppelungsrate hat sich von weit über 30 Tagen im Sommer auf 7 Tage im Zeitpunkt des Erlasses der Verordnungsregelungen reduziert. Die Zahl infizierter und erkrankter Menschen, die älter als 60 Jahre sind und die ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, ist drastisch angestiegen. Auch die Sterbefallzahlen und die Auslastung medizinischer und insbesondere intensivmedizinischer Kapazitäten steigen stetig an, wobei der Antragsgegner seine Maßnahmen nicht erst dann treffen darf, wenn diese (nahezu) erschöpft sind (vgl. hierzu im Einzelnen die Angaben des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes unter https://www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/, des RKI im täglichen Lagebericht unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Gesamt.html?nn=13490888 und im DIVI-Intensivregister zur Gesamtzahl freier intensivmedizinscher Behandlungskapazitäten am 23.10.2020: 7.784 und am 23.11.2020: 6.616; veröffentlicht unter divi.de). Der Hinweis des Antragstellers (Schriftsatz v. 5.11.2020, A4 und C) auf die politische und mediale Überbetonung der Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems durch COVID-19-Erkrankte und die mangelnde Prognose eines konkreten Überlastungszeitpunkts geht daher ins Leere. Im Hinblick auf die aktuelle Entwicklung durfte der Antragsgegner daher, anders als es der Antragsteller meint (Schriftsatz des Antragstellers v. 5.11.2020, A1, A4, B und C, v. 19.11.2020, S. 5 f.), den vollzogenen Strategiewechsel weg von bisherigen bloßen Betriebsbeschränkungen hin zu weitreichenden flächendeckenden Betriebsschließungen und ergänzenden Betriebsbeschränkungen als derzeit einzig verlässliches effektives Mittel und damit für erforderlich erachten.
In Bezug auf das gebietsbezogene Infektionsgeschehen mildere Mittel ergeben sich nicht daraus, dass neben den hier auch streitgegenständlichen Betriebsschließungen weitere, bisher nicht betroffene Bereiche von Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleistungen geschlossen oder weiter beschränkt werden könnten. Ungeachtet der Effektivität eines solchen Vorgehens handelt es sich gegenüber den von diesen Maßnahmen betroffenen Rechtsträgern jedenfalls nicht um mildere Mittel.
Auch eine Beschränkung der Schutzmaßnahmen auf besonders schutzbedürftige (Risiko-)Gruppen von Personen ist angesichts der Größe und nur begrenzt möglichen Konkretisierung dieser Gruppen und der jedenfalls nicht verlässlichen Effektivität einer solchen Beschränkung kein milderes Mittel.
(dd) Die streitgegenständlichen Verordnungsregelungen sind voraussichtlich auch angemessen.
(α) Dies gilt zum einen für die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in §§ 1 Satz 2, 2 Abs. 2 Satz 2, 3 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Einen Eingriff in das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit des Antragstellers vermag der Senat insoweit nicht nachzuvollziehen. Den vom Antragsteller (Schriftsatz v. 5.11.2020, B4) geltend gemachten Unsicherheiten und Herausforderungen bei der täglichen Benutzung und Reinigung von Mund-Nasen-Bedeckungen dürften ihn selbst, der er Arzt für Innere Medizin ist, kaum betreffen. Im Übrigen dürfte den Unsicherheiten bei der Benutzung durch ständige Übung und den behaupteten gesundheitlichen und hygienischen Risiken eines Gebrauchs von Mund-Nasen-Bedeckungen durch deren Auswahl, Pflege und konkrete Benutzung vorzubeugen sein. Die für den Senat nachvollziehbare Belastung erschöpft sich folglich darin, in den in der Verordnung bestimmten Alltagssituationen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen und die damit für den Träger verbundenen subjektiven Unannehmlichkeiten zu ertragen. Die Beschaffung der Mund-Nasen-Abdeckung dürfte angesichts der an sie in der Verordnung gestellten minimalen Anforderungen regelmäßig mit keinem messbaren Aufwand verbunden sein. Stehen gesundheitliche Gründe der Nutzung einer Mund-Nasen-Bedeckung von vorneherein entgegen, bestimmt § 3 Abs. 6 der Verordnung eine ausnahmsweise Befreiung von der grundsätzlichen Pflicht. Der damit verbleibende Eingriff in die grundrechtlich geschützte Handlungsfreiheit ist (auch) von dem Antragsteller zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350 - juris Rn. 119 m.w.N.), vorübergehend hinzunehmen.
(β) Auch die Veranstaltungs- und Betriebsverbote sowie -beschränkungen in § 7 Abs. 1 Satz 1 bis 3 und in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 5, 7 und 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung und die damit einhergehenden Beschränkungen von Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen belasten den Antragsteller als bloßen Kunden oder Besucher der genannten Betriebe, Einrichtungen und Veranstaltungen nicht unangemessen (vgl. zur Angemessenheit der Belastung der betroffenen Betreiberinnen und Betreiber sowie Veranstalterinnen und Veranstalter bspw. BVerfG,Beschl. v. 11.11.2020 - 1 BvR 2530/20 -, juris Rn. 17; Senatsbeschl. v. 10.11.2020 - 13 MN 479/20 -, juris Rn. 56). Der auch insoweit allein gegebene Eingriff in seine grundrechtlich geschützte Handlungsfreiheit ist zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung vorübergehend hinzunehmen.
(5) Derzeit ist aber nicht verlässlich zu klären, ob die Veranstaltungs- und Betriebsverbote sowie -beschränkungen in § 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 und in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 5, 7 und 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbaren sind.
Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 7.2.2012 - 1 BvL 14/07 -, BVerfGE 130, 240, 252 - juris Rn. 40; Beschl. v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, BVerfGE 98, 365, 385 - juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2012 - 1 BvL 16/11 -, BVerfGE 132, 179, 188 - juris Rn. 30; Beschl. v. 21.6.2011 - 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, 49, 69 - juris Rn. 65; Beschl. v. 21.7.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, BVerfGE 126, 400, 416 - juris Rn. 79).
Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 17.4.2020 - OVG 11 S 22/20 -, juris Rn. 25). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 26.3.2020 - 5 Bs 48/20 -, juris Rn. 13). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Senatsbeschl. v. 14.4.2020 - 13 MN 63/20 -, juris Rn. 62). Auch die Überprüfbarkeit der Einhaltung von Ge- und Verboten kann berücksichtigt werden (vgl. Senatsbeschl. v. 9.6.2020 - 13 MN 211/20 -, juris Rn. 41).
Dies zugrunde gelegt vermag der Senat im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nur einen Verstoß der Verordnungsregelungen gegen das Willkürverbot zu verneinen. Die in § 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 sowie § 10 Abs. 1 und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Veranstaltungs- und Betriebsverbote sowie -beschränkungen beruhen auf der jedenfalls nicht schlichtweg sachfremden Erwägung, dass ein ganz erheblicher Teil der für das Infektionsgeschehen relevanten sozialen Kontakte von vorneherein verhindert werden muss, und dass diese Verhinderung neben den ganz erheblichen Beschränkungen von Kontakten im privaten Bereich am gemeinwohlverträglichsten durch Verbote und Beschränkungen in den Bereichen Freizeit, Sport, Unterhaltung und körpernaher Dienstleistungen erreicht werden kann. . Ausgenommen sind grundrechtlich besonders geschützte Bereiche wie die Religionsausübung und öffentliche Versammlungen (vgl. Senatsbeschl. v. 6.11.2020 - 13 MN 433/20 -, juris Rn. 62; OVG Saarland, Beschl. v. 13.11.2020 - 2 B 332/20 -, juris Rn. 20).
Die schlichte Beachtung des Willkürverbots ist angesichts des Umfangs der angeordneten Veranstaltungs- und Betriebsverbote sowie -beschränkungen und der damit verbundenen erheblichen Eingriffe in Grundrechte der Veranstalter und Betriebsinhaber aber nicht ausreichend, um eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes verneinen zu können. Die vielmehr erforderliche Beurteilung, ob der Verordnungsgeber mit der getroffenen Auswahl von zu schließenden oder zu beschränkenden Betrieben, Einrichtungen und Veranstaltungen unter Berücksichtigung des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeiten und aller sonstigen relevanten Belange eine auf hinreichenden Sachgründen beruhende und angemessene Differenzierung tatsächlich erreicht hat, ist schon angesichts der Vielzahl und Vielgestaltigkeit von Fallkonstellationen aber in einem Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nicht zu leisten. Sie muss vielmehr an dieser Stelle offenbleiben.
Klarstellend weist der Senat darauf hin, dass eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung sich nicht daraus ergeben kann, dass andere Länder von den niedersächsischen Anordnungen abweichende Schutzmaßnahmen getroffen haben. Voraussetzung für eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG ist, dass die Vergleichsfälle der gleichen Stelle zuzurechnen sind. Daran fehlt es, wenn die beiden Sachverhalte von zwei verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt gestaltet werden; der Gleichheitssatz bindet jeden Träger öffentlicher Gewalt allein in dessen Zuständigkeitsbereich (vgl. BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 -, BVerfGE 76, 1, 73 - juris Rn. 151 m.w.N.). Ein Land verletzt daher den Gleichheitssatz nicht deshalb, weil ein anderes Land den gleichen Sachverhalt anders behandelt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.5.2008 - 1 BvR 645/08 -, juris Rn. 22 m.w.N.).
b. Die wegen der danach offenen Erfolgsaussichten gebotene Folgenabwägung führt dazu, dass die von dem Antragsteller geltend gemachten Gründe für die vorläufige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der Verordnung sprechenden Gründe nicht überwiegen.
Würde der Senat die streitgegenständlichen Verordnungsregelungen betreffend
- die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in §§ 1 Satz 2, 2 Abs. 2 Satz 2, 3 Abs. 1 und 2, 7 Abs. 1 Satz 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung und
- die Veranstaltungs- und Betriebsverbote sowie -beschränkungen in § 7 Abs. 1 Satz 1 bis 3 und in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 bis 5, 7 und 8 der Niedersächsischen Corona-Verordnung
vollständig (vgl. zur Unzulässigkeit von Normergänzungen im Normenkontrollverfahren: Senatsbeschl. v. 14.5.2020 - 13 MN 156/20 -, juris Rn. 5 m.w.N.) außer Vollzug setzen, bliebe der Normenkontrollantrag in der Hauptsache aber ohne Erfolg, könnte der Antragsteller zwar vorübergehend die mit den Schutzmaßnahmen verbundenen Beeinträchtigungen vermeiden. Wesentliche Bausteine der komplexen Pandemiebekämpfungsstrategie des Antragsgegners würden aber in ihrer Wirkung deutlich reduziert (vgl. zur Berücksichtigung dieses Aspekts in der Folgenabwägung: BVerfG, Beschl. v. 1.5.2020 - 1 BvQ 42/20 -, juris Rn. 10), und dies in einem Zeitpunkt eines unverändert dynamischen Infektionsgeschehens. Die Möglichkeit, eine geeignete und erforderliche Schutzmaßnahme zu ergreifen und so die Verbreitung der Infektionskrankheit zum Schutze der Gesundheit der Bevölkerung, einem auch mit Blick auf Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG überragend wichtigen Gemeinwohlbelang (vgl. BVerfG, Urt. v. 30.7.2008 - 1 BvR 3262/07 u.a. -, BVerfGE 121, 317, 350 - juris Rn. 119 m.w.N.), effektiver zu verhindern, bliebe hingegen zumindest zeitweise bis zu einer Reaktion des Verordnungsgebers (irreversibel) ungenutzt.
Würden hingegen die streitgegenständlichen Verordnungsregelungen nicht vorläufig außer Vollzug gesetzt, hätte der Normenkontrollantrag aber in der Hauptsache Erfolg, wäre der Antragsteller vorübergehend zu Unrecht zur Befolgung der - für den Fall der Nichtbefolgung bußgeldbewehrten - Schutzmaßnahmen verpflichtet und die hiermit verbundenen Grundrechtseingriffe würden verfestigt. Diese Eingriffe sind für den Antragsteller selbst als Adressaten der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung und als potentiellen Kunden und Besucher der geschlossenen Betriebe, Veranstaltungen und Einrichtungen aber von eher geringem Gewicht und die Maßnahmen zudem voraussichtlich weitgehend rechtmäßig. Dieser Eingriff hat hinter dem mit den Maßnahmen verfolgten legitimen Ziel eines effektiven Infektionsschutzes zurückzustehen und ist von dem Antragsteller vorübergehend hinzunehmen. Denn ohne diesen würde sich die Gefahr der Ansteckung mit dem Virus, der erneuten Erkrankung vieler Personen, der Überlastung der gesundheitlichen Einrichtungen bei der Behandlung schwerwiegender Fälle und schlimmstenfalls des Todes von Menschen auch nach den derzeit nur vorliegenden Erkenntnissen erheblich erhöhen (vgl. zu dieser Gewichtung: BVerfG, Beschl. v 7.4.2020 - 1 BvR 755/20 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 28.4.2020 - 1 BvR 899/20 -, juris Rn. 12 f.).
In diese Folgenabwägung wird auch eingestellt, dass durch die befristete Gültigkeit der Verordnung sichergestellt ist, dass die Verordnung unter Berücksichtigung neuer Entwicklungen der Corona-Pandemie fortgeschrieben werden muss. Hierbei hat der Antragsgegner - wie auch bei jeder weiteren Fortschreibung der Verordnung - hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren relevanten Schließung zu untersuchen, ob es angesichts neuer Erkenntnisse etwa zu den Verbreitungswegen des Virus oder zur Gefahr einer Überlastung des Gesundheitssystems verantwortet werden kann, die Schließung unter - gegebenenfalls strengen - Auflagen weiter zu lockern (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 28/20 -, juris Rn. 16).
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der ständigen Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).