Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.04.2021, Az.: 13 MN 158/21

Antragsbefugnis; Berufliche Fahrgemeinschaft; Corona; dringend geboten; Ermessenslenkende Norm; Maskenpflicht; Mund-Nasen-Bedeckung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.04.2021
Aktenzeichen
13 MN 158/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70855
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für den Führer des Kraftfahrzeugs einer beruflichen Fahrgemeinschaft stellt keine notwendige Schutzmaßnahme i.S.d. § 28 Abs. 1 IfSG dar. Sie ist unangemessen, da sie, wie sich auch aus der entgegenstehenden Norm des § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO ergibt, die Sicherheit des Verkehrs unzulässig beeinträchtigt.

2. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO ist hinsichtlich der bloß ermessenslenkenden Norm des § 18 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht dringend geboten, da die rechtlichen und tatsächlichen Wirkungen der Norm nur sehr gering sind. Zudem kann Rechtsschutz unmittelbar gegen eine erlassene Ausgangsbeschränkung in Anspruch genommen werden.

Tenor:

§ 3 Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl S. 368), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 9. April 2021 (eilverkündet auf www.niedersachsen.de/verkuendung) - Niedersächsische Corona-Verordnung -, wird vorläufig außer Vollzug gesetzt, soweit danach auch für den Führer des Kraftahrzeugs einer beruflichen Fahrgemeinschaft angeordnet wird, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der nach der Änderungsverordnung vom 9. April 2021 nunmehr sinngemäß gestellte Antrag (vgl. Schriftsatz des Antragstellers vom 30.3.2021, S. 1),

§ 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, Abs. 3, Abs. 4 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 368), zuletzt geändert durch Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 9. April 2021 (eilverkündet auf www.niedersachsen.de/verkuendung), vorläufig außer Vollzug zu setzen

und

§ 3 Abs. 1 Nr. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen, soweit er eine Maskenpflicht für berufliche Fahrgemeinschaften regelt,

hat nur teilweise Erfolg.

Diese Entscheidung, die nicht den prozessrechtlichen Vorgaben des § 47 Abs. 5 VwGO unterliegt (vgl. Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 607; Hoppe, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 110 ff.), trifft der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 12.6.2009 - 1 MN 172/08 -, juris Rn. 4 m.w.N.) und gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 NJG ohne Mitwirkung der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter.

1. Der Antrag ist, soweit er sich gegen § 18 Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung richtet, bereits unzulässig, im Übrigen jedoch zulässig.

a. Dem Antragsteller fehlt für die von ihm angegriffenen Verordnungsregelungen des § 18 Abs. 2 Nr. 5 und Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung die nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO erforderliche Antragsbefugnis.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Antrag eine natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne dieser Bestimmung sind die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei der Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005 - BVerwG 6 BN 1.05 -, juris Rn. 3 ff., insbes. 7; Urt. v. 26.2.1999 - BVerwG 4 CN 6.98 -, juris Rn. 9). Ausreichend, aber auch erforderlich ist es daher, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in seinen subjektiven Rechten verletzt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1998 - BVerwG 4 CN 2.98 -, juris Rn. 8; Senatsbeschl. v. 29.7.2020 - 13 MN 280/20 -, juris Rn. 9).

§ 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 der Niedersächsischen Corona-Verordnung hat den folgenden Wortlaut:

„Dazu kann sie insbesondere […] Ausgangsbeschränkungen (§ 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG) unter den Voraussetzungen des Absatzes 3 anordnen.“

§ 18 Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung hat den nachfolgenden Wortlaut:

1Die örtlich zuständige Behörde kann nach Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 in Bezug auf Teile des Gebiets eines Landkreises oder einer kreisfreien Stadt jeder Person das Verlassen des privaten Wohnbereichs in der Zeit von 21.00 Uhr bis um 5.00 Uhr des Folgetages untersagen, wenn dieses aufgrund der jeweiligen Erkenntnisse aus der Kontaktnachverfolgung, der allgemeinen und regionalen Infektionslage sowie der Ziele des Infektionsschutzes geboten und verhältnismäßig ist. 2Die örtlich zuständige Behörde hat die Anforderungen des § 28 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG zu beachten. 3Im Fall einer Anordnung einer Ausgangsbeschränkung sind Ausnahmen bei Vorliegen eines triftigen Grundes, insbesondere einer notwendigen medizinischen, psychosozialen oder veterinärmedizinischen Behandlung, der Wahrnehmung einer beruflichen Tätigkeit, des Besuchs von Gottesdiensten und ähnlicher religiöser Veranstaltungen und des Besuchs naher Angehöriger, wenn diese von Behinderung betroffen - Seite 33 von 38 - oder pflegebedürftig sind, vorzusehen. 4Insbesondere Reisen innerhalb des Gebiets nach Satz 1 und tagestouristische Ausflüge stellen keine triftigen Gründe dar. 5Liegen die Voraussetzungen einer Anordnung einer Ausgangsbeschränkung nicht mehr vor, so ist die Anordnung unverzüglich aufzuheben.“

Der Antragsteller wird durch diese Regelungen nicht in seinen Rechten verletzt.

§ 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 und Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung sind nicht als Rechtsgrundlage für von den Landkreisen und kreisfreien Städten durch Verwaltungsakt anzuordnende Ausgangsbeschränkungen anzusehen. Rechtsgrundlage hierfür sind vielmehr die §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 und 6 IfSG (vgl. Senatsbeschl. v. 6.4.2021 - 13 ME 166/21 -, juris Rn. 6 ff.). § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 und Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung stellen hingegen nur klar, dass in Bezug auf den Erlass von Ausgangsbeschränkungen die Regelungen der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht abschließend sind und einer Anordnung von Ausgangsbeschränkungen durch die Landkreise und kreisfreien Städte auf der genannten Rechtsgrundlage des Infektionsschutzgesetzes nicht entgegenstehen. Sie stellen mithin bloße Zuständigkeitsregeln dar: soweit die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 und 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung erfüllt sind, verzichtet das Land auf den Erlass von Ausgangsbeschränkungen in der Niedersächsischen Corona-Verordnung, so dass hierfür ausschließlich die Kreise und kreisfreien Städte zuständig sind. Hierfür spricht zum einen die Systematik des § 18 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (vgl. hierzu bereits Senatsbeschl. v. 25.11.2020 - 13 MN 487/20 -, juris Rn. 20), zum anderen aber auch der durch § 32 IfSG beschränkte Regelungsinhalt der Niedersächsischen Corona-Verordnung (vgl. hierzu bspw. den Senatsbeschl. v. 24.3.2021 - 13 MN 145/21 -, juris Rn. 33). Unter Berücksichtigung der allgemeinen Öffnung für weitergehende Schutzmaßnahmen der Landkreise und kreisfreien Städte durch § 18 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung dürften die Landkreise und kreisfreien Städte auch nach einer Unwirksamkeitserklärung oder einer vorläufigen Außervollzugsetzung des § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 und Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung nicht an einer Anordnung von Ausgangsbeschränkungen auf der Grundlage der §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 und 6 IfSG gehindert sein.

Darüber hinaus sind die Anforderungen an die Anordnung einer Ausgangsbeschränkung, wie sie sich als Mindestanforderungen aus den §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 und 6 IfSG ergeben, durch § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 und Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung noch erhöht worden, etwa was die hierfür erforderlichen 7-Tage-Inzidenzen betrifft. Eine Unwirksamkeitserklärung oder eine vorläufigen Außervollzugsetzung des § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 und Abs. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung brächte auch unter diesem Aspekt keinen rechtlichen Vorteil für den Antragsteller mit sich.

b. Soweit sich der Antragsteller gegen § 18 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung richtet, ist der Antrag zulässig.

§ 18 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung hat den folgenden Wortlaut:

1Überschreitet in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt in einem Dreitagesabschnitt die 7-Tage-Inzidenz den Wert von 150 und ist diese Überschreitung nach Einschätzung der örtlich zuständigen Behörde von Dauer, so soll die örtlich zuständige Behörde die Ausgangsbeschränkung nach Absatz 3 Satz 1 im dort geregelten Umfang unter den dort geregelten Voraussetzungen anordnen. 2Eine Anordnung nach Satz 1 setzt zudem voraus, dass das Infektionsgeschehen in dem betreffenden Gebiet nicht oder nicht mehr hinreichend einem bestimmten räumlich abgrenzbaren Bereich zugeordnet werden kann und deshalb die Gefahr einer nicht mehr kontrollierbaren Verbreitung des Corona-Virus SARSCoV-2 besteht. 3Absatz 3 Sätze 2 bis 5 ist anzuwenden.“

Durch diese ermessenslenkende Vorschrift werden die örtlich zuständigen Behörden angehalten, im Regelfall eine Ausgangsbeschränkung anzuordnen, wenn die 7-Tage-Inzidenz über 150 liegt. Das grundsätzlich den örtlich zuständigen Behörden zukommende Ermessen wird entsprechend reduziert. Hierdurch besteht die Möglichkeit, dass der Antragsteller in seinem aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG folgenden Grundrecht auf Freiheit der Person, das auch die Bewegungsfreiheit umfasst, verletzt wird, indem die örtlich zuständige Behörde wegen des § 18 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung eine nächtliche Ausgangsbeschränkung anordnet, obwohl sie bei freier Ausübung ihres Ermessens davon abgesehen hätte.

c. Der Antragsteller ist ebenfalls antragsbefugt, soweit er sich gegen § 3 Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung wendet. Diese Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

3Eine Mund-Nasen-Bedeckung ist auch von jeder Person in einer Arbeits- oder Betriebsstätte einschließlich einer beruflichen Fahrgemeinschaft zu tragen, es sei denn, dass

1. die Person einen Arbeitsplatz eingenommen hat und das Abstandsgebot nach § 2 Abs. 2 Satz 1 zu jeder anderen Person in der Arbeits- oder Betriebsstätte eingehalten wird oder

2. die Art der Tätigkeit, wie insbesondere handwerkliche oder körperlich anstrengende Tätigkeiten, das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht zulässt.“

Durch die Anordnung des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung für jede Person in einer Arbeits- oder Betriebsstätte einschließlich einer beruflichen Fahrgemeinschaft in § 3 Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung besteht die Möglichkeit, dass der Antragsteller in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG verletzt ist.

2. Der Antrag ist nur in dem im Tenor bezeichneten Umfang begründet.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht in Normenkontrollverfahren auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind zunächst die Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrages im Hauptsacheverfahren, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag voraussichtlich Erfolg haben wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn der (weitere) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind im Rahmen der sog. "Doppelhypothese" die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Gründe müssen die gegenläufigen Interessen deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2019 - BVerwG 4 VR 3.19 -, juris Rn. 4 (zur Normenkontrolle eines Bebauungsplans); OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 22.10.2019 - 6 B 11533/19 -, juris Rn. 5 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung über die Freigabe eines verkaufsoffenen Sonntags); Sächsisches OVG, Beschl. v. 10.7.2019 - 4 B 170/19 -, juris Rn. 20 (zur Normenkontrolle einer Rechtsverordnung zur Bildung und Arbeit des Integrationsbeirats); Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 11.5.2018 - 12 MN 40/18 -, juris Rn. 24 ff. (zur Normenkontrolle gegen die Ausschlusswirkung im Flächennutzungsplan) jeweils m.w.N.).

Die hiernach bestehenden Voraussetzungen für eine vorläufige Außervollzugsetzung der streitgegenständlichen Verordnungsregelung ist hinsichtlich der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in beruflichen Fahrgemeinschaften erfüllt, soweit sie auch für den Führer des Kraftfahrzeugs gilt (a.). Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für die Mitfahrer einer beruflichen Fahrgemeinschaft ist hingegen nicht zu beanstanden (b.). Hinsichtlich der ermessenslenkenden Vorschrift des § 18 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung zur Anordnung von Ausgangsbeschränkungen liegen die Voraussetzungen für eine vorläufige Außervollzugsetzung ebenfalls nicht vor (c.).

a. Die Pflicht nach § 3 Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für den Führer des Kraftfahrzeugs einer beruflichen Fahrgemeinschaft ist voraussichtlich rechtswidrig.

Zwar verstößt § 3 Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung entgegen der Auffassung des Antragstellers (Schriftsatz v. 30.3.2021, S. 9, Schriftsatz v. 12.4.2021, S. 5 f.) nicht gegen den Bestimmtheitsgrundsatz. Eine Vorschrift entspricht nur dann rechtsstaatlichen Grundsätzen, wenn und soweit sich aus ihr mit ausreichender Bestimmbarkeit ermitteln lässt, wer von der Norm betroffen ist und was von den pflichtigen Personen verlangt wird. Normen müssen daher so genau gefasst sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Die Notwendigkeit der Auslegung einer Begriffsbestimmung nimmt der Norm noch nicht die Bestimmtheit. Doch ist es erforderlich, dass die Betroffenen die Rechtslage anhand objektiver Kriterien erkennen und ihr Verhalten danach ausrichten können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.06.2020 - BVerwG 8 C 2.19 -, juris Rn. 9 m.w.N.). Besondere Anforderungen sind gemäß Art. 103 Abs. 2 GG an die Bestimmtheit der Regelung bußgeld- oder strafbewehrter Pflichten zu stellen, zu denen § 3 Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung gemäß § 19 Abs. 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung gehört. Bei Ordnungswidrigkeiten- oder Straftatbeständen müssen die Adressaten im Regelfall bereits anhand des Wortlauts voraussehen können, ob ein Verhalten darunter fällt oder nicht. Ist der Tatbestand weiter gefasst, kann sich die erforderliche Bestimmtheit aus einer Auslegung unter Rückgriff auf weitere Normen ergeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.06.2020 - BVerwG 8 C 2.19 -, juris Rn. 10 m.w.N.). Aus § 3 Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ergibt sich, dass jegliche beruflich begründete Fahrgemeinschaft hiervon erfasst ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut, der lediglich von einer „beruflichen Fahrgemeinschaft“ spricht und somit keine Einschränkung etwa auf Fahrgemeinschaften beinhaltet, die zum Zweck des Erreichens des Arbeitsplatzes gebildet werden. Vielmehr sind sowohl solche Fahrgemeinschaften als auch gemeinschaftliche Fahrten in Ausübung der beruflichen Tätigkeit oder bei Dienstreisen umfasst. Dies zeigt auch die systematische Auslegung. § 3 Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung korrespondiert mit der Privilegierung bei den Kontaktbeschränkungen und dem Abstandsgebot „im Zusammenhang mit der Ausübung einer beruflichen Tätigkeit einschließlich dafür gebildeter beruflicher Fahrgemeinschaften“ in § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (vgl. Begründung zur Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 12.2.2021, Nds. GVBl. S. 55 (58)). Die Fahrgemeinschaft muss mithin in einem Zusammenhang mit der Ausübung der beruflichen Tätigkeit stehen und hierfür gebildet worden sein. Weitere Einschränkungen ergeben sich nicht aus § 3 Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung. Die Pflicht gilt gleichfalls für alle Mitglieder der beruflichen Fahrgemeinschaft, unabhängig davon, ob es sich um den Führer des Kraftfahrzeugs handelt oder einen Mitfahrer.

Es kann zudem offenbleiben, ob § 3 Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung, soweit eine Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auch für den Führer des Kraftfahrzeugs einer beruflichen Fahrgemeinschaft geregelt ist, bereits wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 4 Satz 1 StVO - wonach der Führer eines Kraftfahrzeugs sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken darf, dass er nicht mehr erkennbar ist - und des Vorrangs des Bundesrechts nach Art. 31 GG rechtswidrig ist. Denn die Verpflichtung des § 3 Abs. 1 Satz 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung für den Führer des Kraftfahrzeugs, im Rahmen einer beruflichen Fahrgemeinschaft eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, ist jedenfalls nicht im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG objektiv notwendig.

§ 28 Abs. 1 IfSG liegt die Erwägung zugrunde, dass sich die Bandbreite der Schutzmaßnahmen, die bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit in Frage kommen können, nicht im Vorfeld bestimmen lässt. Der Gesetzgeber hat § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG daher als Generalklausel ausgestaltet (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, BVerwGE 142, 205, 213 - juris Rn. 26 unter Hinweis auf den Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Seuchengesetzes, BT-Drs. 8/2468, S. 27 f.). Der Begriff der "Schutzmaßnahmen" in § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist folglich umfassend und eröffnet der Infektionsschutzbehörde ein möglichst breites Spektrum geeigneter Maßnahmen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 2.4.2020 - 3 MB 8/20 -, juris Rn. 35).

"Schutzmaßnahme" im Sinne des § 28 Abs. 1 IfSG kann daher auch die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sein. Dies verdeutlicht auch § 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG.

Der weite Kreis möglicher Schutzmaßnahmen wird durch § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dahin begrenzt, dass die Schutzmaßnahme im konkreten Einzelfall "notwendig" sein muss. Der Staat darf mithin nicht alle Maßnahmen und auch nicht solche Maßnahmen anordnen, die von Einzelnen in Wahrnehmung ihrer Verantwortung gegenüber sich selbst und Dritten bloß als nützlich angesehen werden. Vielmehr dürfen staatliche Behörden nur solche Maßnahmen verbindlich anordnen, die zur Erreichung infektionsschutzrechtlich legitimer Ziele objektiv notwendig sind (vgl. Senatsbeschl. v. 26.5.2020
- 13 MN 182/20 -, juris Rn. 38). Diese Notwendigkeit ist während der Dauer einer angeordneten Maßnahme von der zuständigen Behörde fortlaufend zu überprüfen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.4.2020 - 1 BvQ 31/20 -, juris Rn. 16).

Für die Anordnung, dass auch der Führer eines Kraftfahrzeugs einer beruflichen Fahrgemeinschaft verpflichtet ist, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, sind diese tatbestandlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Sie verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und stellt damit keine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG dar.

(1) Zweifelsohne verfolgt der Verordnungsgeber weiterhin die legitimen Ziele (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 6.11.2020 - 13 MN 411/20 -, juris Rn. 43), im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit eines und einer jeden die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstiegs der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden. Zur Vorbeugung einer akuten nationalen Gesundheitsnotlage sollen die Kontakte in der Bevölkerung drastisch reduziert werden, um das Infektionsgeschehen insgesamt zu verlangsamen und die Zahl der Neuinfektionen wieder in durch den öffentlichen Gesundheitsdienst nachverfolgbare Größenordnungen zu senken, und, soweit sich Kontakte beispielsweise im beruflichen Kontext nicht vermeiden lassen, durch die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ein größtmöglicher Schutz gewährleistet werden (vgl. hierzu auch die Angaben in der Begründung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und ihrer Änderungsverordnungen, Nds. GVBl. 2020, 411 ff., 457, 491 f. und 2021, 6 ff., 28 f., 58, 101 f. und 123).

Diese Zielrichtung wahrt die besonderen Anforderungen des § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG (vgl. Senatsbeschl. v. 23.12.2020 - 13 MN 506/20 -, juris Rn. 61). Unerheblich ist dabei, dass der Verordnungsgeber fehlerhaft annimmt, mit der Niedersächsischen Corona-Verordnung habe er noch keine "umfassenden" Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG, sondern nur "breit angelegte" Schutzmaßnahmen im Sinne des § 28a Abs. 3 Satz 6 IfSG ergriffen (vgl. die Begründung zur Änderungsverordnung v. 6.3.2021, Nds. GVBl. S. 101: "Richtschnur ist dabei das IfSG, wobei das Land Niedersachsen nach wie vor keine umfassenden Schutzmaßnahmen ergreift, die nach § 28 a Abs. 3 Satz 5 IfSG bei einer Überschreitung eines Schwellenwertes von über 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner innerhalb von sieben Tagen wie gegenwärtig in Niedersachsen vorgesehen sind, sondern beschränkt sich weiterhin darauf, breit angelegte Schutzmaßnahmen vorzusehen, die nach Satz 6 der genannten Vorschrift bei einer Überschreitung eines Schwellenwertes von über 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnerinnen und Einwohner innerhalb von sieben Tagen zu ergreifen sind. Die Maßnahmen erfassen zwar eine Vielzahl von Lebensbereichen, schränken sie jedoch nicht umfassend ein. Beispielhaft sei genannt, dass die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung nicht umfassend gilt, keine nächtlichen Ausgangssperren vorgesehen sind, die Sportausübung mit abgestuften Einschränkungen möglich bleibt, keine Untersagung des Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit erfolgt ist, lediglich die Durchführung touristischer Bus-, Schiffs- und Kutschfahrten und nicht jegliche privaten Reisen untersagt wird, Beherbergungen u. a. im Rahmen von Dienst- oder Geschäftsreisen erlaubt sind, in der Gastronomie der Außer-Haus-Verkauf und der Betrieb in bestimmten Einrichtungen zulässig bleibt, nicht sämtliche Betriebe und Gewerbe geschlossen zu halten sind und auch der Betrieb von Einrichtungen der außerschulischen Bildung nicht umfänglich untersagt ist."). Abgesehen davon, dass dieses Vorgehen die Pflicht zum Handeln nach § 28a Abs. 3 Satz 5 IfSG("sind") nicht beachtete, liegen "umfassende Schutzmaßnahmen" nicht erst dann vor, wenn alle in § 28a Abs. 1 IfSG beispielhaft genannten Schutzmaßnahmen oder gar alle Lebensbereiche vollständig erfassende und jedwedes Handeln berührende staatliche Maßnahmen ergriffen worden sind. In Abgrenzung zu den "breit angelegten" Schutzmaßnahmen liegen "umfassende Schutzmaßnahmen" vielmehr schon dann vor, wenn sie zu "schwerwiegenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens" führen (so ausdrücklich Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD, Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, BT-Drs. 19/23944, S. 13 und 34 betreffend die zunächst vorgesehene Unterscheidung zwischen "schwerwiegenden Schutzmaßnahmen" und "stark einschränkenden Schutzmaßnahmen", die durch die nun in § 28a Abs. 3 IfSG Gesetz gewordenen Begrifflichkeiten aber nur redaktionell klargestellt werden sollte, vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 19/24334, S. 24 und 73). Diese Schwelle überschreiten die in § 10 Abs. 1, 1b und 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Betriebsverbote und -beschränkungen unter Berücksichtigung ihrer flächendeckenden Anordnung, der mit ihnen verbundenen erheblichen Eingriffe in die Grundrechte der Betriebsinhaber und der massiven negativen Auswirkungen für die potenziellen Kunden und auch die Allgemeinheit nach dem Dafürhalten des Senats ohne jeden Zweifel (vgl. hierzu bereits den Senatsbeschl. v. 15.2.2021 - 13 MN 44/21 -, juris Rn. 22 ff.).

Ob darüber hinaus für die Gesamtheit der in der Niedersächsischen Corona-Verordnung angeordneten Schutzmaßnahmen die konkrete Erreichung einer 7-Tage-Inzidenz (Zahl der Neuinfektionen je 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen) von 50
oder gar 35 legitim ist, erscheint zweifelhaft (vgl. Senatsbeschl. v. 20.1.2021 - 13 MN 10/21 -, juris Rn. 20 ff. (zur 50er Inzidenz) und v. 15.2.2021 - 13 MN 44/21 -, juris Rn. 25 ff. (zur 35er Inzidenz)), bedarf in diesem Verfahren aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn abgesehen davon, dass derzeit eine landesweite Erreichung dieser Inzidenzen in Niedersachsen (Stand: 15.4.2021: 126,0; vgl. www.niedersachsen.de/Coronavirus/aktuelle_lage_in_niedersachsen/) nicht absehbar ist, ist die hier streitgegenständliche Maskenpflicht nach den Verordnungsbestimmungen mit keiner dieser Inzidenzen unmittelbar verknüpft, sondern unter Berücksichtigung auch aller weiteren für das Infektionsgeschehen relevanten Umstände angeordnet worden.

(2) Im Hinblick auf die verfolgten legitimen Ziele ist auch die Eignung der streitgegenständlichen Verordnungsregelungen gegeben. Denn angesichts der hohen Infektiosität und der Übertragungswege steht für den Senat außer Zweifel, dass Beschränkungen von Zusammenkünften und Ansammlungen mehrerer Personen geeignet sind, die Verbreitung von SARS-CoV-2 zu verhindern (vgl. Senatsbeschl. v. 18.11.2020 - 13 MN 448/20 -, juris Rn. 81; v. 11.6.2020 - 13 MN 192/20 -, juris Rn. 52). Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung, wie sie unter anderem in §§ 1 Satz 2, 2 Abs. 2 Satz 2, 3 Abs. 1 und 2 der Verordnung bestimmt ist, und die damit korrespondierende Pflicht zum Hinweisen und Hinwirken auf die Einhaltung dieser Pflicht, wie sie sich aus § 3 Abs. 7 Satz 1 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ergibt, sind nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unter Berücksichtigung des aktuellen Stands der wissenschaftlichen Erkenntnis zur Bekämpfung von Infektionen mit SARS-COV-2 grundsätzlich geeignet (vgl. etwa Senatsbeschl. v. 25.11.2020 - 13 MN 487/20 -, juris Rn. 67 ff.; v. 18.11.2020 - 13 MN 448/20 -, juris Rn. 82; v. 28.10.2020 - 13 MN 390/20 -, juris Rn. 30; v. 14.8.2020 - 13 MN 300/20 -, juris Rn. 13 ff. m.w.N.).

(3) Zweifelhaft ist aber, ob der Verordnungsgeber die grundsätzliche Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung auch für den Führer des Kraftfahrzeugs einer beruflichen Fahrgemeinschaftfür erforderlich halten darf.

Es ist bei summarischer Prüfung nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass mildere, in ihrer Wirkung aber ähnlich effektive Mittel zur Verfügung stehen.

Dies ergibt sich aber nicht schon aus jedweder fehlenden infektiologischen Relevanz des Geschehens in beruflichen Fahrgemeinschaften. Esfehlt vielmehr auch nach einem Jahr der Pandemie immer noch an belastbaren Erkenntnissen zur konkreten infektiologischen Relevanz einzelner Betriebsarten und Tätigkeiten. Ausweislich des Berichts zum "Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland" konnte das RKI in einer "Quellensuche" (Datenstand: 11.8.2020) von insgesamt 202.225 übermittelten Fällen nur 55.141 Fälle bestimmten Ausbruchsgeschehen zuordnen und feststellen, in welchen von 30 unterschiedlichen, verschiedenste Lebensbereiche erfassenden Infektionsumfeldern sich diese ereignet haben (vgl. RKI, Infektionsumfeld von COVID-19-Ausbrüchen in Deutschland, in: Epidemiologisches Bulletin v. 17.9.2020, S. 3 ff., veröffentlicht unter: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/38_20.pdf?__blob=publicationFile). Diese nur eingeschränkte Erkenntnis bestätigt der Tägliche Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 13. April 2021 (dort S. 13; veröffentlicht unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Apr_2021/2021-04-13-de.pdf?__
blob=publicationFile). Danach kann nur etwa ein Sechstel der insgesamt gemeldeten COVID-19 Fälle einem Ausbruch zugeordnet werden. Für eine weit überwiegende Mehrheit der Fälle fehlen Informationen zur Infektionsquelle.Dabei ist zu beachten, dass Clustersituationen in anonymen Menschengruppen viel schwerer für das Gesundheitsamt erfassbar sind als in nicht-anonymen Menschengruppen.

Der Senat stellt auch nicht in Abrede, dass der Verordnungsgeber die Erforderlichkeit der hier zu beurteilenden Verordnungsregelungen - anders als bei den zuvor angeordneten Beherbergungsverboten (vgl. Senatsbeschl. v. 15.10.2020 - 13 MN 371/20 -,
juris Rn. 59) und Sperrzeiten im Gastronomiebereich (vgl. Senatsbeschl. v. 29.10.2020 - 13 MN 393/20 -, juris Rn. 57) - nicht nur anhand der 7-Tage-Inzidenz, also der Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner kumulativ in den letzten sieben Tagen, beurteilt, sondern, wie in dem von der Niedersächsischen Landesregierung erstellten "Handlungskonzept zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens in der COVID 19 Pandemie" (veröffentlicht unter: www.stk.niedersachsen.de/startseite/presseinformationen/vorsorgliches-handlungskonzept-zur-bekampfung-eines-gegebenenfalls-weiter-ansteigenden-infektionsgeschehens-in-der-covid-19-pandemie-193263.html, Stand: 5.10.2020) und dem von der Niedersächsischen Landesregierung entworfenen "Stufenplan 2.0" (veröffentlicht unter: www.niedersachsen.de/Coronavirus/stufenplan-fur-niedersachsen-196849.html, Stand: 18.2.2021) vorgesehen, auch alle anderen für das Infektionsgeschehen relevanten Umstände in seine Bewertung einbezogen hat (vgl. zu dieser Verpflichtung: Senatsbeschl. v. 29.10.2020 - 13 MN 393/20 -, juris Rn. 57).

Zweifelhaft erscheint aber, ob der Antragsgegner die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für den Führer des Kraftfahrzeugs einer beruflichen Fahrgemeinschaft für erforderlich erachten darf. Auch wenn insoweit eine abschließende Sachaufklärung im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes von Amts wegen nicht geboten ist und daher eine abschließende Bewertung dieser Frage derzeit nicht erfolgen kann, erscheint es bei summarischer Prüfung nicht schlechthin abwegig, dass dem Verordnungsgeber mildere, zur Erreichung aller verfolgten legitimen Ziele aber durchaus ähnlich effektive Mittel im Hinblick auf das gesamte Infektionsgeschehen zur Verfügung stehen könnten. Auch wenn der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) für den zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung verpflichteten Fahrer gering sein mag, müssen im Rahmen des Normenkontrollverfahrens zugleich die Auswirkungen auf die Sicherheit des Verkehrs berücksichtigt werden. Die Nichterkennbarkeit des Fahrers im Rahmen automatisierter Einrichtungen der Verkehrsüberwachung sowie eine eingeschränkte Sicht können sich auf die Sicherheit des Verkehrs negativ auswirken.

Mildere Mittel können in erster Linie Maßnahmen sein, die ein noch aktiveres Handeln staatlicher Stellen bei der Pandemiebekämpfung erfordern, etwa

- die Intensivierung der Erforschung von Infektionsumfeldern, um die Zielgenauigkeit von Schutzmaßnahmen zu erhöhen,

- die Effektivierung der Kontaktnachverfolgung, sowohl durch Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes als auch durch Verbesserung technischer Instrumente (vgl. hierzu bereits den Senatsbeschl. v. 20.1.2021 - 13 MN 10/21 -, juris Rn. 37),

- die Optimierung der Impfkampagne im Land Niedersachsen.

Als im Hinblick auf die Gewährung der Verkehrssicherheit milderes Mittel und ggf. sogar effektiveres Mittel könnte zudem eine Pflicht zum Testen der Teilnehmer einer beruflichen Fahrgemeinschaft sein. Die insoweit vom Antragsgegner vorgetragenen Bedenken, dass aufgrund der mit einem Selbsttest verbundenen Fehlerquote ein negativer Test nicht von der Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln entbinden und nicht vom Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung entpflichten könne (Schriftsatz v. 7.4.2021, S. 20), erschließen sich dem Senat nicht, nachdem die Niedersächsische Corona-Verordnung an verschiedenen Stellen offenbar auf die Verlässlichkeit von Testungen im Sinne des § 5a der Niedersächsischen Corona-Verordnung, wozu nach § 5a Satz 1 Nr. 2, 2. Alt. auch Selbsttest gehören, vertraut (vgl. §§ 10 Abs. 1c Satz 1, 14a Abs. 1 Satz 6, 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 der Niedersächsischen Corona-Verordnung).

(4) Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für den Führer des Kraftfahrzeugs einer beruflichen Fahrgemeinschaft stellt sich jedenfalls als nicht angemessen dar.

Angemessen ist eine Freiheitseinschränkung nur dann, wenn das Maß der Belastung des Einzelnen noch in einem vernünftigen Verhältnis zu den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen steht. Um dies feststellen zu können, ist eine Abwägung zwischen den Gemeinwohlbelangen, deren Wahrnehmung der Eingriff in Grundrechte dient, und den Auswirkungen auf die Rechtsgüter der davon Betroffenen notwendig. Hierbei müssen die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher der Einzelne in seiner Freiheit beeinträchtigt wird. Andererseits wird der Gemeinschaftsschutz umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können. Diese Prüfung am Maßstab des Übermaßverbots kann dazu führen, dass der an sich in legitimer Weise angestrebte Schutz zurückstehen muss, wenn das eingesetzte Mittel zu einer unangemessenen Beeinträchtigung der Rechte des Betroffenen führen würde. Nur so kann die Prüfung der Angemessenheit staatlicher Eingriffe ihren Sinn erfüllen, geeignete und gegebenenfalls erforderliche Maßnahmen einer gegenläufigen Kontrolle mit Blick darauf zu unterwerfen, ob die eingesetzten Mittel unter Berücksichtigung der davon ausgehenden Grundrechtsbeschränkungen für den Betroffenen noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem dadurch erreichbaren Rechtsgüterschutz stehen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BVerfG, Urt. v. 26.2.2020 - 2 BvR 2347/15 -, BVerfGE 153, 182 – juris Rn. 265 m.w.N.).

Bei der Abwägung können im Rahmen der Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 VwGO nicht nur die Freiheitseinschränkungen berücksichtigt werden, die sich für den konkreten Antragsteller ergeben, es sind vielmehr auch die Wirkungen einer Vorschrift für die Allgemeinheit zu berücksichtigen. Auch wenn der Eingriff in Form der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in die nach Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit des Antragstellers als geringfügig einzuschätzen ist, ist zu berücksichtigen, dass die Gefährdungen für die Allgemeinheit durch die Einschränkungen, die mit dem Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung durch den Führer eines Kraftfahrzeugs einhergehen, erheblich sind. Nicht ohne Grund hat der Bundes-Verordnungsgeber in § 23 Abs. 4 StVO geregelt, dass, wer ein Kraftfahrzeug führt, sein Gesicht nicht so verhüllen oder verdecken darf, dass er nicht mehr erkennbar ist. Verdecken oder Verhüllen bedeutet ausweislich der Verordnungsbegründung, dass das Gesicht mit seinen ausschlaggebenden Zügen wie Auge, Nase, Mund nicht mehr erkennbar ist, weshalb unter das Verbot weder reine Kopfbedeckungen noch Gesichtsbemalung, - behaarung oder etwaiger Gesichtsschmuck oder die Sicht erhaltende oder unterstützende Brillen, die nur geringfügige Teile des Gesichts umfassen, im Wesentlichen aber die Erkennbarkeit der Gesichtszüge nicht beeinträchtigen, fallen. Unter das Verbot fällt damit das Tragen von Masken, Schleiern und Hauben, die das ganze Gesicht oder wesentliche Teile des Gesichts verdecken (BR-Drs. 556/17, S. 28). Ziel dieser Regelung ist es, eine effektive Verkehrsüberwachung zu gewährleisten, indem die Identität des Kraftfahrzeugführers feststellbar ist (vgl. BR-Drs. 556/17, S. 14; Rebler/Müller, Das straßenverkehrsrechtliche Verhüllungsverbot in Zeiten der CORONA, in: NZV 2020, 273, 274). Die effektive Verkehrsüberwachung dient - wie auch die Gewährleistung der ungehinderten Rundumsicht von Kraftfahrzeugführern - dem Schutz anderer Verkehrsteilnehmer (vgl. BVerfG, Ablehnung einstweiliger Anordnung v. 26.2.2018 - 1 BvQ 6/18 -, juris Rn. 6; Wilrich, Mund- und Nasenschutz und Verhüllungsverbot beim Autofahren, in: SVR 2020, 248, 249). Beim Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung werden jedoch wesentliche Teile des Gesichts verdeckt, insbesondere wenn zusätzlich eine Brille oder Sonnenbrille getragen wird, die jedoch notwendig sein kann, um eine bestmögliche Sicht des Fahrers zu gewährleisten. Eine effektive automatisierte Verkehrsüberwachung dürfte in diesen Fällen nicht mehr möglich sein, was zu einer Gefährdung des Verkehrs führt. Hinzu kommt, dass gerade für Brillenträger - sei es einer Sicht erhaltenden Brille oder einer Sonnenbrille - die Gefahr steigt, dass diese während der Fahrt beschlägt und hierdurch die Sicht zusätzlich beeinträchtigt wird. Somit stellt die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für den Führer eines Kraftfahrzeugs ein nicht unerhebliches Risiko für sich selbst, die Mitfahrer und die übrigen Verkehrsteilnehmer dar.

Zwar dient das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für den Führer des Kraftfahrzeugs einer beruflichen Fahrgemeinschaft dem Infektionsschutz und soll damit den gravierenden, teils irreversiblen Folgen eines weiteren Anstiegs der Zahl von Ansteckungen und Erkrankungen für die zwar hochwertigen, aber verfassungsrechtlich nicht absolut geschützten Rechtsgüter Leib und Leben einer Vielzahl Betroffener sowie einer Überlastung des Gesundheitswesens entgegenwirken. Die Auswirkungen auf das Infektionsgeschehen, wenn der Führer des Kraftfahrzeugs einer beruflichen Fahrgemeinschaft keine Mund-Nasen-Bedeckung trägt, sind jedoch als gering einzuschätzen. Einerseits besteht eine berufliche Fahrgemeinschaft aus einer überschaubaren Anzahl an Personen, die sich untereinander kennen, so dass eine Kontaktnachverfolgung problemlos möglich ist. Andererseits könnte durch eine Pflicht zur Testung vor Fahrtantritt ein hoher Grad an Sicherheit gewährleistet werden, ohne die Sicherheit des Straßenverkehrs zu beeinträchtigen.

Die Abwägung der widerstreitenden Interessen im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes ergibt somit, dass die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für den Führer des Kraftfahrzeugs einer beruflichen Fahrgemeinschaft unangemessen und die Regelung daher insoweit voraussichtlich rechtswidrig ist. Die vorläufige Außervollzugsetzung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang ist unter Berücksichtigung der geschilderten wichtigen Gründe der öffentlichen Verkehrssicherheit auch angesichts widerstreitender infektionsschutzrechtlicher Anliegen dringend geboten.

b. Soweit sich der Antragsteller mit seinem Antrag darüber hinaus auch gegen die Pflicht zum Tragen eines Mund-Nasen-Bedeckung für die Mitfahrer einer beruflichen Fahrgemeinschaft wendet, ist der Antrag unbegründet, da es sich insoweit um eine notwendige Schutzmaßnahme i.S.d. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG handelt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf seine Beschlüsse vom 25. November 2020 (- 13 MN 487/20 -, juris Rn. 67 ff.) und vom 30. November 2020 (- 13 MN 519/20 -, juris Rn. 44 ff. zur Maskenpflicht in Schulen). Da hierdurch keine Verkehrsgefährdung zu befürchten ist, ist die Maßnahme als verhältnismäßig anzusehen.

c. In Bezug auf § 18 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht vor.

Ob § 18 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung rechtswidrig ist, kann dabei letztlich offenbleiben, da eine einstweilige Anordnung jedenfalls nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist, § 47 Abs. 6 VwGO. Mit diesen Voraussetzungen stellt § 47 Abs. 6 VwGO an die Aussetzung des Vollzugs einer untergesetzlichen Norm erheblich strengere Anforderungen, als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.5.1998 - BVerwG 4 VR 2.98 -, juris, Rn. 3). Eine Dringlichkeit liegt vor, wenn der Vollzug der Norm vor einer Entscheidung in der Hauptsache Auswirkungen befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung geboten ist (Bayerischer VGH, Beschl. v. 3.1.2013 - 1 NE 12.2151 -, juris Rn. 4). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Unabhängig davon, dass § 18 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung jedenfalls nicht offensichtlich rechtswidrig ist, sind die tatsächlichen und rechtlichen Wirkungen der Norm derart gering, dass eine Außervollzugsetzung im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht dringend geboten ist. § 18 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung stellt lediglich eine ermessenslenkende Norm dar, keine Ermächtigungsgrundlage, so dass von den örtlich zuständigen Behörden bei einer 7-Tages-Inzidenz von mehr als 150 Ausgangsbeschränkungen erlassen werden sollen. Sofern keine entgegenstehenden Gründe vorliegen - wie z.B. ein begrenztes Ausbruchsgeschehen, große freie Kapazitäten in den örtlichen Krankenhäusern, eine weiterhin gewährleistete Kontaktnachverfolgung -, gibt das Land vor, dass die Landkreise und kreisfreien Städte ihr Ermessen dahingehend auszuüben haben, eine Ausgangsbeschränkung zu erlassen. Hierbei haben die örtlich zuständigen Behörden, wie § 18 Abs. 4 Satz 3 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ausdrücklich klarstellt, die Anforderungen des § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG zu beachten. § 18 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung suspendiert folglich nicht von den gesetzlichen Voraussetzungen des § 28a IfSG, so dass im Rahmen der rechtlichen Überprüfung einer Ausgangsbeschränkung ausschließlich das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zu prüfen wäre, nicht aber das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung (vgl. Senatsbeschl. v. 6.4.2021 - 13 ME 166/21 -, juris Rn. 6 ff.).

Aus § 28a IfSG ergibt sich, dass die zuständigen Behörden Maßnahmen zu treffen haben, die das Ziel haben, die Verbreitung von COVID-19 wirksam zu verhindern (vgl. § 28a Abs. 6 Satz 2 IfSG), weshalb die Entscheidung über Schutzmaßnahmen insbesondere an dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems auszurichten ist (vgl. § 28a Abs. 3 Satz 1 IfSG). Zugleich folgt aus § 28a Abs. 3 Satz 4 IfSG, dass der Maßstab für die zu ergreifenden Schutzmaßnahmen insbesondere die Anzahl der Neuinfektionen mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 je 100.000 Einwohnern innerhalb von sieben Tagen ist. Somit wird das Ermessen mit einer zunehmenden 7-Tages-Inzidenz ohnehin durch § 28a IfSG immer weiter eingeschränkt, da mit einer höheren Inzidenz jedenfalls in der Regel schärfere Maßnahmen - gemäß § 28a Abs. 1 Nr. 3 IfSG erforderlichenfalls auch Ausgangsbeschränkungen - einhergehen müssen. § 18 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung konkretisiert daher lediglich die ohnehin geltende gesetzliche Regelung, so dass die Einschränkung des Einzelnen und der Allgemeinheit durch die bloße ermessensleitende Vorschrift gering ist. Zugleich stellt § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG jedoch hohe rechtliche Anforderungen an die Rechtmäßigkeit von Ausgangsbeschränkungen, da diese lediglich eine „ultima ratio“ darstellen, so dass diese nur dann in Betracht zu ziehen sind, wenn andere Maßnahmen nach § 28a Abs. 1 IfSG voraussichtlich nicht mehr greifen (vgl. Senatsbeschl. v. 6.4.2021 - 13 ME 166/21 -, juris Rn. 28). Der Senat geht deshalb davon aus, dass der Anwendungsbereich von § 18 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung ohnehin sehr gering ist, da sich bei Erfüllung der hohen tatbestandlichen Anforderungen des § 28a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 IfSG das Ermessen - auch ohne die Regelung des § 18 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung - dahingehend verdichten dürfte, dass eine Ausgangsbeschränkung grundsätzlich zu erlassen wäre. Auch bei einer vorläufigen Außervollzugsetzung des § 18 Abs. 4 der Niedersächsischen Corona-Verordnung können die örtlich zuständigen Behörden auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes Ausgangsbeschränkungen erlassen.

Darüber hinaus erfordert § 18 Abs. 4 IfSG noch einen Umsetzungsakt durch die örtlich zuständigen Behörden, der gerichtlich selbständig anfechtbar und vollumfänglich gerichtlich überprüfbar ist. Angesichts der geringen Auswirkungen, die eine vorläufige Außervollzugsetzung des § 18 Abs. 4 IfSG hätte, wäre dem Antragsteller - sofern er Adressat einer Ausgangsbeschränkung werden sollte - zuzumuten, unmittelbar hiergegen gerichtlich vorzugehen.

3. Die vorläufige Außervollzugsetzung wirkt nicht nur zugunsten des Antragstellers in diesem Verfahren; sie ist allgemeinverbindlich (vgl. Senatsbeschl. v. 28.8.2020 - 13 MN 307/20 -, juris Rn. 36; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 611). Der Antragsgegner hat die hierauf bezogene Entscheidungsformel in entsprechender Anwendung des § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGOunverzüglich im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt zu veröffentlichen.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht der ständigen Praxis des Senats, in Normenkontrollverfahren in der Hauptsache nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO grundsätzlich den doppelten Auffangwert im Sinne des § 52 Abs. 2 GKG, mithin 10.000 EUR, als Streitwert anzusetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, Nds. Rpfl. 2019, 130 f. - juris Rn. 29). Dieser Streitwert ist für das Verfahren auf sofortige Außervollzugsetzung der Verordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu halbieren.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5 in Verbindung mit 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).