Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 13.08.2003, Az.: L 3 P 18/02
Anspruch auf Erstattung der Kosten der häuslichen Pflege und der Verhinderungspflege wegen Verhinderung der Pflegeperson; Voraussetzungen des Fristbeginns für die Ausschlussfrist für Ansprüche aus der Pflegeversicherung; Erfüllung der Wartezeit durch Pflege mindestens von 12 Monaten vor der erstmaligen Verhinderung ; Erstattung der entstandenen Aufwendungen bei der privaten Pflegepflichtversicherung im Gegensatz zum Sachleistungsanspruch bei der sozialen Pflegeversicherung; Wahlrecht zwischen häuslicher Pflege und Pflegegeld; Beschränkung des Anspruchs auf Pflegegeld bei Verhinderung der Pflegeperson
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 13.08.2003
- Aktenzeichen
- L 3 P 18/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 21038
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0813.L3P18.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Osnabrück - 30.01.2002 - AZ: S 14 P 94/98
Rechtsgrundlagen
- § 54 Abs. 5 SGG
- § 1922 Abs. 1 BGB
- § 36 Abs. 1 SGB XI
- § 39 Abs. 1 SGB XI
- § 23 Abs. 1 S. 2 SGB XI
- § 14 Abs. 4 SGB XI
- § 288 Abs. 1 BGB
Redaktioneller Leitsatz
Versicherte Personen erhalten bei häuslicher Pflege Ersatz von Aufwendungen zur Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung, die für Pflegebedürftige der Pflegestufe III bis zur Höhe von 2.800,00 DM erstattet werden. Es besteht eine Anspruch auf Erstattung von Aufwendungen einer notwendigen Ersatzpflege für längstens 4 Wochen je Kalenderjahr, wenn eine Pflegeperson wegen Erholungsurlaubs, Krankheit oder aus anderen Gründen an der Pflege gehindert ist.
Tenor:
Das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 30. Januar 2002 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 314,16 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 19. Mai 1998 zu zahlen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen sind von dem Beklagten zu erstatten. Die durch die Anrufung des Amtsgerichts Koblenz entstandenen Mehrkosten sind von der Klägerin zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob für den Zeitraum einer Verhinderung der Pflegeperson zeitgleich sowohl Kosten der häuslichen Pflege als auch der Verhinderungspflege zu erstatten sind.
Die Klägerin ist Witwe und Alleinerbin des am F. geborenen und am 06. Juni 1998 verstorbenen G. (im folgenden: Versicherter). Dieser hatte mit dem Beklagten einen privaten Pflegepflichtversicherungsvertrag abgeschlossen, der für ihn in der Tarifstufe PVB (für Versicherte mit Anspruch auf Beihilfe oder Heilfürsorge bei Pflegebedürftigkeit) Leistungen in Höhe von 30 % der im Tarif PV vorgesehenen Vollbeträge vorsah. Nachdem der Versicherte an einem hirnorganischen Psychosyndrom (Alzheimer-Krankheit) erkrankt war, übernahm die Klägerin seine Pflege. Auf ihren Antrag (vom Februar 1995) zahlte der Beklagte ab 01. April 1995 Pflegegeld. Dessen Höhe betrug monatlich 390,00 DM, nachdem das Amtsgericht (AG) Koblenz mit Urteil vom 20. November 1996 festgestellt hatte, dass der Umfang der Pflegebedürftigkeit des Versicherten ab 01. Februar 1996 der Pflegestufe III entsprach. Grundlage hierfür war u.a. ein Gutachten des Arztes Dr H. , nach dem der Versicherte bei vollständiger Desorientierung in hohem Maße in allen Verrichtungen Anleitung, Aufsicht und Unterstützung und außerdem generalisierte Aufsicht benötige.
Mit Schreiben vom 02. August 1997 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, sie müsse sich einer Knieoperation am linken Bein unterziehen, für die ein dreiwöchiger Krankenhausaufenthalt und eine anschließende stationäre Rehabilitation vorgesehen sei. Zur Vermeidung einer vorübergehenden stationären Unterbringung ihres Ehemannes stellte sie einen "Antrag auf Kostenübernahmezusage für die Inanspruchnahme des ambulanten Pflegedienstes als Sachleistung und die anschließende Pflegevertretung". Angesichts einer Auskunft des Beklagten, nach dem Versicherungsvertrag könnten Leistungen für Verhinderungspflege für längstens 4 Wochen und bis zu 2.800,00 DM je Kalenderjahr erbracht werden, beantragte die Klägerin mit weiterem Schreiben vom 29. August 1997, eine Deckungszusage "auch für den § 36 i.V.m. § 23 SGB XI zu geben". Der Beklagte teilte ihr daraufhin unter dem 12. September 1997 mit, neben den Leistungen der Verhinderungspflege könne eine Kostenerstattung für häusliche Pflegehilfe nicht in Betracht kommen, da bisher keine Kostenerstattung in Anspruch genommen worden sei.
Vom 29. September bis zum 10. November 1997 befand sich die Klägerin in stationärer Krankenhaus- bzw. Rehabilitationsbehandlung. Die Versorgung des Versicherten wurde in dieser Zeit von den Sozialen Diensten Nordhorn - Diakonie-Sozialstation wahrgenommen; an den Wochenenden wechselten sich die drei berufstätigen Kinder des Versicherten in der Pflege ab. Die Sozialstation stellte dem Versicherten für den 29. und 30. September einen Betrag von 539,61 DM in Rechnung (Schreiben vom 26. November 1997), wobei sich der Betrag aus den Pflegesätzen u.a. für "große Pflege", "erweiterte große Pflege", Hilfe bei Ausscheidung, bei der Nahrungsaufnahme und beim Verlassen der Wohnung sowie für hauswirtschaftliche Tätigkeiten und aus Wegepauschalen zusammensetzte. Mit weiterer Rechnung vom 26. November 1997 berechnete die Sozialstation ihm für den 01. - 31. Oktober für die Durchführung der Pflegeeinheit "erweiterte große Pflege" und hauswirtschaftlicher Verrichtungen einen Betrag von (einschließlich der Wegepauschale) 2.800,10 DM. Außerdem brachte sie für 112 Stunden "Verhinderungspflege" insgesamt 2.800,00 DM in Ansatz. Für die Zeit vom 01. bis 10. November berechnete sie wiederum (wie im September) für verschiedene Pflegeeinheiten, hauswirtschaftliche Versorgung und Wegepauschalen einen Betrag von 1.942,78 DM (Rechnungsschreiben vom 03. Dezember 1997). Die Kosten einer außerdem eingesetzten Familienpflegehelferin der Diakonie-Sozialstation (69,25 Stunden für insgesamt 1.662,00 DM) wurden dem Versicherten für Oktober als "Selbstzahler" berechnet (Rechnung vom 27. November 1997).
Nachdem die Klägerin dem Beklagten die drei erstgenannten Rechnungen zur Erstattung vorgelegt hatte, entstand zwischen den Beteiligten Streit über die Höhe des Erstattungsbetrags. Der Beklagte erklärte sich zuletzt (korrigierte Leistungsmitteilung vom 29. April 1998) bereit, Kosten für eine Ersatzpflegekraft in Höhe von 840,00 DM sowie Pflegegeld in Höhe von insgesamt 455,00 DM zu zahlen und überwies einen entsprechenden Betrag von 1.295,00 DM. Ergänzend hierzu teilte er mit Schreiben vom 20. April bzw. 19. Mai 1998 mit, Leistungen der Verhinderungspflege neben den Leistungen der häuslichen Pflegehilfe könnten nur erbracht werden, wenn der jeweilige Pflegebedürftige bereits vor der Verhinderungspflege Leistungen der häuslichen Pflegehilfe erhalten habe. Sei dagegen ursprünglich Pflegegeld bezogen worden, trete die Leistung der Verhinderungspflege an dessen Stelle. Der Versicherte und die Klägerin vertraten demgegenüber die Auffassung, ihnen stehe für häusliche Pflegeleistungen und für die notwendige Verhinderungspflege ein Betrag von insgesamt 2.425,00 DM zu, von dem bereits geleistete Zahlungen in Höhe von insgesamt 1.810,26 DM abzuziehen seien (Zahlungsaufforderung vom 08. Mai 1998).
In Höhe des sich daraus ergebenden Differenzbetrags von 614,74 DM hat der Versicherte am 04. Juni 1998 Klage vor dem AG Koblenz erhoben, die nach seinem Tod von der Klägerin weitergeführt wird und mit Beschluss vom 22. Juli 1998 an das Sozialgericht (SG) Osnabrück verwiesen worden ist. Ihre Klage hat die Klägerin im wesentlichen damit begründet, sie habe ab dem 29. September 1997 nicht mehr Pflegegeld, sondern häusliche Pflege beansprucht. Diese Leistung sei neben der so genannten Verhinderungspflege möglich und im vorliegenden Fall auch gerechtfertigt.
Das SG Osnabrück hat die Klage mit Urteil vom 30. Januar 2002 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die Klägerin könne neben der Verhinderungspflege keine zusätzlichen Leistungen in Gestalt häuslicher Pflegehilfe beanspruchen. Die Verhinderungspflege sei zwar auf die Erstattung eines Höchstbetrags von 2.800,00 DM für maximal 28 Tage im Jahr beschränkt, was zu ungerechten Ergebnissen führen könne, weil diese Beschränkung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung bei allen Pflegebedürftigen unabhängig von der Pflegestufe ohne Differenzierung in gleicher Weise eingreife; dies sei vom Gesetzgeber aber bewusst in Kauf genommen worden. Eine im Fall des Versicherten vorgenommene "Umwidmung" der Pflegeleistungen in Pflegesachleistungen für die Dauer der Verhinderung der Pflegeperson sei nicht möglich, weil dies auf eine bewusste Umgehung der gängigen Verwaltungspraxis hinaus liefe, die bei Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Verhinderungspflege von einem Ruhen des Pflegegeldanspruchs ausgehe. Außerdem würde in diesem Fall die in § 39 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) festgelegte zeitliche und summenmäßige Begrenzung der Verhinderungspflegeleistungen ausgehebelt werden. Eine Kumulierung von Pflegesachleistung und Verhinderungspflege könne es deshalb nur für den Fall der Verhinderung einer Pflegeperson geben, die den Pflegebedürftigen beständig neben der Pflege durch professionelle Pflegefachkräfte ehrenamtlich gepflegt habe.
Gegen das ihr am 27. Februar 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25. März 2002 Berufung bei dem Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung macht sie geltend, sie habe bereits mehr als sieben Wochen vor dem operativen Eingriff bei dem Beklagten beantragt, die Pflegegeldleistung auf die Kombinationsleistung umzustellen, ohne dass dieser hierüber rechtskonform entschieden habe. Eine gleichzeitige Erbringung von Leistungen der häuslichen Pflegehilfe neben der Verhinderungspflege stelle auch keine Aushebelung der Kostenbegrenzung für Pflegeleistungen dar, da sie summenmäßig begrenzt seien und ihre Erstattung mit Sinn und Zweck der Höchstbetragsregelung im Einklang stehe. Angesichts des Verwirrtheitszustandes des Versicherten habe sie sich rechtzeitig um Ersatz für die Zeit des Pflegeausfalls kümmern müssen, der vorhersehbar länger als 28 Tage gedauert habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 30. Januar 2002 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr 314,16 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 19. Mai 1998 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er ist mit dem angefochtenen Urteil der Auffassung, die in § 39 SGB XI festgelegten zeitlichen und summenmäßigen Begrenzungen der Verhinderungspflegeleistungen würden ausgehebelt, wenn man im Verhinderungszeitraum neben der Verhinderungspflege auch die Gewährung von Pflegesachleistungen anerkennen würde. Ein Anspruch auf Pflegesachleistungen neben der Verhinderungspflege sei deshalb allenfalls dann denkbar, wenn Pflegebedürftige vor der Verhinderungspflege Leistungen der häuslichen Pflege erhalten hätten und zusätzlich durch eine häusliche Pflegeperson gepflegt worden seien. Hierauf habe er auch auf die Schreiben der Klägerin vom August 1997 frühzeitig hingewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der vom Beklagten vorgelegten vorprozessualen Korrespondenz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig und begründet. Entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung steht der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung weiterer 314,16 Euro nebst Zinsen zu.
Die hierauf gerichtete Klage ist als isolierte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Die in § 17 Abs. 1 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die private Pflegepflichtversicherung - Bedingungsteil MB/PPV 1996 - (in der vor Juli 2000 geltenden Fassung) vorgesehene Klagefrist von 6 Monaten ab Ablehnung des geltend gemachten Anspruchs steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Denn nach Abs. 1 Satz 2 dieser Regelung beginnt die Frist erst, nachdem der Versicherer den Anspruch unter Angabe der mit dem Ablauf der Frist verbundenen Rechtsfolgen schriftlich abgelehnt hat. Ein derartiger Hinweis auf die Frist und die mit ihrem Ablauf verbundenen Folgen ist in keinem der vorliegenden vorprozessualen Ablehnungsschreiben des Beklagten enthalten.
Der gemäß § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf die Klägerin als Rechtsnachfolgerin des Versicherten übergegangene Anspruch auf Zahlung von 314,16 Euro hat seine Grundlage in dem zwischen dem Versicherten und dem Beklagten abgeschlossenen Pflegepflichtversicherungsvertrag i.V.m. § 4 Abse 1 und 6 MB/PPV 1996 und den zur Tarifstufe PVB vorgesehenen tariflichen Quoten. Gemäß § 4 Abs. 1 erhalten versicherte Personen bei häuslicher Pflege Ersatz von Aufwendungen zur Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung, die nach Ziffer 1 des Tarifs PV für Pflegebedürftige der Pflegestufe III bis zur Höhe von 2.800,00 DM erstattet werden. § 4 Abs. 6 sieht die Erstattung von Aufwendungen einer notwendigen Ersatzpflege für längstens 4 Wochen je Kalenderjahr vor, wenn eine Pflegeperson wegen Erholungsurlaubs, Krankheit oder aus anderen Gründen an der Pflege gehindert ist. Die erstgenannte Regelung entspricht der im Bereich der sozialen Pflegeversicherung vorgesehenen Pflegesachleistung nach § 36 SGB XI, die zweite Leistung der so genannten Verhinderungspflege gemäß § 39 SGB XI. Damit ist der Beklagte seiner sich aus § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XI ergebenden Pflicht nachgekommen, Vertragsleistungen vorzusehen, die nach Art und Umfang den Leistungen des 4. Kapitels des SGB XI gleichwertig sind. Sind - wie vorliegend - für einen sich im Ruhestand befindenden Versicherten Tarifleistungen nach der Tarifstufe PVB vereinbart, reduzieren sich die Tarifleistungen nach den Vorschriften des Tarifs PV auf 30 % der Regelleistungen.
Für den hier umstrittenen Zeitraum vom 29. September bis 10. November 1997 sind die tatbestandlichen Voraussetzungen sowohl der Verhinderungspflege als auch der häuslichen Pflegeleistung erfüllt. Die Klägerin hat für den unstreitig nach Pflegestufe III pflegebedürftigen Versicherten Verhinderungspflege nach § 4 Abs. 6 MB/PPV 96 beantragt. Dies ergibt sich aus den Schreiben vom 02. August 1997 - Antrag auf "Pflegevertretung" - und aus dem weiteren Schreiben vom 29. August 1997, mit dem sie sich ausdrücklich auf eine "Deckungszusage nach § 39 SGB XI" bezogen hat. Sie hat ferner die Wartezeit - Pflege mindestens von 12 Monaten vor der erstmaligen Verhinderung - erfüllt und war wegen des stationären Krankenhaus- und Rehabilitationsaufenthalts vom 29. September bis 10. November 1997 wegen Krankheit an der weiteren Pflege des Versicherten gehindert. Unstreitig ist schließlich auch, dass die von den Sozialen Diensten Nordhorn erbrachten 112 Stunden Verhinderungspflege des Versicherten dem Grunde nach notwendig gewesen sind. Dies unterliegt im Übrigen schon angesichts der im Gutachten von Dr. H. getroffenen Feststellungen, wonach der Versicherte "in hohem Maße generalisierter Aufsicht" bedürfe, keinen Zweifeln.
Auch die Voraussetzungen für die Erstattung der Kosten häuslicher Pflege nach § 4 Abs. 1 MB/PPV 1996 sind gegeben. Die Klägerin hat für den Versicherten entsprechende Leistungen bereits mit ihrem an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 02. August 1997 beantragt. Dies ergibt sich aus der in der Betreffzeile enthaltenen Formulierung "Antrag auf Kostenübernahmezusage für die Inanspruchnahme des ambulanten Pflegedienstes als Sachleistung und die anschließende Pflegevertretung". Mit Pflegedienstmaßnahmen als Sachleistung konnte nur die häusliche Pflegehilfe gemeint sein, die im Rahmen der sozialen Pflegeversicherung (§ 36 Abs. 1 SGB XI) von den Pflegekassen als Sachleistung zur Verfügung gestellt wird, während die private Pflegepflichtversicherung insoweit eine Erstattung der entstandenen Aufwendungen vorsieht. Dass nunmehr ein Aufwendungsersatz für häusliche Pflegeleistungen in Anspruch genommen werden sollte, ergibt sich auch aus dem weiteren Schreiben vom 29. August 1997, in dem sich die Klägerin ausdrücklich auf § 36 SGB XI berufen hatte.
Damit hat die Klägerin für den Versicherten von dem sich aus dem Zusammenhang des § 4 Abse 1 und 2 MB/PPV 1996 ergebenden Wahlrecht zwischen häuslicher Pflege und Pflegegeld in der Weise Gebrauch gemacht, dass sie sich für die voraussichtliche Zeit ihrer Verhinderung als Pflegeperson für Aufwendungsersatz für häusliche Pflegeleistungen statt Pflegegeld entschieden hat. Eine derartige nur vorübergehende Umstellung der Art der Pflegeleistungen war rechtlich auch möglich. Weder den vertraglichen Vorschriften noch den diesen gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XI zu Grunde liegenden Normen des SGB XI kann eine entgegenstehende Regelung entnommen werden. Eine zeitliche Einschränkung des Wahlrechts der Pflegeleistung ist lediglich in § 4 Abs. 5 Satz 4 MB/PPV 1996 (entsprechend: § 38 Satz 3 SGB XI) vorgesehen. Danach ist die versicherte Person, die sich für eine Kombination von Aufwendungsersatz für häusliche Pflege und Pflegegeld entschieden hat, an ihre Entscheidung, in welchem Verhältnis sie diese Leistungen in Anspruch nehmen will, für die Dauer von 6 Monaten gebunden. Mit dieser Vorschrift sollte zwar unvertretbarer Verwaltungsaufwand für die Pflegekassen vermieden werden, der durch zu häufigen Wechsel zwischen Sach- und Geldleistung entstehen könnte (Begründung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung zu § 34 des Entwurfs des SGB XI, BT-Drs 12/5952, S 40). Sowohl aus dem Wortlaut des § 38 SGB XI als auch aus der Gesetzesbegründung (a.a.O.) ergibt sich jedoch, dass dies nur für den ausdrücklich geregelten Fall der Kombinationspflege gelten sollte, so dass eine grundsätzliche zeitliche Einschränkung des Wahlrechts hieraus nicht abgeleitet werden könnte (ebenso: Leitherer in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Lsbls. - Stand 01. Mai 2003 -, § 37 SGB XI Rdnr 16). Selbst wenn man von einer ausdehnenden Anwendung der Regelung auf alle Fälle einer Wahl zwischen verschiedenen Pflegeleistungen ausgehen würde (so wohl: Vogel in: LPK - SGB X, 1998, § 38 Rdnr 16), stünde dies vorliegend nicht dem Wechsel zur häuslichen Pflegeleistung entgegen, sondern könnte allenfalls zur Unbeachtlichkeit einer bereits 1 1/2 Monate später - nach Abschluss der stationären Behandlung der Klägerin - erneut geänderten Wahlentscheidung -wieder Zahlung von Pflegegeld- führen, die vorliegend jedoch nicht streitig ist.
Die Sozialen Dienste Nordhorn haben schließlich im hier fraglichen Zeitraum häusliche Pflegeleistungen (Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung) erbracht, deren Notwendigkeit unter Zugrundelegung der Pflegestufe III nicht bezweifelt wird. Ebenfalls unstrittig ist, dass die Sozialen Dienste mit einer Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hatten und damit gemäß § 4 Abs. 1 Satz 4 MB/PPV 1996 zur Erbringung häuslicher Pflege im Bereich der privaten Pflegepflichtversicherung berechtigt gewesen sind. Ebenso haben die Sozialen Dienste Nordhorn im hier maßgeblichen Zeitraum Leistungen der Verhinderungspflege erbracht.
Ob vorliegend sowohl die Kosten der häuslichen Pflege als auch die der Verhinderungspflege zu erstatten sind, hängt davon ab, in welchem Verhältnis die beiden Leistungen nach dem Regelungskonzept des SGB XI (das gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XI auch für die private Pflegeversicherung maßgeblich ist) zueinander stehen. Dabei könnte § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB XI einerseits als Spezialvorschrift gegenüber den §§ 36-38 SGB XI anzusehen und der dort verwandte Begriff "Ersatzpflege" damit so auszulegen sein, dass die gesamte Pflegetätigkeit der Pflegeperson, die diese bis zum Eintritt der Verhinderung erbracht hat, durch die dort vorgesehene Leistung "ersetzt" werden soll. Ist bisher Pflegegeld bezogen worden, träte damit allein die Leistung nach § 39 an dessen Stelle (die Weiterzahlung von Pflegegeld für die tatsächlich nicht pflegende Hilfsperson kann nicht erfolgen, vgl. BSG SozR 3-2500 § 56 Nr. 2); ein zusätzlicher (anteiliger) Ersatz bisheriger Pflegeleistungen durch Sachleistungen gemäß § 36 SGB XI wäre nicht möglich.
Gegen ein derartiges Verständnis sprechen andererseits jedoch das mit der Einführung des § 39 verfolgte gesetzgeberische Ziel und die systematische Stellung der Vorschrift innerhalb der Regelung häuslicher Pflegeleistungen. Wie bereits das Bundessozialgericht (BSG; SozR 3-3300 § 39 Nr. 3) hervorgehoben hat, hat die Verhinderungspflege den Zweck, dem aus familiärer oder ähnlicher Verbundenheit Pflegenden die Möglichkeit zum "Urlaub von der Pflege" oder zur Unterbrechung der Pflege im Fall eigener Erkrankung zu eröffnen, ohne die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen dadurch zu beeinträchtigen (Begrd. d. Entw. zu § 35, BT-Drs. 12/5262, S. 113). Zu diesen Bedürfnissen gehören jedoch nicht nur Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung, sondern auch sonstige Pflege- und Betreuungsmaßnahmen, die nicht in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, etwa die Beaufsichtigung geistig Behinderter (BSG SozR 3-3300 § 39 Nr. 2). Im Verhinderungsfall tritt der Anspruch nach § 39 daher nicht an die Stelle der ansonsten zu erbringenden häuslichen Pflegeleistungen, sondern enthält demgegenüber eine Zusatzleistung, mit der die weitgehende Aufrechterhaltung des bisherigen Betreuungsniveaus angestrebt wird. Dies erleichtert eine aus gesundheitlichen, Erholungs- oder ähnlichen Gründen notwendige Unterbrechung der Pflege und dient im Ergebnis der längerfristigen Absicherung der häuslichen Pflegebereitschaft. Dieser umfassendere Bezug der Verhinderungspflege wird insbesondere dadurch deutlich, dass § 39 angesichts der Beschränkung der der Pflegeversicherung zur Verfügung stehenden Beitragseinnahmen in zeitlicher und betragsmäßiger Hinsicht Höchstgrenzen vorsieht, die nicht nach den sich am Grundpflegebedarf orientierenden Pflegestufen differenziert werden. Als Gegengewicht zum erweiterten Leistungsumfang sieht die Vorschrift auf der Tatbestandsseite außerdem - gegenüber den Ansprüchen auf Sachleistungen bzw. auf Pflegegeld einschränkend - eine Wartezeit von 12 Monaten vor, in der die Pflegeperson den Pflegebedürftigen in seiner häuslichen Umgebung gepflegt haben muss.
Bei der o.a. engeren Auslegung der Vorschrift würden diese zusätzlichen Einschränkungen dagegen zu erheblichen Versorgungslücken der Pflegebedürftigen führen, die dem angeführten Sinn des § 39 widersprächen. Dies gilt insbesondere bei längeren Erkrankungen der Pflegeperson, die - wie vorliegend - eine Pflegevertretung für mehr als 4 Wochen erforderlich machen. Denn mit Ablauf dieses in § 39 Abs. 1 Satz 1 vorgesehenen Zeitlimits bzw. nach Ausschöpfung der Höchstsumme wären weder Kosten für eine Ersatzpflege zu erstatten noch Pflegegeld zu zahlen, so dass aus finanziellen Gründen häufig nur eine stationäre Unterbringung des Pflegebedürftigen (vgl z.B. § 42 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB XI) übrig bliebe. Dies widerspräche dem mit der Einführung der sozialen Pflegeversicherung bzw. der privaten Pflegepflichtversicherung verfolgten Grundsatz "ambulant vor stationär" (§ 3 Satz 1 SGB XI; vgl. hierzu auch die Begründung zum Gesetzentwurf des PflegeVG in BT-Drs 12/5262, S. 81).
Eindeutiger als in § 39 SGB XI kam dieser Inhalt in der Vorgängervorschrift § 56 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zum Ausdruck, in dessen Satz 1 klargestellt war, dass Verhinderungspflege über den Inhalt des Sachleistungsanspruchs nach § 55 SGB V a.F. hinaus beansprucht werden konnte und sich die damalige Höchstgrenze von 1.800,00 DM nur auf den Wert der Leistungen zur Verhinderungspflege beschränkte (§ 56 Satz 2 SGB V aF). Wenn § 39 SGB XI diese Formulierungen nicht enthält, kann hieraus eine inhaltliche Beschränkung des Anspruchs bei Verhinderung der Pflegeperson nicht abgeleitet werden; denn mit der Einführung des SGB XI ist gerade eine Stärkung der häuslichen Pflege gegenüber der früheren Rechtslage beabsichtigt worden, wie sich aus dem nunmehr in § 3 SGB XI ausdrücklich geregelten Vorrang der häuslichen Pflege ergibt.
Zu § 56 a.F. SGB V hat das BSG mit überzeugender Begründung entschieden, dass es zu einer Kumulierung von Pflegesachleistung und Verhinderungspflege kommen kann, wenn eine Pflegeperson verhindert ist, die den Pflegebedürftigen neben der Pflege durch professionelle Pflegekräfte ehrenamtlich gepflegt hat (BSG SozR 3-2500 § 56 Nr. 2; ebenso: Rehberg in: Hauck/Wilde, SGB XI, Lsbls - Stand: Mai 2003 -, § 39 Rdnr 6b; a.A. Leitherer a.a.O. § 39 SGB XI Rdnr 11). Dem Fall, dass bereits vor der Verhinderung der Pflegeperson Sachleistungen nach § 36 SGB XI erbracht worden sind, muss aber die vorliegende Konstellation gleichgestellt werden, in der diese Leistung erst aus Anlass der bevorstehenden Verhinderung beantragt wird. Schon im Hinblick auf Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) wäre es nicht zu rechtfertigen, nur im ersten Fall die Sachleistung weiter zu erbringen und zusätzlich Verhinderungspflegeleistungen zuzuerkennen, während der Pflegebedürftige, dessen Versorgung bislang allein von einer privaten Pflegeperson gewährleistet worden ist, im Verhinderungsfall auf die bloße Ersatzpflegeleistung entsprechend § 39 SGB XI beschränkt wäre, ohne die Möglichkeit zu haben, einen möglichst vollständigen Versorgungsersatz durch vorübergehende professionelle häusliche Pflegeleistungen zu erhalten. Damit würden gerade die Pflegebedürftigen benachteiligt, deren Pflege ausschließlich ehrenamtlich organisiert wird und deren Pflegepersonen sich häufig einem Höchstmaß an physischen und psychischen Belastungen aussetzen, um die notwendige Pflege sicherzustellen. Für eine derartige Schlechterstellung besteht kein Grund. Sie würde vielmehr der Intention des Gesetzgebers zuwider laufen, die Pflegebereitschaft von Angehörigen, Freunden oder Nachbarn zu fördern, indem für die ehrenamtliche Pflege Pflegegeld gezahlt wird (Begründung des Entwurfs zu § 33 SGB XI, BT-Drs 12/5262 S 112). Diese Schlechterstellung könnte zwar u.U. vermieden werden, indem die Pflegeleistungen kurze Zeit vor Beginn der Verhinderung von Pflegegeld auf Pflegesachleistungen umgestellt werden. Von dieser Möglichkeit könnten aber wiederum nur die Pflegepersonen Gebrauch machen, deren Ausfall planbar ist (etwa im Fall eines Erholungsurlaubs), während die Personen, die etwa als Folge eines Unfalls oder bei schwerer Krankheit unvorhersehbar ausfallen, diese Möglichkeit nicht hätten; hierin läge eine sachlich nicht hinnehmbare weitere Benachteiligung besonders schwer betroffener Personenkreise.
Auf Grund von § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB XI gilt das Gesagte auch im - vorliegend entscheidenden - Verhältnis zwischen § 4 Abs. 1 und Abs. 6 MB/PPV 1996. Damit ist der Beklagte dem Grunde nach verpflichtet, die Kosten der im Oktober 1997 erbrachten Verhinderungspflege und der im selben Zeitraum erbrachten häuslichen Pflegeleistungen zu erstatten.
Der geltend gemachte Zahlungsanspruch steht der Klägerin schließlich auch der Höhe nach zu. Von den für September 1997 in Rechnung gestellten Grundpflege- und Hauswirtschaftskosten von insgesamt 539,61 DM war der dem Tarif PVB entsprechende Anteil von 30 % zu zahlen, mithin 161,88 DM. Dasselbe gilt für die im November 1997 erbrachte häusliche Pflege, für die 1.942,78 DM in Ansatz gebracht worden sind, woraus sich eine vertragliche Quote von 582,83 DM ergibt. Beide Beträge bleiben unterhalb der in der Tarifstufe PVB für die häusliche Pflege vorgesehenen Höchstgrenze von 840,00 DM im Monat. Die für Oktober 1997 in Rechnung gestellten Kosten der Grundpflege- und hauswirtschaftlichen Leistungen (von insgesamt 2.800,10 DM) und die der Verhinderungspflege sind ebenfalls bis zu dieser Grenze, -dh in Höhe von 2 x 840,00 DM- zu erstatten.
Insgesamt ergibt sich hieraus ein Zahlungsanspruch in Höhe von 2.424,71 DM. Abzüglich der nach Angaben der Klägerin bereits geleisteten (insgesamt) 1.810,26 DM beträgt der vom Beklagten noch zu erfüllende Anspruch 614,45 DM bzw. 314,16 Euro. Der Frage, ob für den hier fraglichen Zeitraum entsprechend der Leistungsmitteilung des Beklagten vom 29. April 1998 eventuell nur 1.295,00 DM gezahlt worden sind, hatte der Senat nicht nachzugehen, weil die Klägerin ihren Leistungsantrag auf 314,16 Euro beschränkt hat.
Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus § 284 Abs. 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung bzw. aus § 288 Abs. 1 BGB in der bis zum 30. April 2000 geltenden Fassung. Die Zinszahlungspflicht beginnt mit der endgültigen Ablehnung der Leistung im Schreiben des Beklagten vom 19. Mai 1998.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG in der bis 01. Januar 2002 geltenden Fassung. Im Hinblick auf die Mehrkosten, die durch die ursprüngliche Anrufung des AG Koblenz entstanden sind, folgt die Kostenentscheidung aus § 17 b Abs. 2 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG).
Der Senat hat gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG die Revision zugelassen.