Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 13.08.2003, Az.: L 3 P 9/02
Anspruch auf die Gewährung von Pflegegeld wegen Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I; Erforderlicher Zeitaufwand für die Pflege durch eine ungelernte Person von wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten; Hilfe wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlich und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens; Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei der genannten Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich; Berücksichtigungsfähigkeit eines notwendigen Hilfsbedarfs bei dem Schneiden der Finger- und Fußnägel für die notwendige Pflegezeit
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 13.08.2003
- Aktenzeichen
- L 3 P 9/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 21042
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0813.L3P9.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Aurich - AZ: S 12 P 4/01
Rechtsgrundlagen
- § 37 Abs. 1 SGB XI
- § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB X
- § 15 Abs. 3 SGB XI
- § 17 Abs. 1 SGB XI
- § 14 Abs. 4 SGB XI
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Nach Pflegestufe I Pflegebedürftige sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität (so genannte Grundpflege) für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen.
- 2.
Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten beträgt, wovon auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Pflegegeld wegen Pflegebedürftigkeit nach der Pflegestufe I.
Bei der 1937 geborenen Klägerin besteht nach ärztlicher Auskunft (Bericht von Dr. E. vom 11. Dezember 2002) eine Schultersteife links, ein chronisches Lumbalsyndrom bei degenerativer Discopathie L5/S1, eine beginnende Retropatellararthrose beiderseits, ein chronisches rezidivierendes Zervikobrachialsyndrom, eine Unter- und Oberschenkelvarikosis mit beiderseitigem Lymphödem, ein ausgeprägtes psychovegetatives Syndrom mit Depressionen, eine Schilddrüsenvergrößerung sowie ein Zustand nach operativer Entfernung eines Mamma-Carzinoms, nach Herzrhythmusstörungen sowie nach einer operativ versorgten Fraktur des linken Sprunggelenks. Am 07. Februar 2000 stellte sie bei der Beklagten den Antrag auf Leistung von Pflegegeld. Die Beklagte holte daraufhin ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Niedersachsen (MDKN) ein, dessen Pflegefachkraft F. nach häuslicher Untersuchung der Klägerin am 02. Mai 2000 zum Ergebnis kam, diese benötige Hilfe beim Duschen, bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung, beim Aufstehen und Zubettgehen, beim An- und Auskleiden sowie beim Stehen; den diesbezüglichen Zeitaufwand für die Grundpflege gab sie mit 26 Minuten pro Tag an. Außerdem bestehe ein Zeitaufwand für die Hauswirtschaft von durchschnittlich 60 Minuten pro Tag. Die Beklagte wies daraufhin den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 22. Mai 2000 zurück, weil der zur Annahme der Pflegestufe I erforderliche Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten nach dem Gutachten des MDKN nicht erfüllt sei.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin mit Schreiben vom 02. Juni 2000 Widerspruch ein. Sie trug vor, wegen ihrer Antriebsschwäche sei es erforderlich, das Frühstück und die Medikamente ans Bett zu bringen, wodurch ein Pflegeaufwand von 10 Minuten entstehe. Weitere 20 Minuten seien erforderlich durch den Hilfsbedarf beim Aus- und Ankleiden mit Duschen, Haarewaschen und -trocknen sowie für das Wickeln der schmerzenden Handgelenke. Mittags müsse die Gummistrumpfhose aus- und angezogen werden, worauf 10 Minuten entfielen. Abends seien die Strumpfhose auszuziehen und die schmerzenden Beine einzureiben, was einen Pflegebedarf von 5 Minuten ausmache. 15 Minuten seien erforderlich für Begleitung und Hilfe bei zwei nächtlichen Toilettengängen. Weitere 10 Minuten entfielen schließlich auf das einmal wöchentlich erforderliche Schneiden der Fußnägel.
Die Beklagte holte im Widerspruchsverfahren ein weiteres MDKN-Gutachten (Pflegefachkraft G. ) ein, in dem - nach häuslicher Untersuchung der Klägerin am 04. Oktober 2000 - Hilfsbedarf beim Duschen sowie beim An- und Auskleiden im Umfang von insgesamt 18 Minuten täglich festgestellt wurde. Der Zeitaufwand für die hauswirtschaftlichen Verrichtungen wurde mit 30 Minuten täglich bemessen. Unter Hinweis auf das Ergebnis dieses Gutachtens wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05. Dezember 2000 zurück. Dabei führte sie u.a. aus, dass das Schneiden der Fußnägel sowie das Wickeln der Handgelenke und die Gabe von Medikamenten nicht zu den vom Gesetzgeber bezeichneten Verrichtungen gehörten, die für die Ermittlung der maßgeblichen Pflegezeit herangezogen würden.
Gegen den am 05. Dezember 2000 abgesandten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin mit Schreiben vom 11. Dezember 2000 Klage erhoben, die spätestens am 18. Dezember 2000 bei der Beklagten eingegangen ist; diese hat die Klage an das Sozialgericht (SG) Aurich weitergeleitet. Im Klageverfahren hat die Klägerin an ihrem Vorbringen zur notwendigen Pflege festgehalten, wobei sie den Zeitaufwand mit ca. 60 Minuten angegeben hat. Die Beklagte hat während des Klageverfahrens ein weiteres Gutachten des MDKN (Pflegefachkraft H. ) auf der Grundlage einer häuslichen Untersuchung der Klägerin vom 09. Mai 2001 eingeholt. In dem Gutachten wird Hilfsbedarf beim Duschen, beim Aufstehen und Zubettgehen sowie beim An- und Auskleiden an-genommen, wobei der für die Grundpflege erforderliche Zeitaufwand mit 22 Minuten täglich bemessen wird. Außerdem bestehe ein Aufwand für die Hauswirtschaft von ca. 30 Minuten pro Tag. Die Klägerin werde nachts aus Sicherheitsgründen von ihrem Ehemann zur Toilette begleitet, aus pflegerischer Sicht sei dies jedoch nicht erforderlich.
Das SG Aurich hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 10. Januar 2002 abgewiesen. Der Pflegebedarf der Klägerin erreiche im Bereich der Grundpflege nicht die gesetzliche Mindestdauer von mehr als 45 Minuten. Dies ergebe sich aus den Feststellungen des MDK, der die Klägerin durch drei verschiedene Pflegefachkräfte habe begutachten lassen. Der dabei festgestellte Hilfebedarf sei unter Annahme der günstigsten Zeitansätze mit einem Zeitaufwand im Bereich der Grundpflege von 24 Minuten verbunden. Dabei sei davon auszugehen, dass aus pflegerischer Sicht ein Hilfebedarf bei nächtlichen Toilettengängen nicht erforderlich sei.
Gegen den ihr am 24. Januar 2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 30. Januar 2002 Berufung eingelegt. Sie weist erneut auf den ihrer Ansicht nach zu gering bemessenen Zeitaufwand hin, mit dem nicht das Beziehen des Bettes, das Wäschewaschen, Einkaufen und vieles mehr berücksichtigt worden sei. Außerdem liege sie an manchen Tagen wegen ihrer Herzbeschwerden im Bett und könne gar nichts verrichten.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Aurich vom 10. Januar 2002 und den Bescheid der Beklagten vom 22. Mai 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr ab 07. Februar 2000 Pflegegeld unter Zugrundelegung der Pflegestufe I zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der bestehende Hilfebedarf bei den vom Gesetzgeber bezeichneten Verrichtungen sei durch das SG Aurich zutreffend ermittelt worden. Selbst unter Annahme günstigster Zeitansätze und unter Berücksichtigung der Angaben der Klägerin habe sich kein Hilfebedarf ergeben, der die zeitlichen Voraussetzungen für die Einstufung in eine der Pflegestufen erreicht habe.
Der Senat hat Befundberichte des Frauenarztes Hoppmann (vom 06. Dezember 2002) sowie des Arztes Dr. E. (vom 11. Dezember 2002) eingeholt, in denen ein Hilfebedarf der Klägerin verneint worden ist.
Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Die Beklagte hat die Gewährung von Pflegegeld im angefochtenen Bescheid vom 22. Mai 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Dezember 2000 zu Recht abgelehnt; dies hat das SG Aurich in seinem Gerichtsbescheid vom 10. Januar 2002 zutreffend erkannt.
Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Pflegegeld setzt gemäß § 37 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - SGB XI - mindestens das Vorliegen von Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe I voraus. Nach Pflegestufe I Pflegebedürftige sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität (so genannte Grundpflege) für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI). Dabei ist gemäß § 15 Abs. 3 SGB XI außerdem notwendig, dass der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten beträgt, wovon auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen müssen.
Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin nicht vor; der bei ihr vorliegende Grundpflegebedarf bedingt einen Zeitaufwand von deutlich weniger als 45 Minuten täglich. Dies ergibt sich aus den bereits von der Beklagten eingeholten Gut-achten des MDKN, den eigenen Angaben der Klägerin und den vom Senat eingeholten ärztlichen Befundberichten.
Sowohl nach ihren eigenen Ausführungen als auch nach den drei Gutachten des MDKN benötigt die Klägerin Teilunterstützung beim täglichen Duschen. Diese betrifft insbesondere das Waschen des Rückens und des Unterkörpers sowie das - als Bestandteil der Verrichtungen Waschen/Duschen/Baden anerkannte (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 15) - Haarewaschen; an der selbstständigen Ausführung dieser Verrichtungen ist die Klägerin durch die glaubhaften und ärztlich bestätigten Beschwerden insbesondere im Bereich der Schulter und der Wirbelsäule gehindert. Der hierfür anzusetzende Zeitaufwand ist unter Beachtung der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (BegRiLi) zu schätzen; diese Richtlinien sind auf der gesetzlichen Grundlage des § 17 Abs. 1 SGB XI ergangen und gewährleisten eine Gleichbehandlung aller Pflegeversicherten bei der Beurteilung ihres Hilfsbedarfs. Die BegRiLi gehen für die Hilfe beim Duschen in Gestalt der vollständigen Übernahme dieser Verrichtung von einem Zeitaufwand von 15 bis 20 Minuten aus, wobei ein- bis zweimaliges Haarewaschen pro Woche (einschl. der Haartrocknung) mit berücksichtigt ist. Innerhalb dieses Zeitrahmens ist es nicht zu beanstanden, wenn im letzten Gutachten des MDKN (vom Mai 2001) ein Zeitaufwand für die notwendige Teilhilfe von 8 Minuten in Ansatz gebracht wird.
Soweit die Klägerin angibt, sie benötige wegen Angst und Schwindel zweimal in der Nacht Begleitung und Hilfe beim Gang zur Toilette, kann dies nicht als notwendiger Pflegeaufwand anerkannt werden. Die Pflegefachkraft H. hat insoweit in ihrem MDKN-Gutachten vom Mai 2001 angegeben, die nächtliche Begleitung zum WC sei aus pflegerischer Sicht nicht erforderlich, sondern erfolge als Vorsichtsmaßnahme bzw. aus Sicherheitsgründen, wobei auf Herzrhythmusstörungen (HRS) hingewiesen worden ist. Der behandelnde Arzt Dr. E. hat in seinem Befundbericht vom 11. Dezember 2002 jedoch nur einen "Zustand nach Arrhytmia absoluta bei Vorhofflimmern" angegeben und auf subjektive Beschwerden (Herzklopfen und Herzbeklemmung) hingewiesen, aber keine objektiven Befunde angeführt, die für eine gegenwärtig bestehende ernsthafte Beeinträchtigung durch eine Herzerkrankung sprächen. Ein Krankheitsbild, das gegenwärtig einen ständigen Hilfsbedarf für mindestens sechs Monate (§ 14 Abs. 1 SGB XI) auslöst, ergibt sich daraus nicht. Auch ein krankheitsbedingter Schwindel, der wegen der ansonsten drohenden Sturzgefahr eine nächtliche Begleitung zur Toilette objektiv erforderlich machen könnte, wird weder durch Dr. E. noch durch den Arzt I. angegeben.
Weiterhin geht der Senat mit dem MDKN-Gutachten vom Mai 2001 davon aus, dass die Klägerin wegen ihrer Rückenschmerzen einer unterstützenden Hilfe beim Aufstehen bedarf. Entsprechende Beschwerden sind durch die Mitteilung einer Schultersteife links und eines chronischen Lumbalsyndroms sowie eines chronischen rezidivierenden Zervikobrachialsyndroms durch Dr. E. bestätigt. Da die hierdurch erforderliche Unterstützung in einer kurzen Hilfestellung beim Erheben der Klägerin besteht, ist der vom MDKN angesetzte Zeitaufwand von einer Minute je Hilfestellung nachvollziehbar. Allerdings war zu berücksichtigen, dass sich die Klägerin nicht nur beim morgendlichen und beim mittäglichen Aufstehen, sondern auch bei ihren zweimaligen nächtlichen Toilettengängen erheben muss, sodass insgesamt vier Unterstützungshandlungen am Tag in Ansatz zu bringen sind. Hieraus folgt ein weiterer Hilfebedarf von insgesamt 4 Minuten täglich.
Nachvollziehbar ist weiterhin, dass die Klägerin - nach den insoweit übereinstimmenden Angaben in allen MDKN-Gutachten - der Hilfe beim Anlegen und Ausziehen der Kompressionsstrumpfhose bedarf. Berücksichtigt man, dass das voll-ständige Ankleiden des Unterkörpers nach den BegRiLi mit 5 bis 6 Minuten und das vollständige Entkleiden des Unterkörpers mit 2 bis 3 Minuten in Ansatz zu bringen ist, ist es nachvollziehbar, wenn im MDKN-Gutachten vom Mai 2001 für das Anlegen der Strumpfhose ein Zeitaufwand von 4 Minuten und für das Ausziehen ein solcher von 2 Minuten geschätzt worden ist. Legt man insoweit das Vorbringen der Klägerin im Widerspruchs- und Klageverfahren zu Grunde, wonach An- und Ausziehen der Strumpfhose offensichtlich zweimal täglich erfolgt, ergibt sich hieraus ein Zeitaufwand von 8 Minuten für das Anziehen und 4 Minuten für das Ausziehen. Die außerdem nach den Angaben der Pflegefachkraft H. notwendige Unterstützung beim Schließen des BH beschränkt sich auf einen zeitlichen Akt von minimaler Dauer, der diese Minutenanzahl nicht erhöht.
Eine Unterstützung der Klägerin bei der Ernährung ist nicht erforderlich. Die Pflegefachkraft F. hat im ersten MDKN-Gutachten vom Mai 2000 zwar die Notwendigkeit einer Teilunterstützung beim Brot schmieren und Fleisch klein schneiden ("je nach Befinden") bejaht. Hierfür findet sich jedoch in den ärztlichen Angaben zum Krankheits- und Behinderungsbild der Klägerin keine Stütze. Insbesondere Dr. E. bestätigt keine mit dauernden Einschränkungen einhergehende Behinderungen der Hände oder Unterarme, auch nicht im Hinblick auf die von der Klägerin geltend gemachten Handgelenksschmerzen. Vielmehr ist in den späteren MDKN-Gutachten festgestellt worden, dass die Klägerin selbst kocht. Auch daraus, dass sie im Widerspruchsverfahren mitgeteilt hat, sie benötige wegen einer Antriebsschwäche "Frühstück ans Bett", könnte ein Pflegeaufwand im Hinblick auf ein möglicherweise erforderlich werdendes mundgerechtes Zubereiten der Nahrung nicht abgeleitet werden. Denn die Ärzte I. und Dr. E. berichten zwar von depressiven Verstimmungen bzw. von einem ausgeprägten psychovegetativen Syndrom mit Depressionen, nicht jedoch von einer derart schweren Depressions-Erkrankung, dass ein aus Krankheitsgründen unabänderliches Verbleiben im Bett erklärbar wäre.
Den eingeholten Befundberichten ist schließlich auch nicht zu entnehmen, dass der Gesundheitszustand der Klägerin in den drei Gutachten des MDKN unzutreffend beurteilt worden wäre oder dass sich ihr Gesundheitszustand demgegenüber aktuell verschlechtert hätte.
Der weiterhin geltend gemachte Hilfebedarf bei der Medikamentengabe, beim Wickeln der Handgelenke oder bei Einreibungen der Beine kann aus Rechtsgründen nicht berücksichtigt werden, weil es sich hierbei um Maßnahmen der so genannten Behandlungspflege handelt, die auf die unterstützende Therapie von Erkrankungen zielt. Diese ist jedoch nicht Aufgabe der sozialen Pflegeversicherung, die allein darauf gerichtet ist, die Befriedigung der existenziellen Grundbedürfnisse zu sichern. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 9 und Nr. 11) können Leistungen der Behandlungspflege deshalb allenfalls dann als Grundpflegebedarf anzuerkennen sein, wenn sie mit einer der in § 14 Abs. 4 SGB XI aufgezählten Grundpflege-Verrichtungen untrennbar verbunden sind oder mit ihr jedenfalls objektiv notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang stehen. Dies anzunehmen, besteht im vorliegenden Fall kein Anlass.
Schließlich ist auch die Unterstützung beim Schneiden der Fußnägel nicht zu berücksichtigen. Zu den in § 14 Abs. 4 SGB XI angeführten Verrichtungen, die bei der Bemessung des notwendigen Hilfsbedarfs zu berücksichtigen sind, zählen nur solche, die im Ablauf des täglichen Lebens, nicht jedoch in größeren Zeitabständen anfallen. Daher ist ein notwendiger Hilfsbedarf bei dem Schneiden der Finger- und Fußnägel für die notwendige Pflegezeit nicht berücksichtigungsfähig (Udsching, SGB XI, 2. Aufl, § 14 Rdnr 18).
Nach alledem kann im Fall der Klägerin lediglich für die notwendige Hilfe beim Duschen ein Zeitaufwand 8 Minuten am Tag, für die Unterstützung des Aufstehens ein solcher von 4 Minuten und für die Hilfe beim An- und Entkleiden ein Zeitaufwand von 12 Minuten anerkannt werden. Hieraus ergibt sich ein Zeitaufwand von insgesamt 24 Minuten am Tag. Dieser Hilfsbedarf im Bereich der Grundpflege liegt deutlich unterhalb der nach § 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI vorauszu-setzendenden Mindestdauer von 46 Minuten für die Grundpflege. Darauf, in welchem Umfang außerdem Hilfe und Unterstützung bei den hauswirtschaftlichen Verrichtungen erforderlich ist, kommt es dementsprechend nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.