Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.08.2003, Az.: L 1 RA 48/02
Auslegung eines Antrages auf ReHa; Bedürfnis nach Rechtssicherheit; Dispositionsbefugnis von Versicherten; Stammrecht auf Rente bzw. Übergangsgeld; Ergänzende Auslegung eines Anstellungsvertrages; Unterscheidung Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 27.08.2003
- Aktenzeichen
- L 1 RA 48/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 16540
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0827.L1RA48.02.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Stade - 22.01.2002 - AZ: S 4 RA 193/99
Rechtsgrundlagen
- § 46 Abs. 1 SGB I
- § 116 SGB VI
- § 25 Abs. 2 SGB VI
- § 99 Abs. 1 SGB VI
- § 71 BAT
Redaktioneller Leitsatz
Ein Rentenantrag kann noch nach Bekanntgabe der Verwaltungsentscheidung zurück genommen werden, jedoch nicht mehr nach Eintritt der Bestandskraft.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin auf von der Beklagten gewährtes vorgezogenes Übergangsgeld verzichten konnte, um dadurch einer Rückforderung für denselben Zeitraum bereits gezahlter und höherer Krankenbezüge seitens des Beigeladenen zu entgehen.
Die 1936 geborene Klägerin arbeitete als Lehrerin im Angestelltenverhältnis bei dem Beigeladenen. Ab dem 5. Februar 1997 wurde sie bei Magen-Darmbeschwerden, ständiger Müdigkeit, Licht- und Geräuschempfindlichkeit sowie Schmerzen im Hals- und Nackenbereich wegen "depressiver Episode" arbeitsunfähig (au) geschrieben. Ab dem Folgetag zahlte der Beigeladene (für die Dauer von 6 Monaten entsprechend dem Angestelltenverhältnis zu Grunde liegenden Bundesangestellten-Tarifvertrag - BAT -) das Gehalt in Form von Krankenbezügen fort. Nach Aufforderung durch ihre Krankenkasse, die DAK, stellte die Klägerin am 21. April 1997 bei der Beklagten den Antrag, ihr medizinische Leistungen zur Rehabilitation (Reha) zu gewähren. Die Beklagte bewilligte eine solche Maßnahme, die in der Zeit vom 11. September bis zum 23. Oktober 1997 durchgeführt wurde. Im Reha-Entlassungsbericht vom 6. November 1997 hieß es u.a., die Klägerin sei vor allem vor dem Hintergrund erlebter Kränkungen am Arbeitsplatz nicht mehr in der Lage, als Lehrerin an einer Grundschule zu unterrichten.
Auf weiteren Antrag der Klägerin gewährte die Beklagte nunmehr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) auf Grund eines am 5. Februar 1997 (Beginn der AU) eingetretenen Leistungsfalles. Die Rente wurde ausgehend von einem fiktiven Beginn (Reha-Antrag als fiktiver Rentenantrag) berechnet und für die Zeit ab dem 24. Oktober 1997 (Tag nach Beendigung der Reha-Maßnahme) laufend gezahlt bzw. nachgezahlt. Der Bescheid wurde bestandskräftig, nachdem die Klägerin zunächst Widerspruch erhoben, diesen jedoch wieder zurückgenommen hatte.
Mit dem Bescheid vom 26. November 1998 gewährte die Beklagte der Klägerin, die inzwischen für die Zeit ab dem 1. März 1998 Altersrente für Frauen bewilligt bekommen hatte, nachträglich vorgezogenes Übergangsgeld für den Zeitraum vom 12. April bis zum 10. September 1997 in Höhe von insgesamt 12.571,13 DM (für die davor liegende Zeit vom 1. März bis zum 11. April 1997 hatte die Beklagte anzurechnende und das Übergangsgeld übersteigende Einkünfte ermittelt; es bestand insoweit von vornherein kein Streit zwischen den Beteiligten). Von dem Gesamtbetrag entfielen auf die Krankenbezüge des Beigeladenen (für die Zeit vom 12. April bis zum 5. August 1997) 9.618,18 DM, auf das anschließend bis zum 10. September 1997 von der DAK gezahlte Krankengeld 2.952,95 DM. Die Beklagte führte in dem Bescheid gleichzeitig aus, die genannten Beträge würden nicht an die Klägerin, sondern an den Beigeladenen bzw. die DAK überwiesen.
Die Klägerin erhob Widerspruch und erklärte ausdrücklich, auf das Übergangsgeld zu verzichten. Es handele sich um eine von ihr nicht beantragte und somit aufgedrängte Leistung. Diese erweise sich als nachteilig, denn der Beigeladene habe bereits angekündigt, den Differenzbetrag zwischen dem Übergangsgeld und den höheren Krankenbezügen, eine Summe von 7.789,62 DM, zurückzufordern. Bezüglich des Krankengeldzeitraumes, also der Zeit vom 6. August bis zum 10. September 1997, werde der Übergangsgeldbescheid akzeptiert. Denn entsprechend den Erläuterungen der Beklagten werde andernfalls ein an dem Verzicht nicht beteiligter Sozialleistungsträger benachteiligt, hier die DAK.
Mit dem am 6. Oktober 1999 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 28. September 1999 wies die Beklagte den (Teil-)Widerspruch zurück. Sie führte aus, bezüglich der fortgezahlten Krankenbezüge sei ein Verzicht zwar grundsätzlich zulässig, hier stehe ihm jedoch entgegen, dass die Klägerin bereits mit Abschluss ihres Anstellungsvertrages - im Wege der Einbeziehung der tarifrechtlichen Bestimmungen des BAT - den Anspruch auf Übergangsgeld an den Beigeladenen als Arbeitgeber abgetreten habe.
Dagegen hat die Klägerin am 5. November 1999 Klage zum Sozialgericht (SG) Stade erhoben. Zur Begründung hat sie betont, bei Stellung des Antrages auf Reha-Leistungen nicht gewusst zu haben, dass im Falle einer späteren Feststellung von EU der Reha-Antrag als Rentenantrag fingiert und rentengleiches Ersatz-Übergangsgeld gezahlt werde. Es widerspreche ihrem Gerechtigkeitsempfinden, infolge der nur dem Beigeladenen im Erstattungswege zugute kommenden "rentenrechtlichen Wohltat" nicht nur keine Vorteile, sondern sogar Nachteile in Gestalt der von dem Beigeladenen angedrohten Rückforderung zu haben.
Das vom SG beigeladene Land Niedersachsen, vertreten durch das Landesamt für Bezüge und Versorgung, hat zu den Regelungen des § 71 BAT ausgeführt, der im Vorhinein vereinbarte Forderungsübergang solle es dem Arbeitgeber ermöglichen, einzelfallbezogen über die Frage der späteren Rückforderung zu entscheiden.
Das SG hat die Klage durch das Urteil vom 22. Januar 2002 abgewiesen. Die Beklagte habe den Antrag der Klägerin auf Reha-Leistungen zu Recht als Antrag auf Rente behandelt. Denn es habe sich - erst im Nachhinein - herausgestellt, dass die Klägerin bereits damals erwerbsunfähig gewesen sei. Der Anspruch auf (Ersatz-)Übergangsgeld habe sich auf dieser Grundlage aus den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuchs (SGB) VI zwangsläufig ergeben. Die Klägerin habe den (fiktiven) Rentenantrag vom 21. April 1997 nicht zurücknehmen können, da der Rentenbescheid vom 2. Februar 1998 bestandskräftig geworden sei. Auf das auf die Zeit der fortgezahlten Krankenbezüge entfallende Übergangsgeld habe die Klägerin nicht verzichten können. Der Anspruch der Klägerin sei nämlich bereits im Zeitpunkt seines Entstehens auf den Beigeladenen als neuen Gläubiger übergegangen. Gleichzeitig sei der Anspruch auf Zahlung der Krankenbezüge - in Höhe des die Übergangsgeldzahlung übersteigenden Anteils - untergegangen. Sinn und Zweck der Regelungen des BAT stünden dem von der Klägerin für sich reklamierten Wahlrecht - zwischen Krankenbezügen und Übergangsgeld - entgegen. Der im BAT geregelte Rechtsübergang würde regelmäßig leer laufen, wenn jedem Versicherten die Möglichkeit eingeräumt wäre, auf die Leistungen der Rentenversicherung zu verzichten mit der weiter gehenden Absicht, auf Kosten des Arbeitgebers die höhere Gehaltsfortzahlung endgültig in Anspruch zu nehmen.
Gegen das ihr am 6. Februar 2002 zugestellte Urteil richtet sich die Klägerin mit ihrer am 26. Februar 2002 eingegangenen Berufung. Diese begründet sie damit, aus den tarifrechtlichen Regelungen Folge gerade kein unmittelbarer Rechtserwerb des Beigeladenen. Vielmehr sei der Anspruch auf das Übergangsgeld zunächst in ihrer, der Klägerin, Person entstanden und erst nach einer "logischen Sekunde" und damit einem entsprechenden so genannten Durchgangserwerb auf den Beigeladenen übergegangen. Der Durchgangserwerb wiederum reiche aus, um wirksam auf das Übergangsgeld zu verzichten. Selbst wenn man zur Frage des Durchgangserwerbs bei Vorausabtretungen die einschränkende - vermittelnde - Ansicht vertrete, die rechtliche Grundlage für den Anspruch müsse bereits gelegt sein (nur dann Direkterwerb), müsse die Klägerin mit ihrem Verzicht Erfolg haben. Denn zurzeit der Einstellung bei dem Beigeladenen sei noch gar nicht abzusehen gewesen, ob jemals ein Anspruch auf Übergangsgeld bzw. Rente entstehen könne.
Im Übrigen streiten die Klägerin und der Beigeladene um Fragen der Verjährung des sich ggf. an den vorliegenden Rechtsstreit anschließenden Erstattungsbegehrens.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 22. Januar 2002 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 1999 zu ändern, soweit darin Übergangsgeld für die Zeit vom 12. April bis zum 5. August 1997 in Höhe von 9.618,18 DM zuerkannt wurde.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Weiteren Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Reha- und Rentenakten der Beklagten verwiesen. Diese Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht entgegen, dass die Klägerin keine Besserstellung auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts begehrt. Dabei bedarf es keiner Erörterung, ob die Klagebefugnis daraus folgt, dass sie mittelbar einen Vorteil auf dem Gebiet des Arbeitsrechts erstrebt, hier den Wegfall der Gefahr, einer nicht unerheblichen Rückforderung ausgesetzt zu sein. Denn beschwert und damit klagebefugt ist die Klägerin bereits deshalb, weil der Verzicht in § 46 Abs. 1 SGB I ausdrücklich als sozialversicherungsrechtlicher Anspruch (Gestaltungsrecht) vorgesehen ist und die Klägerin sich darauf stützt, einen derartigen Verzicht ausgesprochen zu haben.
Die Berufung war als in der Sache unbegründet zurückzuweisen. Denn die Beklagte hat in den angefochtenen Bescheiden den von der Klägerin ausgesprochenen Verzicht zu Recht als unwirksam behandelt und dem Beigeladenen das vorgezogene Übergangsgeld zu Recht zuerkannt. Letzteres folgt aus den vom SG zutreffend angewendeten Regelungen der §§ 25 Abs. 2, 116 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (Aufhebung durch Art. 1 des Gesetzes zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000, Bundesgesetzblatt I, Seite 1827). Der Antrag auf Reha gilt danach als Antrag auf Rente, wenn sich herausstellt, dass der Versicherte erwerbsunfähig ist und Leistungen zur Reha nicht erfolgreich gewesen sind. An Stelle der eigentlich im Nachhinein zu bewilligenden Rente erhielt der Versicherte Übergangsgeld von dem Zeitpunkt an, von dem an die Rente zu zahlen gewesen wäre. Hier wäre dies der 1. März 1997 gewesen, der Kalendermonat, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen vorlagen - bei gleichzeitig erfolgter Antragstellung binnen dreier Monate nach Eintritt des Leistungsfalls, § 99 Abs. 1 SGB VI.
Die Verzichtserklärung der Klägerin war - logisch vorrangig - zunächst dahin zu überprüfen, ob mit ihr konkludent der (fiktive) Rentenantrag vom 21. April 1997 zurückgenommen wurde. Es steht nichts im Wege, die Erklärung in dieser Weise auszulegen. Denn der Klägerin kam es allein darauf an, von den Leistungen der Beklagten loszukommen, auf welche Weise auch immer. Aus nachfolgendem Grund verhilft die Auslegung als Rücknahme der Klägerin allerdings tatsächlich nicht zum Ziel:
Der Rücknahme des Antrags steht die Bestandskraft des Rentenbescheides vom 2. Februar 1998 entgegen. Versicherte können nämlich einen Rentenantrag zwar noch nach Bekanntgabe der Verwaltungsentscheidung zurücknehmen, nicht jedoch mehr nach Eintritt der Bestandskraft (BSGE 76, 218, 221/222 m.w.N.). Dafür spricht, dass der Versicherte bis zum Eintritt der Bestandskraft, also bis zum Ablauf der Widerspruchsfrist, überlegen kann, ob er den Bescheid des Rentenversicherungsträgers angreift, um etwa höhere Zahlungen oder Zahlungen für einen längeren Zeitraum zu erreichen. Oft wird der Versicherte erst nach Erhalt des Rentenbescheides erkennen können, inwieweit seinem Begehren Rechnung getragen wurde. Um dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung zu tragen, ist es andererseits gerechtfertigt, die Dispositionsbefugnis mit Ablauf der Widerspruchsfrist enden zu lassen. Dies steht in Übereinstimmung mit der im späteren Prozess noch nach Verkündung des Urteils, jedoch nur bis zum Eintritt der Rechtskraft möglichen Rücknahme der Klage (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, § 102 SGG Rdnr. 6; BSG a.a.O.). Ohne dass es noch darauf ankäme, tritt im vorliegenden Fall hinzu, dass die Rücknahme ohne Zustimmung der Krankenkasse nicht mehr möglich gewesen wäre. Die Dispositionsbefugnis der Klägerin war insoweit gemäß § 51 SGB V eingeschränkt, auch soweit nicht die Krankenkasse, sondern der Arbeitgeber Begünstigter ist.
Aber auch im Wege des Verzichts kann die Klägerin nicht durchdringen. Dabei ist vorauszuschicken, dass dieser Verzicht nicht das Stammrecht auf Rente bzw. Übergangsgeld berühren würde, vielmehr lediglich die daraus fließenden Einzelansprüche. Der Verzicht könnte hier die Einzelansprüche auf das nach den §§ 25 Abs. 2, 116 SGB VI a.F. zustehende vorgezogene Übergangsgeld erfassen. Vorausgesetzt ist dabei, dass die Einzelansprüche im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Verzichts noch nicht erfüllt sind und deshalb als gegenwärtige fällige Ansprüche weiter bestehen (vgl. Eicher-Haase-Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, Band II, § 46 SGB I Anm. 2). Wäre der Verzicht wirksam, so würde er in dieser Gestalt ausreichen, um das von der Klägerin erstrebte Ziel zu erreichen. Denn nach § 71 Abs. 2 Satz 5 BAT hängt der Fortbestand des Anspruchs auf Krankenbezüge nicht von der Zubilligung des Stammrechts, sondern von der Zubilligung von Einzelansprüchen aus der gesetzlichen Rentenversicherung ab. § 46 Abs. 2 SGB I steht zunächst insoweit nicht entgegen, als es dort heißt, der Verzicht sei unwirksam, wenn durch ihn "andere Personen oder Leistungsträger" belastet werden. Denn der Beigeladene, der durch das Entfallen seiner Ansprüche gegen die Klägerin bzw. die Beklagte belastet würde, ist als Arbeitgeber und juristische Person des öffentlichen Rechts weder ein Sozialleistungsträger noch eine - natürliche - Person.
Die von der Klägerin im Widerspruchsverfahren abgegebene Verzichtserklärung ist aber deshalb unwirksam, weil sie in Anbetracht des § 71 BAT ins Leere geht. In § 71 Abs. 2 Satz 9 BAT heißt es ausdrücklich, dass die Ansprüche des Angestellten auf den Arbeitgeber übergehen. Zu den übergehenden Ansprüchen zählen gemäß dem vorausgehenden Satz "Bezüge auf Grund eigener Versicherung aus der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich rentenersetzenden Übergangsgeldes", also auch der hier in Rede stehende Anspruch der Klägerin nach den §§ 25 Abs. 2, 116 SGB VI a.F ... Richtig hat das SG dabei zu Grunde gelegt, dass der einzelne abtretbare Auszahlungsanspruch unmittelbar beim Abtretungsempfänger, hier also bei dem Beigeladenen, entsteht. Eine derartige globale Vorausabtretung ist zulässig, sie hat nach h.M. den sofortigen Rechtserwerb beim Zessionar zur Folge (vgl. Heinrichs in: Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 62. Auflage, § 398 BGB Rdnr. 11 m.w.N.; Armbrüster, Abtretung künftiger gesellschaftlicher Vermögensansprüche ...in: NJW 1991, Seite 606; Hauck/Haines, Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, K § 53 SGB I Rdnrn. 2a bis 3c). Selbst wenn man aber - so die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung - einen Durchgangserwerb annimmt (vgl. Heinrichs a.a.O.; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Band I, Allgemeiner Teil, § 34 III: Differenzierung danach, ob für die Forderung bereits ein Grund gelegt ist), wäre das Ergebnis nicht anders. Denn im Wege der ergänzenden Auslegung des Anstellungsvertrages unter Einbeziehung der Regelungen des BAT ist es der Klägerin verwehrt, den Verzicht auszusprechen. Sinn und Zweck der BAT-Norm ist es gerade, für Zeiten der Rentenberechtigung keine Krankenbezüge leisten zu müssen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat für den Streit der Parteien des Arbeitsvertrages in vergleichbarer Konstellation ausgeführt, Rente und Krankenbezüge schlössen sich gegenseitig aus. Der Versicherte könne nur entweder arbeitsunfähig krank oder aber erwerbsunfähig sein (BAG-Urteil vom 29. Juni 2000, Az: 6 AZR 50/99). § 71 BAT belastet insoweit von vornherein Krankenbezüge mit der Gefahr, anteilig in der eine spätere Rente oder späteres Übergangsgeld übersteigenden Höhe zurückgefordert zu werden. Auf jeweils aktuelle Kenntnis eines der Vertragsbeteiligten kommt es dabei nicht an. Bei alledem ist noch zu Gunsten der Klägerin unterstellt worden, dass der Grund für die Zahlung des Übergangsgeldes noch nicht gelegt war. Das stimmt zwar ohne weiteres für den Zeitpunkt des Abschlusses des Anstellungsvertrages, ist aber für den hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verzichtserklärung durchaus fraglich. Denn bis dahin war die Klägerin nicht nur arbeitsunfähig geworden, sondern hatte darüber hinaus bereits erfolglos eine Reha-Maßnahme absolviert.
Schließlich hat das SG zutreffend hervorgehoben, die Klägerin könne mit dem Argument, der Beklagten keine zusätzlichen Belastungen aufzuerlegen, nicht durchdringen. Die Beklagte hatte vorrangig vor der Frage eigener zusätzlicher Belastung den gesetzlichen Vorgaben und tarifvertraglichen Regelungen zu entsprechen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot tritt insoweit hinter die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Grundgesetz - GG -) abzuleitende Verpflichtung der Verwaltung zu gesetzmäßigem Handeln zurück.
Für den Ausgang des hier vorliegenden Rechtsstreits war es unerheblich, inwieweit die Klägerin dem Beigeladenen die Einrede der Verjährung entgegen halten kann, sofern in dem nachfolgenden Verfahren die anteiligen Krankenbezüge zurückgefordert werden. Eben so wenig war für den vorliegenden Rechtsstreit erheblich, ob der Beigeladene etwa vor dem Hintergrund nicht ausreichender Belehrungen und Vorbehalte bei der Auszahlung der Krankenbezüge im Ermessenswege ganz oder teilweise von der Rückforderung abzusehen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Es hat kein gesetzlicher Grund vorgelegen, die Revision zuzulassen, § 160 Abs. 2 SGG.