Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 27.08.2003, Az.: L 6 U 450/01
Anspruch auf Feststellung der Verschlimmerung der Folgen eines Arbeitsunfalls und Verletztenrente; Anspruch auf Aufhebung eines ablehnenden bestandskräftigen Bescheides über Verletztenrente wegen nachträglicher Verschlimmerung des Gesundheitszustandes
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 27.08.2003
- Aktenzeichen
- L 6 U 450/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 21175
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0827.L6U450.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Oldenburg - 25.10.2001 - AZ: S 71 U 194/99
Rechtsgrundlagen
- § 44 SGB X
- § 48 SGB X
- § 56 SGB VII
- § 142 Abs. 2 S. 2 SGG
Redaktioneller Leitsatz
Das bloße zeitnahe Auftreten von Beschwerden nach einem Unfall reicht für die Bejahung des Kausalzusammenhanges zwischen Schädigungsfolgen und Unfall nicht aus.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 25. Oktober 2001 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger begehrt Verletztenrente. Streitig ist, ob die ursprüngliche Ablehnung einer Rentengewährung rechtswidrig ist und/oder ob sich die Folgen des Arbeitsunfalls verschlimmert haben und deshalb nunmehr Rente zu gewähren ist.
Der im Mai 1942 geborene Kläger erlitt am 26. Mai 1989 auf dem Weg von der Arbeit nach Hause einen Verkehrsunfall. Er suchte am 29. Mai 1989 zunächst seinen Hausarzt Dr. C. auf und stellte sich am 12. Juni 1989 dem Durchgangsarzt Dr. D. vor. Dieser diagnostizierte ein Halswirbelsäulen (HWS)-Schleudertrauma. Er führte im weiteren Verlauf aus, dass der Kläger eine Distorsion der HWS II. Grades ohne neurologische Ausfälle erlitten habe. Es bestünden ein posttraumatisches cervikales Syndrom bei primär gestörtem System bzw. degenerativen Veränderungen sowie eine Verspannung der Nackenmuskulatur. Die Beschwerden an den rechten Körperteilen seien nicht mit dem Unfall zu erklären. Das Gleiche gelte für die Beschwerden und Schmerzen in der lumbalen Region. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis zum 12. Juni 1989 bestanden (Befundbericht vom 17. Mai 1990). Auf Veranlassung der Beklagten erstatteten die Ärzte für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. ihr Gutachten vom 21. Juni 1991 und die Ärztin für Radiologie Dr. F. ihr Gutachten vom 2. Oktober 1991. Mit Bescheid vom 23. Juli 1991 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 1991 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Unfallrente ab, da der Arbeitsunfall vom 26. Mai 1989 keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Grade hinterlassen habe. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: "Folgenlos ausgeheilte Zerrung im HWS-Bereich." Die degenerativen Veränderungen und Verkalkungsstrukturen im HWS-Bereich sowie die degenerativen Veränderungen in beiden Kniegelenken wurden weder im Sinne der Entstehung noch im Sinne der Verschlimmerung als Unfallfolgen festgestellt. Das Sozialgericht - SG - wies die dagegen gerichtete Klage nach Einholung eines Gutachtens des Arztes für Orthopädie Dr. G. vom 13. September 1993 mit Urteil vom 25. November 1993 ab. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde mit Beschluss des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen vom 10. November 1994 zurückgewiesen (Aktenzeichen S 7 U 70141/92 und L 3 U 29/94).
Im Juli 1997 beantragte der Kläger die Überprüfung der ablehnenden Rentenbescheide und nahm Bezug auf den Bericht der Radiologin Dr. H. vom 3. März 1997 und den Bericht des Arztes für Chirurgie Dr. I. vom 16. Juli 1997. Mit Bescheid vom 12. April 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juni 1999 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die nunmehr überreichten medizinischen Unterlagen bestätigten, dass der Unfall vom Mai 1989 lediglich zu einer folgenlos ausgeheilten Zerrung der HWS geführt habe. Den Unterlagen seien keine neuen medizinischen Erkenntnisse zu entnehmen, die zu einer anderen Beurteilung führen könnten. Außerdem sei auch keine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung der Unfallfolgen eingetreten.
Hiergegen hat der Kläger am 17. August 1999 Klage erhoben und geltend gemacht, er habe weiterhin starke Beschwerden im HWS-Bereich sowie im rechten Kniegelenk, die auf den Unfall vom Mai 1989 zurückzuführen seien. Diese Unfallfolgen hätten sich zwischenzeitlich auch verschlimmert. Er sei deshalb regelmäßig in der Behandlung der DRK-Klinik in J ... Das SG Oldenburg hat den Befundbericht des Rote-Kreuz-Krankenhauses J. vom 6. April 2000 und den Befundbericht des Dr. I. vom 2. August 2000 und dessen medizinischer Unterlagen beigezogen. Anschließend hat das SG Oldenburg das Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. K. vom 10. Juni 2001 eingeholt und im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2001 den Orthopäden Dr. G. als Sachverständigen gehört. Mit Urteil vom 25. Oktober 2001 hat das SG Oldenburg die Klage abgewiesen: Nach der Beweisaufnahme lasse sich nicht feststellen, dass die ablehnenden Bescheide aus dem Jahre 1991 rechtswidrig und deshalb von der Beklagten nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückzunehmen seien. Weder aus dem Arztbrief der Radiologin Dr. H. noch aus dem Bericht des Dr. I. seien neue Erkenntnisse für einen weiter gehenden Unfallschaden im Bereich der HWS zu entnehmen. Dieser Beurteilung stehe auch nicht der Verlust der nach dem Unfall angefertigten Röntgenaufnahmen entgegen, da diese ersten Röntgenaufnahmen in den Gutachten der Radiologin Dr. F. vom Oktober 1991 und in dem Gutachten des Dr. G. vom September 1993 ausgiebig beschrieben worden seien. Anhand dieser Auswertung sei sowohl Dr. K. als auch Dr. G. die Beurteilung des erneuten Antrags des Klägers möglich. Weiterhin lasse sich auch keine Verschlimmerung der Unfallfolgen feststellen. Die jetzt vorhandene zunehmende Degeneration der HWS, die die vom Kläger angegebenen Beschwerden verursache, sei allein den röntgenologisch nachgewiesenen altersbedingten Verschleißerscheinungen zuzuordnen. Ein Kausalzusammenhang mit der unfallbedingten, bereits 1989 folgenlos ausgeheilten Zerrung im Bereich der HWS lasse sich nicht begründen. Gegen dieses ihm am 15. November 2001 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11. Dezember 2001 Berufung eingelegt und vorgetragen, dass er seit dem Unfall fortwährend Beschwerden und Bewegungsbeeinträchtigungen im Bereich der HWS habe. Dieser zeitliche Zusammenhang sei für ihn ein sicheres Indiz für den Kausalzusammenhang dieser Beschwerden mit dem Unfall.
Der Kläger beantragt,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 25. Oktober 2001 und den Bescheid der Beklagten vom 12. April 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1999 aufzuheben,
- 2.
den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 1991 zu ändern,
- 3.
festzustellen, dass weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 26. Mai 1989 eine Bewegungs- und Belastungseinschränkung der Halswirbelsäule ist,
- 4.
die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v.H. der Vollrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 25. Oktober 2001 zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Mit Verfügungen der Berichterstatterin vom 19. Mai 2003 und vom 23. Juni 2003 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass der Senat die Berufung für unbegründet und eine weitere mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet und er deshalb beabsichtigt, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen. Ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte dieses wie auch des vorausgegangenen Verfahrens - S 7 U 70141/92 - und aus dem Rentenverfahren des Klägers - S 5 An 50162/94 des SG Oldenburg Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.
II.
Die statthafte Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Das SG Oldenburg hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig. Zum einen lässt sich nicht feststellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. September 1991 rechtswidrig und deshalb aufzuheben ist. Aus diesem Grunde hat der Kläger keinen Anspruch auf Rücknahme dieser Bescheide gemäß § 44 SGB X. Zum anderen lässt sich nicht feststellen, dass in der von der Beklagten anerkannte Unfallfolge (folgenlos ausgeheilte Zerrung im HWS-Bereich) eine Verschlechterung im Sinne von § 48 SGB X eingetreten ist. Der Kläger hat deshalb auch nach dieser Vorschrift keinen Anspruch auf Verletztenrente nach § 56 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).
Zur Vermeidung von Wiederholungen sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und nimmt stattdessen auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG Oldenburg vom 25. Oktober 2001 vollinhaltlich Bezug (§ 142 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ). Auch nach nochmaliger Durchsicht der umfangreichen medizinischen Unterlagen lässt sich nicht feststellen, dass die heute noch bestehenden Beschwerden im Bereich der HWS des Klägers auf den Unfall vom Mai 1989 zurückzuführen sind. Die den Kläger wiederholt und auch jetzt erneut im Klageverfahren untersuchenden Gutachter und Sachverständigen haben keinen strukturellen Schaden im Bereich der HWS des Klägers festgestellt, der auf den Unfall zurückgeführt werden kann. Das bloße zeitnahe Auftreten von Beschwerden nach einem Unfall reicht für die Bejahung des Kausalzusammenhanges nicht aus. Darüber hinaus belegt der Entlassungsbericht der Klinik L. vom 28. April 1989, dass der Kläger bereits vor dem Unfall über Beschwerden von Seiten der HWS geklagt hat und u.a. deshalb ein medizinisches Reha-Verfahren vom 28. März bis 25. April 1989 erforderlich war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Es liegt kein Grund vor, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG).