Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 21.08.2003, Az.: L 6 U 341/02

Zahlung von Verletztenrente wegen eines Arbeitsunfalls; Beschäftigung als Reinigungskraft; Verletzung am Steißbein beim Hinunterfallen einer Treppe; Stuhlinkontinenz und Harninkontinenz in der Folgezeit; Nachweis von Gesundheitsschädigungen und Nachweis einer Kausalität zwischen Gesundheitsschädigung und schädigenden Ereignis

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
21.08.2003
Aktenzeichen
L 6 U 341/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 21121
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0821.L6U341.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Aurich - 30.05.2002 - AZ: S 3 U 33/00

Redaktioneller Leitsatz

Während für die Beurteilung des Kausalzusammenhangs zwischen einer Gesundheitsstörung und einem Unfallereignis der Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ausreicht, muss die Gesundheitsstörung als solche voll bewiesen sein. Danach muss eine gesundheitliche Schädigung in so hohem Maße wahrscheinlich sein, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Aurich vom 30. Mai 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Die Klägerin begehrt die Anerkennung von Unfallfolgen und die Zahlung von Verletztenrente. Die 1939 geborene Klägerin rutschte am 14. Februar 1998 während ihrer Tätigkeit als Reinigungskraft aus und stürzte 3 Stufen einer Treppe hinab. Auf Veranlassung ihres Hausarztes Dr. C. führte der Arzt für Radiologie Dr. D. am 16. Februar 1998 eine röntgenologische Untersuchung des Kreuz- und Steißbeines durch. Nach seiner Beurteilung fand sich eine deutliche Konturunruhe mit Konturunterbrechung ohne nennenswerte Fehlstellung im distalen Anteil des Kreuzbeines, passend zu einer Fraktur. Dr. C. fand bei der Untersuchung (am 18. Februar 1998) keine äußere Verletzungen, sondern lediglich einen Druckschmerz über dem Steißbein (Bericht vom 18. Februar 1998) bzw. ein leichtes Hämatom und einen Druckschmerz über dem Kreuzbein (Bericht vom 2. April 1998). Ausweislich seines Berichtes vom 2. April 1998 traten beim Heilverlauf keine Komplikationen auf. Vom 23. bis 25. Februar 1998 befand sich die Klägerin wegen einer Analfissur und Hämorrhoiden 2. Grades in stationärer Behandlung im E. in F. (Bericht vom 2. April 1998). Eine am 7. April 1998 durchgeführte Kernspintomographie (MRT) ergab "bekannte Steißbeinfraktur mit Umgebungsödem, ansonsten regelrechter Befund des lumbalen und sakralen Spinalkanals, Bandscheibenprotrusion LWK 4/5 als Nebenbefund" (Bericht Dr. D. vom 9. April 1998).

2

Am 8. April 1998 stellte sich die Klägerin bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vor. Sie gab an, nach der Steißbeinfraktur den Stuhl nicht mehr halten zu können, außerdem liege eine Miktionsstörung vor. Dr. G. fand keine Reflexausfälle der unteren Extremitäten, aber eine komplette Sensibilitätsstörung für S3 bis S5, vorwiegend rechts. Die elektromyographische Untersuchung bei Ableitung aus dem M. sphincter ani externus habe Hinweise auf eine frische neurogene Schädigung ergeben. Dr. G. ging davon aus, dass es im Rahmen der Steißbeinfraktur zu einer Schädigung des Plexus lumbosacralis, speziell des Plexus coccygeus (Nervengeflecht am Steißbein) gekommen ist, wobei die Wurzeln von S1 bis S3 nicht wesentlich beteiligt seien (Berichte vom 20. April 1998 und 27. Januar 1999). Außerdem wurde die Klägerin seit 16. April 1998 wegen der Diagnosen "Zustand nach Steißbeinfraktur, fragliche Stuhlinkontinenz" von Dr. H. (unfallchirurgische Klinik des I.) behandelt. Am 8. Februar 1999 erfolgte eine urologische Untersuchung bei Dr. J., bei der eine Harninkontinenz erkennbaren Ausmaßes nicht zu objektivieren war. Die Beklagte holte das Gutachten von Dr. K. vom 5. Mai 1999 ein. Bei der Untersuchung gab die Klägerin seit dem Unfalltag bestehende Probleme beim Abführen und Wasserlassen an. Nach der Beurteilung der Gutachter steht der röntgenologisch nachgewiesene durchbaute Steißbeinbruch im Zusammenhang mit dem Unfall vom 14. Februar 1998. Auch ein Zusammenhang zwischen der Stuhlinkontinenz erscheine wahrscheinlich und sei in einem neurochirurgischen Zusatzgutachten zu klären. Ohne Berücksichtigung der Stuhl- und Harninkontinenz schätzten sie die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 0 v.H. Dagegen vertrat Dr. L. in dem neurochirurgischem Zusatzgutachten vom 24. Juli 1999 die Auffassung, dass gar keine Steißbeinfraktur vorgelegen habe. Die "Beschreibung einer bekannten Steißbeinfraktur mit Umgebungsödem" durch M. am 9. April 1998 sei falsch. Vielmehr habe schon am 7. April 1998 eine Markraumverfettung des Kreuzbeins (in Höhe von SWK4 und 5) und des Os coccygeum bestanden, eine knöcherne Läsion und eine davon ausgehende nervale Läsion könne deshalb ausgeschlossen werden. Der Befund sei vereinbar mit einem alten knöchernen Trauma, das zeitlich lange vor dem 14. Februar 1998 stattgefunden haben müsse. Entgegen den Feststellungen von Dr. G. liege auch keine Schädigung der sakralen Nervenwurzeln vor. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 25. August 1999 teilte Dr. N. mit, dass ihm bei der Begutachtung die Röntgenbilder von Dr. D. nicht vorgelegen hätten. Der Befund sei lediglich aus der Verwaltungsakte übernommen worden. Außerdem legte die Beklagte die Röntgenbilder dem beratenden Arzt Dr. O. vor. Auch nach dessen Beurteilung lässt die Röntgenaufnahme vom 16. Februar 1998 keine frische Steißbeinfraktur erkennen. Die Beklagte zahlte bis 30. Juni 1999 Verletztengeld. Mit Bescheid vom 12. Oktober 1999 erkannte sie als Folgen des Arbeitsunfalls vom 4. Februar 1998 eine folgenlos ausgeheilte Steißbeinprellung an und lehnte die Zahlung von Verletztenrente ab. Zur Begründung führte sie aus, die über den 14. April 1998 hinausgehenden Beschwerden, insbesondere die Stuhl- und Harninkontinenz, seien unfallunabhängige Erkrankungen. Im Widerspruchsverfahren legte die Klägerin die Stellungnahme von Dr. G. vom 10. November 1999 vor. Dr. G. berichtete über eine erneute elektromyographische Untersuchung des Musculus sphincter ani externus, die unauffällige Befunde ergeben habe. Er empfahl eine weitere urologische Untersuchung. Daraufhin holte die Beklagte das urologische Gutachten von Dr. P. vom 14. Januar 2000 ein. Nach dessen Beurteilung liegen bei der Klägerin eine motorische Instabilität der Blase und eine Störung der sensiblen Afferenz vor. Ein organischer Zusammenhang zwischen dem Treppensturz bzw. einer Steißbeinfraktur und dieser Störung der Blase sei nicht erklärlich. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Aurich holte das SG den Befundbericht von Dr. C. vom 9. Juni 2000 und von dem Urologen Dr. Q. (bei dem die Klägerin seit 10. Oktober 1997 in Behandlung war) vom 19. Juli 2000 ein. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 SGG hat das SG das internistisch-gastroenterologische Gutachten von Dr. R. vom 23. Februar 2001 eingeholt. Die Sachverständigen diagnostizierten eine Stuhlinkontinenz 2. bis 3. Grades, die sie auf den Arbeitsunfall zurückführten. Zur Begründung führten sie aus, nach üblicher Lehrmeinung könne es in Folge einer Steißbeinfraktur zu einer Verletzung des Plexus pudendus und des Plexus coccygeus kommen. Dies wiederum rufe Beschwerden und Symptome, wie sie von der Klägerin beschrieben würden, hervor. Die Klägerin sei dauerhaft nicht arbeitsfähig.

3

Außerdem hat das SG das internistische Gutachten von Prof. Dr. S. vom 1. Oktober 2001 nebst radiologischem Zusatzgutachten von Prof. Dr. T. vom 23. August 2001, neurologischem Zusatzgutachten von Prof. Dr. U. vom 3. Oktober 2001 und chirurgischem Zusatzgutachten von Dr. V. vom 1. Oktober 2001 eingeholt. Nach der Beurteilung von Prof. Dr. T. ist eine Steißbeinfraktur konventionell radiomorphologisch nicht nachgewiesen. Es fehle ein sicherer Frakturspalt, außerdem hätten sich bei den folgenden Kontrolluntersuchungen keine frakturtypischen Reparationsvorgänge gezeigt. Auch sei anhand der MRT-Untersuchungen vom 7. April 1998 und 6. Juli 1999 eine Nervenwurzelläsion oder eine Fraktur auszuschließen. Dr. V. diagnostizierte eine Stuhlinkontinenz. Als Ursachen kämen ein ausgeprägter Dammriss, drei weitere Geburten und die Hysterektomie in Betracht. Überlagert werde die muskuläre Inkontinenz durch das fehlende Anoderm mit folgender Gefühllosigkeit des Analkanales. Ursache hierfür könne die erst nach dem Unfall durchgeführte Hämorrhoidal-OP sein, ein Zusammenhang mit dem Unfallereignis bestehe nicht. Prof. Dr. U. fanden keinen Anhalt für eine akute neurogene Schädigung. Die elektromyographisch festgestellten leichtgradigen chronischen neurogenen Veränderungen seien bei einer älteren Patientin nicht als pathologisch zu bewerten. Eine chronische Dehnungsschädigung des Schließmuskels sei häufig Folge von Geburten, gynäkologischen Operationen, Hämorrhoidaloperationen und Obstipation. Die Stuhlinkontinenz sei nicht durch eine neurogene Schädigung zu erklären, weil die neurographischen Befunde des Nervus pudendus beidseits vollständig unauffällig seien und auch keine Hinweise auf das Vorliegen einer Polyneuropathie, einer radikulären Läsion oder einer lumbosakralen Plexusschädigung vorlägen. Eine Schädigung des Plexus coccygeus habe keine Stuhl- oder Harninkontinenz zur Folge, weil dieser an der Innervation der kontinenzerhaltenen Muskeln des Darmes oder der Harnblase nicht beteiligt sei. Prof. Dr. S. verneinte einen Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und den Inkontinenzbeschwerden. Eine Verschlechterung in diesem Zeitraum sei zufällig.

4

Das SG hat sich den Beurteilungen der im Klageverfahren gehörten Sachverständigen angeschlossen und die Klage mit Urteil vom 30. Mai 2002 abgewiesen. Gegen dieses am 24. Juni 2002 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 23. Juli 2002 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt. Sie weist darauf hin, dass die Inkontinenz sofort nach dem Unfall erstmals aufgetreten sei.

5

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

  1. 1.

    das Urteil des SG Aurich vom 30. Mai 2002 aufzuheben,

  2. 2.

    den Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2000 zu ändern,

  3. 3.

    festzustellen, dass folgende Gesundheitsstörungen Folgen des Arbeitsunfalls vom 14. Februar 1998 sind: - Zustand nach Fraktur des Steißbeines - Veränderungen im Bereich der Bandscheibensegmente L4/5 - Harninkontinenz - Stuhlinkontinenz

6

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Aurich vom 30. Mai 2002 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte hält das Urteil des SG und ihre Bescheide für zutreffend.

8

Die Beteiligten sind mit Verfügungen der Berichterstatterin vom 30. Mai 2003 und 24. Juli 2003 darauf hingewiesen worden, dass der Senat beabsichtigt, über die Berufung nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden. Ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakte Bezug genommen. Der Entscheidungsfindung haben die Verwaltungsakten der Beklagten zu Grunde gelegen.

10

II.

Der Senat konnte über die gemäß §§ 143 und 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Beschluss entscheiden, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (vgl. § 153 Abs. 4 SGG).

11

Das SG und die Beklagte haben zu Recht einen Anspruch der Klägerin auf Anerkennung ihrer Gesundheitsstörungen als Folge des Unfalls vom 14. Februar 1998 und auf Zahlung einer Verletztenrente verneint.

12

1.

Es lässt sich nicht feststellen, dass über die von der Beklagten anerkannte Steißbeinprellung hinaus weitere Gesundheitsstörungen mit Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 14. Februar 1998 zurückzuführen sind. Zu dieser Beurteilung kommt der Senat nach Auswertung der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten und den vorliegenden ärztlichen Berichten.

13

a)

Ein "Zustand nach Fraktur des Steißbeines" kann nicht als Unfallfolge anerkannt werden, weil nicht bewiesen ist, dass der Sturz der Klägerin am 14. Februar 1998 zu einer Fraktur geführt hat. Im Gegenteil haben die nachfolgenden Untersuchungen ergeben, dass die von Dr. D. am 16. Februar 1998 und 7. April 1998 gestellten Diagnosen ("Konturunruhe mit Konturunterbrechung ohne nennenswerte Fehlstellung im distalen Anteil des Kreuzbeines, passend zu einer Fraktur" bzw. "bekannte Steißbeinfraktur mit Umgebungsödem") unrichtig waren. Nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T. fehlen auf den Röntgenaufnahmen ein sicherer - eine Fraktur beweisender - Frakturspalt, ein Blutungsnachweis im Bereich der gesamten Region und (bei den folgenden Kontrolluntersuchungen) frakturtypische Reparationsvorgänge. Außerdem hat der Sachverständige darauf hingewiesen, dass anhand der MRT-Untersuchungen vom 7. April 1998 und 6. Juli 1999 eine Fraktur und eine Nervenwurzelläsion auszuschließen ist. Denn auf der MRT-Aufnahme vom 7. April 1998 ist im Bereich des Kreuz- und Steißbeins nicht - wie von Dr. D. beschrieben - ein Knochenödem erkennbar, sondern eine Markraumverfettung des Kreuzbeines. Auch Dr. L. hat darauf aufmerksam gemacht, dass durch die bereits am 7. April 1998 festgestellte Markraumverfettung des Kreuzbeines eine knöcherne Läsion und eine davon ausgehende nervale Läsion definitiv ausgeschlossen werden könne. Der Befund sei vereinbar mit einem alten knöchernen Trauma, das zeitlich lange vor dem 14. Februar 1998 stattgefunden haben müsse. Schließlich vermochte auch der beratende Arzt der Beklagten Dr. O. auf der Röntgenaufnahme vom 16. Februar 1998 keine frische Steißbeinfraktur zu erkennen.

14

b)

Die bei den Untersuchungen der Klägerin als Nebenbefund (vgl. z.B. Bericht Dr. D. vom 9. April 1998) festgestellten und von der Beklagten nicht als Unfallfolgen anerkannten Veränderungen des Bandscheibensegmentes L4/5 (Signalminderung der Bandscheibe, Retrospondylose, rudimentäres Bandscheibensegment LWK4/5, Bandscheibenprotrusion) lassen sich ebenfalls nicht auf den Unfall vom 14. Februar 1998 zurückführen. Denn es liegen keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, dass sich die Klägerin bei dem Sturz die Lendenwirbelsäule verletzt hat. Folglich hat auch keiner der behandelnden oder begutachtenden Ärzte einen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall diskutiert.

15

c)

Die von der Klägerin angegeben Harninkontinenz bzw. die von Dr. P. festgestellte motorische Instabilität der Blase und die Störung der sensiblen Afferenz lassen sich ebenfalls nicht mit Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 14. Februar 1998 zurückführen. Denn nach den Ausführungen von Dr. P. ist "ein organischer Zusammenhang zwischen dem Treppensturz bzw. einer Steißbeinfraktur und dieser Störung der Blase nicht erklärlich". Damit übereinstimmend haben Prof. Dr. W./Dr. X. herausgearbeitet, dass selbst unter der Annahme einer Fraktur des Steiß- oder Kreuzbeines hierdurch eine Harninkontinenz mangels Schädigung entsprechender Nervenstrukturen nicht verursacht werden könne (vgl. im Einzelnen S 21f des Gutachtens vom 3. Oktober 2001).

16

d)

Schließlich lässt sich die von Dr. V. diagnostizierte Stuhlinkontinenz nicht auf eine unfallbedingte Verletzung zurückführen.

17

- Eine knöcherne Verletzung (etwa eine Fraktur im Bereich des Steißbeins) liegt - wie ausgeführt - nicht vor.

18

- Die Gesundheitsstörung lässt sich auch nicht auf eine Schädigung nervaler Strukturen zurückführen. Nach der Beurteilung der Sachverständigen Prof. Dr. U. liegen lediglich elektromyographisch feststellbare leichtgradige chronisch neurogene Veränderungen vor, die bei einer Patientin im Alter der Klägerin nicht als pathologisch zu werten sind.

19

Eine durch den Unfall verursachte akute neurogene Schädigung haben die Sachverständigen nach umfangreichen klinischen und neurophysiologischen Untersuchungen für den Senat überzeugend ausgeschlossen. Nach ihren Erläuterungen ist die Stuhlinkontinenz im vorliegenden Fall nicht durch eine neurogene Schädigung zu erklären, weil die neurographischen Befunde des Nervus pudendus beidseits vollständig unauffällig waren und auch keine Hinweise auf das Vorliegen einer Polyneuropathie, einer radikulären Läsion oder einer lumbosakralen Plexusschädigung vorliegen. Zwar hat Dr. G. am 20. April 1998 nach Durchführung einer Elektromyographie eine akute neurogene Schädigung (des Plexus lumbosakralis, speziell des Plexus coccygeus) diagnostiziert. Prof. Dr. U. haben aber darauf aufmerksam gemacht, dass die elektromyographische Untersuchung bei einer Wiederholungsuntersuchung unauffällig war (vgl. Stellungnahme Dr. G. vom 10. November 1999) und dass der erste Befund nicht als pathologisch gewertet werden kann. Auch Dr. L. hat bei der kernspintomographischen Untersuchung der LWS eine Schädigung der sakralen Nervenwurzeln ausgeschlossen. Außerdem haben - wie bereits unter c) ausgeführt - Prof. Dr. U. darauf hingewiesen, dass eine Schädigung des Plexus coccygeus keine Stuhl- (oder Harn-)inkontinenz zur Folge hätte, weil dieser an der Innervation der kontinenzerhaltenden Muskeln nicht beteiligt ist. Außerdem haben Prof. Dr. U. und Dr. V. darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Fall andere Ursachen vorliegen, die die chronische Dehnungsschädigung des Schließmuskels bzw. die Stuhlinkontinenz hinreichend erklären. Es handelt sich dabei um einen ausgeprägten Dammriss, drei weitere Geburten, die 1971 durchgeführte Hysterektomie und die wenige Tage nach dem Unfall durchgeführte Hämorrhoidal- und Analfissur-OP.

20

Bei dieser Sachlage musste der Senat nicht aufklären, ob die Inkontinenz tatsächlich - anders als in sämtlichen ärztlichen Berichten dokumentiert - neu und akut am Tag nach dem Unfall aufgetreten ist, wie dies die Klägerin unter Benennung von Zeugen unter Beweis gestellt hat. Denn allein das Auftreten einer Gesundheitsstörung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit einem Unfall reicht zur Begründung des kausalen Zusammenhanges nicht aus, wenn - wie hier - alle anderen Umstände dagegen sprechen.

21

Eine für die Klägerin günstigere Beurteilung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. R., denn dieses Gutachten überzeugt den Senat nicht. Die Sachverständigen führen die Stuhlinkontinenz auf eine bei dem Unfall vom 14. Februar 1998 erlittene Steißbeinfraktur zurück. Diese Fraktur ist jedoch - wie ausgeführt - nicht nachgewiesen, sodass die weiteren Schlussfolgerungen der Sachverständigen keine Grundlage haben.

22

Der Senat musste der Anregung der Klägerin auf Einholung weiterer Sachverständigengutachten nicht nachgehen. Eine weitere Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Y. war nicht erforderlich, denn der Senat hält das Gutachten nicht für erläuterungsbedürftig. Auch die Klägerin hat die ihrer Ansicht nach klärungsbedürftigen Punkte nicht näher bezeichnet. Es bestand auch keine Veranlassung, ein weiteres Gutachten zu der Frage einzuholen, ob das Unfallereignis zu einer Drucklähmung von Nerven und in der weiteren Folge zu einer Stuhl- und Harninkontinenz geführt hat. Denn in den in diesem Verfahren durchgeführten umfassenden neurologischen Untersuchungen haben sich keine Hinweise auf eine entsprechende Nervenschädigung ergeben. Darauf hat bereits das SG hingewiesen.

23

2.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Verletztenrente. Die Gewährung einer Verletztenrente setzt voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge eines Arbeitsunfalls um wenigstens 20 v.H. gemindert ist (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Bei dem Unfall am 14. Februar 1998 hat die Klägerin lediglich eine Steißbeinprellung erlitten. Diese Verletzung war nach wenigen Wochen - und zweifellos nach Beendigung der Verletztengeldzahlung am 1. Juli 1999 - folgenlos abgeklungen, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin ist dadurch über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus nicht um 20 v.H. gemindert.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG; Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), sind nicht gegeben.