Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.08.2003, Az.: L 8 AL 180/02
Anspruch; Anspruchsentstehung; Arbeitsentgelt; Arbeitsentgeltanspruch; Auszahlung; Auszahlungszeitpunkt; Berechnung; Berücksichtigung; Betriebsvereinbarung; Einmalzahlung; Entstehung; erarbeitet; Erarbeitung; Erarbeitungsprinzip; Fälligkeit; Höhe; Insolvenzgeld; Insolvenzgeld-Zeitraum; Monat; Stichtagsregelung; Urlaubsgeld; zeitliche Zuordnung; Zeitpunkt; Zeitraum; Zuordnung; zusätzliches Urlaubsgeld; Zwölftelung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 28.08.2003
- Aktenzeichen
- L 8 AL 180/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 48415
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BSG - 18.03.2004 - AZ: B 11 AL 53/03 R
Rechtsgrundlagen
- § 183 Abs 1 S 1 SGB 3
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Eine Betriebsvereinbarung über die Zahlung eines zusätzlichen Urlaubsgeldes (50% des Urlaubsentgelts pro Urlaubstag) als Einmalbetrag zu einem bestimmten Stichtag im Jahr (§ 10 Manteltarifvertrag Druckindustrie) ändert nichts daran, dass diese Leistung unmittelbar an das Urlaubsentgelt und an die Urlaubsdauer anknüpft.
2. In diesen Fällen wird das zusätzliche Urlaubsgeld über das Insolvenzgeld ausgeglichen, soweit entsprechende Urlaubstage im Insolvenzgeldzeitraum tatsächlich gewährt werden. Das Fälligkeitsdatum des Einmalbetrages ist unerheblich.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 1. März 2002 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Frage streitig, in welcher Höhe ein zusätzliches tarifliches Urlaubsgeld als Insolvenzgeld (Insg) zu berücksichtigen ist.
Die 1956 geborene Klägerin war bei der Firma J. GmbH, H als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Manteltarifvertrag (MTV) für Angestellte der Druckindustrie in Niedersachsen und Bremen Anwendung. Durch Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 1. September 1999 (Aktenzeichen: 910 IN 360/99 -- 7) wurde über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet und Herr R, zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 31. Dezember 1999. Bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte die Klägerin Urlaub vom 26. März bis zum 6. April und vom 20. bis zum 27. Juli 1999 genommen; den Resturlaub nahm sie im Oktober und Ende Dezember 1999.
Die Urlaubsvergütung ist im MTV-Druckindustrie für Angestellte wie folgt geregelt:
"§ 10 Urlaubsbezahlung
1. Die Urlaubsbezahlung besteht aus dem Durchschnittsgehalt und dem zusätzlichen Urlaubsgeld. Urlaubsentgelt und zusätzliches Urlaubsgeld sollen in ungefährer Höhe des Nettobetrages als Abschlag gezahlt werden. Die endgültige Abrechnung der Urlaubsbezahlung erfolgt zum Zeitpunkt der nächsten Gehaltsabrechnung. Der Zeitpunkt der Auszahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes kann durch Betriebsvereinbarung festgelegt werden.
a) ... (Berechnung des Urlaubsentgelts)
b) Jedem Angestellten und Auszubildenden wird zum Gehalt bzw zur Ausbildungsvergütung ein zusätzliches Urlaubsgeld für jeden tariflichen und gesetzlichen Urlaubstag gezahlt. Das zusätzliche Urlaubsgeld beträgt pro Urlaubstag 50 % des vereinbarten Monatsgehalts (ohne Überstundenbezahlung und Überstundenzuschläge bzw pauschalisierte Überstundenvergütung) bzw der Ausbildungsvergütung geteilt durch 22.
2. Im Falle des Ausscheidens eines Angestellten während des Urlaubsjahres kann das zuviel gezahlte Urlaubsentgelt und das zusätzliche Urlaubsgeld bei der Endabrechnung einbehalten werden, wenn das Ausscheiden aufgrund einer Kündigung des Angestellten oder aufgrund einer berechtigten fristlosen Entlassung durch den Arbeitgeber erfolgt. Die Rückzahlung entfällt, wenn das Ausscheiden aufgrund einer fristgemäßen Kündigung seitens des Arbeitgebers oder aufgrund einer berechtigten fristlosen Kündigung seitens des Arbeitnehmers erfolgt."
Im Betrieb der Firma J. GmbH galt für die Auszahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes die Betriebsvereinbarung vom 15. Mai 1994:
"Auszahlungsmodus Urlaubsgeld
Mit dieser Vereinbarung wird die in den letzten Jahren gängige Praxis als Betriebsvereinbarung festgelegt.
Das bedeutet:
Das gesamte Jahresurlaubsgeld wird im Vormonat der als Haupturlaub angemeldeten Urlaubstage ausgezahlt, spätestens jedoch zum 31.06. des Jahres für die Gehaltsempfänger und zum 15.07. des Jahres für die Lohnempfänger."
Am 16. August 1999 beantragte die Klägerin die Gewährung von Insg. Das Gehalt für Juni 1999 wurde vom Arbeitgeber vollständig gezahlt; das Gehalt für Juli 1999 wurde durch die BHF-Bank bei Übertragung der Forderung gegen den Arbeitgeber vorfinanziert. Die Beklagte gewährte Insg entsprechend eines durch den Insolvenzverwalter für den Monat August 1999 bescheinigten offenen Gehaltsanspruchs von 5.453,26 DM brutto (3.018,35 DM netto), wobei darin neben einer anteiligen Sonderzahlung auch 3/12 Urlaubsgeld in Höhe von 611,95 DM brutto enthalten waren (Bescheid vom 1. Oktober 1999).
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein, weil nach ihrer Auffassung das volle Jahresurlaubsgeld als Insg zu berücksichtigen sei, weil dieser Betrag aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 15. Mai 1994 im Insg-Zeitraum fällig geworden sei. Der Widerspruch blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid vom 9. November 1999 führte die Beklagte aus, das Urlaubsgeld könne nur zu 3/12 berücksichtig werden, weil der MTV einen anteiligen Anspruch auf Urlaub und zusätzliches Urlaubsgeld je Kalendermonat vorsehe.
Das Sozialgericht (SG) Hannover hat der am 7. Dezember 1999 erhobenen Klage stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von weiterem Insg unter Berücksichtigung von 12/12 des Urlaubsgeldes verurteilt (Urteil vom 1. März 2002). In den Entscheidungsgründen hat das SG ausgeführt, das zusätzliche Urlaubsgeld sei als Einmal-Betrag am 15. Juli 1999 fällig geworden, weil die Klägerin im Jahre 1999 bis zum Insolvenzereignis ihren Haupturlaub noch nicht angetreten habe. Es handele sich um ein zusätzliches Arbeitsentgelt, dessen Zweckbestimmung nicht darin liege, den Urlaub zu gestalten. Durch die Stichtagsregelung in der Betriebsvereinbarung sei dieses komplett bei der Bemessung des Insg zu berücksichtigen, weil der Zeitpunkt der Zahlungsverpflichtung in den Insg-Zeitraum falle.
Gegen das am 25. April 2002 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. Mai 2002 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, das tarifliche Urlaubsgeld stelle eine zusätzliche Vergütung für die im Bezugsjahr geleistete Arbeit dar. Hierfür spreche der Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers für den Fall der Kündigung durch den Arbeitnehmer. Die anteilige Zahlung sei abhängig von der Beschäftigungsdauer. Die Betriebsvereinbarung regele nur den reinen Fälligkeitszeitpunkt der Leistung, der in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Rechtsnatur des zusätzlichen Urlaubsgeldes stehe.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 1. März 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin erwidert, durch die Zahlung des Urlaubsgeldes als Einmal-Betrag zu einem bestimmten Stichtag im Jahr sei eine Zuordnung zu einzelnen Monaten nicht möglich. Dadurch sei das Urlaubsgeld in voller Höhe als Insg zu zahlen, wenn die Fälligkeit in den Insg-Zeitraum falle.
Der Senat hat eine Auskunft vom Insolvenzverwalter R vom 6. Juni 2003 eingeholt. Danach hätte das zusätzliche Urlaubsgeld für die 6 Urlaubstage im Juli 1999 ohne Berücksichtigung der Betriebsvereinbarung vom 15. Mai 1994 326,36 DM brutto betragen. Eine weitere Forderung der Klägerin in Höhe von 7.764,10 DM sei zur Insolvenztabelle festgestellt worden, wobei darin nach der Forderungsaufstellung der Klägerin vom 22. Oktober 1999 auch 5/12 Urlaubsgeld in Höhe von 1.019,94 DM enthalten seien.
Wegen des umfassenden Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab 2. Januar 2002 geltenden Fassung statthaft, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,00 € übersteigt. Die Klägerin begehrt weiteres Insg für zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 1.835,82 DM brutto (9/12 des tariflichen Jahresurlaubsgeldes), also mehr als umgerechnet 1.000,00 DM netto. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG) und begründet. Sie führt zur Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils und zur Klageabweisung. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Insg.
Streitgegenstand ist der Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. November 1999, soweit sie bei der Berechnung des Insg das zusätzliche Urlaubsgeld nur zu 3/12 berücksichtigt hat. Die Klägerin begehrt mit dem erstinstanzlich gestellten Antrag die Abdeckung von 12/12 des Urlaubsgeldes für 1999 über das Insg. Darüber hinaus gehende offene Arbeitsentgeltansprüche für den Insg-Zeitraum macht die Klägerin nicht geltend. Die rechtliche Prüfung ist daher auf die insolvenzgeldrechtliche Zuordnung des zusätzlichen Urlaubsgelds zu beschränken.
Anzuwenden sind die Vorschriften des Sozialgesetzbuchs -- Arbeitsförderung -- (SGB III) in der ab 1. Januar 1999 gültigen Fassung, weil das Insolvenzereignis nach diesem Datum eingetreten ist (§ 430 Abs 5 SGB III). Gemäß § 183 Abs 1 Satz 1 SGB III haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg für offene Ansprüche auf Arbeitsentgelt für die dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses. Die Beklagte hat unter Berücksichtigung von 3/12 Urlaubsgeld in Höhe von 611,95 DM brutto diese Vorschrift nicht zu Lasten der Klägerin angewendet. Die Klägerin kann wegen eines offenen Anspruchs auf zusätzliches Urlaubsgeld kein höheres Insg verlangen.
Für die Zuordnung von Arbeitsentgeltansprüchen zum Insg-Zeitraum kommt es entscheidend darauf an, wann diese erarbeitet worden sind; der Zeitpunkt der Fälligkeit des Arbeitsentgeltanspruchs ist in diesem Zusammenhang grundsätzlich unerheblich (Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III-Kommentar, K § 183 Rdnr 83ff mwN). Dies folgt aus der Gesetzesformulierung "für die letzten drei Monate ..." und basiert auf der Überlegung, dass die Insg-Versicherung den Arbeitsentgeltanspruch ausgleichen soll, der vom Arbeitgeber für die im Insg-Zeitraum erbrachte Arbeitsleistung geschuldet wird. Lediglich wenn die Arbeitgebervergütung keiner Gegenleistung im Insg-Zeitraum entspricht, sondern einen anderen Zweck verfolgt (zB Jubiläumszuwendung für die 25-jährige Betriebszugehörigkeit) ist für die zeitliche Zuordnung ausnahmsweise der Fälligkeitszeitpunkt maßgebend. Bei Jahreszuwendungen ist entsprechend ihrer Eigenart und Ausgestaltung zu unterscheiden, ob eine Zuordnung zu einzelnen Kalendermonaten möglich ist (Bundessozialgericht -- BSG --, Urteil vom 9. Dezember 1997 -- 10 RAr 5/97 --, ZIP 1998, 481 = SGb 1998, 161) oder ob der Anspruch lediglich das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag voraussetzt (BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 1).
Das -- gesetzlich nicht geregelte -- zusätzliche Urlaubsgeld stellt eine über das Urlaubsentgelt (§§ 1, 11 Bundesurlaubsgesetz) hinausgehende Arbeitgeberleistung für die Dauer des Urlaubs dar, mit der die urlaubsbedingten Mehraufwendungen teilweise abgedeckt werden sollen (BAG AP Nr 11 zu § 2 BeschFG 1985 = NZA 1991, 346 [BAG 15.11.1990 - 8 AZR 283/89]). Ob das Urlaubsgeld vom Insg-Zeitraum erfasst wird, hängt von der konkreten Ausprägung dieser Vergütung im Einzelfall ab. Das zusätzliche Urlaubsgeld kann -- wie zB bei den Tarifmitarbeitern des öffentlichen Dienstes -- als urlaubsunabhängige Sonderzahlung ausgestaltet sein, welches als Einmal-Betrag unabhängig von der zeitlichen Lage des Urlaubs ausgezahlt wird; es handelt sich dann um eine urlaubsneutrale Jahresgratifikation (BAG AP TVG § 1 Tarifverträge: Einzelhandel Nr 68 = NZA 1999, 1223 [BAG 19.01.1999 - 9 AZR 204/98]), die ggf ohne Rücksicht auf deren Fälligkeit zu 3/12 als Insg ausgeglichen werden kann. Andere Tarifverträge (zB Bauindustrie und Metallindustrie) regeln das zusätzliche Urlaubsgeld als Teil der Urlaubsvergütung; es wird unmittelbar an das Urlaubsentgelt angeknüpft, so dass das zusätzliche Urlaubsgeld nur zu zahlen ist, wenn Urlaub tatsächlich gewährt wird und ein Anspruch auf Urlaubsvergütung besteht (BAG AP TVG § 1 Tarifverträge: Schuhindustrie Nr 5 = NZA 1998, 666 [BAG 21.10.1997 - 9 AZR 255/96]). In diesem Fall ist der Arbeitsentgeltanspruch insg-rechtlich dem Zeitraum zuzuordnen, in dem der Urlaub genommen wurde (BSG SozR 3-4100 § 141b Nr 6). Das gilt auch, soweit das zusätzliche Urlaubsgeld für die gesamte Urlaubszeit tarifvertraglich bereits vor Antritt des Urlaubs fällig geworden ist (BSG SozR 4100 § 141b Nr 2).
Das hier streitige zusätzliche Urlaubsgeld ist in § 10 MTV Druckindustrie Angestellte geregelt, der insoweit mit § 10 Ziffer 5 des MTV für die gewerblichen Arbeitnehmer der Druckindustrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland einschließlich der vereinbarten Durchführungsbestimmungen übereinstimmt. Danach besteht die Urlaubsbezahlung aus dem Urlaubsentgelt, welches nach einem bestimmten Durchschnittsgehalt ermittelt wird und dem zusätzlichen Urlaubsgeld. Das zusätzliche Urlaubsgeld wird für jeden tariflichen und gesetzlichen Urlaubstag gezahlt und beträgt pro Urlaubstag 50 % von 1/22 des vereinbarten Monatsgehaltes ohne Überstundenvergütung. Die Urlaubsvergütung ist als Nettoabschlag vor Beginn des Urlaubs zu zahlen und bei der nächsten Gehaltsabrechnung endgültig abzurechnen. Der Zeitpunkt der Auszahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes kann durch Betriebsvereinbarung festgelegt werden.
§ 10 MTV stellt also eine unmittelbare Verknüpfung des Urlaubsgeldes mit der Urlaubsgewährung und Urlaubsvergütung her. Dieses ist für jeden Urlaubstag zu zahlen, der tatsächlich genommen bzw bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses abgegolten wird. Nach der tarifvertraglichen Grundkonzeption teilt das zusätzliche Urlaubsgeld das Schicksal des Urlaubsentgelts. Dieses ist aber nur Insgesamt fähig, wenn im Insg-Zeitraum ein Anspruch auf Urlaubsvergütung besteht.
Abweichendes zu dieser Charakterisierung des zusätzlichen Urlaubsgeldes ergibt sich nicht aus der tarifvertraglichen Öffnungsklausel (§ 10 Ziffer 1 Satz 4 MTV Druckindustrie Angestellte). Danach kann der Zeitpunkt der Auszahlung des zusätzlichen Urlaubsgeldes durch Betriebsvereinbarung festgelegt werden. Für den gewerblichen Bereich haben die Tarifvertragsparteien Regelbeispiele für die abweichende Regelung angeführt, nämlich einmal im Jahr vor Antritt des längeren Urlaubsabschnittes oder an einem bestimmten Tag einmal im Jahr für alle Arbeitnehmer (§ 10 Ziffer 5 Abs 2 MTV Druckindustrie Arbeiter). Bei der Firma J. GmbH haben die Betriebsparteien von dieser Öffnungsklausel Gebrauch gemacht und durch Betriebsvereinbarung vom 15. Mai 1994 geregelt, dass das gesamte Jahresurlaubsgeld im Vormonat der als Haupturlaub angemeldeten Urlaubstage ausgezahlt wird, spätestens jedoch zum 31. Juni des Jahres für die Angestellten und zum 15. Juli des Jahres für die gewerblichen Arbeitnehmer.
Die Betriebsvereinbarung vom 15. Mai 1994 betrifft nur die Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes, also die Fälligkeit des zusätzlichen Urlaubsgeldes. Eine derartige Vereinbarung ändert nichts an den Voraussetzungen für das Entstehen des Anspruchs auf das zusätzliche Urlaubsgeld (so ausdrücklich zu dieser Tarifvorschrift: BAG vom 1. Oktober 2002 -- 9 AZR 215/01 -- in NZA 2003, 568). Betriebsrat und Geschäftsleitung des Arbeitgebers der Klägerin haben ihre Betriebsvereinbarung ausdrücklich in der Überschrift als "Auszahlungsmodus Urlaubsgeld" bezeichnet. Sie haben durch diese Vereinbarung die Tarifleistung zusätzliches Urlaubsgeld weder um einen weiteren Zweck ergänzt noch in der Höhe erweitert. Sie haben lediglich vereinbart, dass der gesamte Jahresbetrag an Urlaubsgeld am 31. Juni bzw 15. Juli des jeweiligen Jahres ausgezahlt wird, wenn der Haupturlaub nicht schon davor genommen worden ist.
Die auf Einmalbetrag modifizierten Auszahlungsmodalitäten haben insbesondere die Grundregel unangetastet gelassen, dass die Arbeitnehmer die Vorauszahlung des Jahresurlaubsgeldes nicht unabhängig von der Dauer des Urlaubsanspruchs behalten dürfen. Gemäß § 10 Ziffer 2 MTV Druckindustrie Angestellte muss der Arbeitnehmer bei Ausscheiden im Laufe des Kalenderjahres auf Grund eigener oder einer von ihm verschuldeten Kündigung des Arbeitgebers die zuviel erhaltene Urlaubsvergütung über die ihm zustehende Zwölftelung des Urlaubsanspruchs pro Beschäftigungsmonat (§ 9 Ziffer 3 MTV Druckindustrie Angestellte) zurückzahlen. Zwar ist diese Rückzahlungsklausel bezüglich des Urlaubsentgelts für den gesetzlichen Mindesturlaub unwirksam (§§ 5 Abs 3, 11 Bundesurlaubsgesetz). Bezüglich des zusätzlichen Urlaubsgeldes können die Tarifvertragsparteien jedoch Voraussetzungen und Rückzahlungsmodalitäten frei bestimmen. Sie haben sich hier für eine Regelung entschieden, in der das zusätzliche Urlaubsgeld unmittelbar an das Urlaubsentgelt und somit an die Urlaubsdauer anknüpft. Diese Zweckbestimmung verliert das Urlaubsgeld nach § 10 MTV nicht dadurch, dass es durch Betriebsvereinbarung in einem Betrag zu einem bestimmten Stichtag im Voraus gezahlt werden kann.
Die Auffassung der Klägerin hätte zur Folge, dass das zusätzliche Urlaubsgeld bei Umsetzung der Öffnungsklausel in § 10 Ziffer 1 Satz 4 MTV Druckindustrie Angestellte zu einer zweiten tariflichen Jahresleistung würde. Abgesehen davon, dass für diese inhaltliche Änderung im MTV kein Anhaltspunkt erkennbar ist, würde dieser Lösungsweg der Klägerin nicht weiterhelfen. Es ist nämlich in der Rechtsprechung anerkannt, dass die tarifliche Jahresleistung gemäß § 8 MTV Druckindustrie Angestellte (bzw § 9 MTV Druckindustrie Arbeiter) aufteilbares, kalendermonatlich erarbeitetes Arbeitsentgelt darstellt und bei der Berechnung von Insg nur anteilig berücksichtigt werden kann (SG Duisburg in Breithaupt 1993, 312; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. Mai 1999 -- L 10 AL 207/96 --). Aus diesen Gründen braucht nicht abschließend geklärt zu werden, ob überhaupt die tarifliche Ausschlussfrist des § 15 MTV eingehalten wurde, weil insoweit das Geltendmachungsschreiben der Klägerin vom 22. Oktober 1999 verspätet ist.
Die hier vertretene Auffassung bedeutet für das zusätzliche Urlaubsgeld nach § 10 MTV Druckindustrie, dass dieser Anspruch jeweils kalendertäglich über das Insg ausgeglichen werden kann, soweit die Urlaubstage im Insg-Zeitraum liegen. Unerheblich ist es, wann der Anspruch auf einen Vorschuss vor Antritt des Urlaubs (§ 10 Ziffer 1 Satz 2 MTV Druckindustrie Angestellte) entsteht, wann die endgültige Abrechnung der Urlaubsbezahlung erfolgt (§ 10 Ziffer 1 Satz 3 MTV Druckindustrie Angestellte) bzw wann der Einmalbetrag laut Betriebsvereinbarung entsprechend der Öffnungsklausel (§ 10 Ziffer 1 Satz 4 MTV Druckindustrie Angestellte) fällig geworden ist.
Die Klägerin hat in dem dreimonatigen Insg-Zeitraum vor dem Insolvenzereignis Urlaub nur vom 20. bis zum 27. Juli 1999 genommen. Für diese 6 Tage betrug der Anspruch auf das zusätzliche Urlaubsgeld 326,36 DM brutto. Nur in Höhe des daraus zu ermittelnden Netto-Betrages bestand ein Anspruch auf Insg. Die Beklagte hat -- wie vom Insolvenzverwalter bescheinigt -- 3/12 des Jahresbetrages, nämlich 611,95 DM brutto, berücksichtigt und den jeweiligen Nettobetrag an die Klägerin ausgezahlt. Die Klägerin ist daher durch die hier angegriffenen Bescheide nicht beschwert; sie hat mehr erhalten, als ihr zustand.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Klägerin unterliegt, muss sie für ihre außergerichtlichen Kosten selbst aufkommen.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen (§ 160 Abs 2 SGG).