Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.08.2003, Az.: L 16/12 U 1/01

Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung; Begriff der Versicherungsfälle; Anerkennung und Vorliegen eines Arbeitsunfalls; Durchführung einer Heilbehandlung als Gesundheitsschaden; Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung"; Hinreichende Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs; Zurechnung zu persönlichem Lebensbereich

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
28.08.2003
Aktenzeichen
L 16/12 U 1/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 20036
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0828.L16.12U1.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 21.11.2000 - AZ: S 5 U 91/98

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Als Folgen eines Versicherungsfalls gelten auch Gesundheitsschäden infolge u.a. der Durchführung einer Heilbehandlung einschließlich der dazu notwendigen Wege. Hierzu ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Versicherungsfall und der Heilbehandlung erforderlich.

  2. 2.

    Das Betanken eines Kraftfahrzeugs ist in der Regel dem unversicherten, persönlichen Lebensbereich zuzurechnen; das gilt erst recht für das Besorgen von Geldmitteln für das Tanken.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 21. November 2000 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen eines Unfalls vom 3. Januar 1997.

2

Der am 13. Oktober 1946 geborene Kläger erhält seit dem 1. Oktober 1988 von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eine Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 18. September 1992).

3

Mit Bescheid vom 27. November 1985 lehnte die Beklagte die Zahlung einer Verletztenrente wegen eines am 30. August 1984 erlittenen Arbeitsunfalls, bei dem sich der Kläger eine Zerrung oder Stauchung seiner Wirbelsäule zuzog, mit der Begründung ab, die Auswertung der Röntgenaufnahmen habe erhebliche osteochondrotische und spondylarthrotische Veränderungen, wahrscheinlich als Zustand nach alter Scheuermann'scher Krankheit, ergeben, sodass die Wirbelsäule vorgeschädigt gewesen sei. Arbeitsfähigkeit von Seiten der Unfallfolgen sei ab 18. Februar 1985 wieder eingetreten und der weitere Verlauf nach Wegfall der Arbeitsunfähigkeit wegen Unfallfolgen sei bestimmt gewesen von Beschwerden in Folge der vorgeschädigten Wirbelsäule.

4

Im Jahre 1990 war der Kläger bei der H., Diepholz, beschäftigt. Am 20. Dezember 1990 erlitt er als PKW-Fahrer auf einer Geschäftsfahrt einen Auffahrunfall, bei dem er sich eine Gehirnerschütterung und ein leichtes Halswirbelsäulen-Schleudertrauma zuzog. Die Beklagte zahlte ihm mit Bescheid vom 18. August 1993 Verletztengeld für die Zeit vom 20. Dezember 1990 bis 19. März 1991. Die Klage vor dem Sozialgericht (SG) Bremen, mit der er begehrte, ihm Verletztengeld bis 19. Juni 1991 zu zahlen, blieb erfolglos (Urteil vom 26. April 1995; Beschluss des Landessozialgerichts - LSG - Bremen vom 22. Oktober 1996; Beschluss des Bundessozialgerichts - BSG - vom 15. Januar 1997). Das SG Bremen und LSG Bremen führten in ihren Entscheidungen aus, nach den vorlie-genden Gutachten habe der Kläger bereits vor dem Unfall vom 20. Dezember 1990 in erheblichem Maße an Beschwerden gelitten, die auf bereits vorhandene Wirbelsäulenveränderungen zurückzuführen gewesen seien.

5

Im Jahr 1996 war der Kläger bei der I., J., Neuenkirchen-Vörden, deren Geschäftsführer sein Sohn Christian K. war, tätig. Am 19. Oktober 1996 wurde er in dem Büro auf dem Betriebsgelände von einer Person geschlagen und getreten. Er zog sich nach dem Durchgangsarztbericht von Dr. med. L., Chefarzt der Abteilung für Allgemein- und Unfallchirurgie im M., Vechta, eine Halswirbelsäulen-Zerrung, eine Unterschenkelprellung beiderseits und eine Unterarmprellung rechts zu. Er wurde von dem Allgemeinmediziner Dr. med. N., Lohne, und von dem Orthopäden Dr. med. O., Diepholz, behandelt und war bis 13. Dezember 1996 arbeitsunfähig krank.

6

Im Januar 1997 teilte die I. der Beklagten mit, der Kläger habe am 3. Januar 1997 auf dem Weg zur Behandlung bei Dr. med. O. in Steinfeld einen Auffahrunfall erlitten, als er an der Hauptampelkreuzung in Steinfeld gehalten habe und ein anderer PKW auf den haltenden PKW aufgefahren sei. Der Kläger teilte der Beklagten in einem Fragebogen vom 23. Februar 1997 mit, er habe sich auf dem Weg zur Akupunkturbehandlung bei Dr. med. O. befunden und Mitfahrerin sei seine Ehefrau Waltraud gewesen. Dr. med. O. gab in Schreiben vom 28. Februar 1997 und 25. April 1997 gegenüber der Beklagten an, der Kläger sei am 3. Januar 1997 auf dem Weg in seine Praxis zur Behandlung wegen eines posttraumatischen Cervicalsyndroms nach tätlicher Auseinandersetzung gewesen. Nach dem Verkehrsunfall sei eine massive Verschlechterung des Cervicalsyndroms eingetreten, sodass er ihn am 3. Januar 1997 arbeitsunfähig krank geschrieben habe. Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen stellte Dr. med. O. bis 17. März 1997 und zunächst wiederum vom 14. April bis 15. Mai 1997 aus. Ferner holte die Beklagte einen Behandlungsbericht von Dr. med. N. vom 28. Mai 1997 (mit ärztlichen Unterlagen) ein, in dem er ausführte, bei beiden Unfällen habe der Kläger jeweils eine Zerrung der Halswirbelsäule mit deutlich verzögertem Heilungsverlauf in Folge erheblicher vorbestehender degenerativer Veränderungen erlitten. Die Beklagte ließ den Kläger von der Ärztin für Chirurgie/Unfallchirurgie Dr. med. P. untersuchen, die in einem Befundbericht mit Stellungnahme vom 2. Juli 1997 ausführte, bei der erheblichen Vorschädigung der Halswirbelsäule sei mit einem verzögerten Heilverlauf der Unfallverletzungen zu rechnen gewesen, jedoch seien nach Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit im Mai 1997 objektiv nachweisbare Folgen der Unfälle vom 19. Oktober 1996 und 3. Januar 1997 nicht verblieben.

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Zur Klärung der Frage, ob sich der Kläger am 3. Januar 1997 auf dem Weg zur Heilbehandlung wegen Folgen des Unfalls vom 19. Oktober 1996 befand, nahm die Beklagte umfangreiche Ermittlungen vor. Der Kläger teilte der Beklagten mit Schreiben vom 8. September 1997 und 19. Oktober 1997 auf ihre Anfrage mit, seine Ehefrau habe Bekannte (Familie Q.) in Steinfeld, Friedlandstraße R., besuchen wollen; der Termin bei Dr. med. O. sei 12.00 Uhr gewesen. Der Beteiligte des Unfalls vom 3. Januar 1997, Paul S., gab an, der Kläger habe vor der rot geschalteten Ampelanlage gehalten und entweder geradeaus fahren oder rechts in den Ort Steinfeld abbiegen wollen. Wegen Glatteises sei sein PKW auf den des Klägers gerutscht.

8

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 24. November 1997 mit, der Unfall vom 3. Januar 1997 habe sich nicht auf dem direkten Weg von Bremen (Wohnort) nach Diepholz (Praxis Dr. med. O.) ereignet. Bei einer Fahrt über die Autobahn (Abfahrt Holdorf) wäre der weitere Weg über die B 214 nach Diepholz gewesen. Auch bei einer Fahrt über Bassum - Twistringen - Barnstorf hätte er sich zurzeit des Unfalls nicht auf dem direkten Weg zu Dr. med. O. befunden. Der Auffahrunfall habe sich auf einem Abweg nach einem Besuch der Bekannten ereignet. Ein Abweg sei ein zusätzlicher Weg, der in die eigentliche Wegstrecke eingeschoben werde und bei dem die Zielrichtung (hier: Wohnung/Arzt) nicht beibehalten werde.

9

Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom 29. November 1997, er fahre generell über die Autobahn bis Holdorf und dann in Richtung Diepholz. An dem Unfalltag sei er ebenfalls über die Autobahn A 1 nach Holdorf zur B 214 gefahren. Da er seine Geldbörse vergessen gehabt habe, sei er einen Umweg von etwa 1 Kilometer gefahren, indem er von der Bundesstraße in die Graf-von-Galen-Straße, dann in die Ostlandstraße und in die Friedlandstraße abgebogen sei. Von der Familie Q., die das erste Haus rechts bewohne, habe er sich DM 100,00 zum Tanken geborgt. Dann sei er zurück auf die Ostlandstraße über die Kreuzung Dammer Straße zur DEA-Tankstelle gefahren und habe dort getankt. Er habe an der Ampel gestanden, um rechts abzubiegen und so den kürzesten Weg durch den Ort zu fahren.

10

Mit Bescheid vom 23. Dezember 1997 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen wegen des Unfalls vom 3. Januar 1997 ab und verwies zur Begründung auf ihr Schreiben vom 24. November 1997. Ferner führte sie aus, nach den Angaben des Klägers vom 8. September 1997 sei ein Besuch bei der Familie Q. in Steinfeld geplant gewesen. - Der Kläger legte gegen diesen Bescheid am 5. Januar 1998 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. März 1998 zurückwies. Zur Begründung führte sie u.a. aus, der Kläger habe angegeben, dass er am 3. Januar 1997 Dr. med. O. in Diepholz wegen der Behandlung von Folgen des Unfalls vom 19. Oktober 1996 habe aufsuchen wollen. Ferner habe er angegeben, dass er in Begleitung seiner Ehefrau gewesen sei, die die Familie Q. in Steinfeld, Friedlandstraße R., habe besuchen wollen. Diesen ersten Angaben komme bezüglich ihrer Bewertung besondere Bedeutung zu. Zum Unfallzeitpunkt habe sich der Kläger nicht auf dem direkten Weg von seinem Wohnort zu Dr. med. O. befunden, vielmehr habe sich der Unfall auf einem unversicherten Abweg (Besuch von Bekannten) ereignet. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf den Widerspruchsbescheid (Bl. 203/204 Verwaltungsakte) Bezug genommen.

11

Der Kläger hat am 30. April 1998 beim Sozialgericht (SG) Bremen Klage erhoben. - Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Bescheid vom 13. November 1998 die Zahlung einer Rente wegen Folgen des Unfalls vom 19. Oktober 1996 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, der Unfall habe eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in rentenberechtigendem Grade über die 13. Woche hinaus nicht hinterlassen. Nach einem fachchirurgischen Gutachten von Priv.-Doz. Dr. med. T./Dr. med. U. (Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie in den Städtischen Kliniken V.) vom 13. Oktober 1998 habe unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit lediglich vom 19. Oktober 1996 bis 13. Dezember 1996 vorgelegen, da objektiv nachweisbare Unfallfolgen über diesen Zeitpunkt hinaus nicht hätten festgestellt werden können und die darüber hinaus geklagten Beschwerden als unfallunabhängig anzusehen seien wegen der erheblichen Verschleißzeichen im Bereich der Halswirbelsäule.

12

Mit Urteil vom 21. November 2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe sich am 3. Januar 1997 nicht auf einem versicherten Weg befunden, denn Dr. med. O. habe selbst gegenüber der Beklagten ausgeführt, es habe sich um eine private Behandlung gehandelt, weswegen er diese auch nicht als berufsgenossenschaftliches Heilverfahren durchgeführt habe. Zudem habe der Kläger, der in Bremen wohne, nicht einen Arzt in Diepholz als behandelnden Unfallarzt wählen können. Die dort durchgeführte Akupunkturbehandlung sei auch nie von der Beklagten genehmigt oder bezahlt worden. Darüber hinaus habe der Kläger selbst angegeben, dass er bei einer befreundeten Familie vorbeigefahren sei. Ob dies einem Besuch bei dieser Familie gleichkomme oder ob der Kläger tatsächlich nur Geld habe borgen wollen, könne dahingestellt bleiben, denn in beiden Fällen habe der Kläger den unmittelbaren Weg zu Dr. med. O. verlassen gehabt und sei noch nicht wieder auf diesen Weg eingebogen gewesen, als der Unfall geschehen sei. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das Urteil (Bl. 52 - 57 Gerichtsakte) Bezug genommen.

13

Der Kläger hat gegen das ihm am 9. Dezember 2000 zugestellte Urteil mit am 2. Januar 2001 beim SG Bremen eingegangenem Schriftsatz Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Bremen Berufung eingelegt. Er macht geltend, es sei nicht ausschlaggebend, ob er den kürzesten Weg von seiner Wohnung zu der Praxis von Dr. med. O. genommen habe. Nach dem Tanken sei er nicht zu dem Arzt gefahren, da er an dem Unfalltag auch noch Tätigkeiten für die I. übernommen gehabt habe. Nach Durchsicht der Akten der I. sei festgestellt worden, dass am 3. Januar 1997 noch ein Schneidbrenner mit Schneiddüsen zur Erprobung bei Herrn Q. für die Firma W., Diepholz, abgegeben worden sei. Hierdurch habe sich ergeben, dass es sich um eine Dienstfahrt gehandelt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei er nicht krankgeschrieben gewesen.

14

Der Kläger, der im Termin der mündlichen Verhandlung vom 28. August 2003 weder anwesend noch vertreten war, beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 21. November 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 23. Dezember 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. März 1998 zu verurteilen, ihm wegen des Unfalls vom 3. Januar 1997 Entschädigungsleistungen zu gewähren.

15

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

16

Die Beklagte macht geltend, weder sei der Kläger von ihr zu Dr. med. O. zur Behandlung geschickt worden noch sei dieser mit einer unfallbedingten Heilbehandlung beauftragt worden. Soweit der Kläger erstmals im Berufungsverfahren behaupte, am 3. Januar 1997 habe er nicht nur einen Arzt aufsuchen wollen, sondern er habe an diesem Tag auch Tätigkeiten für die I. übernommen, könne dies nur als ein Versuch verstanden werden, die Tatsachen nunmehr anders darzustellen. Es bestehe kein Anlass, die damals unmittelbar nach dem Unfall gemachten Angaben nachträglich in Zweifel zu ziehen. Das Vorbringen des Klägers zu der Arbeitstätigkeit für seine Arbeitgeberin sei nicht bewiesen.

17

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten (Az. 5/22455/961) und die Gerichtsakte des Sozialgerichts Bremen/Landessozialgerichts Bremen (Az. S 5 U 13/94, L 2 U 49/95) beigezogen. Diese Akten und die Prozessakte (Az. L 16/12 U 1/01, S 5 U 91/98) sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

18

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG). Sie ist nicht begründet.

19

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des Auffahrunfalls vom 3. Januar 1997.

20

Nach § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Beklagte hat mit Bescheid vom 13. November 1998 den Vorfall vom 19. Oktober 1996, bei dem der Kläger im Büro auf dem Betriebsgelände von einer Person geschlagen und getreten wurde, als Arbeitsunfall anerkannt. Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalls auch Gesundheitsschäden infolge u.a. der Durchführung einer Heilbehandlung einschließlich der dazu notwendigen Wege. Die Heilbehandlung muss wegen des zu Grunde liegenden (ersten Versicherungsfalls) durchgeführt werden; insofern ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Versicherungsfall und der Heilbehandlung erforderlich (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, Sozialgesetzbuch VII, Band 2, 4. Auflage, § 11 SGB VII Rz. 12). Die Behandlung bei Dr. med. O ... zu der der Kläger am 3. Januar 1997 fahren wollte, stand nicht mehr in einem rechtlich wesentlichen ursächlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall vom 19. Oktober 1996.

21

Nach der in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung" sind unter Abwägung ihres verschiedenen Wertes nur die Bedingungen als Ursache oder Mitursache anzusehen, die nach der Auffassung des praktischen Lebens im Verhältnis zu anderen Bedingungen wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu seinem Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (vgl. Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 27.11.198O, Az. 8a RU 12/79, in SozR 22OO § 548 Nr. 51). Zu den Beweisanforderungen ist zu beachten, dass der ursächliche Zusammenhang nicht im Sinne eines strengen Nachweises erbracht, sondern nur hinreichend wahrscheinlich sein muss. Eine solche Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände die für den Zusammenhang sprechenden Umstände so stark überwiegen, dass die Entscheidung darauf gestützt werden kann, und die dagegen sprechenden Umstände billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben müssen (BSGE 22, S. 203, 209, BSGE 43, S. 110, 113).

22

Wie aus dem Verfahren wegen Folgen des Unfalls vom 20. Dezember 1990 und aus dem Bescheid vom 27. November 1985 (Unfall vom 30. August 1984) hervorgeht, leidet der Kläger an einer erheblich vorgeschädigten Wirbelsäule. Daher wurden Leistungen nur für einen vorübergehenden Zeitraum gewährt, und die darüber hinaus bestehenden Beschwerden wurden als unfallunabhängig angesehen. Ebenso ist der medizinische Sachverhalt im vorliegenden Fall zu bewerten, wie dies in dem Gutachten von Priv.-Doz. Dr. med. T./Dr. med. U. vom 13. Oktober 1998 ausgeführt ist. Danach zog sich der Kläger bei dem Vorfall vom 19. Oktober 1996 u.a. eine Zerrung der Halswirbelsäule zu, deren Heilverlauf wegen der degenerativen Veränderungen protrahiert war und bis 13. Dezember 1996 dauerte. Bis zu diesem Zeitpunkt war der Kläger auch arbeitsunfähig krank geschrieben. Über diesen Zeitpunkt hinaus sind objektiv nachweisbare Unfallfolgen nicht mehr festzustellen gewesen. Die Behandlung am 3. Januar 1997 sollte daher wegen unfallunabhängiger Leiden durchgeführt werden.

23

Unabhängig hiervon befand sich der Kläger am 3. Januar 1997, als sich der Unfall ereignete, nicht auf dem unmittelbaren Weg zur Heilbehandlung, sondern auf einem Abweg. Für die Frage des Versicherungsschutzes auf den Wegen zur Heilbehandlung gelten die Grundsätze, die für Wegeunfälle (§ 8 Abs. 2 SGB VII) entwickelt worden sind, insbesondere auch für die Fragen der Unterbrechung des Weges, des Umwegs, der Erledigung privater Besorgungen auf dem Weg oder einer Abweichung vom Weg (vgl. Lauterbach a.a.O., § 11 SGB VII Rz. 25). Der Kläger hatte die B 214, die von der Autobahnabfahrt Holdorf nach Diepholz führt, in Steinfeld verlassen und ist in die Graf-von-Galen-Straße, dann in die Ostlandstraße, in die Friedlandstraße, wieder in die Ostlandstraße und zur Kreuzung Dammer Straße gefahren. Bei diesem Abweg hatte der Kläger aus eigenwirtschaftlichen Gründen den öffentlichen Verkehrsraum, der nach Diepholz zu der Praxis von Dr. med. O. führt (B 214), verlassen. Es kann dahinstehen, ob seine Ehefrau die Familie Q. in Steinfeld, Friedlandstraße R., besuchen wollte oder ob sich der Kläger von dieser DM 100,00 borgen wollte, um zu tanken. Das Betanken eines Kraftfahrzeugs ist in der Regel dem unversicherten, persönlichen Lebensbereich zuzurechnen; das gilt erst recht für das Besorgen von Geldmitteln für das Tanken. Nur unter bestimmten Voraussetzungen steht das Tanken unter Versicherungsschutz, und zwar dann, wenn es "unvorhergesehen vor Antritt oder während der Fahrt" notwendig wird, damit der restliche Weg zurückgelegt werden kann (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, Sozialgesetzbuch VII, Band 1, 4. Auflage, § 8 SGB VII Rz. 434; BSG, Urteil vom 11. August 1998, Az. B 2 U 29/97 R, NJW 1999, S. 84). Im vorliegenden Fall ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass das Tanken unvorhergesehen notwendig wurde. Der Kläger war offensichtlich bewusst mit einer Tankfüllung in Bremen abgefahren, die für die Hin- und Rückfahrt nach Diepholz und zurück nach Bremen nicht ausreichte. Ihm musste daher bewusst gewesen sein, dass er unterwegs tanken musste, um Diepholz zu erreichen und wieder nach Bremen zurückzufahren. Dies ist insbesondere deshalb anzunehmen, weil das Tanken bereits auf der Hinfahrt nach Diepholz erforderlich wurde. Schon aus diesem Grund kann das dem Tanken vorgeschaltete Besorgen von Geldmitteln für das Tanken nicht unter Unfallversicherungsschutz stehen.

24

Für die von dem Kläger erstmals im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung, er habe sich auf einer Geschäftsfahrt befunden, weil er einen Schneidbrenner mit Schneiddüsen bei Herrn Q. abgegeben habe, fehlt es an dem erforderlichen Nachweis. Es ist auffällig, dass diese Version anfangs nicht dargelegt wurde, sondern dass der Kläger zunächst einen privaten Besuch bei der Familie Q. angab und später auch lediglich vortrug, er habe sich DM 100,00 für das Tanken ausleihen wollen.

25

Nach allem war die Berufung zurückzuweisen.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

27

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und der Senat weicht nicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab.