Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.01.2010, Az.: 1 TaBV 73/09
Einigungsstelle zum Abschluss eines Sozialplans bei gehäufter Schließung kleinerer Filialen im Betriebsratsbezirk; Indizien für einheitliche Planungsentscheidung zur Umstrukturierung des Filialnetzes
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 12.01.2010
- Aktenzeichen
- 1 TaBV 73/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 10745
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2010:0112.1TABV73.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Emden - 1 BV 6/09 - 5.8.2009
Rechtsgrundlagen
- § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG
- § 111 S. 1, 3 Nr. 1, 4 BertVG
- § 112 Abs. 2 BetrVG
- § 112 Abs. 4 BetrVG
Fundstelle
- EzA-SD 12/2010, 15
Amtlicher Leitsatz
Die Einsetzung einer Einigungsstelle ist im Blick auf den Abschluss eines Sozialplans nach Betriebsänderung nicht wegen offensichtlicher Unzuständigkeit unzulässig, wenn es innerhalb eines überschaubaren Zeitraums in einem Betriebsratsbezirk zur verstärkten Schließung kleinerer Filialen kommt, der den Schluss auf eine einheitliche unternehmerische Entscheidung zulässt. Dabei kann es sich auch bei nur geringem Personalabbau um eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation (§ 111 Satz 3 Nr. 4 BetrVG) oder eine sonstige Betriebsänderung außerhalb des Katalogs in Satz 3 des § 111 BetrVG handeln (im Anschluss an LAG Berlin-Brandenburg vom 19. August 2009 - 26 TaBV 1185/09-).
Tenor:
Auf die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 1) wird - unter Zurückweisung der Beschwerde der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2) - der Beschluss des Arbeitsgerichts Emden vom 5. August 2009 - 1 BV 6/09 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Der Richter am Arbeitsgericht Oldenburg, Michael Ferber, wird zum Einigungsstellenvorsitzenden einer Einigungsstelle zum Regelungsgegenstand "Abschluss eines Sozialplans wegen der in den Jahren 2008, 2009 und 2010 erfolgten oder noch geplanten Schließungen von Verkaufsstellen im Bezirk 246, Bezirk A-Stadt", bestellt.
Die Zahl der Beisitzer wird auf je zwei für die Beteiligten festgesetzt.
Die weitergehende Anschlussbeschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im zweiten Rechtszug zuletzt noch darüber, ob eine Einigungsstelle zur Erstellung eines Sozialplans auf Grund der Schließungen mehrerer Verkaufsstellen im Bezirk 246 einzurichten und diese Einigungsstelle mit zwei oder drei Beisitzern auf jeder Seite zu besetzen ist.
Der beschwerdeführende Beteiligte zu 1) ist Betriebsrat für den Betriebsratsbezirk A-Stadt, der gemäß Zuordnungstarifvertrag aus ca. 40 Verkaufsstellen besteht. In den Verkaufsstellen sind in der Regel durchschnittlich zwei bis drei Verkaufskräfte und jeweils eine sogenannte Verkaufsstellenverwalterin beschäftigt. Während es in den Jahren 2004 bis 2007 zu einzelnen Verkaufsstellenschließungen kam, denen teilweise Neueröffnungen an anderer Stelle gegenüberstanden, kam es 2008 und 2009 in größerem Umfang zu Verkaufsstellenschließungen, ohne dass es zu Neueröffnungen von Verkaufsstellen kam. Anstelle dessen kam es zur Eröffnung von XL-Verkaufsstellen. Insoweit wird auf die im Anhörungstermin vom 26. November 2009 von der Betriebsratsvorsitzenden der Beteiligten zu 1) überreichte Liste Bezug genommen (Bl. 176/177 d. A.). Bei einem Mitarbeiterstamm von ca. 135 zu Beginn des Kalenderjahres 2009 sind nach den unbestrittenen Angaben der Arbeitgeberin im Zusammenhang mit der Schließung der Verkaufsstellen lediglich fünf Arbeitgeberkündigungen ausgesprochen worden.
Anhand des Prüfungsmaßstabs der "offensichtlichen Unzuständigkeit" streiten die Beteiligten nunmehr insbesondere darüber, ob ein unternehmerisches Konzept der ab 2008 verstärkten Schließung von Verkaufsstellen zu Grunde liegt - auch im Blick auf die ab diesem Zeitraum beginnende Eröffnung der sogenannten XL-Märkte - und ob die Voraussetzungen für eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung gegeben sind. Der ursprünglich vom Betriebsrat erhobene Anspruch, in der Einigungsstelle auch über einen Interessenausgleich zu verhandeln, wird nunmehr nicht weiter verfolgt, nach dem das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 5. Januar 2010 - 8 TaBV 4/09 - hierzu eine Einigungsstelle auf der Ebene des Gesamtbetriebsrates eingerichtet hat.
Mit Beschluss vom 5. August 2009 hat das Arbeitsgericht Emden eine offensichtliche Unständigkeit der beantragten Einigungsstelle verneint und den Richter am Arbeitsgericht Oldenburg Michael Ferber zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans wegen der Schließung von Verkaufsstellen im Bezirk 246 bestellt. Außerdem hat es die Anzahl der Beisitzer pro Seite mit je zwei festgesetzt und insoweit den weitergehenden Antrag der Betriebsratsseite auf die Bestellung von jeweils drei Beisitzern zurückgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, dass eine nach § 111 S. 3 Ziff. 1 BetrVG denkbare Betriebsänderung in Form einer Stilllegung bzw. Einschränkung angesichts von nur fünf Arbeitnehmerkündigungen im Jahr 2008 zwar fraglich sei, sobald man allein auf die Zahl des § 17 KSchG abstelle. Eine Stilllegung von "wesentlichen Betriebsteilen" könne sich aber unabhängig von den betroffenen Mitarbeiterzahlen aus einer qualitativen Betrachtung heraus ergeben, wobei zu bedenken sei, dass im Kalenderjahr 2009 weitere fünf Verkaufsstellen geschlossen worden seien. Eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle lasse sich damit nicht feststellen; Zweifel an der Zuständigkeit der Einigungsstelle müsste diese ohnehin in eigener Kompetenz überprüfen. Hinsichtlich der Besetzung der Einigungsstelle bleibe es bei der Regelbesetzung unter Berücksichtigung der Größe des Betriebes sowie der zu verhandelnden Materie. Bedenken gegen die Person des bestellten Vorsitzenden seien nicht erhoben worden. Außerdem spreche für den Richter am Arbeitsgericht Ferber, dass dieser als Vorsitzender der bereits besetzten Einigungsstelle zum Thema "Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans wegen der Abspaltung von Verkaufsstellen zu sogenannten XL-Verkaufsstellen" eingesetzt worden sei und von daher in der Thematik stehe. Zu den Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts sowie zum Vorbringen der Beteiligten im ersten Rechtszug wird auf den Beschluss verwiesen (Bl. 39 bis 47 d. A.).
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Emden ist der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2) am 18. August 2009 (Bl. 49 d.A.) und dem Betriebsrat und Beteiligten zu 1) am 17. August 2009 (Bl. 48 d. A.) zugestellt worden. Die Arbeitgeberin hat gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts Beschwerde mit Begründung zum Landesarbeitsgerichts eingelegt am 25. August 2009 (Bl. 52 d. A.); der Betriebsrat hat seinerseits Anschlussbeschwerde beim Landesarbeitsgerichts Niedersachsen eingehend am 21. September 2009 erhoben (Bl. 80 d. A.).
Nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 24. August, 7. Oktober, 26. November 2009 und vom 4. Januar 2010 hält die Arbeitgeberin unter Tatsachenvortrag an ihrer Rechtsauffassung fest, dass es bei der Schließung der Verkaufsstellen im Bezirk 246 jeweils um Einzelfallentscheidungen gegangen sei und dem kein einheitliches unternehmerisches Konzept zu Grunde gelegen habe. Ein Zusammenhang mit der Eröffnung der sogenannten XL-Märkte gebe es dabei nicht, zumal die S. XL-GmbH laut Eintrag des Handelsregisters B des Amtsgerichts Ulm (HRB 490261) erst seit dem 1. Dezember 2008 tätig sei. Die Arbeitgeberin habe bis zum Jahre 2007 pro Jahr bis zu 800 Neueröffnungen von Verkaufsstellen getätigt und dabei die Marktlage falsch eingeschätzt. Insoweit komme es jetzt zu Korrekturen. Schließlich seien von den Schließungen der Verkaufsstellen angesichts der geringen Zahl von Arbeitgeberkündigungen keine wesentlichen Teile der Belegschaft und damit des Betriebs betroffen. Es fehle somit an den Voraussetzungen einer Betriebsänderung.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Emden vom 5. August 2009 - 1 BV 6/09 - abzuändern und die Anträge zurückzuweisen.
Der Betriebsrat beantragt,
die Beschwerde der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2) zurückzuweisen
und beantragt desweiteren
1. Herrn F., Richter am Arbeitsgericht Oldenburg, als Einigungsstellenvorsitzenden für den Abschluss eines Sozialplans wegen der Schließung von Verkaufsstellen im Bezirk 246, Bezirk A-Stadt, zu bestellen,
hilfsweise
Herrn F., Richter am Arbeitsgericht Oldenburg, als Einigungsstellenvorsitzenden für den Abschluss eines Sozialplans wegen der in den Jahren 2008, 2009 und 2010 erfolgten oder noch geplanten Schließungen von Verkaufsstellen im Bezirk 246, Bezirk A-Stadt, zu bestellen,
äußerst hilfsweise
Herrn F., Richter am Arbeitsgericht Oldenburg, als Einigungsstellenvorsitzenden für den Abschluss eines Sozialplans wegen der Schließung der Verkaufsstellen B-Stadt, C-Stadt, D-Stadt, E-Stadt, A-Stadt (N.straße), F-Stadt, G-Stadt, H-Stadt (N. Weg 65), I-Stadt (T.Straße), J-Stadt (F.straße), H-Stadt (N. 2-3), K-Stadt (H.straße) und L-Stadt im Bezirk 246, Bezirk A-Stadt zu bestellen,
2. die Anzahl der Beisitzer pro Seite mit je drei festzusetzen.
Der Betriebsrat vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen nach Maßgabe seiner Schriftsätze vom 21. September, 12. November und 17. Dezember 2009. Er erkennt in der Zahl der geschlossenen Verkaufsstellen und der fehlenden Neueröffnungen an anderer Stelle bei gleichzeitigem Aufbau von XL-Märkten in den Jahren 2008/2009 ein einheitliches unternehmerisches Konzept, dem eine unternehmerische Entscheidung zu einer Betriebsänderung zu Grunde liege. Den Erklärungen des im Anhörungstermins vom 26. November 2009 befragten Verkaufsleiters Z., das XL-Konzept sei ihm nicht bekannt und habe mit der Schließung der Verkaufsstellen nichts zu tun, sei nicht glaubhaft, da die XL-Märkte vom gleichen Lager aus beliefert würden und die gleiche Angebotspalette hätten wie die Verkaufsstellen. Mit dem Personalabbau in den Verkaufsstellen ginge deren teilweise Fortbeschäftigung über einen Personaldienstleister in den XL-Märkten zu schlechteren Arbeitsbedingungen einher, da der Anerkennungstarifvertrag zwischen der Dienstleistungsgewerkschaft v. und A. vom 11. Mai 2001 (Bl. 217 f. d. A.) dort nicht gelte. Da in den Jahren 2008/2009 insgesamt 25 % der im Bezirk 246 bestehenden Filialen geschlossen worden seien und weitere Schließungen anstehen würden, sei auch von der Betroffenheit wesentlicher Betriebteile im Sinne einer Betriebsänderung auszugehen. Weil es um elementare Einschnitte in die Filialstruktur mit einem langfristigen Abbau der Verkaufsstellen auf null gehe und eine Änderung der Arbeitsbedingungen für die betroffenen Mitarbeiter eintrete, erfordere die existenzielle Bedeutung der Angelegenheit deshalb eine über zwei Beisitzer hinausgehende Beisitzerzahl.
Die Arbeitgeberin und Beteiligte zu 2) beantragt,
die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.
Zum weiteren Vorbringen der Beteiligten wird auf die Anhörungsniederschriften vom 26. November 2009 und vom 12. Januar 2010 sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1.
Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin war nach Maßgabe der zuletzt gestellten Anträge unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zutreffend eine Einigungsstelle zur Verhandlung eines Sozialplans im Zusammenhang mit den Schließungen der Verkaufsstellen 246 in den Jahren 2008/2009 eingerichtet. Die weitergehenden Anträge zur Verhandlung eines Interessenausgleichs hat der Betriebsrat und Beteiligte zu 1) in zweiter Instanz nicht weiter verfolgt. Die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats war hinsichtlich der Erweiterung der Beisitzerzahl zurückzuweisen; im Übrigen war auf Grund der konkretisierten Antragstellung der für die Einigungsstelle maßgebliche Regelungsgegenstand näher zu bestimmen. Für die Beschlussfassung des Gerichts war es erforderlich den Regelungsgegenstand der Einigungsstelle zeitlich einzuschränken und in der Sache genau zu umschreiben. Dem entsprach der zuletzt gestellte erste Hilfsantrag des Betriebsrats. Sozialplanansprüche können daher frühestens ab dem Jahr 2008 erwachsen, da erst ab diesem Zeitpunkt von einer grundlegenden Entscheidung im Sinne einer Betriebsänderung der Arbeitgeberin auszugehen ist.
2.
a) Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass ein Antrag auf Errichtung einer Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden kann, wenn diese offensichtlich unzuständig ist. Eine offensichtliche Unzuständigkeit im Sinne des § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG besteht nur dann, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass das vom Betriebsrat in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht unter keinem denkbaren Gesichtspunkt in Frage kommt. Eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle ist dagegen nicht anzunehmen, wenn es unterschiedliche Rechtsauffassungen zur Reichweite der Beteiligungsrechte des Betriebsrats gibt und eine abschließende höchstrichterliche Rechtsprechung hierzu fehlt (erkennendes Gericht vom 11. November 1993 - 1 TaBV 59/93 = LAGE § 98 ArbGG 1979 Nr. 27; LAG Schleswig-Holstein vom 19. Dezember 2006 - 6 TaBV 14/06 - DB 2007, 924). Dieser eingeschränkte Prüfungsmaßstab soll im Interesse einer vertrauensvollen Zusammenarbeit eine möglichst rasch zu bestellende Einigungsstelle gewährleisten, zumal die Einigungsstelle die Vorfrage ihrer Zuständigkeit unabhängig von ihrer gerichtlichen Bestellung selbst zu prüfen hat und sich unabhängig von der gerichtlichen Bestellung für unzuständig erklären kann.
Ungeachtet der beschleunigten Entscheidung zur Einsetzung einer Einigungsstelle bleibt das Gericht jedoch verpflichtet, die Voraussetzungen der "offensichtlichen Unzuständigkeit" soweit als möglich aufzuklären (vgl. erkennendes Gericht vom 8. Juni 2007 - 1 TaBV 27/07 = LAGE § 98 ArbGG 1979 Nr. 49). Dabei ist indessen zu berücksichtigen, dass gerichtliche Zweifel an der Zuständigkeit der Einigungsstelle im Verfahren nach § 98 ArbGG nicht der Annahme einer "offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle" gleichzusetzen sind. Im Zweifel ist dann die beantragte Einigungsstelle einzusetzen.
b) Auf Grund des rechtlichen Hinweises des Gerichts vom 26. November 2009 hat der Betriebsrat und Beteiligte zu 1) seinen zunächst verfolgten Antrag, in der Einigungsstelle Interessenausgleichsverhandlungen zu führen, zeitlich eingeschränkt und zuletzt ganz zurückgenommen, nachdem mit Beschuss vom 4. Januar 2010 die Einrichtung einer Einigungsstelle zu diesem Regelungsgegenstand auf der Ebene des Gesamtbetriebsrats bestimmt worden ist (LAG Baden-Württemberg vom 4. Januar 2010 - 8 TaBV 4/09). Damit beschränkt sich der Verfahrensgegenstand hier auf die Einsetzung einer Einigungsstellezu Sozialplanverhandlungen im Zusammenhang mit den Schließungen der Verkaufsstellen im Bezirk 246 ab dem Jahr 2008. Der von dem Betriebsratsseite im Zusammenhang mit der behaupteten sozialplanpflichtigen Betriebsänderung vorgetragene Sachzusammenhang zwischen Schließung der Verkaufsstellen und der Eröffnung von XL-Märkten kann in diesem Verfahren nicht weiter vertieft werden, da die Beteiligten sich hierzu auf die Einrichtung einer Einigungsstelle im Verfahren Arbeitsgericht Emden 1 BV 1/09 unter dem Vorsitz des Richters am Arbeitsgericht Ferber, Arbeitsgericht Oldenburg, verständigt hatten.
c) Ein Mitbestimmungsrecht nach §§ 111 S. 3 Nr. 1, 112 Abs. 4 BetrVG ist nicht auszuschließen. Es kommt jedenfalls eine Betriebsänderung in Form einer Betriebseinschränkung in Betracht. Ganz auszuschließen ist darüber hinaus auch nicht eine Betriebsänderung in Form einer grundlegenden Änderung der Betriebsorganisation nach § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG.
aa) Nach § 111 S. 3 Nr. 1 i. V. m. § 112 Abs. 2, Abs. 4 BetrVG kann eine Einigungsstelle zur Aufstellung eines Sozialplans angerufen werden, sofern eine Betriebseinschränkung zu einer erheblichen, ungewöhnlichen und nicht nur vorübergehenden Herabsetzung der Leistungsfähigkeit des Betriebes führt. Der Begriff der Betriebseinschränkung verlangt dabei in der Regel, dass eine größere Zahl von Arbeitnehmern betroffen ist. Das ergibt sich schon daraus, dass die Einschränkung sich auf den ganzen Betrieb oder doch auf wesentliche Betriebsteile beziehen muss. Darüber hinaus ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass nach § 111 S. 1 BetrVG nur solche Betriebsänderungen angesprochen werden, die wesentlichen Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile zur Folge haben können (vgl. BAG 22. Mai 1979 - 1 ABR 17/77 = EzA § 111 BetrVG 1972 Nr. 7 = AP Nr. 4 zu § 111 BetrVG 1972 mit Anmerkung Birk). Ist in diesem Sinne eine Betriebsänderung gegeben, wird nach § 111 S. 1 BetrVG der Eintritt von wirtschaftlichen Nachteilen für die Arbeitnehmer unterstellt (BAG 18. März 2008 - 1 ABR 77/06 = EzA § 111 BetrVG 2001 Nr. 5 = AP Nr. 66 zu § 111 BetrVG 1972). In diesem Fall ist es nicht erforderlich zu prüfen, ob tatsächlich Nachteile für die betroffenen Mitarbeiter entstanden sind.
Anders ist es dagegen, wenn man mit wesentlichen Stimmen im Schrifttum davon ausgeht, dass § 111 S. 3 BetrVG keine abschließende Aufzählung der mitbestimmungspflichtigen Tatbestände enthält und es deshalb möglich ist, nicht allein auf die Zahl des Personalabbaus, sondern auf andere qualitative Elemente abzustellen, die einer Betriebseinschränkung gleichkommen (vgl. dazu Fitting BetrVG 24. Aufl. 2008 § 111 Rn. 44; DKK-BetrVG-Däubler, 11. Aufl. 2008 § 111 Rn. 92 ff; GK-Fabricius/Oetker 7. Aufl. § 111 Rn. 34 bis 37 jeweils mwN; anderer Ansicht Richardi/Annuß BetrVG 11. Aufl. 2008, § 11 Rn. 41 bis 43; offen gelassen ErfK/Kania 10. Aufl. § 111 BetrVG und BAG vom 6. Dezember 1988 - 1 ABR 47/87 = EzA § 111 BetrVG 1972, 23 = AP Nr. 26 zu § 111 BetrVG 1972). In diesem Fall ist nachzuweisen, dass die geplante Betriebsänderung wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder wesentliche Teile der Belegschaft zur Folge haben kann.
In jedem Fall hat einer Betriebsänderung eine einheitliche Planungsentscheidung des Unternehmers voranzugehen, die aber auch auf eine stufenweise Durchführung in einem engen zeitlichen Zusammenhang gerichtet sein kann (BAG 28. März 2006 - 1 ABR 5/05 = EzA § 111 BetrVG 2001 Nr. 4 = AP Nr. 12 zu § 112a BetrVG 1972).
bb) Die aufgestellten Voraussetzungen einer sozialplanpflichtigen Betriebseinschränkung sind jedenfalls nicht dann gegeben, wenn es zur Schließung einzelner Filialen im Bezirk 246 gekommen ist, wie in den Jahren vor 2008, zumal dies mit der gleichzeitigen Eröffnung anderer Filialen verbunden war. Für eine einheitliche Planungsentscheidung einer Umstrukturierung des Filialnetzes gibt es indessen ab 2008 wesentliche Indizien. Diese führt der Betriebsrat zu Recht insbesondere auf den engen zeitlichen Zusammenhang der Filialschließungen ab dem Jahr 2008 zurück. Veränderungen in der Filialstruktur können dabei auch mit einer Änderung der Arbeitsorganisation einher gehen (vgl. dazu BAG vom 29. August 2007 - 4 AZR 552/06 = DB 2008, 1691 f. = EzA-SD 2007, Nr. 24, 15; im Tarifbereich).
Das Gericht ist nicht davon überzeugt, dass die in dem Bezirk 246 seit 2008 anfallenden verstärkten Filialschließungen bei gleichzeitiger Eröffnung einiger weniger neuer XL-Märkte reine Anpassungsmaßnahmen im Einzelfall sind. Dagegen spricht, dass entsprechende Organisationsentscheidungen bundesweit zu Buche schlagen (vgl. z. B. Sachverhalt im Verfahren LAG Berlin-Brandenburg vom 19. August 2009 - 26 TaBV 1185/09; Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 12. Januar 2010 Seite 9). Soweit andere Beweggründe zur Schließung der einzelnen Filialen im Bezirk 246 mit angeführt werden, treten diese in den Hintergrund. Die Arbeitgeberin hat hierzu mit ihrem Schriftsatz vom 4. Januar 2010 selbst vorgetragen, dass das Unternehmen bis 2007 mit bis zu 800 Neueröffnungen jährlich gewachsen und auf Grund des sich erhöhenden Wettbewerbsdrucks und der Wirtschaftskrise nun deutlich werde, dass an einigen Standorten die Expansion zu forsch gewesen sei. Die Arbeitgeberin sei deshalb zu Korrekturen ihres möglicherweise zu starken Expansionsdrangs gezwungen gewesen. Dies verhindere derzeit auch Neueröffnungen. Damit wird im Wesentlichen zugestanden, dass eine unternehmerische Planungsentscheidung zur Anpassung im Bereich der "herkömmlichen" Verkaufsstellen getroffen wurde. Dies gilt ebenso für die Neueröffnung der anders strukturierten, aber mit gleichem Warenangebot ausgestatteten XL-Märkte. Von daher kann den entgegenstehen Erklärungen des Verkaufsleiters Z. im Termin vom 26. November 2009 keine Bedeutung beigemessen werden. Die gleiche Angebotspalette und die Belieferung aus den gleichen Lagern der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 2) deuten ebenfalls stark auf eine unternehmenseinheitliche Umstrukturierung hin. Insoweit macht es auch Sinn, dass das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit Beschluss vom 4. Januar 2010 (aaO.) zu dem Interessenausgleichsverhandlungen eine Einigungsstelle auf der Ebene des Gesamtbetriebsrats der Beteiligten zu 2) eingerichtet hat.
cc) Eine erhebliche Herabsetzung der Leistungsfähigkeit als Grundlage einer Betriebsänderung kann schließlich darin gesehen werden, dass hier im Laufe von zwei Jahren (2008/2009) bis zum Zeitpunkt des letzten Anhörungstermins vor dem Landesarbeitsgericht insgesamt fast 25 % der Filialen des Bezirks 246 geschlossen worden sind. Anstelle der geschlossenen 13 Verkaufsstellen sind im Bezirk nunmehr drei XL-Verkaufsstellen getreten, teilweise an gleicher Stelle. Soweit der Personalabbau dabei im Jahr 2009 nur zu fünf Arbeitgeberkündigungen geführt hat, kann dies die Annahme einer Betriebsänderung in Form einer Betriebseinschränkung nicht grundsätzlich ausschließen. Wie bereits ausgeführt, kann auch eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation durch eine Umstrukturierung der Filialstruktur erfolgen (§ 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG; vgl. LAG Berlin-Brandenburg vom 19. August 2009 aaO.). Letztlich ist auf Grund der besonderen Umstände auch eine Betriebsänderung außerhalb des Katalogs des § 111 S. 3 BetrVG denkbar. Die wesentlichen Nachteile für die betroffene Belegschaft können sich neben den ausgesprochenen Arbeitgeberkündigungen nämlich daraus ergeben, dass eine Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse an anderer Stelle nur unter erheblich verschlechterten Arbeitsbedingungen möglich ist. Außerdem kann im Zuge der Umsetzung des unternehmerischen Konzepts nicht ausgeschlossen werden, dass, in Folge weiterer Schließungen von Verkaufsstellen, die nach § 17 KSchG für einen erheblichen Personalabbau heranzuziehenden Zahlen nach § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG erreicht werden.
Bei Gesamtschau dieser Umstände kann eine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle nicht angenommen werden.
3.
Der Antrag des Betriebsrats im Wege der Anschlussbeschwerde die Zahl der Beisitzer jeder Seite auf drei zu erhöhen, dringt dagegen nicht durch. Für eine Abweichung von der Regelbesetzung mit zwei Beisitzern auf jeder Seite hat der Betriebspartner, der hierfür eintritt, "nachprüfbare" Tatsachen anführen, die dies erforderlich machen (z. B.
Komplexität des zu regelnden Sachverhalts, Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen, mit dem Regelungsgegenstand verbundene schwierige Rechtsfragen oder Zumutbarkeit der Einigungsstellenkosten). Das Gericht hat die Beteiligten hierzu auf die Entscheidung vom 15. August 2006 - 1 TaBV 43/06 (LAGE § 98 ArbGG Nr. 47) hingewiesen. Nachdem die Führung von Interessenausgleichsverhandlungen nicht mehr Gegenstand der eingesetzten Einigungsstelle seien kann, ist der Hinweis der Betriebsratsseite, der Regelungsgegenstand habe existenzielle Bedeutung für den Betriebsratsbezirk 246, zu pauschal, um damit Erhöhung der Beisitzerzahlen auf drei zu begründen (vgl. Beschluss des erkennenden Gerichts vom 7. August 2007 - 1 TaBV 63/07 = LAGE § 98 ArbGG 79 Nr. 49a; Beschluss vom 14. Juli 2009 - 1 TaBV 32/09).
4.
Eine Kostenentscheidung ist nach § 2 Abs. 2 GKG nicht zu treffen, da das Beschlussverfahren gerichtskostenfrei ist.
Gegen diese Entscheidung ist nach § 98 Abs. 2 ArbGG ein Rechtsmittel nicht gegeben.