Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.10.2010, Az.: 16 Sa 312/10
Unvollständige Massenentlassungsanzeige bei fehlender Stellungnahme des Betriebsrates; Betriebsbedingte Kündigung bei fehlerhafter Massenentlassungsanzeige
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 29.10.2010
- Aktenzeichen
- 16 Sa 312/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 34068
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2010:1029.16SA312.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Braunschweig - 16.02.2010 - AZ: 5 Ca 19/08
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 2 S. 1 Alt. 3 KSchG
- § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KSchG
- § 17 Abs. 2 KSchG
- § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG
Redaktioneller Leitsatz
1. Die Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG ist fehlerhaft, wenn in ihr das Vorhandensein eines Betriebsrates verneint wird und die nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG erforderliche Stellungnahme des Betriebsrates nicht beigefügt ist.
2. Aus dem Gesamtzusammenhang des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 KSchG und der Ausgestaltung der Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 3 Satz 1 bis 3 KSchG kann nur gefolgert werden, dass dem Nachweis eines ordnungsgemäßen Konsultationsverfahrens ein derart hoher Stellenwert zukommt, dass ohne beigefügte Stellungnahme des Betriebsrates und insbesondere bei zusätzlicher Verneinung des Vorhandenseins eines Betriebsrates eine wirksame Massenentlassung nicht vorliegt.
3. Fehlt ein wesentlicher Bestandteil der Massenentlassungsanzeige, liegt eine unvollständige und nicht nur in einzelnen Punkten fehlerhafte Anzeige vor; die Unvollständigkeit der Massenentlassungsanzeige hat zur Folge, dass Kündigungen, die vor Vervollständigung der Anzeige ausgesprochen werden, unwirksam sind.
In dem Rechtsstreit
Klägerin und Berufungsbeklagte,
gegen
Beklagter und Berufungskläger,
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 29. Oktober 2010 durch
den Vorsitzenden am Landesarbeitsgericht Niedersachsen Dr. Rosenkötter
den ehrenamtlichen Richter Herrn Maul
den ehrenamtlichen Richter Herrn Blum
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 16.02.2010, 5 Ca 19/08, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 8.806,77 € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch Kündigung des beklagten Insolvenzverwalters vom 28.12.2007 zum 31.03.2008 nicht aufgelöst worden ist. Die Parteien streiten darüber, ob vor Ausspruch der Kündigung eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige an die Agentur für Arbeit erfolgt ist.
Die Klägerin war seit 1976 als Krankenschwester der Schuldnerin beschäftigt, dass Bruttomonatsentgelt betrug 2.935,59 EUR. Im Betrieb war ein Betriebsrat gewählt. Mit Beschluss vom 19.10.2007 wurde der Beklagte zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt ohne Einräumung der Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Schuldnerin. Insolvenzeröffnung und Bestellung des Beklagten zum Insolvenzverwalter erfolgte mit Beschluss vom 28.12.2007, 9:15 Uhr. Der Beklagte ist Partner der Anwaltsgesellschaft A..
Die Klinik wird vom Beklagten nicht weiter betrieben. Neben der Kündigung der Klägerin mit Schreiben vom 28.12.2007, zugegangen am 29.12.2007, ist auch allen anderen Beschäftigten gekündigt worden.
Unter dem Datum vom 27.12.2007 ist eine Massenentlassungsanzeige erstellt worden, in der unter 15 auf Seite 1 das Vorhandensein eines Betriebsrates mit nein angekreuzt ist und in der auf Seite 2 unter 5 Fragen zur Stellungnahme des Betriebsrates nicht mit ja oder nein beantwortet sind, vielmehr sind die Rubriken zur Beantwortung insgesamt durchgestrichen. Beigefügt war eine Namensliste. Eine Stellungnahme des Betriebsrates, auch ein Entwurf der Betriebsvereinbarung über Interessenausgleich und Sozialplan, war unstreitig nicht beigefügt. Die Massenentlassungsanzeige ist am 27.12.2007 gegen 14:47 Uhr per Fax übermittelt worden. Das Unterschriftsfeld ist mit dem Stempel des Anwaltsbüros A. und Partner versehen und trägt die Unterschrift der Angestellten B.. Frau B. ist Mitarbeiterin der Insolvenzabteilung des Büros und zuständig für Personalangelegenheiten in Insolvenzverfahren. Auf den Inhalt der Massenentlassungsanzeige, Blatt 250 ff. d. A. wird Bezug genommen.
Die Klägerin hatte gemäß § 613 a BGB Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu einem kommunalen Krankenhausträger geltend gemacht. Mit gerichtlichem Vergleich vom 11.03.2009 vereinbarten die Klägerin und der kommunale Krankenhausträger, dass das Arbeitsverhältnis nicht übergegangen sei und die Klägerin eine Entschädigung von 4.500,00 EUR erhalte.
Es besteht eine Betriebsvereinbarung über den Interessenausgleich und Sozialplan, datiert auf den 28.12.2007 und unterzeichnet vom Beklagten und der Betriebsratsvorsitzenden. Unter IV. ist vereinbart:
Die Parteien sind sich darüber einig, dass dieser Interessenausgleich zugleich sowohl die Mitteilung an den Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 KSchG als auch die diesbezügliche Stellungnahme des Betriebsrats nach § 17 Abs. 3 S. 2 KSchG darstellen.
In gleicher Weise sind sich die Parteien darüber einig, dass das Anhörungsverfahren nach §§ 102 ff. BetrVG nicht gesondert, sondern im Rahmen der vorliegenden Interessenausgleichsverhandlungen durchgeführt wird. Der Betriebsrat erklärt ausdrücklich, zu den Kündigungen angehört worden zu sein. Seine Beschlussfassung ist abgeschlossen. Er erklärt, dass er den Kündigungen nicht widerspricht.
Nach Darstellung des Beklagten ist der endverhandelte Interessenausgleich und Sozialplan mit Unterschrift der Betriebsratsvorsitzenden am 27.12.2007 per Fax bei ihm eingegangen und sei sodann am Folgetag nach Insolvenzeröffnung vom ihm unterschrieben worden.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam, weil eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige nicht vorliege. Am 27.12.2007 habe der Beklagte als vorläufiger Insolvenzverwalter gehandelt ohne dass ihm eine entsprechende Verfügungsbefugnis übertragen worden sei. Die Anzeige sei auch fehlerhaft, weil angegeben sei, dass ein Betriebsrat nicht vorhanden sei.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der durch die Kündigung des Beklagten vom 28. Dezember 2007 nicht mit Ablauf des 31. März 2008 aufgelöst worden ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, die Massenentlassungsanzeige sei wirksam gestellt worden. Er sei als vorläufiger Insolvenzverwalter von der Klinikleitung bevollmächtigt gewesen, die Massenentlassungsanzeige zu erstatten. Das Vorhandensein des Betriebsrates sei irrtümlich verneint worden. Auf Seite 2 der Anzeige unter 34 sei aber angekreuzt, dass eine Beschäftigtenliste beigefügt sei. Hieraus habe die Arbeitsagentur entnehmen können, dass ein Betriebsrat vorhanden sei.
Das Arbeitsgericht hat nach Klageantrag erkannt. Es hat unterstellt, dass der vorläufige Insolvenzverwalter von der Klinikleitung zur Erstattung der Massenentlassungsanzeige bevollmächtigt gewesen sei. Diese Vollmacht habe ihn aber nicht berechtigt, die Büromitarbeiterin B. als Unterbevollmächtigte einzusetzen. Ergänzend wird Bezug genommen auf das arbeitsgerichtliche Urteil.
Der Beklagte trägt mit Berufung vor, er habe aufgrund Bevollmächtigung als vorläufiger Insolvenzverwalter die Massenentlassungsanzeige erstattet. Die Beauftragung angestellten Personals sei nicht zu beanstanden. Soweit von einer fehlenden Bevollmächtigung auszugehen sei, sei festzustellen, dass das Handeln als vollmachtloser Vertreter mit Insolvenzverwalterbestellung konkludent genehmigt worden sei und der Vertretungsmangel geheilt sei. Entsprechend habe auch die Arbeitsagentur eine fehlende Vollmacht nicht gerügt, vielmehr habe die Arbeitsagentur mit Schreiben vom 03.01.2008 der rechtswirksam erstatteten Anzeige zugestimmt und Ende der Sperrfrist auf den 27.01.2008 festgestellt. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung und auf das Schreiben der Arbeitsagentur vom 03.01.2008, Blatt 82 d. A..
Der Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 16.02.2010 zu Az. 5 Ca 19/08 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt nach Maßgabe der Berufungserwiderung das erstinstanzliche Urteil.
Das Landesarbeitsgericht hat bei der Agentur für Arbeit in C-Stadt die Massenentlassungsanzeige nebst Anlagen, die am 27.12.2007 gefaxt wurde, angefordert. Die Agentur für Arbeit hat die Unterlagen unter dem 13.10.2010, Blatt 249 ff. d. A., übersandt. In der Folge ist sodann unstreitig geworden, dass ein Interessenausgleichsentwurf nicht beigefügt war.
Entscheidungsgründe
1. Die Berufung des Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG. Die Berufung ist nicht begründet. Das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts war zu bestätigen, weil vor Ausspruch der Kündigung mit Schreiben vom 28.12.2007 eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige nicht erfolgt ist.
2. Für die Kündigung besteht aufgrund Betriebsschließung ein betriebsbedingter Kündigungsgrund im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG. Wie unter IV der Betriebsvereinbarung über Interessenausgleich und Sozialplan dokumentiert, ist der Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG ordnungsgemäß zur Kündigung aller Arbeitnehmer angehört worden. Das Anhörungsverfahren war spätestens mit Abschluss der Betriebsvereinbarung durch Unterzeichnung des Insolvenzverwalters nach Insolvenzeröffnung und vor Ausspruch der Kündigung wirksam abgeschlossen. Als alleiniger Unwirksamkeitsgrund für die Kündigung verbleibt damit die nicht ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige.
3. Die im Stadium der vorläufigen Insolvenzverwaltung erstattete Anzeige ist nach Auffassung der Kammer nicht wegen fehlender Vertretungsmacht unwirksam. Selbst wenn der Beklagte als vorläufiger Insolvenzverwalter ohne Vertretungsmacht gehandelt hat, hätte er dieses Handeln mit Bestellung zum Insolvenzverwalter am Folgetag konkludent genehmigt, nämlich durch Vollzug der Massenentlassungsanzeige und Ausspruch der Kündigungen. Dass der (vorläufige) Insolvenzverwalter die Massenentlassungsanzeige nicht selbst erstellt und unterzeichnet hat, sondern eine in der Insolvenzabteilung des Büros beschäftigte Mitarbeiterin beauftragt hat, ist nicht zu beanstanden. Derartige Aufgabendelegationen sind im Rahmen von Insolvenzverwaltungen üblich und von der Verfügungsbefugnis des Verwalters gedeckt. Die Massenentlassungsanzeige ist nur deshalb unwirksam, weil das Bestehen eines Betriebsrates verneint worden ist und eine Stellungnahme des Betriebsrates nicht beigefügt war.
4. Es liegt eine anzeigepflichtige Massenentlassung im Sinne des § 17 Abs. 1, Nr. 1 KSchG vor, der Beklagte hat sämtlichen 23 beschäftigten Arbeitnehmern gekündigt. Bei einer Massenentlassung ist der Arbeitgeber verpflichtet, ein Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 KSchG durchzuführen und nach § 17 Abs. 3 KSchG eine Massenentlassungsanzeige bei der Arbeitsverwaltung zu erstatten. Der Massenentlassungsanzeige ist nach § 17 Abs. 3, Satz 2 und Satz 3 KSchG entweder eine Stellungnahme des Betriebsrates beizufügen oder darzulegen, dass eine ordnungsgemäße Beteiligung der Mitarbeitervertretung erfolgt ist.
Nach gefestigter Rechtsprechung des BAG ist unter Entlassung im Sinne des § 17 Abs. 1, Satz 1 KSchG die Kündigungserklärung zu verstehen, nicht etwa die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum Ablauf der Kündigungsfrist. Dass mit Entlassung die Erklärung der Kündigung gemeint ist, folgert das BAG aus einer unionskonformen Auslegung unter Beachtung der Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG vom 20.07.1998 (z. B. BAG vom 22.04. 2010, 6 AZR 948/08, DB 2010, 1763).
5. In der erstatteten Massenentlassungsanzeige sind zu Entlassungsgrund, Umfang der Entlassung und Beschäftigtenstruktur die notwendigen Angaben gemacht. Entsprechend der Zwecksetzung der Massenentlassungsanzeige war die Arbeitsverwaltung damit in die Lage versetzt, Vorkehrungen für eine Arbeitsvermittlung zu treffen. Vor Ausspruch der Kündigung der Klägerin war das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG abgeschlossen. Der Beklagte hatte noch in seiner Eigenschaft als vorläufiger Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan ausgehandelt, der nach Unterschrift durch den Beklagten als Insolvenzverwalter am 28.01.2007, noch vor Kündigungserklärung wirksam geworden ist. Verhandlung und abgeschlossene Betriebsvereinbarung entsprechen im Ergebnis den Anforderungen, die das Gesetz an die Beteiligung des Betriebsrates stellt (BAG vom 21.05.2008, 8 AZR 84/07, NZA 2008, 753).
Der Mangel der Anzeige folgt damit nicht aus einer fehlerhaften oder unterbliebenen Beteiligung des Betriebsrates, sondern besteht allein darin, dass in der Massenentlassungsanzeige das Vorhandensein des Betriebsrates verneint wird und die nach § 17 Abs. 3, Satz 2 KSchG erforderliche Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrates unterblieben ist.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass zum Vorhandensein des Betriebsrates die Massenentlassungsanzeige schlicht falsch ausgefüllt ist, es bestanden für die Arbeitsverwaltung keine Anhaltspunkte, dass entgegen der Angabe auf Seite 1 ein Betriebsrat vorhanden war. Soweit die Stellungnahme des Betriebsrates auf Seite 2 unter 5 abgefragt wird, sind die Antwortrubriken ja und nein insgesamt durchgestrichen worden in einer Weise, die nur als "nicht zutreffend" bewertet werden kann. Damit wird noch mal zum Ausdruck gebracht die Angabe, dass kein Betriebsrat vorhanden ist.
6. Diese Fehler führen nach Auffassung der Kammer dazu, dass im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige nicht vorlag und dass deshalb die Kündigung unwirksam ist.
7. Das BAG hat in seiner bisherigen Rechtsprechung offen gelassen, ob eine nicht ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge hat (BAG, 6 AZR 948/08, aaO.; BAG vom 28.05.2009, 8 AZR 273/08, EZA § 17 KSchG Nr. 20; zum Streitstand auchBVerfG vom 25.02.2010, 1 BvR 230/09, EZA § 17 KSchG Nr. 21).
Das LAG Baden-Württemberg hat im Urteil vom 21.07.2010, 13 Sa 20/10 (jetzt: BAG, 6 AZR 606/10) angenommen, eine ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige liege bei fehlender Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrates nicht vor, die ausgesprochene Kündigung sei deshalb unwirksam. Im Urteil vom 21.05.2008, 8 AZR 84/07, NZA 2008, 753, hat das BAG ausgeführt, die Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrates sei Wirksamkeitsvoraussetzung für die Massenentlassungsanzeige, die fehlende Stellungnahme des Betriebsrates könne aber nachgereicht werden mit dem Ergebnis, dass erst mit Ergänzung der Massenentlassungsanzeige eine ordnungsgemäße Anzeige vorliege.
8. Für die Entscheidung maßgebend ist, dass § 17 KSchG nicht nur arbeitsmarktpolitische Ziele verfolgt, rechtzeitige Unterrichtung der Arbeitsverwaltung zur Vorbereitung der Arbeitsvermittlung. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Bestimmung und entsprechend auch der Massenentlassungsrichtlinie liegt in der Beteiligung des Betriebsrates nach§ 17 Abs. 2 KSchG. Dieser Bedeutung des Konsultationsverfahrens entspricht es, dass der Arbeitgeber nicht nur vergleichbar dem Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG das Konsultationsverfahren unternehmensintern durchführen muss, vielmehr verpflichtet ihn § 17 Abs. 3, Satz 1 - 3 KSchG dazu, gegenüber der Arbeitsverwaltung den Nachweis der ordnungsgemäßen Durchführung des Konsultationsverfahrens zu führen durch Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrates bzw. durch Schilderung eines ordnungsgemäß durchgeführten Konsultationsverfahrens. Betrachtet man Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG und Ausgestaltung der Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 3, Satz 1 - 3 KSchG im Gesamtzusammenhang, kann daraus nur gefolgert werden, dass dem Nachweis eines ordnungsgemäßen Konsultationsverfahrens ein derart hoher Stellenwert zukommt, dass ohne beigefügte Stellungnahme des Betriebsrates, erst recht, wenn zusätzlich das Vorhandensein eines Betriebsrates verneint ist, eine wirksame Massenentlassung nicht vorliegt. Es fehlt ein wesentlicher Bestandteil der Massenentlassungsanzeige mit der Folge, dass eine unvollständige, nicht nur in einzelnen Punkten fehlerhafte Anzeige vorliegt. Diese Unvollständigkeit der Massenentlassungsanzeige hat zur Folge, dass Kündigungen, die vor Vervollständigung der Anzeige ausgesprochen werden, unwirksam sind.
Die Kündigung der Klägerin vom 28.12.2007 ist damit im Ergebnis unwirksam, weil eine vollständige und ordnungsgemäße Massenentlassungsanzeige im Zeitpunkt der Kündigungserklärung nicht vorlag.
9. Weil die Berufung zurückzuweisen war, trägt der Beklagte die Kosten des Rechtsmittels, § 97 ZPO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 63 Abs. 2 GKG in Anwendung des § 42 Abs. 3 GKG.
Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 72 Abs. 2, Nr. 1 ArbGG.
Maul
Blum