Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.12.2010, Az.: 5 TaBV 25/10
Tarifliche Eingruppierung einer Zugansagerin der Deutschen Bahn AG; Zustimmungsersetzung nach Widerspruch des Betriebsrats
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 09.12.2010
- Aktenzeichen
- 5 TaBV 25/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 33722
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2010:1209.5TABV25.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 17.02.2010 - AZ: 5 BV 11/09
Rechtsgrundlagen
- § 99 Abs. 1 BetrVG
- § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG
- § 99 Abs. 4 BetrVG
- § 5 Abs. 1 ETV DB Konzern
Amtlicher Leitsatz
Bei einer Eingruppierung nach dem Konzern ETV kommt es auf den Schwerpunkt der Tätigkeit an. Es kann nicht darauf abgestellt werden, dass an Arbeitsvorgängen, die mehr als 50 % der Gesamtätigkeit ausmachen, in einem rechtserheblichem Ausmaß die Höhergruppierungsmerkmale vorliegen.
Tenor:
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 17.02.2010 wird abgeändert:
Die Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung der Arbeitnehmerin S. B. in die Entgeltgruppe 509 gemäß Anlage 3 d des KonzernETV in der ab dem 01.03.2008 gültigen Fassung wird ersetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) begehrt gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG die Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin S. B. in die Entgeltgruppe 509 der Anlage 5 D des KonzernETV, welche der Beteiligte zu 2. (im Folgenden: Betriebsrat) nicht erteilt hat.
Die Arbeitgeberin betreibt im Konzernverbund der Deutschen Bahn AG die Personenbahnhöfe und beschäftigt hierbei rund 5000 Mitarbeiter. Der Betriebsrat ist der im Wahlbetrieb "Regionalbereich Nord" mit Sitz in A-Stadt gewählte Betriebsrat.
Im Betrieb der Arbeitgeberin findet der Entgelttarifvertrag für die Arbeitnehmer verschiedene Unternehmen des DB Konzerns (im Folgenden: KonzernETV) Anwendung, welcher zum 01.03.2008 neu strukturiert wurde.
§ 5 des KonzernETV enthält u. a. folgende Regelungen:
"(1) Die Eingruppierung der Arbeitnehmer in eine Entgeltgruppe richtet sich nach der ausgeführten und nicht nur vorübergehend übertragenen Tätigkeit und nicht nach der Berufsbezeichnung. Die Funktionsgruppe sowie die Entgeltgruppe und deren Tätigkeitsmerkmale ergeben sich aus dem Entgeltgruppenverzeichnissen 1 - Tätigkeiten - (Anlagen 3a bis e) und dem Entgeltgruppenverzeichnis 2 - Obersätze - (Anlage 4).
Ist eine Tätigkeit bereits im Entgeltgruppenverzeichnis 1 aufgeführt, findet das Entgeltgruppenverzeichnis 2 keine Anwendung. Erfolgt die Eingruppierung über das Entgeltgruppenverzeichnis 2 ergibt sich das Monatstabellenentgelt für
a) Arbeitnehmer mit operativen Tätigkeiten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit Aufgaben Anlagen- und Fahrzeuginstandhaltung stehen, aus Anlage 5a.
b) Arbeitnehmer mit operativen Tätigkeiten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit Aufgaben Zugbildung und -bereitstellung sowie verkehrliche Aufgaben im Schienengüterverkehr (SGV) stehen, aus Anlage 5 b,
c) Arbeitnehmer, mit operativen Tätigkeiten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit Aufgaben Bahnbetrieb und Netze stehen, aus Anlage 5 c,
d) Arbeitnehmer mit operativen Tätigkeiten, die im unmittelbaren Zusammenhang mit Aufgaben Bahnservice und Vertrieb sowie der stationären Gastronomie stehen, aus Anlage 5d,
e) Arbeitnehmer mit allgemeinen Aufgaben zum Beispiel in den Tätigkeitsbereichen Personal, Einkauf, Finanzen, Controlling, Recht, Marketing, Bildung aus Anlage 5 e.
(2) Werden Arbeitnehmern Tätigkeiten übertragen, die verschiedenen Entgeltgruppen zuzuordnen sind, so gilt für sie grundsätzlich die Entgeltgruppe, die der überwiegenden Tätigkeit entspricht.
a) Besteht die übertragene Tätigkeit aus zwei Tätigkeiten gleichen Umfangs, richtet sich die Eingruppierung nach der Entgeltgruppe, die der höherwertigen Tätigkeit entspricht.
b) Besteht die übertragene Tätigkeit aus mehr als zwei Tätigkeiten, werden zur Bestimmung der Entgeltgruppe nur die beiden Tätigkeiten berücksichtigt, die zusammen den größten Teil der Beschäftigung ausmachen.
(3) Werden Arbeitnehmern nach dem Entgeltgruppenverzeichnis 1 Tätigkeiten übertragen, die mit dem Zusatz "(kein Ü)" gekennzeichnet sind, findet für die Eingruppierung das Überwiegend-Prinzip nach Abs. 2 keine Anwendung. Die Arbeitnehmer sind in diesen Fällen unabhängig vom zeitlichen Umfang der höherwertigen Tätigkeit in diese höherwertige Tätigkeit einzugruppieren. (...)"
Im Entgeltgruppenverzeichnis 1 (Anlage 3 zum KonzernETV) sind für eine Reihe von Tätigkeiten verbindliche Festlegungen der Tarifparteien für die Eingruppierung erfolgt (Blatt 29 bis 34 d.A.). Ist eine Tätigkeit nicht im Entgeltgruppenverzeichnis 1 aufgeführt, wird die Eingruppierung über das Entgeltgruppenverzeichnis 2 (Anlage 4 zum KonzernETV) durchgeführt (Blatt 35 bis 41 d. Akte). Dem Entgeltgruppenverzeichnis 2 sind unter anderem folgende Obersätze vorangestellt:
"(...)"
"1. Die durch die Tätigkeiten in den einzelnen Entgeltgruppen geforderten Qualifikationen (z. b. Ausbildungsabschlüsse) können durch gleichwertige Kenntnisse und Fertigkeiten oder durch langjährige Berufserfahrung in einer einschlägigen Vortätigkeit ersetzt werden. (...)
4. Bei der Eingruppierung sind alle Kriterien - Qualifikation/Ausbildung, Handlungsspielraum/Verantwortungsrahmen und Schwierigkeit/Komplexität der Aufgabe - gleich zu gewichten. Für die Eingruppierung in eine Entgeltgruppe müssen nicht sämtliche Kriterien erfüllt sein. Entscheidend ist der Schwerpunkt der Anforderungen an die Tätigkeit (...)".
Mit Schreiben vom 28.10.2008, welches der Betriebsrat am 30.10.2008 erhielt, beantragte die Arbeitgeberin die Zustimmung zur Umgruppierung der Arbeitnehmerin S. B. in die Entgeltgruppe 509. Diese Arbeitnehmerin wird als Mitarbeiterin der Zugansage 2 im Bereich des Bahnhofsmanagements A-Stadt eingesetzt. Die ihr übertragenen Tätigkeiten ergeben sich aus der Stellenbeschreibung vom 01.03.2008 (Bl. 56, 57 der Akte). Die von den Zugansagern im Bereich des Bahnhofsmanagements A-Stadt in das EDV-System eingepflegten Daten bei längerfristigen Änderungen des Fahrplans gehen nicht nur in die Fahrgastinformationsanlage, sondern auch in die Informationssysteme IRIS und LeiDis ein, in denen sämtliche Fahrplandaten bundesweit hinterlegt sind. Hierauf können alle Mitarbeiter des Bahnkonzerns zugreifen. Die Informationen aus IRIS und LeiDis gehen ihrerseits in das Internet und entsprechende Informationssysteme ein, aus denen die Fahrgäste Informationen über den Fahrplan erlangen können. Die Zugansagerin wird nicht konkret auf Veränderungen im Fahrplan hingewiesen, vielmehr erhält sie eine Flut von Informationen per E-Mail, aus denen sie selbständig heraussuchen muss, für welche Verbindungen Verspätungen vorliegen und welches Ausmaß diese Verzögerungen angenommen haben. Hierbei muss die Zugansagerin diese Information sichten und selbständig entscheiden, welche Information für sie relevant ist. Dabei geht es nicht nur um Verspätungen, sondern auch um zusätzliche Halte aufgrund von Bauarbeiten.
Die Teiltätigkeiten der betroffenen Arbeitnehmerin B., die aus Ansagetätigkeiten und dem Bedienen der Fahrgastinformationsanlage bestehen, machen jedenfalls den überwiegenden Teil ihrer Arbeitszeit aus (mehr als 50 %).
Mit Schreiben vom 06.11.2008 verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten Umgruppierung dieser Arbeitnehmerin, mit der Begründung, die vorgesehene Eingruppierung verstoße gegen den KonzernETV. Denn ihre Tätigkeit entspreche den Merkmalen der Entgeltgruppe 506 des Entgeltgruppenverzeichnisses 2.
Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich die Zustimmungsersetzung begehrt und die Auffassung vertreten, die Tätigkeit der betroffenen Arbeitnehmerin sei der Entgeltgruppe 509 des Entgeltgruppenverzeichnisses 1 zuzuordnen. Sie hat behauptet, die von der Arbeitnehmerin B. vorzunehmende Dateneingabe erfolge dergestalt, dass über eine vorgegebene Maske ein Numerus clausus von Daten in die Fahrgastinformationsanlagen einzupflegen sei, welche die Mitarbeiterin zuvor zugeschickt bekommen habe. Konkret gäben die Mitarbeiter der Zugansage in A-Stadt die Fahrplandaten in das Computersystem für den Betrieb der Zugzielanzeige und der automatischen Durchsage für 24 Bahnhöfe des Bahnhofsmanagements A-Stadt ein. Dabei müssten auch anlassbezogene Daten eingegeben werden, wobei es sich um ergänzende Fahrplandaten bei Messen und Ausstellungen für ausgewählte Bahnhöfe und abweichende Daten bei Bauarbeiten handle. Dies diene dazu, dass die Fahrgastinformationsanlagen, also die Zugzielanzeige und das Computersystem mit den automatischen Durchsagen, korrekt funktionierten. Hierbei handele es sich um Standard- und Routineaufgaben innerhalb abgegrenzter Aufgabenbereiche, die nach allgemeinen Anweisungen und Richtlinien auszuführen seien. Für die Bedienung der Fahrgastinformationsanlagen und die Datenpflege benötigte die betroffene Mitarbeiterin keine abgeschlossene Berufsausbildung. Ein Anlernen reiche grundsätzlich aus. Eine einschlägige Zusatzqualifikation werde weder benötigt noch sei sie bei der betroffenen Mitarbeiterin vorhanden. Die Tätigkeit setze auch keinen gesteigerten Schwierigkeitsgrad oder eine größere Variationsbreite der Aufgaben voraus.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Zustimmung des Betriebsrates zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin Frau S. B. in die Entgeltgruppe 509 gemäß Anlagen 5D des KonzernETV in der ab dem 01.03.2008 gültigen Fassung zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, die Tätigkeit der Zugansage im Bereich des Bahnhofsmanagements sei tarifgerecht in die Entgeltgruppe 506 des Entgeltgruppenverzeichnisses 2 anzuordnen. Denn diese Tätigkeit gliedere sich in die Arbeitsvorgänge Anzeigetätigkeit, Bedienen der Fahrgastinformationsanlage, Unterstützung des Fahrplanbüros und Einpflegen der Fahrplandaten sowie sonstige (allgemeine) Büroaufgaben. Hierbei, so hat der Betriebsrat behauptet, nehmen von der Gesamttätigkeit die Anzeigetätigkeiten 30 %, die Bedienung der Fahrgastinformationsanlage 25 %, die Unterstützung des Fahrplanbüros nebst Einpflege der Fahrplandaten 40 % und die allgemeinen Büroaufgaben 5 % ein.
Der Betriebsrat hat ferner die Auffassung vertreten, die reine Anzeigetätigkeit, die vom zeitlichen Umfang her die geringste Arbeitsleistung in Anspruch nehme, könne nicht maßgebend für die Eingruppierung sein. Maßgebend seien die zusätzlichen Tätigkeiten, die üblicherweise von Mitarbeitern des Fahrplanbüros ausgeübt würden. Hierzu hat der Betriebsrat behauptet, eine Hauptaufgabe des Fahrplanbüros sei es, die unterschiedlichen Meldungen, z. B. bezüglich der Bautätigkeit und evtl. Fahrplanverschiebungen aufgrund von Messen und ähnlichem in den Fahrplan einzuarbeiten.
Die Arbeitgeberin hat eingeräumt, dass in anderen Bahnhofsmanagements das Einpflegen von Daten in die Fahrgastinformationsanlagen durch die Fahrplanbüros erfolge. Sie hat die Auffassung vertreten, dass zwischen den Tätigkeiten der Mitarbeiter der Zugansage in A-Stadt und der Fahrplanbüros wesentliche Unterschiede bestünden.
Ergänzend wird hinsichtlich der Sachverhaltsdarstellung auf die Sachverhaltsdarstellung des angefochtenen Beschlusses, dort Gründe I (Bl. 2-7 desselben, Bl. 209-214 der Gerichtsakte) Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 17.02.2010 hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die von der Arbeitgeberin begehrte Umgruppierung der Arbeitnehmerin S. B. in die Entgeltgruppe 509 KonzernETV sei nicht tarifgerecht. Ihre Tätigkeiten stellten einen einheitlichen Arbeitsvorgang dar. Sie gingen über die für die Eingruppierung in die Entgeltgruppen 509, 511 des KonzernETV maßgeblichen Tätigkeiten hinaus.
Wegen weiterer Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Gründe II des angefochtenen Beschlusses, Bl. 7 bis 14, Bl. 214 bis 221 der Gerichtsakte verwiesen.
Dieser Beschluss ist der Arbeitgeberin am 07.04.2010 zugestellt worden. Mit einem am 13.04.2010 eingegangenen Schriftsatz hat sie Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 06.07.2010 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 02.06.2010 die Begründungsfrist antragsgemäß bis zum 07.07.2010 verlängert hatte.
Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Arbeitgeberin das erstinstanzliche Prozessziel der Zustimmungsersetzung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie meint, die von Frau B. ausgeführten Tätigkeiten entsprechen den Tätigkeiten, die der tarifvertraglichen Regelung gemäß § 5 Abs. 1 KonzernETV in Verbindung mit dem Entgeltgruppenverzeichnis 1, Entgeltgruppe 509, zugrunde lägen. Es sei insbesondere nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen der angefochtene Beschluss den Tätigkeitsbereich "Bedienen und Pflege der Daten der Fahrgastinformationsanlagen", der insoweit wörtlich übereinstimmend sowohl in der tarifvertraglichen Eingruppierungsregelung sowie auch in der Stellenbeschreibung enthalten sei, auf die der Information der Reisenden dienenden Informationssysteme begrenze. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die Eingabe von Daten mit regionaler oder längerfristiger Bedeutung zu einer höheren Verantwortung und stärkere Komplexität der Aufgaben führe. Im Übrigen, so behauptet sie, seien längerfristige und regionale Veränderungen des Sollfahrplanes die Ausnahme.
Sie beantragt,
1. den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover (5 BV 11/09) vom 17.02.2010 aufzuändern
und
2. die Zustimmung des Betriebsrates zur Umgruppierung der Arbeitnehmerin S. B. in die Entgeltgruppe 509 gem. Anlage 3d des KonzernETV in der ab 01.03.2008 gültigen Fassung zu ersetzen.
Der Betriebsrat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt den angefochtenen Beschluss und seinen Widerspruch als inhaltlich zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerde wird auf ihre Schriftsätze vom 06.07. und 07.09.2010 sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 09.12.2010 verwiesen.
II. A. Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG i.V.m. 519, 520 ZPO).
B. Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Abänderung des angefochtenen Beschlusses und zur antragsgemäßen Zustimmungsersetzung. Der Antrag der Arbeitgeberin gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG ist zulässig und begründet.
I. Es liegt ein wirksamer Widerspruch des Betriebsrates gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG vor, den im Wege des Zustimmungsersetzungsverfahrens gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG die Arbeitgeberin zu überwinden berechtigt war.
1. Aufgrund der Anzahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer (mehr als 20) findet das Mitbestimmungsrecht des § 99 Abs. 1 BetrVG Anwendung. Die streitgegenständliche Maßnahme stellt sich auch als Umgruppierung im Sinne der zuvor genannten Vorschrift dar. Hierunter versteht man eine Neueinreihung des Beschäftigten in eine im Betrieb geltende Vergütungsordnung. Sie besteht in der Feststellung, dass die Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht oder nicht mehr den Merkmalen der Vergütungsgruppe entspricht, in die er bisher eingruppiert ist, sondern denen einer anderen. Eine Umgruppierung findet nicht nur statt, wenn dem Arbeitnehmer eine neue Tätigkeit zugewiesen wird, sondern auch, wenn sich bei gleichbleibender Tätigkeit des Arbeitnehmers die Vergütungsordnung ändert (BAG, Beschluss vom 21.10.2009, AZ: 4 ABR 40/08 -AP-Nr. 42 zu § 99 BetrVG 1972 Eingruppierung).
2. Nachdem die Arbeitgeberin das Verfahren gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG durch vollständige Information gegenüber dem Betriebsrat eingeleitet hat, hat dieser formell wirksam gemäß § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG widersprochen. Der Widerspruch ist form- und fristgemäß erfolgt. Er hat insbesondere einen ausreichenden Bezug zu dem Widerspruchsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Denn der Betriebsrat hat geltend gemacht, die beabsichtigte Umgruppierung verstoße gegen das innerbetrieblich angewandte Vergütungssystem in Gestalt der anzuwendenden Tarifverträge.
II. Der Widerspruch ist unbegründet, die Zustimmung war zu ersetzen. Insbesondere ist die von der Arbeitgeberin beabsichtigte Umgruppierung tarifgerecht.
1. Widerspricht der Betriebsrat formell ordnungsgemäß einer beabsichtigten Umgruppierung gemäß § 99 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 BetrVG wegen vermeintlich fehlerhafter Eingruppierung, dann ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu klären, welchen Merkmalen der im Betrieb geltenden Vergütungsordnung die jeweilige Tätigkeit entspricht. Das verlangt die Subsumtion eines bestimmten Sachverhaltes unter eine vorgegebene Ordnung. Dieser Vorgang erfolgt im Verhältnis der Arbeitsvertragsparteien zueinander. Die Umgruppierung stellt keine Rechtsgestaltung dar, sondern einen gedanklichen Vorgang. Sie ist ein Akt der Rechtsanwendung und die Kundgabe des hierbei gefundenen Ergebnisses, dass die vom Arbeitgeber zu verrichtende Tätigkeit den Tätigkeitsmerkmalen einer bestimmten Vergütungsgruppe entsprechen und daher der Arbeitnehmer in dieser Gruppe einzuordnen ist. Bei dem zu beachtenden Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates handelt es sich um ein Mitbeurteilungsrecht im Sinne einer Richtigkeitskontrolle. Nach herrschender Meinung trägt der Arbeitgeber die Feststellungslast (ErfK-Kania, 10. Auflage, § 99 Randnummer 42; GK-Raab, 8. Auflage, § 99 Randnummer 173; Fitting, 25. Auflage, § 99 Randnummer 290; H/S/W/G/N-Schlochauer, 7. Auflage, § 99 Randnummer 142; a.A. Richardi-Thüsing, 11. Auflage, § 99 Randnummer 288; MüArbR-Matthes, 3. Auflage, § 352 Randnummer 119).
2. Die von Frau B. ausgeführten Tätigkeiten entsprechen den Tätigkeiten, die der tariflichen Regelung gemäß § 5 Abs. 1 KonzernETV in Verbindung mit dem Entgeltgruppenverzeichnis 1 Entgeltgruppe 509 zugrunde liegen. Hierbei kann insbesondere auf sich beruhen, ob der vom Betriebsrat angeführte Teilbereich der "Unterstützung des Fahrplanbüros" eine selbständig nach dem Tarifvertrag gemäß § 5 Abs. 1. und 2. KonzernETV zu bewertende Tätigkeit ist oder aber ob die Gesamttätigkeit der Klägerin nach diesem Tarifvertrag nur einheitlich beurteilt werden kann.
a. Gemäß § 5 Abs. 1 KonzernETV ist maßgebend für die Eingruppierung der Arbeitnehmer die ausgeführte und nicht nur vorübergehend übertragene Tätigkeit. Ist eine Tätigkeit bereits im Entgeltgruppenverzeichnis 1. aufgeführt, findet das Entgeltgruppenverzeichnis 2. keine Anwendung. Werden gemäß Absatz 2 dieser Norm Arbeitnehmer Tätigkeiten übertragen, die verschiedenen Entgeltgruppen zuzuordnen sind, so gilt für sie grundsätzlich die Entgeltgruppe, die der überwiegenden Tätigkeit entspricht. Als Grundlage der Eingruppierung kann nicht stets eine Gesamtaufgabe des Arbeitnehmers angenommen werden. Die Tätigkeit kann auch aus mehreren, jeweils eine Einheit bildenden Einzeltätigkeiten bestehen, die tariflich gesondert zu bewerten sind (BAG, Urteil vom 09.05.2007, AZ: 4 AZR 757/06 - BAGE 122, 244, 255). Bei einer Eingruppierung kommt es zunächst darauf an, festzustellen, ob die Arbeitnehmerin eine einheitlich zu bewertende Gesamttätigkeit oder mehrere selbständige Teiltätigkeiten zu erbringen hat, die tatsächlich trennbar und jeweils rechtlich selbständig bewertbar sind. Bei der Zusammenfassung von Einzeltätigkeiten zu einer einheitlich zu bewertenden Gesamttätigkeit oder mehreren jeweils eine Einheit bildenden Teiltätigkeiten gelten vergleichbare Regeln und Kriterien wie bei der Bestimmung des Arbeitsvorganges nach dem Bundesangestelltentarifvertrag, lediglich die anzuwendenden Maßstäbe sind weniger streng (BAG, Beschluss vom 21.10.2009, aaO.).
b. Läßt sich die Tätigkeit der Arbeitnehmerin B. einheitlich als eine nach dem Tarifvertrag einheitlich zu bewertende Tätigkeit qualifizieren, wovon auch das Arbeitsgericht ausgegangen ist, dann lässt sich folgendes festhalten: Jedenfalls die von der Arbeitnehmerin auszuübenden Teiltätigkeiten bestehend aus den Ansagetätigkeiten einerseits und dem Bedienen der Fahrgastinformationsanlage andererseits geben von den Arbeitszeitanteilen her ihrer Tätigkeit das Gepräge. Diese Tätigkeiten sind völlig unproblematisch den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppe 509 zur Anlage 1 gemäß § 5 KonzernETV zuzuordnen und entsprechen denen einer klassischen Zugansage. Ob demgegenüber die Teiltätigkeit der "Unterstützung des Fahrplanbüro" dieser Tätigkeitsgruppe des Tarifvertrages nicht entspricht und nach den allgemeinen Maßstäben der Anlage eine höhere Vergütungsgruppe rechtfertigt, kann ausdrücklich dahin gestellt bleiben. Denn die Auslegung des Tarifvertrages ergibt, dass es innerhalb einer einheitlichen Tätigkeit auf die Tätigkeits-zeitanteile ankommt, die zu mehr als 50 % der Gesamttätigkeit ihr Gepräge geben. Keineswegs gelten die für die Tarifverträge des öffentlichen Dienstes anerkannten Auslegungsgrundsätze, denen zu folge es nicht darauf ankommt, dass innerhalb eines Arbeitsvorganges 50 % höherwertige Tätigkeiten vorliegen müssen, vielmehr der Arbeitsvorgang 50 % der Gesamttätigkeit ausmachen müsse und innerhalb dieses Arbeitsvorganges in einem rechtserheblichen Ausmaß Tätigkeiten enthalten sein müssten, die den Höhergruppierungsmerkmalen entsprechen. Diese bekannte Rechtsprechung und Anwendungspraxis aus dem Bereich des öffentlichen Dienstes kann für den hier vorliegenden Tarifvertrag nicht angewendet werden. Es kommt auf den Schwerpunkt der Tätigkeiten an.
b. Sollten die Tätigkeiten der betroffenen Arbeitnehmerin rechtlich aufgespalten und gesondert bewertet werden können, dann kann gleichfalls dahingestellt bleiben, ob die zeitlich nicht mehr als 50 % der Gesamttätigkeit ausmachende Teiltätigkeit der "Unterstützung des Fahrplanbüro" nicht den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppe 509 der Anlage 1 auf der Grundlage des § 5 KonzernETV unterfällt. Denn in diesem Fall ist nicht § 5 Abs. 2 b anwendbar sondern § 5 Abs. 2 im Übrigen. Danach richtet sich die Eingruppierung nach der überwiegenden Tätigkeit, wenn die Gesamttätigkeit sich in nicht mehr als zwei selbständig zu bewertende Einzeltätigkeiten aufspaltend lässt.
Eine Abtrennbarkeit des Bereiches "Unterstützung des Fahrplanbüros" vorausgesetzt, bilden die übrigen Tätigkeiten der Klägerin eine einheitliche und nicht mehr aufspaltbare tariflich einheitlich zu bewertende Einheit, welche den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppe 509 entspricht. Denn jedenfalls diese der Arbeitnehmerin B. übertragenden Tätigkeiten stellen eine einheitlich nach dem Tarifvertrag zu bewertende Gesamttätigkeit dar. Diese umfasst die Durchführung der akustischen Information der Reisenden einschließlich des Steuerns und der Pflege der Daten der Fahrgastinformationsanlagen und der Fahrplandaten. Die Ansagetätigkeit steht in untrennbarem Zusammenhang mit der Bedienung der automatischen Fahrgastinformationsanlage. Die Aufgabenbereiche lassen sich bei vernünftiger Betrachtung nicht in gesondert zu bewertende Tätigkeitsbereiche aufspalten. Die Teilbereiche "Ansagetätigkeiten" und "Bedienen der Fahrgastinformationsanlage" gehören unmittelbar zusammen und bilden den einheitlichen Kern der Arbeitsaufgabe, so wie die klassische Ansagetätigkeit die von den Entgeltgruppen E511 und E 509 erfasst worden sind geregelt ist.
Nach alledem war die beantragte Zustimmungsersetzung zu erteilen.
c. Gemäß § 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG war wegen grundsätzlicher Bedeutung die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.
Knodel
Elges