Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.12.2010, Az.: 13 Sa 318/10
Änderungskündigung eines Fleischers bei Umsetzung von der Materialvorbereitung in den Bereich Verpackung; Sozialauswahl bei Möglichkeit der Weiterbeschäftigung ohne Herabgruppierung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 07.12.2010
- Aktenzeichen
- 13 Sa 318/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 33720
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2010:1207.13SA318.10.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BAG - 23.02.2012 - AZ: 2 AZR 45/11
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 3 KSchG
- § 2 KSchG
- § 3 Abs. 2 LTV
Redaktioneller Leitsatz
1. Aus einer zeitweisen vertragswidrigen Beschäftigung nach vorzeitiger Umsetzung des Arbeitnehmers folgt nicht die Unwirksamkeit der zur Vertragsanpassung ausgesprochenen Änderungskündigung.
2. Die Änderungskündigung eines Fleischers aus dem Bereich der Materialvorbereitung ist unwirksam, wenn der Arbeitnehmer nach Schließung der Materialvorbereitung ohne das Erfordernis einer Änderungskündigung und Herabgruppierung mit Fleischertätigkeit nach Lohngruppe I LTV in der Rohwurstherstellung weiterbeschäftigt werden kann.
3. Bei Besetzung mit einem ausgebildeten Fleischer entsprechen die Arbeitsplätze Rohwurst und Pökelei der Lohngruppe I LTV; das ergibt die Auslegung der Lohngruppenmerkmale und Eingruppierungsgrundsätze des einschlägigen Firmentarifvertrages.
In dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungsbeklagter,
gegen
Beklagte und Berufungsklägerin,
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2010 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Kroschke,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Zyla
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 04.02.2010, 4 Ca 395/09, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 5.577,63 € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen mit Änderungskündigung vom 29.07.2009, ausgesprochen zum 31.10.2009, sozial ungerechtfertigt ist. Er hat die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen.
Der Kläger, 1959 geboren, verheiratet und zwei Kindern unterhaltspflichtig, ist ausgebildeter Fleischer und seit dem 01.05.1984 bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Fleischwarenindustrie mit Mitte 2009 219 Beschäftigten. Im Betrieb finden Anwendung firmentarifvertragliche Regelungen, darunter der Lohntarifvertrag vom 26.08.2008 (LTV).
Der Kläger war in der Materialvorbereitung beschäftigt, in der insbesondere Schinken zerlegt wurden, und erhielt Lohn nach Lohngruppe I LTV. Die Änderungskündigung vom 29.07.2009 (Bl. 5 und 6 d. A.) beinhaltet Umsetzung in den Bereich der Verpackung mit Lohn nach Lohngruppe III LTV ab 01.11.2009 und gestaffelten Ausgleichszahlungen bis zum 31.12.2010. Der Kläger ist seit Anfang Juli 2009 im Bereich Verpackung eingesetzt.
Nach Interessenausgleich und Sozialplan vom 16.07.2009 (Bl. 20 f. d. A.) ist von der Beklagten die Entscheidung getroffen worden, die Abteilung Materialvorbereitung, insbesondere die Schinkenzerlegung mit Wirkung vom 30.06.2009 einzustellen und die Materialien für die Schinkenproduktion ab 01.07.2009 zuzukaufen. Von der Auflösung der Abteilung Materialvorbereitung seien 11 gewerbliche Arbeitnehmer betroffen, die auf Arbeitsplätze in den Bereichen Verpackung, Rohwurst Kutter, Pökelei, Verladehalle umgesetzt werden sollten und nach Lohngruppe III herabgruppiert werden sollten. Anlage 1 zum Interessenausgleich und Sozialplan (Bl. 27 d. A.) enthält eine Liste mit 11 betroffenen gewerblichen Arbeitnehmern der Materialvorbereitung. Davon waren 9 Arbeitnehmer in Lohngruppe I, ein Arbeitnehmer in Lohngruppe III und 1 Arbeitnehmer in Lohngruppe II eingestuft. Auf den Inhalt der Personalliste wird Bezug genommen.
Der Kläger hat die Sozialauswahl gerügt und ausgeführt, Tätigkeiten eines Fleischergesellen nach Lohngruppe I LTV seien weiterhin vorhanden in den Abteilungen Brühwurst, Rohwurst, Warenannahme und Pökelkeller.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis trotz der Änderungskündigung vom 29.07.2009 unverändert fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, mit Schließung der Materialvorbereitung seien die Arbeitsplätze nach Lohngruppe I LTV weggefallen. Arbeitsplätze nach Lohngruppe I LTV mit reiner Fleischertätigkeit seien im Betrieb nicht mehr vorhanden. Soweit Arbeitnehmer nach dieser Lohngruppe vergütet würden, erfolge dies nicht aufgrund der Qualifikation als Fleischer, sondern weil die Arbeitnehmer mindestens als stellvertretende Abteilungsleiter tätig seien.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt, weil der Kläger schon vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist umgesetzt worden sei.
Mit Berufung widerspricht die Beklagte der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts. Die Umsetzung des Klägers Anfang Juli 2009 habe nicht die Unwirksamkeit der Änderungskündigung zur Folge. Mit Schriftsatz vom 17.09.2010, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, meint die Beklagte, aus§ 3 Abs. 2 LTV folge nicht, dass allein aufgrund der Berufsausbildung und einer zum Berufsbild gehörenden Teiltätigkeit die Anforderungen der Lohngruppe I LTV erfüllt seien. Erforderlich für Lohngruppe I LTV sei, dass die Tätigkeit im Wesentlichen dem Berufsbild des Ausbildungsberufes entspreche. Mit Schließung der Materialvorbereitung habe deshalb kein Arbeitsplatz bestanden, auf den der Kläger ohne Herabstufung nach Lohngruppe III LTV habe eingesetzt werden können. Die Beklagte hat im Berufungsverfahren eine Stellungnahme des Verbandes der Ernährungswirtschaft vom 17.09.2010 vorgelegt, auf deren Inhalt (Bl. 103 d. A.) Bezug genommen wird.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 04.02.2010 - Az.: 4 Ca 395/09 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt nach Maßgabe der Berufungserwiderung das arbeitsgerichtliche Urteil. Er wiederholt insbesondere sein erstinstanzliches Vorbringen, wonach in der Wurstherstellung und Pökelei Arbeitsplätze mit Fleischergesellentätigkeit vorhanden seien. So seien sozial stärkere Mitarbeiter wie der Arbeitnehmer F. und der Arbeitnehmer H. mit Fleischertätigkeit in der Pökelei beschäftigt worden. Für die Umsetzung auf verbleibende Fleischerarbeitsplätze sei die soziale Auswahl nicht gewahrt.
Ergänzend wird Bezug genommen auf die zweitinstanzlich von den Parteien eingereichten Schriftsätze.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG. Die Berufung ist nicht begründet.
Die Kammer folgt nicht der Rechtsauffassung des Arbeitsgerichts, dass die Änderungskündigung bereits deshalb unwirksam ist, weil der Kläger vor Ausspruch der Änderungskündigung und Ablauf der Kündigungsfrist in den Bereich der Verpackung umgesetzt worden ist. Die ausgesprochene Änderungskündigung ist unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist erfolgt und hatte nicht zum Ziel, vorzeitig vor Ablauf der Kündigungsfrist die Vertragsbedingungen zu verändern. Die vorzeitige Umsetzung des Klägers bereits Anfang Juli 2009 mag vertragswidrig gewesen sein, weil der Anspruch auf Beschäftigung nicht gewahrt worden ist. Aus einer zeitweisen vertragswidrigen Beschäftigung folgt aber nicht die Unwirksamkeit der zum Zwecke der Vertragsanpassung ausgesprochenen Änderungskündigung.
Das arbeitsgerichtliche Urteil war zu bestätigen, weil die Änderungskündigung aus einem anderen Grund sozial ungerechtfertigt nach §§ 2, 1 Abs. 2 KSchG ist. Bei korrekter tariflicher Eingruppierung sind die Arbeitsplätze mit den Bezeichnungen Rohwurst und Pökelei bei Besetzung mit einem ausgebildeten Fleischer nach Lohngruppe I LTV zu bewerten. Nach dem Grundsatz der sozialen Auswahl gemäß § 1 Abs. 3 KSchG war der Kläger auf einem dieser Arbeitsplätze ohne Änderung des Arbeitsvertrages umzusetzen. Dass die Arbeitsplätze Rohwurst und Pökelei bei Besetzung mit einem ausgebildeten Fleischer der Lohngruppe I LTV entsprechen, ergibt eine Auslegung der Lohngruppenmerkmale nach § 2 LTV und der Grundsätze für die Eingruppierung nach § 3 LTV.
Die maßgeblichen Bestimmungen lauten auszugsweise:
Lohngruppe I
Ausführen von Facharbeitertätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die in einer abgeschlossenen einschlägigen Berufsausbildung erworben wurden und im Betrieb auch tatsächlich ausgeübt werden.
Lohngruppe II
Ausführen oder Überwachen von Tätigkeiten, die Teilaufgaben eines Facharbeiters entsprechen, nach einer Einarbeitungszeit von 12 Monaten.
Lohngruppe III
Ausführen von fachbezogenen Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch Einarbeitung, Übung und Erfahrung von in der Regel 6 Monaten erworben werden.
Lohngruppe IV
Ausführen von fachbezogenen Tätigkeiten, für die Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, die durch eine kürzere betriebliche Anlern- und Einarbeitungszeit von in der Regel 3 Monaten erworben werden.
Lohngruppe V
Schüler und Studenten.
§ 3 Abs. 2 LTV
Soweit die Merkmale einer Lohngruppe eine bestimmte berufliche Ausbildung ansprechen, ein Arbeitnehmer eine solche aber nicht durchlaufen hat, ist er in die Bewertungsgruppe einzugruppieren, die seiner Tätigkeit entspricht. Arbeitnehmer mit einschlägiger abgeschlossener Berufsausbildung werden in die Lohngruppe eins eingruppiert, sofern sie dem Berufsbild entsprechend tätig sind.
Tarifverträge sind nach den für die Gesetzesauslegung entwickelten Kriterien auszulegen. Dabei ist auszugehen vom Wortlaut und maßgebend abzustellen auf Sinn und Zweck der Vorschriften und den tariflichen Gesamtzusammenhang. Die Vorstellungen der Tarifvertragsparteien sind nur maßgebend, wenn sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben (z. B. BAG vom 19.08.2004, 8 AZR 375/03, EzA § 4 TVG Chemische Industrie Nr. 7).
Eingruppierungsregelungen stellen im Allgemeinen auf die ausgeübte Tätigkeit ab und nehmen eine Bewertung vor nach den Anforderungen, die die übertragene Tätigkeit an Kenntnisse und Fähigkeiten des Arbeitnehmers stellt. Eine Berufsausbildung führt dann zur Eingruppierung als Facharbeiter, wenn eine der Ausbildung entsprechende Tätigkeit ausgeübt wird (BAG vom 01.07.2009, 4 AZR 249/08, ZTR 2010, 28; BAG vom 24.09.2008, 4 ABR 83/07, Juris; BAG 8 AZR 375/03, aaO.). Eingruppierungsregelungen müssen aber nicht schwerpunktmäßig auf die Tätigkeit und ihre Bewertung abstellen, als Anknüpfungspunkt für eine bestimmte Eingruppierung kann auch die persönliche Qualifikation, z. B. Facharbeiterausbildung, herangezogen werden. Denkbar ist zudem eine Mischung aus tätigkeitsbezogenen Anforderungen und ausbildungsbezogenen Anforderungen. Welche Anforderungen an Tätigkeit und/oder Qualifikation zu stellen sind, ist durch Auslegung der tariflichen Tätigkeitsmerkmale zu ermitteln (BAG 4 AZR 249/08, aaO.). Diese Auslegung ergibt hier, dass die Anforderungen der Lohngruppe I LTV erfüllt sind, wenn der Arbeitnehmer eine Berufsausbildung als Fleischer absolviert hat und eine zum Berufsbild des Fleischers gehörende Teiltätigkeit ausübt.
Die Tätigkeitsmerkmale der Lohngruppen differenzieren nicht nach dem Schwierigkeitsgrad der Tätigkeit, sondern nach Ausbildungserfordernis (Lohngruppe I), Einarbeitungszeit für Teilaufgaben eines Facharbeiters (Lohngruppe II) und Einarbeitungszeit für fachbezogene Tätigkeiten (Lohngruppen III und IV). Der Wortlaut der Tätigkeitsmerkmale ergibt damit bereits Anhaltspunkte für eine maßgebliche Bedeutung der Ausbildung oder der Dauer der Einarbeitungszeit. Dem entspricht § 3 Abs. 2 LTV. Nach Satz 1 ist ein Arbeitnehmer ohne berufliche Ausbildung entsprechend seiner Tätigkeit, also nach erforderlicher Einarbeitungszeit in die Lohngruppen II bis IV einzustufen. Satz 2 gibt dann für Facharbeiter Lohngruppe I vor, wenn die Tätigkeit dem Berufsbild entspricht. Maßgebende Eingruppierungskriterien sind damit Ausbildung und Einarbeitungszeit.
Ausgehend vom Wortlaut ergeben auch Sinn und Zweck und tariflicher Gesamtzusammenhang, dass für Lohngruppe I die Ausübung einer Teiltätigkeit ausreicht, die dem Berufsbild entspricht. Besondere Anforderungen etwa an Schwierigkeit oder Umfang der Teilaufgaben gibt der Tarifvertrag nicht vor.
In der Stellungnahme des Verbandes der Ernährungswirtschaft vom 17.09.2010 heißt es zu diesem Punkt:
Entscheidend ist hier, dass es sich um die wesentlichen Tätigkeiten des Ausbildungsberufes handelt. Dieses bedeutet, dass die Tätigkeit weitgehend das klassische Berufsbild des angesprochenen Berufes abdecken muss. Es wäre falsch anzunehmen, das Teiltätigkeiten, die im Rahmen des Berufsbildes vorkommen, ausreichen würden, um eine Eingruppierung in die Facharbeitergruppe zu rechtfertigen.
Für eine Abgrenzung von wesentlichen Tätigkeiten des Ausbildungsberufes und nicht ausreichenden Teiltätigkeiten ergibt der Tarifvertrag, insbesondere § 3 Abs. 2 LTV keine Anhaltspunkte. Im Übrigen ist der Vorschlag einer Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Tätigkeiten des Berufsbildes nicht zu einer nachvollziehbaren Abgrenzung geeignet. Es gibt kein aus dem Tarifvertrag ableitbares Abgrenzungskriterium. Die Verbandsstellungnahme bestätigt das im Übrigen durch inhaltsleere Umschreibung von Abgrenzungskriterien.
Die Beklagte betreibt die industrielle Herstellung von Fleischprodukten wie Wurstwaren und Schinken. Der Lohntarifvertrag ist ein Firmentarifvertrag, der zielgenauer als ein Verbandstarifvertrag die Arbeitsplatzstruktur bei der Beklagten abbildet. Bei industrieller Fertigung sind die Arbeitsplätze in der Produktion regelmäßig so geschnitten, dass Arbeitnehmer nicht über mehrere Arbeitsschritte eingesetzt sind, sondern jeweils Teilaufgaben wahrnehmen. Diese Teilaufgaben können dann bei Umsetzung wechseln. Eine solche Struktur bedeutet aber auch, dass jede dieser Teilaufgaben mit Einarbeitungszeiten von 3 bis 12 Monaten wahrgenommen werden kann. Darauf beruht die Wertung der Beklagten, es gebe keine Fleischerarbeitsplätze nach Lohngruppe I mehr, sondern nur angelernte Tätigkeiten nach Lohngruppe III oder tiefer. Die Struktur der Arbeitsplätze hat der LTV berücksichtigt und insbesondere mit der Regelung in § 3 Abs. 2 LTV bestimmt, dass bei Facharbeiterausbildung und entsprechender Teiltätigkeit Eingruppierung nach Lohngruppe I erfolgt. Damit wird honoriert, dass der Facharbeiter anders als der Angelernte vielseitig mit allen fachbezogenen Teilaufgaben betraut und vielseitig umgesetzt werden kann. Der Angelernte muss für neue Teilaufgaben neu angelernt werden.
Die Kammer hat in diese Auslegung einbezogen, dass Facharbeiter im Handwerk und in der Industrie selten Tätigkeiten ausüben, die dem Gesamtspektrum der Ausbildungsinhalte entsprechen. Regelmäßig sind wie vom LTV erfasst und bewertet nur Teilaufgaben übertragen. Bei Einsatz eines ausgebildeten Fleischers auf dem Arbeitsplatz Pökelei oder Rohwurst besteht damit ein Entgeltanspruch nach Lohngruppe I LTV.
Diese Auslegung widerspricht nicht der Entscheidung des BAG 4 ABR 83/07, aaO.
Die tarifliche Regelung des dort zu Grunde zu legenden Einzelhandelstarifvertrages ist in einem entscheidenden Punkt anders ausgestaltet. Sie stellt ab auf die ausgeübte Tätigkeit und verlangt für Arbeitnehmer mit Berufsausbildung, dass sie in ihrem erlernten Beruf beschäftigt sind. Eine ergänzende Regelung wie § 3 Abs. 2 LTV sie vorsieht mit bewusster Differenzierung zwischen Arbeitnehmern ohne berufliche Ausbildung und Arbeitnehmern mit abgeschlossener Berufsausbildung enthielt der Einzelhandelstarifvertrag nicht. Gerade § 3 Abs. 2 LTV und seine Sonderregelung in Satz 2 für Arbeitnehmer mit Berufsausbildung waren aber maßgebend für die hier getroffene Auslegung. § 3 Abs. 2 LTV ergänzt das Eingruppierungsmerkmal Berufsausbildung und entsprechende Tätigkeit dahingehend, dass ohne weitere qualitative Anforderung jede dem Berufsbild entsprechende Tätigkeit ausreichend ist.
Der neue Arbeitsplatz des Klägers in der Verpackung ist nach Lohngruppe III LTV zu bewerten. Der Kläger konnte aber ohne das Erfordernis einer Änderungskündigung und Herabgruppierung nach Schließung der Materialvorbereitung mit Fleischertätigkeit nach Lohngruppe I LTV weiterbeschäftigt werden, nämlich in der Rohwurstherstellung oder Pökelei. Nach der Personalliste, Anhang zum Interessenausgleich und Sozialplan, sind aus der Materialvorbereitung 11 Arbeitnehmer umgesetzt worden, davon 4 in die Bereiche Verpackung/Verladehalle. Es standen 7 Fleischerarbeitsplätze zur Verfügung, die nach den Grundsätzen der Sozialauswahl, § 1 Abs. 3 KSchG zu besetzen waren.
Der Kläger rügt zutreffend fehlerhafte Sozialauswahl im Verhältnis zum Arbeitnehmer H., der in der Pökelei, also auf einem Fleischerarbeitsplatz weiter beschäftigt wird. Der Kläger hat eine um acht Jahre höhere Betriebszugehörigkeit, ist ein Jahr jünger als der Mitarbeiter H. und hat drei Unterhaltspflichten, während der Arbeitnehmer H. geschieden ist und eine Unterhaltspflicht hat. Bei einem lediglich geringfügigen Altersunterschied ergeben die Differenz in der Dauer der Betriebszugehörigkeit und die Differenz in den Unterhaltspflichten, dass der Kläger als sozial schutzwürdiger einzustufen ist und an Stelle des Arbeitnehmers H. auf einem Fleischerarbeitsplatz weiter zu beschäftigen war.
Weil die Herabgruppierung nicht erforderlich war, vielmehr der Kläger mit Umsetzung in die Pökelei als Fleischer nach Lohngruppe ILTV weiter beschäftigt werden konnte, ist die ausgesprochene Änderungskündigung unwirksam und die Klage stattgebende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu bestätigen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte, § 97 ZPO. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 63 Abs. 2 GKG in Anwendung des § 42 Abs. 3 GKG.
Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
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