Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.12.2010, Az.: 16 Sa 189/10
Zulage für vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach Übergangsrecht
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 03.12.2010
- Aktenzeichen
- 16 Sa 189/10
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 34804
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2010:1203.16SA189.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 01.12.2009 - AZ: 10 Ca 577/09 Ö
Rechtsgrundlagen
- § 10 S. 2 TVÜ-L
- § 18 TVÜ-L
Redaktioneller Leitsatz
1. § 10 Satz 2 TVÜ-L ist nicht über den 31. Oktober 2008 hinaus unbefristet anzuwenden; das widerspricht dem Wortlaut der Regelung.
2. Der eindeutige Wortlaut des § 10 Satz 2 TVÜ-L enthält die Bestimmung eines Stichtages, ab dem die Regelungen des TV-L über die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit Anwendung finden sollen; Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien nach ihrem wirklichen Willen keine Stichtagsregelung oder eine andere gewollt hätten, sind weder dem § 10 TVÜ-L noch anderen Bestimmungen des Tarifvertrages zu entnehmen.
In dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungskläger,
gegen
das beklagte und berufungsklagende Land,
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2010 durch
die Richterin am Arbeitsgericht Steinke,
die ehrenamtliche Richterin Frau Brockhaus,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Hippler
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 01. Dezember 2009, Az. 10 Ca 577/09 Ö, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Höhe einer Zulage für vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach §§ 10, 18 des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der Länder in den TV-L und zur Regelung des Übergangsrechts (im Folgenden: TVÜ-L).
Der Kläger ist seit 1987 bei dem beklagten Land beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Bundesangestelltentarifvertrag (im Folgenden: BAT), nunmehr findet der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (im Folgenden: TV-L) Anwendung.
Der Kläger war bis einschließlich Juli 2008 in die Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 1 c BAT eingruppiert. Ab 01. August 2006 bis 31. August 2008 wurden ihm höherwertige Tätigkeiten nach der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 a BAT mehrfach übertragen und eine monatliche Zulage von 731,20 EUR gezahlt.
Die Beklagte leitete den Kläger nach TVÜ-L in die Entgeltgruppe E 9 Stufe 4 über. Im August 2008 wurde der Kläger in die Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a BAT entsprechend Entgeltgruppe 9 Stufe 5 TVÜ-L höhergruppiert. Die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit wurde beibehalten. Ab August 2008 erhielt der Kläger eine monatliche Zulage von 753,40 EUR und ein Gesamtbruttoentgelt von monatlich 3.730,60 EUR.
Vom 01. bis 29. September 2008 wurde dem Kläger vorübergehend eine Tätigkeit nach der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a BAT und vom 30. September 2008 bis 30. September 2009 vorübergehend eine Tätigkeit nach der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 a BAT übertragen.
Ab 01. November 2008 zahlte die Beklagte an den Kläger eine Zulage in Höhe von 225,00 EUR brutto nach § 14 TV-L entsprechend der Differenz der Vergütungsgruppen E 9 Stufe 5 zu Entgeltgruppe 11 Stufe 4. Das monatliche Bruttoentgelt des Klägers betrug ab diesen Zeitpunkt 3.388,20 EUR.
Am 01. März 2009 vereinbarten die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (im Folgenden: TdL) und ver.di - Vereinigte Dienstleistungsgesellschaft einen Änderungstarifvertrag, mit dem in § 10 TVÜ-L die Sätze 7 bis 10 eingefügt wurden.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Vergütungsdifferenz zwischen 3.730,60 EUR brutto und 3.388,20 EUR brutto für die Monate November 2008 bis September 2009.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, in § 10 TVÜ-L sei eine für die Tarifvertragsparteien unbewusste Regelungslücke enthalten. Die Tarifvertragsparteien hätten mit den Übergangs- und Besitzstandsregelungen sicherstellen wollen, dass aus Anlass des neuen Tarifrechts eine Einkommensminderung für die Beschäftigten nicht eintrete. Sie hätten für § 10 TVÜ-L unterstellt, dass eine über den 31. Oktober 2008 hinausgehende Regelung entbehrlich sei, weil durch die Überleitung in die neuen Entgeltgruppen keine Vermögensminderung eintrete. Beim Kläger liege eine atypische Fallgestaltung vor, nämlich eine Entgeltminderung aus einer individuellen Endstufe heraus in die Stufung nach § 16 TV-L.
Der Kläger hat behauptet, nach dem übereinstimmenden Willen der Tarifvertragsparteien habe eine solche Entgeltminderung nicht eintreten sollen. Er hat Beweis durch Auskunft der TdL, ver.di - Vereinigte Dienstleistungsgesellschaft und dbb tarifunion angeboten.
Er hat gemeint, das Vorliegen einer unbewussten Regelungslücke zeige die Vereinbarung des Änderungstarifvertrages vom 01. März 2009.
Um Verwerfungen in dem Fall zu vermeiden, in dem die höherwertige Tätigkeit vor dem 01. November 2006 übertragen worden sei gegenüber dem Fall, in dem die Übertragung bei gleicher bewertungsmäßiger Ausgangslage nach dem 01. November 2006 erfolge, habe die Geschäftsstelle der TdL empfohlen, bei auslaufender Vorschrift des § 10 TVÜ-L übertariflich die Vorschrift des § 18 TVÜ-L anzuwenden. Bei Vorliegen einer individuellen Endstufe werde dadurch eine Entgeltminderung ausgeschlossen. Daran zeige sich, dass die Tarifvertragsparteien flächendeckend von dem Grundsatz der Besitzstandswahrung ausgegangen seien und dort, wo sich im Nachhinein Tariflücken herausgestellt hätten, diese im Sinne einer Besitzstandswahrung geschlossen hätten.
Der Kläger hat beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 3.766,40 € brutto nebst jeweils Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
auf 342,40 € ab dem 01. Dezember 2008,
auf weitere 342,40 € ab dem 01. Januar 2009,
auf weitere 342,40 € ab dem 01. Februar 2009,
auf weitere 342,40 € ab dem 01. März 2009,
auf weitere 342,40 € ab dem 01. April 2009,
auf weitere 342,40 € ab dem 01. Mai 2009,
auf weitere 342,40 € ab dem 01. Juni 2009,
auf weitere 342,40 € ab dem 01. Juli 2009,
auf weitere 342,40 € ab dem 01. August 2009,
auf weitere 342,40 € ab dem 01. September 2009 und schließlich noch mal
auf weitere 342,40 € ab dem 01. Oktober 2009,
zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat behauptet, die Tarifvertragsparteien hätte die Befristung des § 10 TVÜ-L bis 31. Oktober 2008 bewusst ausgehandelt und dabei in Kauf genommen, dass in Einzelfällen eine Entgeltminderung eintreten könne. Gerade aus den Einzelregelungen zu Vergleichentgelt, individuellen Zwischen- und Endstufen sowie Strukturausgleich folge, dass die Tarifvertragsparteien nur dort Kompensationen hätten vereinbaren wollen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 01. Dezember 2009, zu dessen Inhalt auf Blatt 47 bis 51 der Akte Bezug genommen wird, abgewiesen. Das Urteil ist dem Kläger am 16. Januar 2010 zugestellt worden. Der Kläger hat gegen das Urteil am 09. Februar 2010 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 16. April 2010 am 16. April 2010 begründet.
Unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen hat er eingewandt, das Arbeitsgericht habe die Beweisantritte für das Vorliegen einer unbewussten tariflichen Regelungslücke aus dem Schriftsatz vom 15. November 2009 übergangen. Die Darlegung konkreterer Anhaltspunkte laufe auf eine Überforderung des Klägers hinaus. Indiztatsachen müssten hierfür ausreichen.
Aus dem Änderungstarifvertrag vom 01. März 2009 folge, dass die Tarifvertragsparteien keine lückenhafte Regelung hätten haben wollen, sondern das Problem erkannt und praktisch geregelt hätten. Hier sei ohne weiteres festzustellen, dass die Regelungslücke durch die Weiterzahlung der individuellen Besitzstandszulage ohne Einkommensminderung zu schließen sei.
Er führt weiter aus, hilfsweise werde der Anspruch auf § 18 TVÜ-L gestützt. Er meint, dem Kläger sei nach der Höhergruppierung zum 01. August 2008 und damit nach dem 31. Oktober 2006 vorübergehend eine höherwertige Tätigkeit übertragen worden. Der Begriff "erstmals" sei nicht dahingehend zu verstehen, dass vor dem 01. November 2006 keine solche Tätigkeit hätte übertragen werden dürfen. Mit der Höhergruppierung zum 01. August 2008 nach Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 1 a BAT sei eine neue arbeitsvertragliche Grundlage geschaffen worden, der die weitere Übertragung der höherwertigen Tätigkeit gefolgt sei.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den Anträgen erster Instanz zu erkennen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Unter Bezugnahe auf sein erstinstanzliches Vorbringen führt es aus, die Behauptung der tariflichen Regelungslücke in § 10 TVÜ-L erfolge ins Blaue hinein.
Es meint, im Zuge des Änderungstarifvertrages vom 01. März 2009 hätte es bei Bestehen einer Regelungslücke des Klägers nahegelegen, diese Lücke zu schließen. Der Umstand, dass § 10 S. 2 TVÜ-L nicht geändert worden sei, belege, dass die Lücke offenkundig nicht bestehe. Es bestünden außerdem keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass - für den Fall des Vorliegens einer Lücke - diese durch Weiterzahlung der individuellen Besitzstandszulage zu schließen sei. Vielmehr sei davon auszugehen, dass ein anderer Stichtag gewählt oder Aufzehrungsbestimmungen zu anderweitigen Entgelterhöhungen vereinbart worden wären.
Das beklagte Land ist weiter der Ansicht, § 18 TVÜ-L finde im vorliegenden Fall keine Anwendung. § 18 TVÜ-L regele in Abgrenzung zu § 10 TVÜ-L die Fälle, in denen nach dem 01. Oktober 2006 erstmals eine höherwertige Tätigkeit übertragen werde. Es komme nicht darauf an, dass nach dem 31. Oktober 2006 und vor dem 31. Oktober 2008 eine neue (andere) höherwertige Tätigkeit übertragen worden sei.
Zum weiteren Parteivortrag wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien.
Entscheidungsgründe
A. Die Berufung des Klägers bleibt erfolglos.
Sie ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1 b ArbGG statthaft, nach § 66 Abs. 1 und 2 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO frist- und formgerecht eingelegt und begründet und daher insgesamt zulässig.
Die Berufung hat allerdings in der Sache keinen Erfolg.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer weiteren Zulage von monatlich 342,40 EUR für die Monate November 2008 bis September 2009, mithin insgesamt 3.766,40 EUR brutto aus § 10 TVÜ-L.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vergl.: Urteile vom 19. September 2007 - 4 AZR 670/06 -, BAGE 124, 110; 07. Juli 2004 - 4 AZR 433/03 - BAGE 111, 204, 209 [BAG 07.07.2004 - 4 AZR 433/03]; 08. September 1999 - 4 AZR 661/98 - BAGE 92, 259, 263) folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrag den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, wobei der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ist, ohne am Buchstaben zu haften. Bei nicht eindeutigem Tarifwortlaut ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist stets auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefert und nur so Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden können. Lässt dies zweifelsfreie Auslegungsergebnisse nicht zu, dann können die Gerichte für Arbeitssachen ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend hinzuziehen. Auch die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG vom 22. April 2010 - 6 AZR 962/08 - juris = ZTR 2010, Seite 417 - 420).
1. Entgegen der Ansicht des Klägers ist § 10 S. 2 TVÜ-L nicht über den 31. Oktober 2008 hinaus unbefristet anzuwenden. Das widerspricht dem Wortlaut der Regelung.
Der Wortlaut des § 10 S. 2 TVÜ-L ist eindeutig. Er enthält die Bestimmung eines Stichtages, ab dem die Regelungen des TV-L über die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit Anwendung finden sollen. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien nach ihrem wirklichen Willen keine Stichtagsregelung oder eine andere gewollt hätten, sind weder dem § 10 TVÜ-L noch anderen Bestimmungen des Tarifvertrages zu entnehmen. Auch nach dem Vortrag des Klägers war die Stichtagsregelung bewusst festgelegt, beruhte jedoch seiner Ansicht nach auf der fehlerhaften Annahme der Tarifvertragsparteien, dass eine über den 31. Oktober 2008 hinausreichende Regelung entbehrlich sei, weil eine Vergütungsminderung nach Zeitablauf durch die Überleitung in neue Entgeltgruppen nicht stattfinden würde.
2. Eine unbewusste Regelungslücke ist in § 10 TVÜ-L nicht gegeben.
Aus dem Gesamtzusammenhang des Tarifvertrages, insbesondere den vom Kläger angeführten Regelungen über das Vergleichsentgelt, individuelle Zwischen- und Endstufen, materielle Sicherungen von Anwartschaften auf Bewährungs- und Fallgruppenaufstieg und Strukturausgleich, folgt, dass eine "flächendeckende Regelung" mit dem Inhalt, aus Anlass des neuen Tarifrechts sollten keinerlei Einkommensminderungen bei den Beschäftigten entstehen, gerade nicht gewollt war. Andernfalls hätte es ausgereicht eine einzige Bestimmung mit eben diesem Inhalt zu vereinbaren. Stattdessen haben die Tarifvertragsparteien mit den verschiedenen Übergangs- und Besitzstandsregelungen dezidierte Bestimmungen zur Überleitung in das neue Entgeltrecht getroffen. Diese Detailregelungen wären nicht erforderlich gewesen, wenn eine flächendeckende Absicherung des Besitzstandes gewollt gewesen wäre.
Gegen das Vorliegen einer Tariflücke in § 10 S. 2 TVÜ-L sprechen auch die mit dem Änderungstarifvertrag vom 01. März 2009 eingefügten neuen Regelungen in § 10 S. 7 bis 10 TVÜ-L. Wie der Kläger selbst ausführt, haben die Tarifvertragsparteien für diesen Bereich, nämlich die Verringerung der Bezüge durch dauerhafte Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit bis zum 31. Oktober 2008, einen Regelungsbedarf erkannt und diesen mit der Ergänzung durch die Sätze 7 bis 10 geschlossen. Sie haben gerade die Stichtagsregelung in § 10 S. 2 TVÜ-L unangetastet gelassen.
Etwas anders folgt nicht aus der zunächst gegebenen Empfehlung der Geschäftsstelle der TdL, bei Auslaufen des § 10 TVÜ-L übertariflich die Vorschrift des § 18 TVÜ-L anzuwenden. Diese Empfehlung bezog sich auf Verwerfungen bei der vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten vor der Überleitung am 01. November 2006 und eines in der Zeit danach eintretenden Bewährungsaufstiegs nach § 8 Abs. 2 TVÜ-L (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese Kommentar zum TV-L § 10 TVÜ-L Rdnr. 317). Die Parteien haben deshalb im Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 01. März 2009 durch Ergänzung des § 10 TVÜ-L um die Sätze 7 bis 10 eine antragsabhängige Besitzstandszulage des Differenzbetrages zwischen den Bezügen vor und nach der Höhergruppierung geschaffen (Clemens/Scheuring/Steingen aaO. Rdnr. 318). Damit kommt nach der Vereinbarung des Änderungstarifvertrages vom 01. März 2009 die zunächst von der Geschäftsstelle der TdL empfohlene Vorgehensweise nicht mehr in Betracht.
Ab 01. November 2008 bestimmt sich bei Angestellten die Zahlung einer persönlichen Zulage wegen vorübergehender Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit ausschließlich nach § 14 TV-L. In den Fällen, in denen die vorübergehende höherwertige Tätigkeit aus dem alten Recht über den 31. Oktober 2008 hinaus fortgeführt wird, sind die Voraussetzungen und die Höhe der Zulage ab 01. November 2008 anhand § 14 TV-L neu zu bestimmen. Dabei können sich Änderungen sowohl im Bezug auf das "Ob" als auch die Höhe der Zulagenzahlung ergeben (Sponer/Steinherr TV-L-Kommentar § 10 TVÜ-L Ziffer 6.3). Auch nach den Durchführungshinweisen der TdL finden mit Wirkung ab 01. November 2008 bei Beibehaltung der anspruchsbegründenden Tätigkeit über den 31. Oktober 2008 hinaus die Regelungen des TV-L über die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit Anwendung (Sponer/Steinherr aaO. Ziffer 6.1). Ab 01. November 2008 beurteilt sich die weitere Zahlung der Zulage ausschließlich nach den Regelungen des TV-L (Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau Eingruppierung und Tätigkeitsmerkmale für Beschäftigte im öffentlichen Dienst, § 10 TVÜ-L, Rdnr.3; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO. § 10 TVÜ-L Rdnr. 31).
Entgegen der Ansicht des Klägers war eine Tarifauskunft zu seiner Behauptung, nach dem übereinstimmenden Willen der Tarifvertragsparteien habe eine Entgeltminderung aus einer individuellen Endstufe in die Stufung nach § 16 TV-L nicht eintreten sollen, nicht einzuholen. Kann Wortlaut, systematischer Zusammenhang und die sonstige Auslegungsgeschichte nicht zu einer zweifelsfreien Auslegung eines Tarifvertrages führen, kann auch Veranlassung zur Einholung einer Tarifauskunft bestehen. Gemäß § 293 ZPO können so Mittel der Rechtsanwendung und die dazu erforderlichen Erkenntnisquellen gewonnen werden, in dem z. B. Auskünfte der Tarifvertragsparteien darüber eingeholt werden, ob es zu den maßgeblichen Regelungen Protokollnotizen oder vergleichbare Unterlagen gibt, aus denen ein übereinstimmender Regelungswille der Parteien ersichtlich ist (vergl.: BAG vom 22. April 2010 - 6 AZR 962/08 - aaO.).
Hier sind die Voraussetzungen für eine Pflicht des Gerichts, eine Tarifauskunft einzuholen, nicht gegeben, da weder Wortlaut noch der systematische Zusammenhang noch sonstige Auslegungsgesichtspunkte zu Zweifeln bei der Auslegung des § 10 S. 2 TVÜ-L führen. Auch der Kläger geht nicht davon aus, dass diese Bestimmung entgegen ihrem Wortlaut auszulegen sei, sondern dass eine Regelungslücke in bestimmter Weise zu schließen sei.
3. Selbst für den Fall, dass eine Regelungslücke in dem vom Kläger dargestellten Sinne in § 10 S. 2 TVÜ-L anzunehmen wäre, führt dies nicht zu einem Anspruch auf Weiterzahlung der Zulage in ursprünglicher Höhe über den 31. Oktober 2008 hinaus.
Nicht jede unbewusste Tariflücke darf durch die Gerichte für Arbeitssachen geschlossen werden. Erforderlich ist vielmehr, dass sich aus dem Tarifvertrag selbst sichere Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Tarifvertragsparteien beabsichtigt hatten, eine vollständige Regelung zu schaffen. Fehlen sichere Anhaltspunkte, kommen insbesondere mehrere Möglichkeiten zur Lückenschließung in Betracht, kann ein mutmaßlicher Wille der Tarifvertragsparteien nicht festgestellt werden. Eine Lückenschließung durch Rechtsanwender ist dann unzulässig, wenn sie in die Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien eingriffe. Die Neuregelung oder Ergänzung bleibt dann den Tarifvertragsparteien überlassen (ständige Rechtsprechung, vergl.: BAG vom 08. November 2006 - 4 AZR 558/05 - BAGE 120, 72; vom 04. April 2001 - 4 AZR 232/00 - BAGE 97, 251; LAG Niedersachsen vom 17. Juli 2009 - 10 Sa 1578/08 - juris).
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die gerichtliche Tariflückenschließung hier unzulässig. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien die Lücke in der Weise geschlossen hätten, dass sie eine - unbefristete - Weiterzahlung der individuellen Besitzstandszulage vereinbart hätten. Die von der Beklagten dargestellten Möglichkeiten, eine etwaige Regelungslücke dahingehend zu schließen, dass ein anderer Stichtag gewählt worden wäre oder Auszehrungsbestimmungen betreffend anderweitiger Entgelterhöhungen vereinbart worden wären, kommen gleichermaßen in Betracht. Anhaltspunkte dafür, dass die Tarifvertragsparteien einer diesen Möglichkeiten den Vorzug gegeben hätten, bestehen nicht. Im Übrigen folgt wiederum aus dem Änderungstarifvertrag vom 01. März 2009 und der Aufnahme der Sätze 7 bis 10 in § 10 TVÜ-L, dass eine unbegrenzte Weiterzahlung der Besitzstandszulage nach altem Recht gerade nicht gewollt war.
4. Die Beklagte hat den Anspruch des Klägers auf Zulage gemäß § 14 TV-L mit der Zulage von 225,00 EUR brutto monatlich ab 01. November 2008 erfüllt, § 362 BGB.
Die Berechnung der Höhe der Besitzstandszulage für den Kläger nach § 14 TV-L mit 225,00 EUR brutto monatlich ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Kläger hat zu keinem Zeitpunkt Einwände gegen diese Berechnung der Zulage der Höhe nach vorgebracht.
II. Der Anspruch folgt auch nicht aus § 18 TVÜ-L.
1. Diese Norm findet auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung, weil die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit des Klägers gerade in den Anwendungsbereich des § 10 TVÜ-L fällt. Während § 10 TVÜ-L die Fälle regelt, in denen dem Beschäftigten bereits am 31. Oktober 2006 eine höherwertige Tätigkeit übertragen worden war, enthält § 18 TVÜ-L Modifikationen für diejenigen Fälle, in denen erst nach dem 31. Oktober 2006 vorübergehend eine höherwertige Tätigkeit übertragen wird. Dabei ist das Wort "erstmalig" in § 18 Abs. 1 S. 1 und in Abs. 2 TVÜ-L nicht etwa so zu verstehen, dass dem Beschäftigten vor dem 01. November 2006 keine solche Tätigkeit übertragen sein durfte, sondern es sollte vielmehr eine Abgrenzung zu denjenigen Fällen hergestellt werden, in denen eine schon am 31. Oktober 2006 vorübergehend übertragene höherwertige Tätigkeit noch andauerte (Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese aaO. § 18 TVÜ-L Rdnr. 575).
Hier dauerte die vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit nach der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 1 a BAT ab 01. August 2006 über den 31. Oktober 2006 hinaus bereits während des Übertragungszeitraums vom 01. August 2006 bis 31. Dezember 2006 an. Danach fand eine lückelose mehrfache vorübergehende Übertragung dieser Tätigkeit bis 31. August 2008 statt.
2. Selbst wenn für den Zeitraum ab 30. September 2008 § 18 Abs. 1 TVÜ-L anzuwenden wäre, folgt daraus kein Anspruch auf eine Zulage in Höhe von 753,40 EUR brutto ab 01. November 2008.
Ab dem 01. November 2008 bemisst sich - ebenso wie in den Fällen des § 10 TVÜ-L - bei Fortdauer einer vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeiten an übergeleitete Angestellte die Höhe der Zulage nach § 14 Abs. 3 TV-L. Während sich die Voraussetzungen für die Zahlung einer Zulage für die vorübergehende Ausübung einer höherwertigen Tätigkeit sowohl vor als auch nach dem 01. November 2008 nach § 14 Abs. 1 TV-L bestimmen und sich insoweit keine Änderungen ergeben, muss die Höhe der Zulage unabhängig vom Aufstieg in die reguläre Stufe gemäß § 6 Abs. 1 S. 4 TVÜ-L zum 01. November 2008 ggf. anhand des § 14 Abs. 3 TV-L neu berechnet werden (Sponer/Steinherr aaO. § 18 TVÜ-L Ziffer 2.1).
Die Höhe der Zulage nach § 18 TVÜ-L ab 01. November 2008 bemisst sich für den Kläger nach § 14 TV-L und beträgt ebenfalls 225,00 EUR brutto monatlich.
III. Nachdem bereits der Hauptanspruch nicht besteht, hat der Kläger keinen Anspruch auf Zinsen.
B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
C. Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der zwischen den Parteien streitigen Rechtsfrage zuzulassen.
Brockhaus
Hippler