Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.12.2010, Az.: 16 Sa 701/10 E
Vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten bei fehlendem Personalgestellungsvertrag
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 17.12.2010
- Aktenzeichen
- 16 Sa 701/10 E
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 34810
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2010:1217.16SA701.10E.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 14.04.2010 - AZ: 8 Ca 28/10 E
Rechtsgrundlagen
- § 315 Abs. 1 BGB
- § 315 Abs. 3 S. 2 BGB
- § 611 Abs. 1 BGB
- § 106 GewO
- § 12 Abs. 1 BAT
- § 4 Abs. 1 TV-L
- § 4 Abs. 2 TV-L
- § 4 Abs. 3 TV-L
- § 256 Abs. 1 ZPO
Fundstelle
- EzA-SD 7/2011, 8
Amtlicher Leitsatz
Die Möglichkeit, Beschäftigte dauerhaft bei Dritten einzusetzen, besteht nicht, wenn ein Personalgestellungsvertrag mit dem Dritten i.S.d. § 4 Abs. 3 TV-L nicht abgeschlossen ist. Solange ein Personalgestellungsvertrag nicht abgeschlossen ist, ist es nicht ermessensfehlerhaft, bei einer bis auf Weiteres bestehenden Abordnung des Beschäftigten an den Dritten diesem die höherwertigen Tätigkeiten nur vorübergehend zu übertragen.
In dem Rechtsstreit
Kläger und Berufungskläger,
gegen
beklagtes und berufungsbeklagtes Land,
hat die 16. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 17. Dezember 2010 durch
die Richterin am Arbeitsgericht Steinke,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Budde,
den ehrenamtlichen Richter Herrn Kuffner
für Recht erkannt:
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts A-Stadt vom 14. April 2010, Az. 8 Ca 28/10 E, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land seit 1. Januar 2006 verpflichtet war, dem Kläger eine höherwertige Tätigkeit nach der Vergütungsgruppe II a BAT auf Dauer zu übertragen und ihn entsprechend einzugruppieren.
Der Kläger ist seit 1986 als Jurist beim beklagten Land beschäftigt. Bis 31. Dezember 2004 übte er bei der inzwischen aufgelösten Bezirksregierung eine Tätigkeit als Sachbearbeiter im gehobenen Dienst nach Vergütungsgruppe IV b BAT aus.
Das beklagte Land versetzte den Kläger zum 1. Januar 2005 zum Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jungend und Familie und ordnete ihn zeitgleich mit Schreiben vom 15. Dezember 2004 (Bl. 49 d. A.) für die Dauer von drei Jahren zur Ärztekammer Niedersachsen ab. Dort übte der Kläger vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005 eine Tätigkeit als Sachbearbeiter im gehobenen Dienst im Sachgebiet "Approbationen und Berufserlaubnisse" bei unveränderter Vergütung aus. Auf Grund des Ausscheidens der damaligen Leiterin des Sachgebiets zum 1. Januar 2006 wurde dem Kläger im Rahmen der befristeten Abordnung die Leitung des Sachgebiets vorübergehend übertragen. Mit Schreiben vom 21. Februar 2006 (Bl. 50 d. A.) gewährte das beklagte Land dem Kläger ab 1. Januar 2006 befristet für die Dauer der Wahrnehmung der höherwertigen Tätigkeit und der gleichzeitigen Abordnung des Klägers eine Zulage gemäß § 24 Abs. 1 BAT in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen der Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b BAT und der Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a BAT.
Das Sachgebiet "Approbationen und Berufserlaubnisse" wurde mit Gründung des Niedersächsischen Zweckverbandes zur Approbationserteilung (im Folgenden: NiZzA) auf diesen mit Wirkung zum 1. April 2006 übertragen und wir seither als Abteilung 1 bezeichnet. Mit Schreiben vom 30. März 2006 (Bl. 51 d. A.) ordnete das beklagte Land den Kläger ab 1. April 2006 nach § 12 Abs. 1 BAT "bis auf Weiteres" zum NiZzA ab.
Mit Schreiben vom 26. November 2007, zu dessen Inhalt auf Blatt 52 d. A. Bezug genommen wird, gewährte das beklagte Land dem Kläger ab 1. Januar 2008 befristet für die Dauer der Wahrnehmung der höherwertigen Tätigkeit und seiner gleichzeitigen Abordnung an die Ärztekammer Niedersachsen längstens bis 31. Dezember 2008 eine Besitzstandszulage nach § 10 TVÜ-L in Höhe seiner bisherigen Zulage. Bis 31. Oktober 2008 zahlte das beklagte Land dem Kläger eine Zulage in Höhe von 1.131,57 € brutto monatlich. Seit 1. November 2008 beträgt die geleistete Zulage nur noch 319,30 € brutto monatlich.
Mit Schreiben vom 12. November 2008, zu dessen Inhalt auf Blatt 53 d. A. Bezug genommen wird, gewährte das beklagte Land dem Kläger ab 1. Januar 2009 befristet für die Dauer der Wahrnehmung der höherwertigen Tätigkeit und seiner gleichzeitigen Abordnung längstens bis 31. Dezember 2009 eine persönliche Zulage nach § 14 TV-L in Höhe der Differenz der bisherigen Entgeltgruppe und der Entgeltgruppe 13 TV-L.
Die Haushaltsansätze für das NiZzA-Personal werden seit dem Jahr 2008 nicht mehr im Personalkostenbuget des Landesamtes für Soziales, Jugend und Familie geführt, sondern in neu eingerichteten gesonderten Haushaltstiteln.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die nur vorübergehende Übertragung der Tätigkeit als Leiter des Sachgebiets "Approbationen und Berufserlaubnisse" entspreche nicht billigem Ermessen. Da die ausgeübte Tätigkeit grundsätzlich auf Dauer anfalle und auch bei etwaiger Auflösung des NiZzA ausgeübt werden müsse, habe ihm diese Tätigkeit auf Dauer übertragen werden müssen. Sein Interesse an einer dauerhaften Übertragung noch zu Zeiten der Geltung des BAT folge aus dem gesteigerten Bestandschutz des Klägers, weil er in diesem Falle keine Verringerung seiner Vergütung ab 1. November 2008 erfahren hätte.
Er hat behauptet, das beklagte Land wolle sich des Risikos entledigen, ihm eine höhere Vergütung zu zahlen, ohne ihn entsprechend beschäftigen zu können. Die Stelle des Klägers nach der Vergütungsgruppe II a BAT/Entgeltgruppe 13 TV-L sei im Stellenplan weiterhin vorhanden. Die Stelle des Abteilungsleiters des Sachgebiets 1 des NiZzA werde in jedem Fall vom beklagten Land finanziert. Diesem sei es möglich, eine auf Dauer angelegte Stellenplanung vorzunehmen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet war, an den Kläger seit dem 1. Januar 2006, hilfsweise seit dem 1. April 2006 Vergütung nach VergGr.II a BAT zu zahlen,
2. das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 11.371,78 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2008 auf 812,27 €, seit dem 1. Januar 2009 auf weitere 812,27 €, jeweils zum ersten jedes weiteren Monats auf weitere 812,27 € bis 1. Januar 2010 zu zahlen.
Nachdem das beklagte Land im Kammertermin vom 14. April 2010 nicht vertreten war, hat der Kläger beantragt,
ein Versäumnisurteil zu erlassen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 14. April 2010, zu dessen Inhalt auf Blatt 58 bis 62 d. A. Bezug genommen wird, abgewiesen, und ausgeführt, die nur vorübergehende Zuweisung der höherwertigen Tätigkeit entspreche billigem Ermessen, da dem beklagten Land eine dauerhafte Versetzung des Klägers an die Ärztekammer Niedersachsen bzw. an NiZzA bis zur Ablösung des BAT durch den TV-L nach § 12 BAT nicht möglich gewesen sei. Das Urteil ist dem Kläger am 3. Mai 2010 zugestellt worden. Die hiergegen gerichtete Berufung ist beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen am 10. Mai 2010 eingegangen und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf Antrag des Klägers vom 28. Juni 2010 bis 5. August 2010 am 9. Juli 2010 begründet worden.
Im Rahmen der Berufung führt der Kläger aus, die Tatsache einer Abordnung und die nur vorübergehende Übertragung einer Tätigkeit seien zwei verschiedene Tatbestände, die selbstständig und unterschiedlich zu prüfen und zu bewerten seien. Die Ermessensausübung müsse sich auch auf die "Nichtdauerhaftigkeit" der Aufgabe beziehen. Davon könne nur ausgegangen werden, wenn möglicherweise nicht feststehe, wann die vorübergehende Übertragung beendet sein werde, eine Beendigung aber zumindest prognostiziert werden könne. Nach dem Ausscheiden der damaligen Leiterin des Sachgebiets "Approbationen und Berufserlaubnisse" habe für die nur vorübergehende Übertragung dieser Tätigkeit keine Veranlassung bestanden, da diese Aufgaben weiterhin dauerhaft anfielen, unabhängig davon, welche Dienststelle sie ausübe.
Die vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit mit Schreiben vom 21. Februar 2006 sei nicht unmittelbar an die Abordnung gekoppelt gewesen. Spätestens Ende März 2006 habe die Beendigung der Abordnung nicht mehr prognostiziert werden können. Die Abordnung des Klägers mit Schreiben vom 30. März 2006 bis auf Weiteres an NiZzA widerspreche dem Inhalt des Schreibens vom 21. Februar 2006. Auch die höherwertige Tätigkeit habe ab dem Zeitpunkt der Abordnung "bis auf Weiteres" auf Dauer übertragen werden müssen.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet war, an den Kläger seit 1. Januar 2006, hilfsweise seit 01. April 2006 Vergütung nach Vergütungsgruppe II a BAT zu zahlen,
2. das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 11.371,79 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit 1. Dezember 2008 auf 812,27 €, seit dem 1. Januar 2009 auf weitere 812,27 € sowie jeweils zum 1. jedes weiteren Monats auf weitere 812,27 € bis zum 1. Januar 2010 zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen führt das beklagte Land aus, die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit sei nur im Rahmen einer Abordnung des Klägers möglich, weil das beklagte Land nicht berechtigt sei, den Kläger gemäߧ 12 BAT an einen anderen Dienstherrn zu versetzen.
Die jährliche Befristung der vorübergehenden Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit sei bewusst gewählt worden, um jeglichen Anschein auf einen dauerhaften Anspruch zu vermeiden. Auf Grund der Jährlichkeit des Haushaltes erfolge auch eine jährliche Befristung.
Zum weiteren Parteivortrag wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien.
Entscheidungsgründe
A. Die Berufung des Klägers bleibt erfolglos.
Sie ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b) ArbGG statthaft. Der Antrag ist dahin auszulegen, dass der Kläger die Abänderung des erstinstanzlichen Urteils nach Maßgabe der Anträge aus dem Schriftsatz vom 8. Juli 2010 begehrt. Nach § 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO ist die Berufung form- und fristgerecht eingelegt und nach § 66 Abs. ArbGG, § 520 Abs. 1 und 3 begründet worden und damit insgesamt zulässig.
Sie hat allerdings in der Sache keinen Erfolg.
I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere besteht ein hinreichendes Feststellungsinteresse für den Klageantrag zu 1) nach § 256 ZPO. Der Antrag ist dahin auszulegen, dass der Kläger eine Verpflichtung des beklagten Landes festgestellt haben will, ihn ab 1. Januar 2006, hilfsweise ab 1. April 2006 in die Vergütungsgruppe II a BAT einzugruppieren. Diese Feststellungsklage ist nach ständiger Rechtsprechung des BAG als Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig (vgl.: BAG vom 12. März 2008 - juris = ZTR 2008, 604 [BAG 12.03.2008 - 4 AZR 67/07]-606; vom 6. Juni 2007 - 4 AZR 505/06 - juris = ZTR 2008, 156 = NZA-RR 2008, 189-195). Das gilt auch neben dem zeitgleich gestellten Zahlungsantrag. Die zwischen den Parteien streitige Verpflichtung des beklagten Landes, den Kläger bereits im Jahr 2006 in die Vergütungsgruppe II a BAT einzugruppieren, ist für das künftige Rechtsverhältnis der Parteien, das nicht vom Zahlungsantrag des Klägers erfasst ist, nämlich ab Januar 2010 bezüglich der zutreffenden Eingruppierung relevant.
II. Die Klage ist jedoch unbegründet.
1. Das beklagte Land war nicht verpflichtet, dem Kläger ab 1. Januar 2006 oder zu einem späteren Zeitpunkt eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe II a BAT zu zahlen oder dem Kläger die höherwertige Tätigkeit nach der Vergütungsgruppe II a BAT dauerhaft zu übertragen.
Im Falle der interimistischen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit kommt es im ersten Schritt darauf an, ob es billigem Ermessen entspricht, dem Arbeitnehmer die anders bewertete Tätigkeit überhaupt, wenn auch nur vorübergehend zu übertragen. In einem zweiten Schritt ist, wenn die Übertragung von Anfang an oder auch erst nach einer bestimmten Zeit mit einer höheren Vergütung oder einer interimistischen Zulage verbunden ist, zu prüfen, ob es billigem Ermessen entspricht, diese Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen. Dabei ist unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls abzuwägen, ob das Interesse des Arbeitgebers daran, die Tätigkeit nur vorübergehend zu übertragen, oder das Interesse des Arbeitnehmers an der Beibehaltung der höherwertigen Tätigkeit und - falls damit verbunden - auch der besseren Bezahlung überwiegt. Die Billigkeitskontrolle bezieht sich bei vorübergehenden Übertragungen höherwertiger Tätigkeit auf zahlreiche Angestellte in einer Verwaltung sowohl auf das Gesamtkonzept als auch auf die einzelnen personenbezogenen Übertragungsverfügungen. Die Umstände für die einzelnen vorübergehenden Übertragungen höherwertiger Tätigkeiten vor dem Hintergrund des Gesamtkonzepts müssen deutlich werden. Handelt es sich um eine Übertragung höherwertiger Tätigkeiten außerhalb eines bestehenden zu vollziehenden und ausgeführten Gesamtkonzepts, so muss das deutlich werden. Entspricht die vorübergehende Übertragung der Tätigkeit nicht billigem Ermessen, so erfolgt die Bestimmung der "Leistung" entsprechend § 315 Abs. 3 S. 2 BGB durch eine richterliche Entscheidung. Sie kann bei der interimistischen Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit - je nach dem, worin die Unbilligkeit liegt - darin bestehen, dass die Übertragung der Tätigkeiten nicht als nur vorübergehend, sondern als auf Dauer vorgenommen erklärt wird oder die zeitliche Dauer anders bestimmt wird. Eine solche Bestimmung kann im Eingruppierungsrechtsstreit inzident vorgenommen werden. Die Beweislast dafür, dass die Ausübung des Direktionsrechts billigem Ermessen entspricht, trägt derjenige, der das Leistungsbestimmungsrecht ausübt. Wird demselben Angestellten dieselbe oder eine gleichermaßen höherwertige Tätigkeit mehrmals nacheinander vorübergehend oder vertretungsweise übertragen, so unterliegt jeder dieser Übertragungsakte der gerichtlichen Billigkeitskontrolle entsprechend § 315 BGB. Der Angestellte ist nicht gehalten, einen Vorbehalt hinsichtlich jeder einzelnen vorübergehenden Übertragung höherwertiger Tätigkeit zu erklären (BAG vom 17. April 2002 - 4 AZR 174/01 - NZA 2003, 159-164).
a) Dass die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit nach der Vergütungsgruppe II a BAT an den Kläger ab 1. Januar 2006 billigem Ermessen entspricht, ist zwischen den Parteien unstreitig.
b) Auch die nur vorübergehende Übertragung dieser Tätigkeit ab 1. Januar 2006 mit Schreiben vom 21. Februar 2006 bis 31. Dezember 2007 hat billigem Ermessen nach § 315 BGB, § 106 GewO entsprochen.
Zutreffend ist, dass es sich bei der Abordnung des Klägers an die Ärztekammer Niedersachsen bzw. an NiZzA und bei der Übertragung der höherwertigen Tätigkeiten um zwei verschiedene Tatbestände handelt, die sowohl nach ihrer zeitlichen Dauer als auch dem Zeitpunkt der Ausübung dieses Direktionsrechts durch das beklagte Land auseinanderfallen. Entgegen der Ansicht des Klägers folgt daraus jedoch nicht die Verpflichtung, ihm die höherwertige Tätigkeit dauerhaft zu übertragen. Die vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeit hielt sich im Rahmen der Abordnung des Klägers an die Ärztekammer Niedersachsen bis 31. Dezember 2007. Zu diesem Zeitpunkt waren die Aufgaben des Sachgebietes "Approbationen und Berufserlaubnisse", als dessen Leiter der Kläger ab 1. Januar 2006 eingesetzt wurde, noch der Ärztekammer Niedersachsen übertragen.
Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, hatte das beklagte Land zu dem Zeitpunkt keine Möglichkeit, den Kläger zur Ärztekammer Niedersachsen oder ab 1. April 2006 zum NiZzA zu versetzen und damit eine dauerhafte Übertragung der höherwertigen Tätigkeit vorzunehmen. § 12 Abs. 1 BAT berechtigt den Arbeitgeber nicht, einen Angestellten zu einem neuen Dienstherrn zu versetzen. Unter Versetzung ist - wie im Beamtenrecht - die Zuweisung einer auf Dauer bestimmten Beschäftigung bei einer anderen Dienststelle desselben Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu verstehen. Abordnung ist die Zuweisung einer vorübergehenden Beschäftigung bei einer anderen Dienststelle desselben Arbeitgebers oder eines anderen Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Der Angestellte kann danach nicht zu einem anderen Arbeitgeber versetzt werden. Ein Wechsel zu einem anderen Arbeitgeber ist nur möglich, wenn das bisherige Arbeitsverhältnis beendet und ein neues Arbeitsverhältnis mit dem weiteren Arbeitgeber begründet wird (BAG vom 18. Februar 1976 - 5 AZR 616/74 - AP Nr. 5 zu § 1 Saarland, UniversitätsG = EzA § 613 a BGB Nr. 5).
Auch wenn es sich bei den klägerseits ausgeführten Aufgaben um Daueraufgaben handelt, war das beklagte Land gehindert, ihm diese Tätigkeiten dauerhaft zu übertragen, da die Zuweisung einer auf Dauer bestimmten Beschäftigung des Klägers bei der Ärztekammer Niedersachsen und beim NiZzA zur Zeit der Geltung des BAT bis 31. Oktober 2006 nicht möglich war. Sowohl die Ärztekammer Niedersachsen als auch NiZzA sind andere Dienstherrn, zu denen ein dauerhafter Wechsel hätte nur erfolgen können, wenn das Arbeitsverhältnis des Klägers mit dem beklagten Land beendet und ein neues Arbeitsverhältnis mit dem neuen Dienstherrn begründet worden wäre. Auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im Urteil vom 14. April 2010 Seite 6 b) bis Seite 7 wird insoweit Bezug genommen.
Unerheblich ist, ob im Stellenplan des beklagten Landes weiterhin Stellen nach der Vergütungsgruppe II a BAT bzw. nunmehr der Entgeltgruppe 13 TV-L vorhanden sind. Die dem Kläger vorübergehend übertragene höherwertige Tätigkeit als Leiter des Sachgebiets 1 war weder zum 1. Januar 2006 noch ist sie zu einem späteren Zeitpunkt bei einer der Behörden des beklagten Landes angesiedelt. Es kommt nicht darauf an, ob das beklagte Land in der Lage ist, dem Kläger überhaupt eine höherwertige Tätigkeit nach der Vergütungsgruppe II a BAT bzw. Entgeltgruppe 13 TV-L zu übertragen, sondern ob es gerade für die in Streit stehende vorübergehend übertragene Tätigkeit möglich ist.
Die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten an den Kläger weicht nicht von einem schon bestehenden Gesamtkonzept ab. Ein solches Gesamtkonzept bei der vorübergehenden Übertragung der Tätigkeit eines Leiters für das Sachgebiet 1 besteht nicht, weil keine vorübergehenden Übertragungen höherwertiger Tätigkeiten an zahlreiche andere an NiZzA abgeordnete Beschäftigte des beklagten Landes vorliegen.
Auch die Dauer der vorübergehenden Übertragung mit Schreiben vom 21. Februar 2006 bis 31. Dezember 2007 entspricht billigem Ermessen. Sie geht konform mit der Dauer der ursprünglichen Abordnung des Klägers an die Ärztekammer Niedersachsen bis 31. Dezember 2007.
c) Entgegen der Ansicht des Klägers war das beklagte Land auch nicht ab 1. April 2006 nach seiner Abordnung an NiZzA verpflichtet, ihm die höherwertigen Tätigkeiten dauerhaft zu übertragen. Das Beibehalten der vorübergehenden Übertragung der höherwertigen Tätigkeit über den 1. April 2006 hinaus entspricht billigem Ermessen.
Aus der Abordnung des Klägers mit Schreiben vom 30. März 2006 an NiZzA bis auf Weiteres folgt keine Verpflichtung des beklagten Landes, dem Kläger die höherwertige Tätigkeit zu diesem Zeitpunkt dauerhaft zu übertragen. Auch wenn das Ende der Abordnung zu diesem Zeitpunkt nicht feststand - und noch immer nicht feststeht -, war der Kläger dem NiZzA im Wege der Abordnung nur vorübergehend zugewiesen. Auch zu diesem Zeitpunkt war das beklagte Land nach § 12 Abs. 1 BAT gehindert, den Kläger dauerhaft zum NiZzA zu versetzen (s. o. b)).
d) Die nur vorübergehende Übertragung der höherwertigen Tätigkeiten mit Schreiben vom 26. November 2007 für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2008 sowie mit Schreiben vom 12. November 2008 für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis 31. Januar 2009 entspricht ebenfalls billigem Ermessen.
aa) Auch nach Ablösung des BAT durch den TV-L ab dessen Inkrafttreten zum 1. November 2006, § 39 Abs. 1 TV-L, war es dem beklagten Land nicht ohne Weiteres möglich, den Kläger zu einem anderen Dienstherrn zu versetzen.
(1) Diese Möglichkeit besteht nicht nach § 4 Abs. 1 TV-L. Danach können Beschäftigte aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen versetzt oder abgeordnet werden. Die Protokollerklärungen zu § 4 Abs. 1 TV-L lauten:
1. Abordnung ist die vom Arbeitgeber veranlasste vorübergehende Beschäftigung bei einer anderen Dienststelle oder einem anderen Betrieb desselben oder eines anderes Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses.
2. Versetzung ist die vom Arbeitgeber veranlasste, auf Dauer bestimmte Beschäftigung bei einer anderen Dienststelle oder einem anderen Betrieb desselben Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses.
Eine Versetzung zu einem anderen dritten Arbeitgeber ist danach nicht möglich.
(2) Auch nach § 4 Abs. 2 TV-L war dem beklagten Land nur die vorübergehende Zuweisung der Tätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber möglich. Nach dieser Bestimmung kann Beschäftigten im dienstlichen/betrieblichen oder öffentlichen Interesse mit ihrer Zustimmung vorübergehend eine mindestens gleich vergütete Tätigkeit bei einem Dritten zugewiesen werden. Die Rechtsstellung der Beschäftigten bleibt unberührt.
Die Protokollerklärung zu § 4 Abs. 2 TV-L lautet:
Zuweisung ist - unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses - die vorübergehende Beschäftigung bei einem Dritten im In- und Ausland, bei dem der TV-L nicht zur Anwendung kommt.
(3) Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 2010 mündlich geäußerten Ansicht des Klägers ist es dem beklagten Land nicht möglich, ihn im Rahmen einer Personalgestellung gemäß § 4 Abs. 3 TV-L dauerhaft bei einem Dritten mit der höherwertigen Tätigkeit zu beschäftigen.
§ 4 Abs. 3 TV-L lautet:
Werden Aufgaben der Beschäftigten zu einem Dritten verlagert, ist auf Verlangen des Arbeitgebers bei weiter bestehendem Arbeitsverhältnis die arbeitsvertraglich geschuldete Arbeitsleistung bei dem Dritten zu erbringen (Personalgestellung). § 613 a BGB sowie gesetzliche Kündigungsrechte bleiben unberührt.
Die Protokollerklärung zu § 4 Abs. 3 lautet:
Personalgestellung ist - unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses - die auf Dauer angelegte Beschäftigung bei einem Dritten. Die Modalitäten der Personalgestellung werden zwischen dem Arbeitgeber und dem Dritten vertraglich geregelt.
Zutreffend ist, dass im Rahmen eines Personalgestellungsvertrages das beklagte Land die Möglichkeit hat, Beschäftigte dauerhaft bei Dritten einzusetzen. Dies setzt jedoch den Abschluss eines solchen Personalgestellungsvertrages mit dem Dritten voraus. Die Möglichkeit des dauerhaften Einsatzes besteht nicht, wenn ein Personalgestellungsvertrag nicht abgeschlossen ist. Dies ist hier nicht der Fall. Solange ein entsprechender Personalgestellungsvertrag nicht besteht, ist es nicht ermessensfehlerhaft, bei einer bis auf Weiteres bestehenden Abordnung des Beschäftigten an den Dritten die höherwertigen Tätigkeiten nur vorübergehend zu übertragen.
Das beklagte Land war auch nicht verpflichtet, einen Personalgestellungsvertrag mit NiZzA zur dauerhaften Beschäftigung des Klägers abzuschließen. Dies folgt bereits daraus, dass ein Dritter am Abschluss dieses Vertrages beteiligt ist und ihm gegenüber der Vertragsschluss nicht erzwungen werden kann. In einer solchen Situation überwiegt das Interesse des Arbeitgebers an der nur vorübergehenden Übertragung der höherwertigen Tätigkeit gegenüber dem Interesse des Arbeitnehmers, die höherwertige Tätigkeit nebst entsprechend höherer Vergütung dauerhaft auszuüben.
bb) Die Übertragung der höherwertigen Tätigkeit für jeweils ein weiteres Jahr mit den Schreiben vom 26. November 2007 und 12. November 2008 entspricht billigem Ermessen. War es dem beklagten Land nicht möglich, die höherwertigen Tätigkeiten dem Kläger auf Dauer zu übertragen, musste eine zeitliche Befristung dieser vorübergehenden Übertragung gewählt werden. Da die Haushaltsansätze für das NiZzA-Personal nicht mehr im Personalkostenbuget der Behörde, der der Kläger dauerhaft zugewiesen ist, nämlich dem Landesamt für Soziales, Jugend und Familie geführt werden, sondern seit dem Jahr 2008 in neu eingerichteten gesonderten Haushaltstiteln, war es nicht unbillig, die vorübergehende Übertragung für die Dauer eines Haushaltsplans vorzunehmen.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 11.371,79 € brutto aus § 611 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag. Ihm steht keine Differenzvergütung für den Zeitraum November 2008 bis Dezember 2009 in Höhe von monatlich 812,27 € brutto zu.
Nachdem das beklagte Land nicht verpflichtet war, dem Kläger dauerhaft eine Tätigkeit nach der Vergütungsgruppe II a BAT bzw. der Entgeltgruppe 13 TV-L dauerhaft zuzuweisen, war der Kläger nicht entsprechend einzugruppieren und hatte keinen Anspruch auf die höhere Vergütung ab dem 1. November 2008.
Das beklagte Land hat den Zulagenanspruch des Klägers für den Zeitraum ab 1. November 2008 bis 31. Dezember 2009 in vollem Umfang erfüllt, § 362 BGB.
Ein höherer Zulagenanspruch folgt nicht aus § 10 Abs. 1 S. 1 TVÜ-L. Nach § 10 Abs. 1 S. 2 TVÜ-L finden ab 1. November 2008 die Regelungen des TV-L über die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit Anwendung, wenn die anspruchsbegründende Tätigkeit über den 31. Oktober 2008 hinaus beibehalten wird. Da der Kläger die höherwertige Tätigkeit über den 31. Oktober 2008 hinaus weiter vorübergehend ausgeübt hat, richtet sich der Anspruch auf Zulage nach § 14 TV-L. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die vom beklagten Land errechnete Zulage in Höhe von 319,30 € gemäß § 14 TV-L zutreffend berechnet wurde.
3. Nachdem bereits der Hauptanspruch nicht besteht, hat der Kläger keinen Anspruch auf Zinsen.
B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, § 46 Abs. 2 ArbGG.
C. Die Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen, weil die zwischen den Parteien streitige Rechtsfrage, ob es angesichts der Regelung des § 4 Abs. 3 TV-L billigem Ermessen entspricht, die höherwertige Tätigkeit nur vorübergehend zuzuweisen, grundsätzliche Bedeutung hat.
Budde
Kuffner