Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.02.2010, Az.: 13 Sa 896/09
Schikanierung durch Abmahnung; Unbegründete Schmerzensgeldklage bei Vielzahl von Abmahnungen
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 09.02.2010
- Aktenzeichen
- 13 Sa 896/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 26500
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2010:0209.13SA896.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Oldenburg - 1 Ca 175/08 - 19.5.2009
Rechtsgrundlagen
- Art. 1 Abs. 1 GG
- Art. 2 Abs. 1 GG
- § 241 Abs. 2 BGB
- § 253 Abs. 2 BGB
- § 280 Abs. 1 BGB
- § 314 Abs. 2 S. 1 BGB
Fundstelle
- ArbR 2010, 611
Amtlicher Leitsatz
Abmahnungen, die nicht auf unsachlichen Motiven beruhen und nicht als schikanös bewertet werden können, lösen keinen Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts aus. Das gilt auch, wenn in engem zeitlichen Zusammenhang eine Vielzahl von Abmahnungen ausgesprochen wird.
In dem Rechtsstreit
Klägerin und Berufungsklägerin,
gegen
Beklagte und Berufungsbeklagte,
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 9. Februar 2010 durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter,
die ehrenamtliche Richterin Frau Malewski,
die ehrenamtliche Richterin Frau Ewen
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 19.05.2009, 1 Ca 175/08, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,-- € festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 5.000,-- €. Der Beklagte habe durch eine Vielzahl von Abmahnungen, durch Versetzung und Installation einer Videoüberwachung ihr Persönlichkeitsrecht verletzt mit der Folge daraus resultierender gesundheitlicher Beeinträchtigungen.
Der Beklagte betreibt bundesweit eine Vielzahl von Drogeriemärkten. Die 1951 geborene Klägerin ist seit 1991, zuletzt als Verkaufsstellenleiterin, beschäftigt, Bruttomonatsentgelt 2.200,-- €. Sie ist seit 2002 Betriebsratsmitglied und wurde 2006 wiedergewählt. Nach den nervenärztlichen Bescheinigungen des behandelnden Arztes vom 03.08.2007 (Bl. 11 d.A.), vom 15.01.2008 (Bl. 12 d.A.), vom 27.05.2008 (Bl. 106 d.A.) und vom 03.09.2008 (Bl. 156 d.A.) befindet sich die Klägerin seit Mitte 2007 in nervenärztlicher Behandlung wegen depressiver Anpassungsstörung. Sie führt die Erkrankung auf belastende Umstände am Arbeitsplatz zurück. Seit 2008 ist die Klägerin wiederholt und längerfristig erkrankt. 2009 haben die Parteien eine Altersteilzeitvereinbarung getroffen.
Bis Anfang Januar 2008 war die Klägerin in der Filiale V-Stadt eingesetzt, die zum 09.01.2008 geschlossen wurde. Die Filiale befand sich in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung. Mit Änderungskündigung versetzte der Beklagte die Klägerin als Verkaufsstellenleiterin in die Filiale M-Stadt - nach Angaben der Klägerin 40 km vom Wohnort entfernt. Nach gerichtlichem Verfahren wird die Klägerin seit April 2008 in der Verkaufsstelle E-Stadt eingesetzt - ca. 15 km vom Wohnort entfernt. Den Versuch, sie in eine weit entfernte Filiale zu versetzen, wertet die Klägerin als einen Punkt im Prozess der systematischen Druckausübung. Nach Darstellung des Beklagten habe die Klägerin in M-Stadt eine kürzer beschäftigte Verkaufsstellenleiterin ersetzen sollen, die nach Ausscheiden einer Verkäuferin an deren Stelle habe weiterbeschäftigt werden können.
Nach Darstellung der Klägerin sind vor allem eine Vielzahl von Abmahnungen/Ermahnungen im Zeitraum November 2003 bis Mai 2008 von den Personalverantwortlichen des Arbeitgebers eingesetzt worden als Mittel zur Destabilisierung der Persönlichkeit und zur Ausübung psychischen Drucks.
Abmahnung vom 10.11.2003 (Bl. 16 d.A.). Vorgeworfen wird Personalkauf bei eigenem Kassieren - Verstoß gegen Kassenanweisungen.
Abmahnung von 14.10.2004 (Bl. 18 d.A.), weil eine Zigarettenschachtel ohne Gefahrlabel im Ständer auslag.
Hinweis zum kundenunfreudlichen Verhalten vom 04.11.2005 (Bl. 21 d.A.). Vorgehalten wird, dass eine Kundin nicht 5 Minuten vor Geschäftsöffnung bedient worden ist.
Beanstandungen vom 14.11.2005 (Bl. 23 d.A.) zur Arbeitszeitplanung und zur Ordnung in Lager und Verkaufsstelle.
Verweis vom 12.04.2006 (Bl. 25 d.A.) zum betriebsvereinbarungswidrigen Einsatz einer Verkäuferin samstags und zu Lücken in der Arbeitszeitplanung.
Abmahnung vom 12.04.2006 (Bl. 26 d.A.) - Änderung der Arbeitszeitplanung am 06.04.2006 ohne Information des Bezirksleiters, der eingesetzten Verkäuferin und ohne schriftliche Erfassung in der Arbeitszeitplanung.
Abmahnung vom 05.05.2006 (Bl. 28 d.A.) wegen Fehlbeständen im Zigarettenfach.
Abmahnung vom 05.05.2006 (Bl. 30 d.A.) zum betriebsverfassungswidrigen Einsatz einer Verkäuferin samstags.
Abmahnung vom 05.05.2006 (Bl. 32 d.A.) mit dem Vorwurf, eine Kasse ohne Abrechnung an eine nachfolgende Verkäuferin übergeben zu haben zur Weiterführung.
Abmahnung vom 09.06.2006 (Bl. 34 d.A.) zur unzureichenden Bearbeitung der Arbeitszeit- und Pausenpläne für den Monat Juni.
Verweis vom 09.06.2006 (Bl. 36 d.A.) wegen zu frühen Einräumens der Außenplatzierung 15 Minuten vor Ladenschließung.
Abmahnung vom 27.11.2006 (Bl. 38 d.A.) - Verzehr eines Orangengetränks im Pausenraum, dessen Packung nicht als Fremdkauf gekennzeichnet war.
Beanstandung vom 27.11.2006 (Bl. 40 d.A.) zu Verkaufsoptik und Sauberkeit.
Hinweis vom 22.01.2007 (Bl. 42 d.A.) zur festgestellten Inventurdifferenz von Minus 3,85 %.
Abmahnung vom 16.04.2007 (Bl. 43 d.A.), weil die Alarmanlage nach Geschäftsschluss nicht scharfgestellt worden war.
Verweis vom 31.05.2007 (Bl. 45 d.A.) zur nicht korrekten Bearbeitung/Kontrolle der MAD-Liste. Der Verweis wurde nach Stellungnahme der Klägerin aus der Personalakte entfernt.
Abmahnung vom 31.05.2007 (Bl. 48 d.A.) mit der Begründung, drei Arbeitsanweisungen des Bezirksleiters nicht umgesetzt zu haben.
Der Verweis vom 31.05.2007 (Bl. 51 d.A.) bezieht sich auf nicht erklärbare Kassendifferenzen/Wechselgeldfehler.
Abmahnung vom 05.07.2007 (Bl. 52 d.A.). Die eingeteilte Verkäuferin habe am 23.06.2007 die Filiale nicht öffnen können, weil die Schlüsselübergabe nicht ordnungsgemäß organisiert worden sei.
Abmahnung vom 11.10.2007 (Bl. 55 d.A.) mit der Behauptung, Warenrückrufe seien nicht bearbeitet worden.
Mit Schreiben vom 29.02.2008 beanstandet der Beklagte, die Klägerin habe am 09.02.2008 während der Arbeitsunfähigkeit eine ungenehmigte Nebentätigkeit ausgeübt, und zwar als Kellnerin im D.. Der Beklagte behauptet, die Klägerin habe an diesem Tag Gäste, u.a. den Bezirksleiter und dessen Ehefrau bedient. Die Klägerin behauptet, sie habe keine Nebentätigkeit ausgeübt, sie wohne über der Gaststätte und es sei möglich, dass sie sich dort aufgehalten habe. Bei dem Gaststättenbesuch des Bezirksleiters habe es sich offenkundig um einen Kontrollbesuch gehandelt.
Mit Schreiben vom 13.05.2008 (Bl. 107 d.A.) beanstandet der Beklagte, dass die Arbeitszeitplanung von einer Verkäuferin erstellt worden sei.
Am 06.06.2007 - die Mitarbeiterinnen der Filiale V-Stadt befanden sich auf einer Betriebsversammlung - wurde in der Verkaufsstelle eine Videoüberwachung installiert, die am Folgetag von einer Verkäuferin entdeckt wurde. Nach Intervention des Betriebsrates wurde die Anlage am 07.06. oder 08.06. abgebaut. Die Klägerin hat vom 06.06. bis zum Abbau der Anlage nicht gearbeitet. Die zuständige Verkaufsleiterin hatte die Betriebsratsvorsitzende über die Absicht einer Videoüberwachung in der Verkaufsstelle informiert, auch die Klägerin hatte davon Kenntnis. Ein Antrag auf Zustimmung beim Betriebsrat ist nicht gestellt worden.
Die Klägerin hat vorgetragen, durch unberechtigte Verweise und Abmahnungen sei sie einem Prozess systematischer Druckausübung ausgesetzt gewesen. Die Häufigkeit der Abmahnungen habe insbesondere im Jahre 2007 zugenommen. Die heimliche Videoüberwachung, die der Beklagte durchgeführt habe, stelle eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar. Auch die Versetzung in die weit entfernte Verkaufsstelle M-Stadt sei als weiterer Punkt der systematischen Druckausübung zu werten.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, welches jedoch 5.000,-- € nicht unterschreiten sollte, nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.06.2007 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, die erhebliche Anzahl der Abmahnungen beruhe darauf, dass die Klägerin ihre arbeitsvertraglichen Pflichten permanent verletzt habe. Die Abmahnungen seien berechtigt gewesen und nicht dazu eingesetzt worden, die Klägerin psychisch unter Druck zu setzen. Die Videoüberwachung sei beabsichtigt gewesen, weil in der Verkaufsstelle überdurchschnittliche Inventurdifferenzen aufgetreten seien. Der Einsatz von Detektiven und die Durchführung von Testkäufen habe keine neuen Erkenntnisse erbracht, deshalb sei eine vorübergehende Videoüberwachung beabsichtigt gewesen. Ein förmliches Verfahren beim Betriebsrat auf Zustimmung sei nicht eingeleitet worden, weil die Verkaufsleiterin nach Information der Betriebsratsvorsitzenden davon ausgegangen sei, dass der Betriebsrat einverstanden sei. Eine konkrete Beeinträchtigung der Klägerin durch Videoüberwachung sei nicht eingetreten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.
Mit Berufung wiederholt die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt insbesondere vor, durch die Vielzahl der Abmahnungen sei ein erheblicher psychischer Druck aufgebaut worden. Weil auch nach mehrfacher Abmahnung nicht mit Kündigung reagiert worden sei, könne das Verhalten des Beklagten nur bewertet werden als Versuch, ein unbequemes Betriebsratsmitglied aus dem Arbeitsverhältnis zu drängen. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, welches jedoch 5.000,-- € nicht unterschreiten sollte, nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.06.2007 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt nach Maßgabe der Berufungserwiderung das erstinstanzliche Urteil.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht einen Schmerzensgeldanspruch verneint und die Klage abgewiesen.
1. Nach § 241 Abs. 2 BGB ist der Arbeitgeber zur Rücksichtnahme verpflichtet und hat dabei auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und dessen Gesundheit vor Schädigung zu bewahren. Bei Verletzung der Gesundheit folgt der vertragliche Schadensersatzanspruch aus § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 Satz 1, 253 Abs. 2 BGB. Der Schmerzensgeldanspruch bei Persönlichkeitsrechtsverletzung folgt nicht aus § 253 Abs. 2 BGB, sondern aus Artikel 1 und Artikel 2 GG. Dabei werden die Pflichtverletzungen der Personalverantwortlichen dem Beklagten gemäß § 278 BGB zugerechnet. Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und Gesundheitsverletzungen stellen auch unerlaubte Handlungen dar und können Schadensersatzansprüche nach §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2, 831 BGB begründen.
Versetzung der Klägerin in die Verkaufsstelle M-Stadt, Videoüberwachung und die Vielzahl der Verweise und Abmahnungen beinhalten keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder Gesundheitsverletzungen, die einen Schmerzensgeldanspruch nach § 253 Abs. 2 BGB bzw. nach Artikel 1 und Artikel 2 GG zur Folge haben.
Rechtswidrige Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers oder Gesundheitsverletzungen können auf Einzelmaßnahmen beruhen. Es gibt aber auch Fallgestaltungen, in denen einzelne Handlungen oder Verhaltensweisen z.B. von Vorgesetzten für sich allein bewertet keine Rechtsverletzungen darstellen, eine Gesamtschau aber zu der Bewertung führt, dass nach Systematik und Zielrichtung eine Beeinträchtigung der geschützten Rechte des Arbeitnehmers vorliegt. Zwar ist "Mobbing" kein Rechtsbegriff und stellt keine selbständige Anspruchsgrundlage etwa für Schmerzensgeldansprüche dar. Zu berücksichtigen ist aber, dass eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen in ihrer Gesamtheit bewertet die Würde des Arbeitnehmers verletzen können, der Einschüchterung dienen können und schikanösen Charakter haben können.
Ob das Verhalten von Vorgesetzten unter Berücksichtigung einer Gesamtbewertung als rechtswidrige Pflichtverletzung anzusehen ist, ist z.B. bei Verletzung des Persönlichkeitsrechts auf Grund einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung festzustellen. Ein Anspruch auf Schmerzensgeld besteht dabei nur dann, wenn eine schwerwiegende Verletzung des Rechts vorliegt und die Beeinträchtigung auf andere Weise nicht ausgeglichen werden kann. Nicht jede rechtswidrige Arbeitgeberhandlung oder Vertragspflichtverletzung stellt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder eine Gesundheitsverletzung dar. Nicht ausreichend sind die im Arbeitsleben üblichen Konfliktsituationen, die Erteilung rechtswidriger Weisungen, der Ausspruch unberechtigter Abmahnungen oder auch der Ausspruch rechtswidriger Kündigungen. Liegen diesem Arbeitgeberverhalten sachlich nachvollziehbare Erwägungen und Motive zu Grunde, sind schikanöse Tendenzen nicht feststellbar, besteht kein Schmerzensgeldanspruch. Insbesondere das Persönlichkeitsrecht hat nicht den Zweck, quasi als Auffangtatbestand rechtswidrige Handlungen jeglicher Art zu erfassen und dafür Schadensersatzansprüche einzuräumen. Aus der Ableitung dieses Rechts aus Artikel 1 GG (Schutz der Menschenwürde) und Artikel 2 GG (Schutz der freien Entfaltung der Persönlichkeit) folgt bereits, dass nur der Kernbereich auf Achtung der Person geschützt ist. Verwiesen wird auf BAG vom 16.05.2007, 8 AZR 709/06, EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 6; BAG vom 25.10.2007, 8 AZR 593/06, EzA § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 7; BAG vom 24.04.2008, 8 AZR 347/07, § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 8.
Weder aus der Bewertung der Einzelmaßnahmen (2.) noch aus einer Gesamtbewertung (3.) ergeben sich schwerwiegende Pflichtverletzungen der Personalverantwortlichen des Arbeitgebers, die aus Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder aus Gesundheitsverletzung einen Anspruch auf Schmerzensgeld rechtfertigen könnten.
2.1. Nach Schließung der Filiale V-Stadt ist die Klägerin per Änderungskündigung in die Verkaufsstelle M-Stadt versetzt worden. Sie beanstandet in diesem Zusammenhang: Es müsse vermutet werden, dass die Schließung ohne wirtschaftliche Notwendigkeit erfolgt sei, weil Zusammenhalt und kollegiales Verhältnis der Beschäftigten der Verkaufsstelle auf Missfallen gestoßen sei. Die Versetzung sei in eine entfernt liegende Filiale erfolgt, obwohl andere Filialen näher zu ihrem Wohnort hätten ausgesucht werden können.
Dass der Filialschließung unsachliche Motive zu Grunde lagen, z.B. Auflösung kollegialer Beziehungen, dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Es handelt sich um eine subjektive Wertung der beweispflichtigen Klägerin, die der Entscheidung nicht zu Grunde gelegt werden kann.
Auf Grund Schließung der Verkaufsstelle V-Stadt musste der Beklagte den vertraglichen Beschäftigungsanspruch der Klägerin erfüllen und sie anderweitig als Verkaufsstellenleiterin einsetzen. Auswahl der Verkaufsstelle M-Stadt und Versetzung der Klägerin in diese Filiale mag aus Sicht der Klägerin nicht optimal gewesen sein, kann aber nicht als rechtswidrig bewertet werden. Insbesondere hat der Beklagte die Klägerin nicht schikanös über weite Entfernung hin versetzt. Nach Falk-Routenplaner beträgt die Entfernung vom Wohnort der Klägerin nach M-Stadt 23,43 km, die Fahrtzeit 28 Minuten. Für die Verkaufsstelle E-Stadt, in die die Klägerin letztlich versetzt wurde, gibt der Routenplaner eine Entfernung von 10,34 km und eine Fahrtzeit von 13 Minuten an. Die Entfernung zur Filiale M-Stadt mit 23,43 km und einer Fahrtzeit von 28 Minuten hält sich in einem Rahmen, der keine Anhaltspunkte für eine sachwidrige Ausübung des Versetzungsrechts ergibt, erst recht ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine schikanöse Tendenz.
2.2. Die an ca. 2 Tagen installierte Videoüberwachungsanlage diente nach Bewertung des Berufungsgerichts der heimlichen Videoüberwachung von Kunden und Personal. Zwar befand sich im Laden ein Hinweis auf eine Videoüberwachung. Wenn dieser Hinweis aber nur der Abschreckung dient und tatsächlich keine Überwachungsanlage installiert ist, dann muss die Installation der Überwachung ohne Information des Verkaufsstellenpersonals als heimlich angesehen werden.
Heimliche Videoüberwachung von Arbeitnehmern stellt nicht in jedem Fall eine rechtswidrige Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Überwachung und Eingriff in das Persönlichkeitsrecht können rechtmäßig sein, wenn der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder schweren Pflichtverletzung besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung ausgeschöpft sind und die Überwachung nicht unverhältnismäßig ist (BAG vom 27.03.2003, 2 AZR 51/02, § 611 BGB 2002 Persönlichkeitsrecht Nr. 1).
Es erscheint durchaus möglich, dass nach diesen Grundsätzen vorliegend eine kurzfristige heimliche Videoüberwachung gerechtfertigt war. Der Beklagte beruft sich auf überdurchschnittliche Inventurdifferenzen, er hat dargelegt, dass der Einsatz von Detektiven und Testkäufern kein Ergebnis erbracht hat. Es ist dann aber denkbar, dass als letztes Mittel und auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeit eine Überwachung angeordnet werden konnte. Eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch Videoüberwachung ist damit nicht ohne weiteres ersichtlich. Zumindest handelt es sich nicht um einen schwerwiegenden Eingriff in dieses Recht.
Selbst wenn man einen rechtswidrigen Eingriff bejaht, wäre zu berücksichtigen, dass die Klägerin in der fraglichen Zeit nicht gearbeitet hat, sie war einer Überwachung nicht ausgesetzt. Nach Intervention des Betriebsrates, dessen Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG von dem Beklagten nicht gewahrt worden ist, ist die Anlage sofort wieder deinstalliert worden. Wenn überhaupt eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch (beabsichtigte) Videoüberwachung der Klägerin vorliegt, handelt es sich um einen relativ geringfügigen Eingriff, der zur Begründung eines Schmerzensgeldanspruchs auch nicht annähernd ausreicht.
2.3. Eine Bewertung der Abmahnungen/Ermahnungen/Verweise als Einzelmaßnahmen ergibt nicht das Bild eines schwerwiegenden Eingriffs bei isolierter Betrachtung.
Mit Abmahnung vom 10.11.2003 wird der Klägerin vorgehalten, bei einem Personaleinkauf selbst kassiert zu haben (Verstoß gegen Kassenanweisung). Die Abmahnung ist sachlich begründet und nicht zu beanstanden.
Zur Abmahnung vom 14.10.2004, Zigarettenschachtel ohne Gefahrlabel, liegt keine unwirksame Abmahnung vor. Hier ist allenfalls festzustellen, dass man diesen geringfügigen Verstoß auch mündlich ohne schriftliche Abmahnung hätte erledigen können.
Die Ermahnung vom 04.11.2005 ist unberechtigt. Die Klägerin war nicht verpflichtet, das Geschäft 5 Minuten vor Ladenöffnungszeit zu öffnen und die Kundin vorzeitig zu bedienen. Weil es sich nur um eine Ermahnung handelt, der Sachverhalt im Übrigen korrekt wiedergegeben ist, liegt kein erheblicher Eingriff in die Rechte der Klägerin vor.
Mit Schreiben vom 14.11.2005 beanstandet der Arbeitgeber die Arbeitszeitplanung und die Ordnung in Lager und Verkaufsstelle. Es handelt sich um sachbezogene Hinweise, die nicht als Ermahnung, Verweis oder Abmahnung zu werten sind. Es ist außerdem nicht ersichtlich, dass inhaltlich ein fehlerhafter Sachverhalt geschildert wird.
Der Verweis vom 12.04.2006 und die Abmahnung vom 12.04.2006 beinhalten Beanstandungen der Arbeitszeitplanung. U.a. wird der Klägerin vorgehalten, Samstagseinsätze entgegen den Regelungen einer Betriebsvereinbarung geplant zu haben. Verweis und Abmahnung sind sachlich begründet und betreffen den Kernbereich der Tätigkeit einer Verkaufsstellenleiterin. Sie könne nicht als Vertragspflichtverletzung des Arbeitgebers gewertet werden.
Die drei Abmahnungen vom 05.05.2006 betreffen Fehlbestände bei den Zigaretten, betriebsvereinbarungswidrige Arbeitszeitgestaltung am Samstag und Weiterbenutzung einer Kasse durch eine zweite Verkäuferin ohne Abrechnung. Alle drei Abmahnungen betreffen Pflichtverletzungen, die wesentliche Aufgaben einer Verkaufsstellenleiterin betreffen und sowohl in der Sachverhaltsdarstellung als auch in der Konsequenz der Abmahnung sachlich und begründet sind.
Die Abmahnung vom 09.06.2006 beinhaltet unzureichende Bearbeitung der Arbeitszeit- und Pausenpläne. Sie ist sachlich motiviert und in keiner Weise geeignet, eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu begründen. Beim Verweis vom 09.06.2006, Einräumen der Außenplatzierung 15 Minuten vor Ladenschluss, handelt es sich um eine Reaktion, die zwar nicht unsachlich ist, aber als überzogen bewertet werden kann.
Die Abmahnung vom 27.11.2006 betrifft die fehlende Kennzeichnung einer Getränkepackung als Fremdkauf. Hier mag man streiten, ob der Vorgang als Abmahnung unverhältnismäßig geahndet ist oder ob ein mündlicher Hinweis ausgereicht hätte. Unsachliche, schikanöse Tendenzen jedenfalls sind auch hier nicht erkennbar.
Mit weiterem Schreiben vom 27.11.2006 wird die Ordnung und Sauberkeit in der Verkaufsstelle beanstandet. Wenn dort beispielsweise gerügt ist, dass sich auf dem Pausentisch eine Kaffeetasse mit erheblicher Schimmelbildung befunden hat, dann kann die Erwiderung der Klägerin mit Hinweis auf Unterbesetzung der Verkaufsstelle kaum überzeugen.
Mit Schreiben vom 22.01.2007 ist der Klägerin ein Inventurergebnis mitgeteilt worden. Es handelt sich weder um eine Abmahnung noch um einen Verweis, sondern um eine Information, die im Rahmen einer Inventur ermittelt wurde und die an die Klägerin als Verkaufsstellenleiterin weiterzugeben war.
Die Abmahnung vom 16.04.2007 betrifft den Vorwurf, nach Ladenschluss die Alarmanlage nicht scharfgestellt zu haben. Es handelt sich offenkundig um eine berechtigte Abmahnung.
Mit Schreiben vom 31.05.2007 hat die Verkaufsleiterin eine nicht korrekte Bearbeitung/Kontrolle der MHD-Liste beanstandet. Nach Gegenvorstellung der Klägerin ist das entsprechende Hinweisschreiben aus der Personalakte entfernt worden. Weil es sich um eine sachlich gehaltene, wenn auch unberechtigte Beanstandung gehandelt hat, ein Verweis oder eine Abmahnung nicht vorliegt, kommt diesem Vorgang keine besondere Bedeutung zu.
Mit Abmahnung vom 31.05.2007 wird der Klägerin vorgehalten, Arbeitsanweisungen nicht eingehalten bzw. umgesetzt zu haben. Die Klägerin hat die Vorwürfe bestritten. Selbst wenn die Abmahnung zu Unrecht erfolgt ist, ist sie sachlich motiviert und weist keine schikanösen Tendenzen auf.
Zum Verweis vom 31.05.2007 (nicht erklärbare Kassendifferenz/Wechselgeldfehler) mag man darüber streiten, ob diese Form des schriftlichen Verweises sinnvoll ist oder ob eine mündliche Erörterung sinnvoller gewesen wäre. Entscheidend ist, dass auch dieser Verweis sachlich motiviert ist und in keiner Weise das allgemeine Persönlichkeitsrecht betrifft.
Es steht fest, dass am 23.06.2007 die Filiale nicht geöffnet werden konnte, weil die schließlich eingesetzte Vertretungskraft nicht über einen Schlüssel verfügte. Vor diesem Hintergrund ist die Abmahnung vom 05.07.2007 nicht nur verständlich, sondern auch gerechtfertigt. Der Stellungnahme der Klägerin ist nur zu entnehmen, dass sie versucht, die Organisationsverantwortung auf den Bezirksleiter abzuschieben.
Die Abmahnung vom 11.10.2007 enthält den Vorwurf der Nichtbearbeitung von Warenrückrufen. Es ist nicht ersichtlich, dass es sich um eine fehlerhafte Abmahnung handelt.
Die Abmahnung vom 13.05.2008 rügt die Delegation der Arbeitszeitplanung an eine Verkäuferin. Sie ist Teil einer langen Reihe von mehreren Abmahnungen wegen der Arbeitszeitplanung und sachlich motiviert.
Mit Schreiben vom 29.02.2008 beanstandete der Beklagte Nebentätigkeit der Klägerin als Kellnerin während der Arbeitsunfähigkeit. Das Schreiben enthält die Aufforderung zur Stellungnahme binnen einer Frist von 10 Tagen. Die Klägerin hat nicht schlüssig dargelegt, dass hier von dem Beklagten unberechtigte Vorhaltungen gemacht worden sind. Der Beklagte hat im Einzelnen dargelegt, dass die Klägerin am 09.02.2008 Gäste im D. bewirtet hat und auch eine Bestellung der Frau des Bezirksleiters aufgenommen und ausgeführt hat. Die Klägerin hat hierzu nicht im Einzelnen Stellung genommen, sie hat sich darauf beschränkt, den Vorwurf unberechtigter Nebentätigkeit zurückzuweisen und darauf hinzuweisen, dass sie über der Gaststätte wohne und sich dort manchmal auch aufhalte, bedient habe sie nicht. Zu Details, Bestellung durch die Ehefrau des Bezirksleiters bzw. durch den Bezirksleiter selbst, hat sie sich nicht geäußert. Die Klägerin hat im Ergebnis damit nicht dargelegt und unter Beweis gestellt, dass die Vorhaltungen unberechtigt waren. Es verbleibt allenfalls die Vermutung, dass der Bezirksleiter nebst Ehefrau die Gastwirtschaft aufgesucht hat zur Durchführung eines Kontrollbesuches. Das allein stellt aber kein pflichtwidriges Arbeitgeberverhalten dar.
3. Bei einer Gesamtbewertung der Vorgänge ist festzustellen, dass die Abmahnungen bzw. Verweise und Beanstandungen durchgehend sachlich motiviert sind. Viele der Abmahnungen betreffen die Arbeitszeitplanung und damit das Kerngeschäft einer Verkaufsstellenleiterin. Nur in wenigen Fällen wie bei der Zigarettenschachtel ohne Gefahrenlabel (14.10.2004) oder Nichtkennzeichnung eines Fremdeinkaufs (27.11.2006) war fraglich, ob der Sachverhalt ausreichend Anlass gab, eine Abmahnung auszusprechen. Aber selbst in diesen Fällen lagen für die Abmahnungen sachliche Gründe vor. Die Abmahnungen lassen erkennen, dass die Klägerin vom Bezirksleiter umfangreich kontrolliert worden ist. Gerade weil in erheblichem Umfange begründete Abmahnungen, Verweise oder Ermahnungen vorliegen, ergeben sich aber keine Anzeichen für eine Tendenz zur Schikane oder zur Ausübung eines psychischen Drucks, um das Arbeitsverhältnis zu beenden.
Abmahnungen, erst recht Abmahnungen in Serie, wie sie hier im Zeitraum November 2005 bis Ende 2007 erfolgt sind, sind für Arbeitnehmer psychisch belastend, sie begründen Ängste um den Arbeitsplatz. Weil die entsprechenden Schreiben sachlich formuliert sind, schikanöse Tendenzen nicht erkennbar sind und letztlich der Beklagte überwiegend Pflichtverletzungen der Klägerin zu Recht beanstandet hat, ist auch auf Grund der Vielzahl der Abmahnungen und Verweise nicht von einer pflichtwidrigen Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit auszugehen.
Abmahnungen werden häufig als Vorbereitung für Kündigungen eingesetzt und nach mehrfacher Abmahnung erfolgt der Ausspruch einer Kündigung. Allein damit ist aber vorliegend nicht zu begründen, dass die Vielzahl der Ermahnungen und Abmahnungen nur den Zweck hatte, Druck auf die Klägerin auszuüben zur Selbstaufgabe und zur Selbstkündigung. Abmahnungen müssen nicht als Kündigungsvorbereitung dienen, sie können auch dafür eingesetzt werden, die Einhaltung der arbeitsvertraglichen Pflichten für die Zukunft anzumahnen und zu sichern. Es gibt keinen Rechtssatz, dass nach einer bestimmten Anzahl von Abmahnungen eine Reaktion in Form einer Kündigung erfolgen muss. Zudem war die Klägerin als Betriebsratsmitglied ordentlich nicht kündbar, sie war nur aus wichtigem Grund und mit Zustimmung des Betriebsrates bzw. Zustimmungsersetzung durch das Arbeitsgericht kündbar. Die Bewertung, dass die vorliegenden Beanstandungen und Abmahnungen angesichts der Betriebszugehörigkeit der Klägerin bei weitem nicht ausreichend sind für eine außerordentliche Kündigung, kann nicht beanstandet werden. Gerade dann sind aber aus der Anzahl der Abmahnungen schikanöse Tendenzen nicht ableitbar.
Die Abwicklung des Arbeitsverhältnisses weist eine hohe Kontrolldichte auf - Testkäufe, Detektivüberwachung, beabsichtigte Videoüberwachung, Kontrollbesuche durch den Bezirksleiter. Ergebnis der Kontrollbesuche sind dann jeweils Abmahnungen oder Verweise oder Beanstandungen in schriftlicher Form. Die Abmahnungen auch in ihrer Vielzahl sind Teil dieses dichten Kontrollsystems, sie dienen ohne Frage der Disziplinierung der Arbeitnehmer. Ob diese Form der Personalführung sachgerecht ist, war nicht zu entscheiden. Sie kann im Ergebnis nicht als Pflichtverletzung gewertet werden, die ausreichend ist unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit Schmerzensgeldansprüche zu rechtfertigen.
Weil die Berufung zurückzuweisen war, trägt die Klägerin die Kosten des Rechtsmittels. Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 63 Abs. 2 GKG in Anwendung des § 3 ZPO.
Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.
Malewski
Ewen